Eugen Ewig

Historiker und Archivar (1913-2006)

Lea Raith (Bonn)

Eugen Ewig, Porträtfoto, undatiert. (Universitätsarchiv Mainz)

Eu­gen Ewig war ein deut­scher Me­diä­vist und Ar­chi­var des 20. Jahr­hun­derts. Er lehr­te als Pro­fes­sor für Mit­tel­al­ter­li­che Ge­schich­te an den Uni­ver­si­tä­ten Mainz und Bonn und war In­itia­tor und Grün­der des Deut­schen His­to­ri­schen In­sti­tuts in Pa­ris. Er ver­mit­tel­te nach dem zwei­ten Welt­krieg so­wohl auf po­li­ti­scher als auch auf wis­sen­schaft­li­cher Ebe­ne zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich und be­ton­te die Ge­mein­sam­kei­ten des ger­ma­ni­schen und des ro­ma­ni­schen Sprach­raums auch in sei­ner For­schung. Er gilt bis heu­te als ei­ner der bes­ten Ken­ner der Me­ro­win­ger­zeit.

Eu­gen Ewig wur­de am 18.5.1913 in Bonn als Sohn des ka­tho­li­schen Kauf­manns Fritz Ewig (1886-1924) und des­sen Frau Eu­ge­nie (1889-1969) ge­bo­ren. 1931 er­warb er am Bon­ner Beet­ho­ven-Gym­na­si­um das Ab­itur und be­gann an der Uni­ver­si­tät Bonn ein Stu­di­um der Ge­schich­te, Ger­ma­nis­tik, Ro­ma­nis­tik und Phi­lo­so­phie. Ewig ge­hör­te wäh­rend sei­ner Stu­di­en­zeit dem Ka­tho­li­schen Deut­schen Stu­den­ten­ver­ein Lan­ge­m­arck Bonn und dem Ka­tho­li­schen Jung­män­ner­bund an.

Ne­ben ei­nem Fe­ri­en­kurs in Di­jon mit Auf­ent­halt in Pa­ris, den er spä­ter als prä­gen­des Er­leb­nis be­schrieb, wa­ren es Her­mann Platz, Pro­fes­sor für Fran­zö­si­sche Geis­tes- und Ge­sell­schafts­ge­schich­te, und Ernst Ro­bert Cur­ti­us, Pro­fes­sor für Ro­ma­ni­sche und Mit­tel­la­tei­ni­sche Phi­lo­lo­gie, die Ewigs le­bens­lan­ges In­ter­es­se an fran­zö­si­scher Kul­tur und Ge­schich­te so­wie sei­ne fran­ko­phi­le Ein­stel­lung för­der­ten. Gro­ßen Ein­fluss auf ihn hat­te auch Wil­helm Le­vi­son, Pro­fes­sor für Mit­tel­al­ter­li­che Ge­schich­te, der sein In­ter­es­se für das Früh­mit­tel­al­ter weck­te. 1936 schloss Ewig sei­ne von Le­vi­son be­treu­te, al­ler­dings im spä­te­ren Mit­tel­al­ter an­ge­sie­del­te Dis­ser­ta­ti­on über den bel­gi­schen Kar­täu­ser Dio­ny­si­us von Ro­er­mond (1402/1403-1471) ab. Da Le­vi­son 1935 auf­grund sei­ner jü­di­schen Her­kunft aus dem Amt ge­drängt wor­den war, nahm Max Brau­bach die Prü­fung in Stell­ver­tre­tung ab, ob­wohl das Haupt­gut­ach­ten selbst­ver­ständ­lich aus Le­vi­sons Fe­der stamm­te, wie Ewig sich spä­ter er­in­ner­te. Zu Le­vi­son, der 1939 nach Eng­land flie­hen muss­te, hielt er wie sei­ne Stu­di­en­kol­le­gen Paul Egon Hü­bin­ger und Theo­dor Schief­fer bis zu des­sen Tod 1947 en­gen Kon­takt.

