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Anfänge der Familie
Angehörige der seit dem Ende des 16. Jahrhunderts nachweisbaren Familie von der Heydt aus Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) waren über mehrere Generationen bedeutende Politiker, Bankiers und Mäzene. Mit ihrem Namen wird heute das von der Heydt-Museum in Wuppertal und das Bankhaus von der Heydt verbunden.
Die Familie von der Heydt hat ihren Namen „von der Heide", abgeleitet von einem Flecken auf den Südhöhen Barmens (heute Stadt Wuppertal), von dem sie einst in das benachbarte Elberfeld zog. Zum ersten Mal wird der Name 1597 erwähnt. In Elberfeld gelangte die Familie zu Wohlstand. Johannes von der Heydt (1730-1810), der eine Waffelbäckerei betrieb, konnte seinen Söhnen Daniel Heinrich (1767-1832) und Johann Abraham Wilhelm (1771-1850) eine kaufmännische Ausbildung finanzieren. Daniel Heinrich lernte unter anderem in Stuttgart und Frankfurt das Bank- und Warengeschäft. Er heiratete 1794 Wilhelmine Kersten (1771-1854), Tochter des Kaufmannes Abraham Kersten (1733-1796), der die Handelsgeschäfte seines Vaters zu Geldgeschäften erweiterte und 1754 eine der ersten Banken in Deutschland gründete. Daniel Heinrich trat in die Bank seines Schwiegervaters ein und wurde wenige Jahre später Teilhaber. 1805 wurde er nach der alten Stadtverfassung, die bald darauf von der französischen Herrschaft aufgehoben wurde, für ein Jahr zum Bürgermeister Elberfelds gewählt, 1814 amtierte er als Handelsrichter und 1824 als Präsident des Handelsgerichts. In seiner reformierten Gemeinde war er Presbyter und Kirchmeister.
Der Ehe des Daniel Heinrich von der Heydt mit Wilhelmine entstammten neun Kinder, allerdings starben drei noch im Kindesalter. Nach den beiden Töchtern Wilhelmina (1797-1872), Ehefrau des Pfarrers Johannes Wichelhaus (1794-1874), und Johanna (1799-1857), Ehefrau des Pfarrers und Berliner Hofpredigers Friedrich Gerhard Abraham Strauß (1786-1863), wurde der Sohn August geboren.
August von der Heydt (1801-1874)
August von der Heydt, geboren am 15.2.1801, wurde zu Hause und auf dem Gymnasium der Herrnhuter Brüdergemeinde in Neuwied unterrichtet. Daran schlossen sich eine Lehre in der väterlichen Bank und Auslandsaufenthalte in Le Havre und London an. 1824 wurde er Teilhaber der Bank „Von der Heydt-Kersten", die nach dem Eintritt seiner Brüder Daniel (1802-1874) und Karl (1806-1881) 1827 in „Von der Heydt-Kersten & Söhne" umbenannt wurde.
Als Sohn einer Honoratiorenfamilie wurde August früh in verantwortungsvolle Ämter seiner Heimatstadt gewählt. 1826 wurde er Presbyter der reformierten Gemeinde Elberfeld und Scholarch, verantwortlich für die Elementarschulen und die Lateinschule der Gemeinde, der er den Rang eines Gymnasiums sichern konnte. 1831 wurde er Richter am Handelsgericht, 1840 dessen Präsident, 1832 Mitglied der Handelskammer von Elberfeld und Barmen,1833 Mitglied des Stadtrates von Elberfeld, 1834 des Elberfelder Kreistags, 1839 des rheinischen Provinziallandtags. Dort galt er bald als einer der prominenten Vertreter des rheinischen Liberalismus und befürwortete, obwohl glühender Anhänger der preußischen Monarchie, eine Ausweitung der Befugnisse der Ständeversammlung mit dem Ziel einer konstitutionellen Staatsverfassung.
Nach Ausbruch der Revolution 1848 gehörte er zum „Konstitutionellen Verein" in Elberfeld, der sich gegen alle demokratischen Tendenzen wandte. Die Wahl zur Paulskirche wie zur preußischen Nationalversammlung lehnte er zunächst ab, nahm aber im November 1848 das letztere Mandat doch an und wurde wenig später preußischer Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten in der konservativen Regierung. Dort vertrat er eine liberale Wirtschaftspolitik.
