Zu den Kapiteln
Mit der Gründung einer kleinen Landbrauerei durch Johann Peter Wallenborn (1784-1839) begann 1817 die Erfolgsgeschichte der heutigen „Bitburger Braugruppe GmbH“. Über einen Zeitraum von sieben Generationen avancierte das Familienunternehmen zu einer der größten Braugruppen der Bundesrepublik Deutschland.
Die Vorfahren von Johann Peter Wallenborn waren im 18. Jahrhundert zunächst in Oberkail (heute Kreis Bitburg-Prüm) und später im nahe gelegenen Kyllburg ansässig. Während diese noch als Gerber tätig gewesen waren, hatte Johann Peters Vater Hugo Friedrich Wallenborn den Beruf des Brauers erlernt, einen eigenen Betrieb gegründet und dort auch seinen Sohn ausgebildet. Inmitten einer politisch bewegten Zeit - als Ergebnis des Wiener Kongresses war die Eifel 1816 als Teil des Großherzogtums Niederrhein unter preußische Herrschaft gefallen - heiratete Johann Peter Wallenborn die aus Bitburg stammende Anna Katharina Post. In der Heimatstadt seiner Ehefrau gründete er in unmittelbarer Nähe des mittelalterlichen Schakentores eine Brauerei mit Ausschank zur Herstellung von obergärigem Bier. Darüber hinaus betätigte er sich zur Absicherung seiner Familie auch als Landwirt.
Drei Jahre nach dem Tod Wallenborns im Jahr 1839 - in der Zwischenzeit waren die Geschäfte durch seine Witwe Anna Katharina fortgeführt worden - heiratete Elisabeth Wallenborn (1819-1891), die Tochter des Firmengründers, den Kyllburger Brauer Ludwig Bertrand Simon (1813-1869). Ihm wurde in der Folge die Führung des Unternehmens übertragen, wobei ihn die langjährige Berufserfahrung in der Brauerei seines Onkels Johann Peter Simon für diese Aufgabe prädestinierte.
Mit der Errichtung weiterer Lagerkapazitäten in den Jahren 1842 und 1848 leitete Ludwig Bertrand Simon die Expansion des Betriebes ein, die von seinem Sohn und Nachfolger Theobald Simon (1847-1924) entscheidend fortgesetzt werden sollte.
Als eines von acht Kindern trat Theobald Simon nach einer intensiven Ausbildung zum Brauer und Kaufmann, die auch Auslandsaufenthalte in den USA und im Orient beinhaltet hatte, 1871 in das elterliche Unternehmen ein. 1876, mit 29 Jahren, übernahm er dessen alleinige Führung, derweil seine Mutter den Brauereiausschank „Zum Simonbräu“ leitete. Theobald Simon war die treibende und entscheidende Kraft bei der Umwandlung und Modernisierung des familiären Kleinbetriebes zu einer modernen Brauerei. Für die Nutzung der bahnbrechenden naturwissenschaftlichen Entdeckungen und technologischen Neuerungen seiner Epoche bewies Simon zeitlebens ein ausgeprägtes Gespür.
Mit der Errichtung eines durch Natureis gekühlten neuen Lager- und Gärkellers schuf er die Voraussetzungen für die Herstellung untergärigen Bieres. Bereits 1883 braute Simon das erste Bier „Pilsener Art“ in Bitburg. Er erkannte außerdem, dass nicht der regionale Vertrieb dauerhaft die Stütze eines modernen Unternehmens sein konnte. In der Erschließung neuer Märkte im In- und Ausland sah er dagegen den Schlüssel einer erfolgreichen Zukunft. 1891 überschritt die jährliche Gesamtproduktion erstmals die Marke von 10.000 Hektolitern. Dies bedeutete gegenüber dem Ausstoß am Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit eine Steigerung der Produktion um das Zehnfache. Zur Jahrhundertwende war die Bitburger Brauerei längst zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber in der Südeifel geworden.
Über seine geschäftliche Tätigkeit hinaus engagierte sich Theobald Simon auch auf kommunalpolitischer und sozialer Ebene, sei es als Kreistagsabgeordneter und Stadtverordneter ab 1890, als Delegierter der Trierer Handelskammer ab 1892, als Kurator der Landwirtschaftlichen Schule ab 1897 sowie als Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Kreissparkasse Bitburg. 1910 wurde er in den Rang eines Kommerzienrates erhoben, 1922 erhielt er die Ehrenbürgerwürde der Stadt Bitburg. Zwei Jahre später starb Theobald Simon als eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit im Alter von 77 Jahren.