Von 1936 bis 1938 war Ewig Hilfs­as­sis­tent am His­to­ri­schen Se­mi­nar in Bonn. Da er im na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land kei­ne Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten an ei­ner Hoch­schu­le für sich sah, leg­te Ewig 1938 das Staats­ex­amen ab, ent­schied sich aber ge­gen den Weg in die Schu­le. Statt­des­sen be­müh­te er sich um ei­ne Aus­bil­dung zum Ar­chi­vas­ses­sor in Ber­lin-Dah­lem, die er nach ei­nem Jahr War­te­zeit schlie­ß­lich an­tre­ten konn­te. Ewig gab spä­ter an, wäh­rend sei­ner Aus­bil­dung die Auf­nah­me­pa­pie­re für die NS­DAP un­ter­schrie­ben zu ha­ben, wie es auch vie­le sei­ner Kol­le­gen ta­ten, die auf ei­ne Be­am­ten­kar­rie­re hoff­ten. Al­ler­dings scheint die Auf­nah­me aus un­be­kann­ten Grün­den nicht statt­ge­fun­den zu ha­ben. Er war wie sein Stu­di­en­kol­le­ge Theo­dor Schief­fer und sein spä­te­rer Vor­ge­setz­ter Hein­rich Bütt­ner (1908-1970) Mit­glied der Ar­chiv­schutz­kom­mis­si­on, die den Auf­trag hat­te, Ar­chi­va­li­en deut­scher Pro­ve­ni­enz nach Deutsch­land zu­rück­zu­brin­gen. Nach der Aus­bil­dung trat er 1940 sein Re­fe­ren­da­ri­at in Bres­lau an, bat aber noch im sel­ben Jahr um die Ver­set­zung, vor­zugs­wei­se in sei­ne rhei­ni­sche Hei­mat. Über die Ver­mitt­lung Wil­helm Kis­kys, dem Lei­ter der 1928 ge­grün­de­ten Ar­chiv­be­ra­tungs­stel­le der Pro­vin­zi­al­ver­wal­tung, des heu­ti­gen LVR-Ar­chiv­be­ra­tungs- und Fort­bil­dungs­zen­trums, konn­te er ei­ne Stel­le bei Aloys Rup­pel (1882-1977), dem Di­rek­tor des Staats­ar­chivs in Metz an­tre­ten. Sei­ner zwi­schen­zeit­li­chen Ein­be­ru­fung zur Wehr­macht ent­ging er dank der Dia­gno­se ei­nes an­ge­bo­re­nen Herz­feh­lers. Rup­pel ver­ließ Metz be­reits 1942. Der zu sei­nem Nach­fol­ger er­nann­te Bütt­ner wur­de kurz dar­auf zum Wehr­dienst ein­ge­zo­gen und trat das Amt da­her nie wirk­lich an, wes­halb Ewig für ei­ni­ge Jah­re die kom­mis­sa­ri­sche Lei­tung des Met­zer Ar­chivs über­nahm.

In die­ser Zeit ent­stan­de­ne Bei­trä­ge le­gen na­he, dass Ewig sich zwar am wis­sen­schaft­li­chen Dia­log der NS-Zeit be­tei­lig­te, sich der Ideo­lo­gie aber be­harr­lich ver­wei­ger­te und statt­des­sen die Ei­gen­stän­dig­keit des Loth­rin­gi­schen Raums und des Rhein­lands und ih­re Ver­bun­den­heit mit Frank­reich un­ter­strich. 1944 ver­öf­fent­lich­te er ei­ne Ab­hand­lung über die Ver­schie­bung der Sprach­gren­ze in Loth­rin­gen, die der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Vor­stel­lung wi­der­sprach, Lud­wig XIV (1638-1715). ha­be aus na­tio­na­ler Ge­sin­nung dort nach dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg ge­zielt Fran­zo­sen an­ge­sie­delt. Ein Bei­trag über Metz im Mit­tel­al­ter wur­de von der Re­dak­ti­on der NSZ West­mark so stark über­ar­bei­tet und den na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Vor­ga­ben an­ge­passt, dass Ewig je­de Ver­ant­wor­tung da­für zu­rück­wies.