Als Minister liberalisierte er die Berggesetzgebung und das Aktienrecht, richtete eine flächendeckende Postverwaltung ein und schloss zahlreiche Postverträge mit anderen Ländern. Dazu förderte er Straßen- und Kanalbauten sowie die Vereinheitlichung des Zollwesens. Sein besonderes Engagement gehörte der Eisenbahn. Bereits als Bankier hatte er die Gründung der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft voran getrieben, die die Strecke Düsseldorf-Elberfeld erbaute. Die Fertigstellung dieser Strecke 1841 und deren Weiterführung nach Westfalen sind wesentlich ihm zu verdanken. Dazu förderte er den Bau anderer privater Eisenbahnen. Als Minister setzte er diese Politik fort, bemühte sich aber um die Verstaatlichung der Eisenbahn, so dass Preußen bald über das dichteste Eisenbahnnetz aller europäischen Staaten verfügte und die Hälfte aller preußischen Strecken dem Staat gehörten.
1862 übernahm August von der Heydt das Finanzministerium, trat aber nach wenigen Monaten im Amt von diesem wieder zurück, als Otto von Bismarck (1815-1898) im September desselben Jahres Ministerpräsident wurde. Die verfassungswidrige Einschränkung des Etatbewilligungsrechts des Parlamentes konnte er als Liberaler nicht billigen. 1863 wurde er vom preußischen König Wilhelm I. (Regentschaft ab 1858, Regierungszeit 1861-1888) wegen seiner Verdienste in den erblichen Freiherrnstand erhoben.
1866 wurde August von der Heydt erneut zum Finanzminister berufen. Seine wichtigste Tat in seiner zweiten Amtszeit war die Finanzierung des Preußisch-Österreichischen Krieges. Er schaffte dies ohne Steuererhöhungen, weil er Rückstellungen auflöste, bislang gestundete Zölle und Steuern unter Berücksichtigung eines Diskonts vorzeitig einzog und Eisenbahn-Anleihen ausgab. Trotz dieser erfolgreichen Politik kam es zu neuen Differenzen zwischen ihm und Bismarck, und auch der preußische Landtag kritisierte seine Finanzpolitik, unter anderem wegen eines Defizits, das der Finanzminister angeblich dem Parlament verschwiegen habe.
1869 trat August von der Heydt endgültig zurück. Damit verlor die preußische Regierung ein gewichtiges liberales Korrektiv zu ihrem konservativen, überaus dominanten Ministerpräsidenten Bismarck. Knapp fünf Jahre später – am 13.6.1874 - starb August von der Heydt, bei dem sich ein großbürgerliches Selbstbewusstsein mit einer für rheinische Liberale untypischen Anhänglichkeit an das preußische Königshaus verband.
Daniel von der Heydt (1802-1874)
Daniel von der Heydt, geboren am 31.10.1802, war der zweite Sohn der Eheleute Daniel Heinrich und Wilhelmine von der Heydt. Die Zeitgenossen schildern ihn als einen leidenschaftlichen Menschen, verglichen mit dem „nüchternen" älteren Bruder. Zusammen mit ihm erhielt Daniel privaten Elementarunterricht und besuchte danach die Lateinschule der reformierten Gemeinde Elberfeld. Da die Familie auch im italienischen Seidenhandel engagiert war, schloss sich ein längerer Aufenthalt in Norditalien an. Neben dem Bankgeschäft war Daniel vor allem zuständig für den Textilhandel.
Die Eisenbahnpläne seines Bruders fanden bei ihm tatkräftige Unterstützung, auch deshalb, weil die Bank von der Heydt-Kersten & Söhne an der Finanzierung von Eisenbahnprojekten maßgeblich beteiligt war. 1836 gehörte er zu den Gründern der Dampfschifffahrtsgesellschaft für den Nieder- und Mittelrhein.
