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Als Ernst von Bayern im Jahr 1583 im dritten Anlauf endlich zum Erzbischof und Kurfürst von Köln gewählt worden war, begann in Kurköln die Zeit der Wittelsbacher Herrscher, die bis 1761 andauern sollte. Obwohl Ernst persönlich kaum geeigneter war als seine Vorgänger, fand während seiner Regierungszeit die Instabilität und Krisenanfälligkeit des Erzstiftes ein Ende, und die katholische Konfessionalisierung konnte sich mit einiger Verspätung nun auch in Kurköln entfalten – auch wenn er selbst daran keinen Anteil hatte, sondern die Regierungsgeschäfte bereits im Jahr 1595 seinem erst 18-jährigen Neffen Ferdinand als Koadjutor überlassen musste.
Ernst wurde am 17.12.1554 am Münchener Hof geboren, als jüngster Sohn des ehrgeizigen Herzogs Albrecht V. (1528-1579) und der Schwester Kaiser Maximilians II. (1503-1564), Erzherzogin Anna von Österreich (1528-1590). Bereits im Alter von neun Jahren genoss er eine fundierte Ausbildung am Jesuitenkolleg in Ingolstadt, die mit Lehrern wie Johannes Eck (1486-1543) oder Petrus Canisius (1521-1597) eine der bedeutendsten katholischen Ausbildungsstätten im deutschsprachigen Raum und geistiges Zentrum der Gegenreformation war. Ernst rebellierte gegen die strenge Erziehung, musste sich jedoch stets dem Willen des Vaters und seines Hauslehrers, des Löwener Philosophen Andreas Fabricius (1520-1581), fügen. Herzog Albrecht erwarb eine Vielzahl von kirchlichen Pfründen für seinen Sohn, alleine neun Domherrenstellen im ganzen Reich. In Köln wurde Ernst kurz vor Weihnachten 1565 eingeführt. Ein Jahr später wurde er, 12-jährig, Bischof von Freising, das Bistum Hildesheim folgte 1573. Um seine Bildung weltläufig zu vervollkommnen und die zumindest erforderliche Subdiakonatsweihe zu empfangen, schickte sein Vater ihn 1574/1575 nach Rom.
Briefe und Unterlagen aus dieser römischen Zeit offenbaren den Charakter des jungen Herzogs als lebensfroh, gefällig und munter. Aus seiner Wohnung im Vatikan soll er sich des Öfteren mit Hilfe einer Strickleiter geschlichen haben, um sich in der spiel- und abenteuerfreudigen römischen Gesellschaft zu vergnügen: beim Würfel- oder Kartenspiel, aber auch mancher Liebschaft. Wohl deswegen versuchten Herzog Albrecht und Fabricius, Ernst durch eine Reihe von Vorschriften und Verboten zu gängeln und zu kontrollieren. Sich nicht unterzuordnen und bevormundender Überwachung zu entziehen, blieb, gepaart mit einer gewissen Dickköpfigkeit, ein Wesenszug auch des älteren Ernst, der ihn etwa von seinem Neffen und Nachfolger Ferdinand unterschied. Fast könnte man von einer „rheinischen Mentalität" des Bayernherzogs sprechen, obwohl er sich lieber im ruhigeren Westfalen aufhielt.
Bevor ihn das Kölner Domkapitel am 23.5.1583 einstimmig zum Erzbischof wählte, war er bereits zweimal gescheitert. 1567 war er nicht offiziell ins Rennen geschickt worden, da die Kandidatur eines 13-jährigen im Konflikt beladenen und hoch verschuldeten Kölner Erzstift kaum Erfolg versprechend war. 1577 zogen die Domherren mit Gebhard Truchsess von Waldburg einen Erzbischof vor, von dem sie sich weiterhin konfessionelle Indifferenz und die Tolerierung neugläubiger Pfründeninhaber versprachen. Das Fiasko seines Reformationsversuches, der das ohnehin arg gebeutelte Kurfürstentum in einen mehrjährigen Krieg (Kölner Krieg) führte, und die deutliche Einflussnahme von Papst Gregor XIII. (Pontifikat 1572-1585) und seines Nuntius Giovanni Francesco Bonomi (1536-1587) ließen dem Kapitel allerdings keine andere Wahl, als mit Ernst von Bayern nicht nur einen zweifelsfrei katholischen Fürsten zu wählen, der das Erzstift in eine globalere Interessenlage mit hineinziehen würde, sondern auch einen Regenten, dessen finanzieller Hintergrund dabei helfen sollte, den gordischen Knoten der notorischen Überschuldung des Territoriums zu durchschlagen. Wie sehr Ernst von höchster Seite protegiert wurde, zeigt, dass sowohl das kaiserliche Lehnsindult als auch die apostolische Bestätigung bereits im September 1583 erfolgten – obwohl Ernst zeitlebens über die Weihestufe eines Subdiakons nie hinauskam und eine im Kirchenrecht nicht zulässige Zahl von Bistümern auf sich vereinte: zu Freising, Hildesheim und Köln kamen noch Lüttich ab 1581 und Münster ab 1585. Seine Vorgänger hatten allein für die Erlangung der päpstlichen Konfirmation Jahre gebraucht oder waren, wie Friedrich IV. von Wied, sogar daran gescheitert.