Ewig er­leb­te im No­vem­ber 1944 die Ent­schei­dungs­schlacht um Metz im Kel­ler der Prä­fek­tur, wo auch das Ar­chiv un­ter­ge­bracht war. Er han­del­te als ein­zi­ger vor Ort, der Eng­lisch be­herrsch­te, mit den Ame­ri­ka­nern die Be­din­gun­gen für die Ka­pi­tu­la­ti­on aus, was ihm ei­nen Ein­trag in die schwar­ze Lis­te der Gau­lei­tung West­mark ein­brach­te. Als deut­scher Zi­vi­list kurz­zei­tig in­ter­niert, wur­de er auf Ver­mitt­lung sei­ner Met­zer Freun­de und ver­mut­lich auch Ro­bert Schu­manns (1886-1963), dem er per­sön­lich aus dem In­ter­nie­rungs­la­ger in Su­z­an­ge ge­schrie­ben hat­te, aber be­reits am 1.1.1945 frei­ge­las­sen.

In der un­mit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit ge­hör­te Ewig zu den Be­für­wor­tern ei­nes Rhe­in­staats, der un­ab­hän­gig sein soll­te von dem von Ber­lin do­mi­nier­ten preu­ßi­schen Zen­tral­staat. Über­haupt war Ewig ein Geg­ner al­les Preu­ßi­schen, was nicht nur durch den kon­fes­sio­nel­len Ge­gen­satz zwi­schen dem preu­ßi­schen Pro­tes­tan­tis­mus und dem ka­tho­li­schen Rhein­land be­grün­det war. Das Rhein­land sah Ewig durch das Preu­ßen­tum in sei­ner na­tür­li­chen Ver­mitt­ler­rol­le zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich und als ei­ne Kern­re­gi­on Eu­ro­pas ge­fähr­det. Die rhei­ni­sche Frei­heit wür­de end­lich zu ei­ner wich­ti­gen Vor­stu­fe zur eu­ro­päi­schen Fö­de­ra­ti­on […]. Die Auf­recht­er­hal­tung des preu­ßi­schen Zen­tra­lis­mus droh­te da­ge­gen un­se­re rhei­ni­sche Ei­gen­art im Kern zu tref­fen und al­le Brü­cken nach Wes­ten de­fi­ni­tiv ab­zu­schnei­den. Die­se Zei­len rich­te­te er 1945 an Paul Egon Hü­bin­ger, der zu je­ner Zeit per­sön­li­cher Re­fe­rent des Ober­prä­si­den­ten der Nord-Rhein­pro­vinz war. Zu­dem stand Ewig in Kon­takt mit dem fran­zö­si­schen His­to­ri­ker Graf Jean de Pan­ge (1881-1957), der den rhei­ni­schen Pa­trio­tis­mus un­ter­stütz­te. Die­ser emp­fahl ihn wie­der­um Ray­mond Schmitt­lein (1904-1974), dem Lei­ter der Kul­tur­ab­tei­lung der fran­zö­si­schen Mi­li­tär­re­gie­rung, in de­ren Auf­trag Ewig dar­auf­hin ein Schul­buch über die rhei­ni­sche Ge­schich­te er­ar­bei­te­te.

 

Im Ja­nu­ar 1946 über­nahm Ewig als ers­ter Deut­scher nach dem Krieg schlie­ß­lich ei­ne Stel­le in der fran­zö­si­schen Wis­sen­schaft, für die er von der Mi­li­tär­re­gie­rung ei­gens ei­nen Pas­se­port aus­ge­stellt be­kam. Der fran­zö­si­sche Ger­ma­nist Ro­bert Min­der (1902-1980) und der ehe­mals in Bonn für Cur­ti­us tä­ti­ge Hen­ri Jour­dan (1901-1993) hat­ten ihm ei­ne Lek­to­ren­stel­le an der Uni­ver­si­tät Nan­cy ver­mit­telt, die er bis 1949 in­ne­hat­te. Im sel­ben Jahr wur­de ihm an der neu zu grün­den­den Uni­ver­si­tät Mainz ei­ne Stel­le an­ge­bo­ten. Seit der Er­öff­nung am 22.5.1946 fun­gier­te Ewig dort als Oberas­sis­tent, wo­bei er be­son­ders Ver­an­stal­tun­gen zur Lan­des­ge­schich­te des Nie­der­rheins und zu den his­to­ri­schen Hilfs­wis­sen­schaf­ten ab­hielt. Dar­über hin­aus scheint er nicht un­er­heb­li­chen Ein­fluss auf die Stel­len­be­set­zung der neu­en Uni­ver­si­tät be­ses­sen und sei­ne gu­ten Kon­tak­te zur fran­zö­si­schen Mi­li­tär­re­gie­rung ge­nutzt zu ha­ben, um Hein­rich Bütt­ner, Paul Egon Hü­bin­ger und Theo­dor Schief­fer zu ih­ren Pro­fes­su­ren in Mainz zu ver­hel­fen. Ei­nen Ruf an die Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des lehn­te Ewig 1948 ab. 1952 ha­bi­li­tier­te er sich bei Leo Just über Trier in der Me­ro­win­ger­zeit und trat zwei Jah­re spä­ter die Nach­fol­ge Theo­dor Schief­fers, der ei­nem Ruf nach Köln ge­folgt war, als Or­di­na­ri­us in Mainz an.