Die Regelung der Nachfolge hatte der vorausschauende Patriarch lange zuvor getroffen. Er wusste, dass die zunehmende Komplexität seines Geschäftes eine Verteilung der Verantwortung künftig auf mehrere Schultern erforderlich machte. Aus seiner Ehe mit Amalie Servatius, Tochter eines Zigarrenfabrikanten aus Adenau, waren vier Kinder hervorgegangen. Die Söhne Josef (1879-1947) und Bertrand (1882-1958) wurden von Jugend an auf ihre künftigen Aufgaben im Unternehmen und auf die Übernahme der Geschäftsführung vorbereitet.
Mittlerweile war die Kunst des Bierbrauens im Deutschen Reich zu einem eigenständigen akademischen Studiengang erhoben worden. Derweil Josef Simon bis 1899 an der „Königlich Bayerischen Akademie für Landwirtschaft und Brauerei“ in München-Weihenstephan studiert hatte, schickte der Vater den jüngeren Sohn Bertrand in die „Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei“ in Berlin, wo er 1904 mit „ausgezeichnetem Erfolg“ sein Examen bestand. Bereits im darauf folgenden Jahr heiratete er Anna Clara Zangerle (1882-1963), Tochter des Inhabers der Bitburger Bavaria Brauerei. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Die zeitgleich geschlossene Ehe Josef Simons und dessen Ehefrau Mathilde Hubertine Neumann blieb kinderlos.
1907 wurden die Brüder von ihrem Vater zu Teilhabern der OHG „Theobald Simon, Simonbräu, Bayerische Lagerbierbrauerei Bitburg“ ernannt. Ab 1914 nahmen beide als Soldaten am Ersten Weltkrieg teil. Josef Simon erhielt 1916 für seine militärischen Verdienste das Eiserne Kreuz II. Klasse, Bertrand Simon wurde unter anderem 1917 mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet. Zunächst noch an der Seite ihres Vaters und nach dessen Tod als Alleininhaber, führten sie die Brauerei schließlich erfolgreich durch die schweren Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre.
Unter ihrer Führung setzte das Unternehmen auch in den Bereichen Forschung und Qualitätssicherung neue Standards. Noch zu Lebzeiten ihres Vaters war 1921 das erste betriebseigene Labor eingerichtet werden, Josef Simon hatte zwei Jahre zuvor ein optimiertes Fasskontrollsystem eingeführt. Seinem Bruder gelang in den 1920er Jahren mit der Entwicklung des so genannten „Simon-Späners“ ein patentiertes Verfahren zur Klärung des Bieres im Lagerfass.
Bereits Theobald Simon hatte die Bedeutung der Werbung für sein Unternehmen erkannt und erste Zeitungsanzeigen schalten lassen, seine Söhne setzten diesen Weg konsequent fort. Der Ausschank von Bitburger Pils im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten des Nürburgrings im Jahr 1927 markiert den Beginn eines intensiven und breit gefächerten Engagements des Unternehmens sowohl im Spitzen- als auch im Breitensport. Seit ihrer Einführung im Jahr 1929 ist die Werbefigur des „Genießers“ zum unverwechselbaren Element der Marke Bitburger geworden.
Auch in ihrem kommunalpolitischen Engagement traten die Söhne erfolgreich in die Fußstapfen ihres Vaters. Während Bertrand Simon unter anderem seit 1930 der IHK Trier angehörte und ihm in Anerkennung seines vielseitigen kommunalpolitischen und sozialen Wirkens 1955 die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt verliehen wurde, hatte Josef Simon bereits 1916 die öffentlichen Ämter seines erkrankten Vaters übernommen und fungierte unter anderem als Stadtverordneter und als Mitglied des Provinziallandtages.
Dem eigenen Beispiel folgend, wurden die Söhne Bertrand Simons frühzeitig an die Unternehmensspitze herangeführt. Theobald (1906-1978) und Hanns Simon (1908-1989) hatten eine intensive kaufmännische und akademische Ausbildung durchlaufen und waren bereits 1935 zu Teilhabern ernannt wurden. 1941 folgte ihnen ihr jüngerer Bruder Bert Simon (1913-1970). In dieser Zeit wurde die Umwandlung zu einer Versandbrauerei vollzogen und 1938 erstmals eine Jahresproduktion von 100.000 Hektolitern erreicht. Auf der Weltausstellung in Paris 1937 wurde das Unternehmen mit einer Goldenen Medaille ausgezeichnet.