Im Erzstift regierte Ernst allerdings recht planlos. Er war im Wesentlichen bemüht, die kriegerischen Auseinandersetzungen in den Griff zu bekommen, die die noch Jahre durch das Land marodierenden Truppen seines Vorgängers schürten. Dabei war ihm beinahe jedes Mittel recht, um seine eigenen und die von Spanien zur Verfügung gestellten Söldnertruppen zu bezahlen. Es ist insofern bezeichnend, dass er mit Salentin von Isenburg seinen Vorvorgänger reaktivierte und zum Statthalter des Kölner Erzstifts ernannte, wohl wissend, dass Salentins Akzeptanz am Rhein und seine realpolitischen Fähigkeiten ihm voraus waren. Ansonsten verließ Ernst sich auf aus Bayern mitgebrachte Räte, was den Unmut der Kölner Landstände, die sich von Fremden regiert fühlten, nur steigerte, und die päpstlichen Nuntien, die sich nun dauerhaft in Köln niedergelassen hatten. Er selbst zog sich zunehmend in sein Schloss Arnsberg zurück, wo er einen fürstlichen, aber mehr oder weniger ungeistlichen Lebenswandel führte. Mit seinem Bruder Wilhelm V. (1548-1626), der 1579 auf dem bayerischen Herzogsthron gefolgt war, hatte er sich überworfen und riskierte, dass dieser die enorme Summe von über 700.000 Goldgulden, die Bayern in seine kölnische Unternehmung und den Kampf gegen den Truchsessen investiert hatte, auf einen Schlag zurückforderte. Es war der Nuntius Ottavio Mirto Frangipani (gestorben 1612), der Ernst letztlich vor weiterer Bedrängnis bewahrte, indem er eine Mitregierung von dessen Neffen Ferdinand einfädelte, der 1595 als Koadjutor installiert wurde. Diese Regelung ermöglichte, Ernst von den Regierungsgeschäften fernzuhalten, der dabei aber sein Gesicht und seinen Status wahren konnte.
Mit seiner Konkubine Gertrud von Plettenberg (gestorben 1608) zog er sich fortan endgültig nach Arnsberg zurück, wo er sich von öffentlicher Kritik unbehelligt seinen Lastern, aber auch seinen vielseitigen Interessen hingeben konnte. Neben seiner Trunk- und Spielsucht, seiner Jagdleidenschaft und einer Reihe von amourösen Abenteuern stand ein ausgeprägtes Interesse an den modernen Wissenschaften wie Mathematik und Astronomie, aber auch Musik und Kunst. Seinem unbeugsamen Naturell entsprach, dass er sich um die Vereinbarungen, die im Rahmen der Einrichtung der Koadjutorie getroffen worden waren, nicht scherte. So beanspruchte er sämtliche Rechte und vor allem Einnahmen im westfälischen Teil des Kurfürstentums für sich und unternahm manchen, eher undurchsichtigen außenpolitischen Alleingang. Dabei mag ihm entgegen gekommen sein, dass Kaiser Rudolf II. (Regierungszeit 1576-1612) im Alter zur Eigenbrötlerei neigte und beide sich von daher gut miteinander verstanden haben könnten. Jedenfalls besuchte Ernst den Kaiser mehrfach auf der Prager Burg, das letzte Mal kurz vor seinem Tod. Sie starben kurz nacheinander am Jahresanfang 1612, Rudolf am 20. Januar und Ernst wenige Wochen später am 17. Februar. Mit großem Zeremoniell und Gepränge wurde er im Kölner Dom beigesetzt, wo sich sein Grab in der 2000 neu gestalteten Wittelsbachergruft unter der Achskapelle im Chorumgang befindet. Politisch hatte sein Tod keine Auswirkung: fast zwei Jahrzehnte schon hatte Ferdinand an seiner Stelle regiert, und er war zeitlebens ein Instrument der bayrischen Bistumspolitik geblieben.
Literatur (Auswahl)
Amberg, Gottfried, Tod und Begräbnis des Kurfürsten Ernst und Inthronisation seines Neffen Ferdinand von Bayern als Kurfürst in Köln im Jahre 1612, in: Kölner Domblatt 49 (1984), S. 111-128.
Bosbach, Franz, Ernst, Herzog von Bayern (1554-1612), in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648, Berlin 1996, S. 163-171.
Lojewski, Günter von, Bayerns Weg nach Köln. Geschichte der bayerischen Bistumspolitik in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert, Bonn 1962.
Lossen, Max, Der Kölnische Krieg, 2 Bände, Gotha/München 1882/1897.
Molitor, Hansgeorg, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe 1515-1688 (Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008, S. 226-238.
Schellhass, Karl, Italienische Schlendertage Ernsts von Bayern, vornehmlich auf Grund der Korrespondenz Camillo Capilupi’s mit Rom (1575), in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 10 (1907), S. 325-364.
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Bock, Martin, Ernst von Bayern, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ernst-von-bayern-/DE-2086/lido/57c6a55da11372.14570538 (abgerufen am 01.12.2024)