Sein besonderes Engagement galt seiner heimischen reformierten Gemeinde und überhaupt der Kirche. Als Konfirmand hatte er die Fürsorge des bedeutenden Erweckungspredigers Gottfried Daniel Krummacher (1774-1837) genossen. Krummacher propagierte die unbedingte Freiheit der Kirche vom Staat, während der preußische König Friedrich Wilhelm III. (Regierungszeit 1797-1840) das Kirchenregiment über die protestantische Kirche auch seiner neuen Provinzen im Westen Preußens beanspruchte. Der Konflikt entzündete sich, als der König die „Union" der beiden protestantischen Konfessionen in seinem Land, dazu eine Kirchenordnung und eine neue Gottesdienstordnung, eine „Agende", einfach verordnete. Daniel ebenso wie sein jüngerer Bruder Carl (1806-1881), beide konservative Anhänger einer weiträumigen Machtstellung des Monarchen in politicis, brandmarkten den Herrschaftsanspruch des preußischen Königs über die Kirche als einen Akt unrechtmäßiger Gewalt. Beide Brüder konnten sich mit ihrer kompromisslosen Haltung in ihrer Gemeinde nicht durchsetzen.
Daniel von der Heydt nahm Kontakt auf zu dem niederländischen Pfarrer Hermann Friedrich Kohlbrügge (1803-1875), der bereits mehrere Male durch seine Predigten in Elberfeld Aufsehen erregt hatte. Die „Von der Heydt-Gruppe" berief diesen zu ihrem Prediger, trennte sich von der reformierten Gemeinde, als Friedrich Wilhelm IV. (Regierungszeit 1840-1858) 1847 die Gründung „freier" evangelischer Gemeinden in seinem Staat gestattete, und gründete eine neue, staatsfreie evangelische Gemeinde, die „niederländisch-reformierte Gemeinde".
In Elberfeld wird die Erinnerung an Daniel von der Heydt, der am 7.7.1874 starb, wach gehalten, weil dieser zu den Gründern und Vorsitzenden des „Elberfelder Systems" gehört. Diese Organisation der Armenpflege, 1852 eingerichtet, verband die kommunale Armenverwaltung mit den ehrenamtlichen Armenpflegern, die die Betreuung der Armen in ihren Bezirken übernahmen, regelmäßig ihre Armen besuchten und sie mit den notwendigen Naturalien wie Nahrung, Bekleidung, ärztliche Versorgung oder Schulgeld versorgten. Insgesamt waren in den ersten Jahren etwa 160 ehrenamtliche Armenpfleger erforderlich, die ihre Wahl nicht ablehnen konnten und jeweils bis zu vier „arme Familien" versorgten. Dank des „Elberfelder Systems" konnten die Ausgaben für die Unterstützung der Armen in den 1850er Jahren trotz hoher Zuwanderung in die Stadt um die Hälfte gesenkt werden. Elberfeld entwickelte sich zu einer der „bettelfreiesten" Städte Deutschlands und sein Armenpflege-System wurde von zahlreichen Städten im In- und Ausland kopiert.
Carl von der Heydt (1806-1881)
Der dritte Bruder Carl von der Heydt trat in dem Kampf um die „Freiheit der Kirche" neben seinem eifernden Bruder Daniel leiser auf, vertrat jedoch die gleiche Auffassung. Er hatte ebenfalls seine schulische Bildung in Elberfeld erfahren und war dann wie seine Brüder Gesellschafter der väterlichen Bank geworden. Er besaß eine deutliche Neigung zu wissenschaftlicher Beschäftigung und half etwa seinem Pfarrer Kohlbrügge bei der Abfassung der theologischen Schrift „Das alte Testament nach seinem wahren Sinn gewürdigt aus den Schriften der Evangelisten und Apostel". Daneben verfasste er eigene theologische Werke, unter anderem eine Übersetzung des Neuen Testaments. Auch er trennte sich mit seiner Familie von der reformierten Gemeinde und schloss sich der freien niederländisch-reformierten Gemeinde an.
Karl Friedrich von der Heydt (1829-1861)
Carls Sohn Karl Friedrich von der Heydt ist bereits ein Vertreter der nächsten Generation. 1856 verursachte er eine Krise in der niederländisch-reformierten Gemeinde, weil er mit seiner Verlobten Maria Therese von Hurter (1839-1912) ein Konzert besucht hatte, was nach den strengen Grundsätzen der Gemeinde als weltliches Vergnügen missbilligt wurde. Pfarrer Kohlbrügge verlangte ein Kirchenzuchtverfahren, Karl Friedrich und mit ihm seine Eltern lehnten dies ab. Alle Bemühungen um einen Kompromiss scheiterten. Carl von der Heydt und seine Familie verließen die niederländisch-reformierte Gemeinde, darauf brach Daniel von der Heydt den Kontakt zu seinem Bruder vollständig ab, trat aus der Bank aus und betrieb fortan nur den Textilienhandel.