Der Zweite Weltkrieg stellte eine schwere Zäsur dar. Die Brauerei war durch alliierte Bombenangriffe 1944 nahezu vollständig zerstört worden. Hanns und Bert Simon waren in Kriegsgefangenschaft geraten und kehrten erst 1946 beziehungsweise 1948 nach Bitburg zurück. Ihr Onkel Josef Simon erlag 1947 im Alter von 68 Jahren einem Herzinfarkt. Nicht nur die schweren Zerstörungen, sondern auch die Beschlagnahmung technischen Geräts durch die französische Besatzungsmacht erschwerten einen erfolgreichen Neuanfang, der dennoch unter großen Anstrengungen und dank des starken Zusammenhalts von Unternehmensleitung und Belegschaft gelang. Nachdem bereits im August 1945 das erste Dünnbier produziert werden konnte, dauerte es noch vier Jahre, ehe im Jahr 1949 wieder vollwertiges Bier gebraut und an die qualitativen Standards der Vorkriegszeit angeknüpft werden konnte. In den Jahren des bundesdeutschen Wirtschaftswunders gelang der Bitburger Brauerei unter der neuen Führung der Aufstieg zu einem führenden nationalen Unternehmen, welches sich auch an den internationalen Märkten erfolgreich zu etablieren verstand.
Die Aufgaben in der Geschäftsleitung wurden aufgeteilt, wobei sich die Fähigkeiten der drei Brüder hervorragend ergänzten. Theobald Simon zeichnete als promovierter Volks- und Betriebswirt für die Ressorts Absatz, Finanzen und Marketing verantwortlich. Den Doktorgrad hatte er 1930 an der Universität Köln bezeichnenderweise mit einer Arbeit zum Thema „Die Werbung der Brauereien“ erlangt. Sein Bruder Hanns hatte sich dagegen in Berlin dem Studium der Chemie gewidmet. 1935 promovierte er dort mit seiner Schrift „Über die protoelytischen Enzyme des Darrmalzes“. Er übernahm die Zuständigkeit für Technik und Produktion, außerdem den Bereich Personal. Bert Simon, der als Diplomlandwirt zunächst für die Verwaltung der landwirtschaftlichen Güter der Familie vorgesehen war, die jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegeben wurden, bekam die Verantwortung für den Vertrieb übertragen.
1951 präsentierte Bitburger auf der ANUGA in Köln den ebenso einprägsamen wie sich als zeitlos erweisenden Slogan „Bitte ein Bit“, dessen Werbewirksamkeit auch im 21. Jahrhundert ungebrochen ist.
Das Unternehmen erlebte einen ungebrochenen Aufschwung. 1967 erreichte die Jahresproduktion bereits eine Marke von 400.000 Hektoliter, konnte in den folgenden Jahren mehr als verdoppelt und bis 1973 auf eine Million Hektoliter gesteigert werden. Nach dem Tod Bert Simons im Jahr 1970 erfolgte im Jahr darauf die Umwandlung des Unternehmens in eine GmbH unter der Geschäftsführung von Theobald und Hanns Simon, die jedoch ihrerseits an die Familientradition anknüpften und die nachrückende junge Generation in die geschäftlichen Prozesse einzubinden begannen.
1975 übernahm die sechste Generation die Führung der Brauerei. Die bewährte Gliederung in eine Dreierspitze wurde beibehalten. Neben dem promovierten Brauingenieur Axel Simon (geboren 1943), Sohn von Bert Simon, rückten auch die Schwiegersöhne von Hanns und Theobald Simon, Michael Dietzsch und Thomas Niewodniczanski, in die Geschäftsführung auf. Dessen Sohn Jan Niewodniczanski verantwortet als Vertreter der siebten Familiengeneration seit 2007 das Ressort Technik der Bitburger Braugruppe.
In den letzten Jahrzehnten konnte der kontinuierliche Ausbau des Unternehmens durch die Errichtung einer neuen Produktionsstätte, die Erweiterung des Sortiments und die Erschließung des Wachstumsmarktes nichtalkoholischer Getränke erfolgreich fortgesetzt werden. Gegenwärtig liegt die Jahresproduktion bei rund vier Millionen Hektolitern. Nach der Übernahme mehrerer namhafter Brauereien zählt die „Bitburger Braugruppe GmbH“ heute zu den führenden deutschen Getränkekonzernen. Ihre Produkte werden weltweit in 56 Länder exportiert, unter anderem bedient das Unternehmen neben dem europäischen auch den amerikanischen, australischen und asiatischen Markt.
Das kulturelle und soziale Engagement des Unternehmens ist vielfältig. So verfolgt die 1968 von Hanns Simon gegründete und nach ihm benannte „Dr.-Hanns-Simon-Stiftung“ die Förderung gemeinnütziger Zwecke, das 1976 eingeweihte „Haus Beda“ in Bitburg wurde zu einem überregional bekannten kulturellen Zentrum der Südeifel.
Literatur
Dehnke, Katharina / Tappe, Heinrich, Artikel: Simon, Brauereiunternehmer, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 428-429.
Henle, Dietmar / Dehnke, Katharina, Chronik der Bitburger Brauerei. Brautradition seit 1817, Köln 2003.
Simon, Theobald, Die Werbung der Brauereien, Dissertationsschrift, Nürnberg 1931.
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Thomann, Björn, Familie Simon, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-simon/DE-2086/lido/57c95161ecee75.58861568 (abgerufen am 12.12.2024)