Ewig pfleg­te kon­ti­nu­ier­lich den Kon­takt mit sei­nen fran­zö­si­schen Kol­le­gen und be­tä­tig­te sich un­er­müd­lich als Ver­mitt­ler. Er war Teil der vor al­lem in Wis­sen­schaft und Kul­tur pro­mi­nen­ten Be­we­gung, die aus den Trüm­mern der „Erb­feind­schaf­t“ zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich ei­nen neu­en eu­ro­päi­schen Ge­dan­ken ent­ste­hen las­sen woll­te, der be­son­ders ge­tra­gen wer­den soll­te von der deutsch-fran­zö­si­schen Ver­stän­di­gung. „Eu­ro­pa“ war für den über­zeug­ten Ka­tho­li­ken da­bei gleich­be­deu­tend mit „Abend­lan­d“. Den pro­gram­ma­ti­schen Auf­satz „Land­schaft und Stamm in der deut­schen Ge­schich­te“ ließ er 1950 Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nau­er zu­kom­men und wies in sei­nem Be­gleit­schrei­ben auf die Be­deu­tung ei­ner abend­län­disch an­statt na­tio­nal ori­en­tier­ten Ge­schichts­schrei­bung hin. Mit Ade­nau­er war er noch auf an­de­re Wei­se ver­bun­den. So hei­ra­te­te er zum ei­nen 1951 die Toch­ter von des­sen Leib­arzt, Til­de Mar­ti­ni (1919-2006). Zum an­de­ren ver­mit­tel­te er zwi­schen dem Kanz­ler und Ro­bert Schu­man, der in­zwi­schen fran­zö­si­scher Au­ßen­mi­nis­ter ge­wor­den war, und mit dem er den Kon­takt seit 1945 ge­pflegt hat­te. Die Wert­schät­zung, die Ewig auch auf po­li­ti­scher Ebe­ne ge­noss, zeigt sich dar­in, dass er als Kul­tur­re­fe­rent in Pa­ris vor­ge­schla­gen wur­de, ei­ne Stel­le, die er aus Rück­sicht auf sei­ne Fa­mi­lie und sei­ne Wis­sen­schaft­li­che Be­tä­ti­gung al­ler­dings aus­schlug.

Sei­ne aus­ge­zeich­ne­ten Ver­bin­dun­gen nutz­te Ewig auch, um spä­tes­tens seit 1952 auf die In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung der deutsch-fran­zö­si­schen His­to­ri­ker­be­zie­hun­gen hin­zu­ar­bei­ten. Nach lan­gen Ver­hand­lun­gen und im­mer wie­der neu­en Hin­der­nis­sen grün­de­te Ewig ge­mein­sam mit Gerd Tel­len­bach (1903-1999) und Max Brau­bach am 2.4.1957 in Mainz die Wis­sen­schaft­li­che Kom­mis­si­on zur Er­for­schung der Ge­schich­te der deutsch-fran­zö­si­schen Be­zie­hun­gen, zu der sich zwei Jah­re spä­ter auch Paul Egon Hü­bin­ger ge­sell­te, und der Ewig als Ge­schäfts­füh­rer vor­stand. Die de­zi­diert uni­ver­si­tär und nicht dem Goe­the-In­sti­tut und da­mit dem Aus­wär­ti­gen Amt an­ge­schlos­se­ne For­schungs­stel­le wur­de nichts­des­to­trotz ma­ß­geb­lich un­ter­stützt von Kon­rad Ade­nau­er und Ro­bert Schu­man und 1958 of­fi­zi­ell er­öff­net. 1964 wur­de die For­schungs­stel­le als Deut­sches His­to­ri­sches In­sti­tut (DHI) in ein Bun­des­in­sti­tut um­ge­wan­delt. Ewigs Pri­vat­pa­pie­re sind ein be­deu­ten­des Zeug­nis für die Grün­dungs­ge­schich­te des DHI, das 2007 ei­nen Teil der Do­ku­men­te auch pu­bli­zier­te.