Die Söhne August von der Heydts
Des Ministers ältester Sohn August II.(1825-1867) trat 1854 in die elterliche Bank ein, verstarb aber bereits 1867. In der Öffentlichkeit wirkte er nicht, weil er ernsthaft herzkrank war. Auch über seinen jüngeren Bruder Eduard (1828-1890), der ebenfalls an der Bank beteiligt war, aber als Konsul in Berlin lebte, ist kaum etwas bekannt. Ein weiterer Bruder Robert (1837-1877) suchte sein Glück im Ausland. Die mächtige Gestalt des Vaters scheint die Söhne gewissermaßen erdrückt zu haben. Das Gleiche trifft auf den einzigen Sohn Daniel (1838-1891) des Daniel von der Heydt zu.
Einzig die Konturen des jüngsten Ministersohnes Bernhard von der Heydt (1840-1907) werden etwas deutlicher. Bernhard wuchs sehr behütet auf. Der Umzug seiner Eltern nach Berlin machte ihm Schwierigkeiten in der Schule, doch schaffte er das Abitur und begann danach eine Ausbildung auf einem Landgut nahe bei Berlin. Seine Verbindung zur Tochter des Gutsherrn wurde von seinem Vater streng untersagt. Er kehrte nach Berlin zurück, wurde Landwirt und übernahm später ein eigenes Gut.
Angehörige der Familie von der Heydt ab 1850
In der folgenden Generation verzweigt sich die Familie so stark, dass nur noch einige Träger des Namens unser Interesse beanspruchen können. Dazu zählt vor allem August III. von der Heydt (1851-1929), Enkel des Ministers und Sohn Augusts II. von der Heydt. Da dieser bereits 1867 starb, übernahm der Minister die Vormundschaft für seinen Enkel. Nach dem üblichen Privatunterricht, dem Besuch eines Gymnasiums und einem Auslandsaufenthalt in Genf begann August III. eine Banklehre in der Berliner Bank Delbrück, Leo & Co. und trat danach, der Familientradition folgend, in die väterliche Bank ein. Sein Großonkel Carl von der Heydt machte ihn 1878 zum Teilhaber. Zusammen mit seinem Vetter Karl von der Heydt (1858-1922), dem Enkel Carl von der Heydts, führte er fortan die Geschäfte. Als Karl 1891 die Berliner Villa des Ministers erwarb, übernahm August III. allein die Leitung der Elberfelder Bank. Als Mitglied der monarchistischen Freikonservativen Partei war er von 1891 bis 1913 Elberfelder Stadtverordneter.
Bemerkenswert ist sein mäzenatisches Wirken zur Verschönerung seiner Heimatstadt. So kaufte er einen großen Teil der Waldungen auf den südlichen Höhen des Wuppertals, wo er seinen Sommersitz „Königshöhe" anlegte, den er später der Stadt übereignete. Er gehörte zu den Mitgründern des Elberfelder Zoovereins und wurde Vorsitzender des Elberfelder Verschönerungsvereins. Er beschenkte Elberfeld mit zahlreichen Denkmälern, Erinnerungssteinen, Brunnen und Plastiken, die zum Teil heute noch das Stadtbild schmücken.
Neben dem sozialen Engagement stand das kulturelle. August III. von der Heydt förderte das Theater und die Konzertgesellschaft, und 1892 gründete er den Elberfelder Museumsverein, der 1902 ein Museum im ehemaligen Rathaus am Turmhof eröffnen konnte. Er wurde selbst ein bedeutender Kunstsammler, der nicht allein die alten Niederländer, mittelalterliche Plastiken und römische Altertümer kaufte, sondern auch die Moderne einbezog. Neben van Gogh, Gauguin, Cézanne und Courbet enthielt seine Sammlung Werke des frühen Picasso, von Matisse, Kandinsky und Jawlensky, August Macke und Marc und vor allem des deutschen Expressionismus mit Kirchner, Heckel, Nolde, Pechstein, Paula Modersohn-Becker und vielen anderen. Zahlreiche Bilder stiftete er dem neuen Museum, das schon 1911 erweitert werden musste. Mit seiner Frau bildete er einen kulturellen Mittelpunkt, der weit über die Stadtgrenzen Elberfelds hinaus ausstrahlte.