Die Merowinger im Frankenreich, Buchcover, 2012. (Kohlhammer-Verlag)

 

Als 1964 Hel­mut Be­u­mann (1912-1995) als Pro­fes­sor für Mit­tel­al­ter­li­che Ge­schich­te in Bonn eme­ri­tiert wur­de, wur­de Ewig als sein Nach­fol­ger be­ru­fen. Sei­ne Per­so­nal­ak­te ist auf­fäl­lig dünn und ent­hält le­dig­lich die ob­li­ga­to­ri­schen An­trä­ge auf For­schungs­se­mes­ter und Mit­tei­lun­gen an den De­kan über neue Eh­run­gen und Aus­zeich­nun­gen. Sei­nem in­ter­na­tio­na­len Re­nom­mee zum Trotz galt er als un­auf­fäl­lig und un­po­li­tisch. Von den stu­den­ti­schen Pro­tes­ten der spä­te­ren 1960er Jah­re blieb er bis auf we­ni­ge Aus­nah­men un­be­hel­ligt. Ne­ben sei­nem nie ab­neh­men­den En­ga­ge­ment für die deutsch-fran­zö­si­sche Ge­schichts­schrei­bung ar­bei­te­te er in Bonn eng mit dem Bon­ner In­sti­tut für ge­schicht­li­che Lan­des­kun­de zu­sam­men, aus dem 2005 die Ab­tei­lung für Rhei­ni­sche Lan­des­ge­schich­te des In­sti­tuts für Ge­schichts­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Bonn her­vor­ge­gan­gen ist. Er be­treu­te im Lauf sei­ner Kar­rie­re 18 Dis­ser­ta­tio­nen so­wie zwei Ha­bi­li­ta­tio­nen. Neun sei­ner Schü­ler er­hiel­ten spä­ter selbst ei­ne Pro­fes­sur in Mit­tel­al­ter­li­cher Ge­schich­te. Ewig wur­de 1980 eme­ri­tiert, blieb aber bis 1983 im Wis­sen­schaft­li­chen Bei­rat des DHI in Pa­ris ak­tiv und be­tä­tig­te sich bis kurz vor sei­nem Tod 2006 auch wei­ter­hin wis­sen­schaft­lich.

In rund 70 Jah­ren pro­du­zier­te Ewig über hun­dert For­schungs­bei­trä­ge in deut­scher und fran­zö­si­scher Spra­che, oft zu rhei­ni­schen The­men. Prä­gend wa­ren da­bei vor al­lem sei­ne Ar­bei­ten über die Me­ro­win­ger­zeit, wo­bei er stets die Kon­ti­nui­täts­li­ni­en zur rö­mi­schen Kai­ser­zeit be­ton­te, so­wie über die christ­li­chen Grund­la­gen des mit­tel­al­ter­li­chen Kö­nig- und Kai­ser­tums. Er ge­hör­te zu den ers­ten His­to­ri­kern, die kon­se­quent bei­der­seits der Epo­chen­gren­ze von Spät­an­ti­ke und Früh­mit­tel­al­ter ar­bei­te­ten und ent­ge­gen na­tio­na­ler In­ter­es­sen die Ge­mein­sam­keit der deutsch-fran­zö­si­schen Ge­schich­te in Eu­ro­pa be­ton­ten. Sei­ne Ent­schei­dung für das Früh­mit­tel­al­ter, wie einst sein Men­tor Le­vi­son, kam nicht von un­ge­fähr, hoff­te er doch die Grund­la­gen der eu­ro­päi­schen Ein­heit her­aus­zu­ar­bei­ten, ein neu­es Ge­schichts­bild mit­zu­prä­gen und da­durch auch an der Ge­stal­tung der Zu­kunft mit­zu­wir­ken.

Me­tho­disch be­weg­te er sich stets nah an den Quel­len. Be­reits 1955 for­der­te er die Ver­ei­ni­gung der ver­schie­dens­ten ge­schicht­li­chen Dis­zi­pli­nen, dach­te al­so als ei­ner der ers­ten deut­schen His­to­ri­ker kon­se­quent in in­ter­dis­zi­pli­nä­ren Bah­nen. Sei­nem Un­ter­su­chungs­ge­gen­stand war es ge­schul­det, dass er al­le ver­füg­ba­ren, zum Teil auch deut­lich spä­te­re Quel­len her­an­zie­hen muss­te, de­nen er trotz­dem ein ge­wis­ses Grund­ver­trau­en ent­ge­gen­brach­te. Er ach­te­te da­her stets dar­auf, in Plau­si­bi­li­tä­ten und nicht Ab­so­lu­ten zu spre­chen. Sei­ne nüch­ter­ne Me­tho­dik hat bis heu­te we­nig Kri­tik her­vor­ge­ru­fen. Kei­ne Be­geis­te­rung hat­te er hin­ge­gen für Theo­rie­bil­dun­gen und ge­schichts­wis­sen­schaft­li­che „Turn­s“. Oder, wie Ru­dolf Schief­fer es aus­drück­te: Me­tho­do­lo­gi­sches Ge­rä­te­tur­nen war ihm fremd. Er­wäh­nens­wert ist auch, dass er ne­ben der wis­sen­schaft­li­chen Ar­beit in­vol­viert war in die Er­stel­lung von Lehr­bü­chern für den Ge­schichts­un­ter­richt, um so für wei­te­re Ge­ne­ra­tio­nen den Grund­stein ei­nes eu­ro­päi­schen Be­wusst­seins zu le­gen.

Zu sei­nen zahl­rei­chen Aus­zeich­nun­gen und Eh­run­gen auf fran­zö­si­scher wie auf deut­scher Sei­te ge­hört un­ter an­de­rem das ihm 1985 ver­lie­he­ne Bun­des­ver­dienst­kreuz I. Klas­se, das er aus Pro­test ge­gen die Ver­le­gung der Haupt­stadt von Bonn nach Ber­lin 1991 zu­rück­gab. Dar­über hin­aus wur­den ihm der sel­ten ver­lie­he­ne Rang ei­nes Mem­bre étran­ger der Aca­dé­mie des In­scrip­ti­ons et Bel­les-Lettres in Pa­ris und ei­nes Ché­va­liers de l’Ord­re des Pal­mes Aca­dé­mi­que ver­lie­hen, so­wie Eh­ren­dok­tor­wür­den in Lö­wen, Tou­lou­se und Fri­bourg. Er war Mit­glied zahl­rei­cher wis­sen­schaft­li­cher Ver­ei­ni­gun­gen, dar­un­ter die Ge­sell­schaft für Mit­tel­rhei­ni­sche Kir­chen­ge­schich­te (Prä­si­dent), das Deut­sche Ar­chäo­lo­gi­sche In­sti­tut, das In­si­tut Grand-Du­cal Lu­xem­burg (Eh­ren­mit­glied) so­wie die Rhei­nisch-West­fä­li­sche Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, und kor­re­spon­die­ren­des Mit­glied in zahl­rei­chen Aka­de­mi­en des In- und Aus­lan­des. 2018 be­nann­te das DHI in Pa­ris ihm zu Eh­ren sein Post­doc-For­schungs­sti­pen­di­um um in Eu­gen-Ewig-Sti­pen­di­um. In den Bei­trä­gen sei­ner Freun­de und Schü­ler zu sei­nem 75. und sei­nem 90. Ge­burts­tag so­wie in den Ne­kro­lo­gen nach sei­nem Tod wird Ewig nicht nur auf­grund sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Leis­tun­gen ge­ehrt, son­dern es wer­den stets auch sei­ne Lie­bens­wür­dig­keit so­wie sei­ne wis­sen­schaft­li­che und mensch­li­che In­te­gri­tät be­tont. 

Eu­gen Ewig starb am 1.3.2006 und wur­de im Fa­mi­li­en­grab auf dem Pop­pels­dor­fer Fried­hof in Bonn-Pop­pels­dorf bei­ge­setzt.

Schriften (Auswahl):

Ein voll­stän­di­ges Schrif­ten­ver­zeich­nis in: Köl­zer, Theo/Nonn, Ul­rich, Schrif­ten­ver­¬zeich­nis Eu­gen Ewig, in: Fran­cia 34/1 (2007), S. 237–244.

Die An­schau­un­gen des Kar­täu­sers Dio­ny­si­us von Ro­er­mond über den christ­li­chen Ordo in Staat und Kir­che, Bonn 1936.

Trier im Me­ro­win­ger­reich. Ci­vi­tas, Stadt, Bis­tum, Trier 1954, Nach­druck Aa­len 1987.

Die Me­ro­win­ger und das Fran­ken­reich. Mit Li­te­ra­tur­nach­trä­gen von Ul­rich Nonn, 6., ak­tua­li­sier­te Auf­la­ge, Stutt­gart 2012.

Hart­mut Ats­ma (Hg.), Eu­gen Ewig, Spät­an­ti­kes und frän­ki­sches Gal­li­en, Band 1–2: Ge­sam­mel­te Schrif­ten (1952–1973) (Bei­hef­te der Fran­cia, Band 3.1 und 3.2), Mün­chen 1976-1979.

Be­cher, Mat­thi­as/Köl­zer, Theo/Nonn, Ul­rich (Hg.), Eu­gen Ewig, Spät­an­ti­kes und frän­ki­sches Gal­li­en, Band 3: Ge­sam­mel­te Schrif­ten (1974–2007) (Bei­hef­te der Fran­cia, Band 3.3), Ost­fil­dern 2009.  

Literatur (Auswahl):

Freund, Wolf­gang, Volk, Reich und West­gren­ze. Deutsch­tums­wis­sen­schaf­ten und Po­li­tik in der Pfalz, im Saar­land und im an­nek­tier­ten Loth­rin­gen 1925-1945 (Ver­öf­fent­li­chun­gen der Kom­mis­si­on für saar­län­di­sche Lan­des­ge­schich­te und Volks­for­schung 39), Saar­brü­cken 2006. 

In me­mo­ri­am Eu­gen Ewig (18.05.1913 – 01.03.2006). Re­den ge­hal­ten bei der Aka­de­mi­schen Ge­denk­fei­er am 1. De­zem­ber 2006 im Fest­saal der Rhei­ni­schen Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät Bonn, Bonn 2007.

Kai­ser, Rein­hold, Eu­gen Ewig. Vom Rhein­land zum Abend­land, in: Kai­ser, Rein­hold (Hg.), Das Deut­sche His­to­ri­sche In­sti­tut Pa­ris und sei­ne Grün­dungs­vä­ter. Ein per­so­nen­ge­schicht­li­cher An­satz, Mün­chen 2007, S. 199–220.

Pfeil, Ul­rich, Vor­ge­schich­te und Grün­dung des Deut­schen His­to­ri­schen In­sti­tuts Pa­ris. Dar­stel­lung und Do­ku­men­ta­ti­on (In­stru­men­ta 17), Ost­fil­dern 2007.

Pfeil, Ul­rich, Eu­gen Ewig, in: Fahl­busch, Mi­cha­el/Haar, In­go/Pin­wink­ler, Alex­an­der (Hg.), Hand­buch der völ­ki­schen Wis­sen­schaf­ten. Ak­teu­re, Netz­wer­ke, For­schungs­pro­gram­me, Band 1, 2., grund­le­gend er­wei­ter­te und über­ar­bei­te­te Auf­la­ge, Ber­lin 2017, S. 153–155.

Schief­fer, Ru­dolf, Eu­ro­päi­sche Ge­schich­te und la­tei­ni­sches Mit­tel­al­ter. Hei­te­rer Brü­cken­bau­er am Rhein. Zum acht­zigs­ten Ge­burts­tag des Bon­ner His­to­ri­kers Eu­gen Ewig, in: Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung, Nr. 114, 18.5.1993, S. 34.

Tho­mas, Heinz, Der Erb­freund. Zum neun­zigs­ten Ge­burts­tag des His­to­ri­kers Eu­gen Ewig, in: Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung, Nr. 114, 17.5.2003, S. 36.  

Deutsches Historisches Institut Paris, Vorderansicht, 2015, Foto: Philippe Ales. (CC BY-SA 4.0/ Philippe Ales)

 
Zitationshinweis

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Raith, Lea, Eugen Ewig, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/eugen-ewig/DE-2086/lido/662a132e0d30e3.25403121 (abgerufen am 15.07.2025)

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 26.06.2025, zuletzt geändert am 01.07.2025