1910 erkrankte sein Sohn August (IV., 1881-1943) an Tuberkulose. Der Vater verlegte den Wohnsitz der Familie nach Bad Godesberg (heute Stadt Bonn) und zog sich 1913 aus der Elberfelder Bank zurück, die in jenem Jahr den Barmer Bankverein als Teilhaber aufnehmen musste. Der Verlust eines großen Teils seines Vermögens durch die Inflation ließ ihn ein zurückgezogenes, von Depressionen begleitetes weiteres Leben führen. Er starb 1929 in Bad Godesberg und wurde in Elberfeld beerdigt.
Aus dieser Generation bemerkenswert ist noch der bereits erwähnte Karl von der Heydt (1858-1922). Wie August III. verlor auch Karl früh seinen Vater, auch bei ihm übernahm der fromme Großvater Carl von der Heydt die Vormundschaft. Karl machte das Abitur in Elberfeld, leistete seinen Militärdienst in Berlin und begann danach ein Studium in Bonn. Dieses musste er allerdings zugunsten einer Banklehre abbrechen. Mit dem Enkel des Ministers zusammen wurde er 1881 Teilhaber des Elberfelder Bankhauses.
Er reiste oft nach Berlin und übersiedelte 1891 dorthin, als er die Villa des Ministers, seines Großonkels, am Landwehrkanal erwerben konnte. Dazu richtete er in Berlin eine erfolgreiche Zweigniederlassung der Elberfelder Bank ein, die er später vollständig vom Elberfelder Stammhaus trennte. Er lernte Carl Peters (1856-1918) kennen und unterstützte die kolonialen Ambitionen des Kaiserreiches auch finanziell. Doch seine eigentlichen Interessen gehörten der Literatur und der Kunst. In seinem Sommersitz in Bad Godesberg empfing er zum Beispiel Rainer Maria Rilke (1875-1926), der ihn zu eigenen literarischen Arbeiten ermutigte. 1905 erschien sein Band „Variationen und Rhythmen", dem er in der zweiten Auflage szenische Dialoge „Variationen über das Thema Weib" und einen Lyrikband „Rhythmen vom Leben, von der Liebe und vom Tode" hinzufügte. Er verfasste Schauspiele wie „Jehanne Arc", Novellen und Erzählungen und während des Ersten Weltkriegs die „Gedanken über den Krieg", in denen er die Niederlage Deutschlands und den Zusammenbruch seiner großbürgerlichen Welt voraussah. Die Revolution 1918 bestätigte seine Befürchtungen. Darüber zerbrach auch die Freundschaft mit Rilke, der den Münchner Revolutionären mit großer Sympathie begegnete.
Die letzten bedeutenden Träger des Namens von der Heydt waren August IV. (1881-1943) und Eduard (1882-1964), beide Söhne Augusts III. und Urenkel des Ministers. Beide Knaben waren von schwacher Konstitution. 1900 bestanden sie das Abitur und begaben sich dann auf eine mehrmonatige Bildungsreise nach Genf und Freiburg. August trat danach sofort in die väterliche Bank ein, Eduard begann eine Lehre in Dresden. Seine Militärpflicht leistete er bei der Garde in Potsdam. August hingegen war kränklich und dienstuntauglich, wohnte weiter zu Hause und legte die daraus resultierende Unselbstständigkeit nie mehr ab. Er starb 1943.
Eduard konnte sein kurzes Studium in Freiburg mit einer Dissertation abschließen. Er trat nicht, wie die Eltern erwartet hatten, in die väterliche Bank, sondern gründete seine eigene Bank in London. 1910 erkrankte der Bruder an Tuberkulose. Der zu Depressionen neigende Vater August III. bat seinen Sohn Eduard, nach Elberfeld zurückzukehren. Doch Eduard blieb standhaft. Im Ersten Weltkrieg arbeitete er an der deutschen Botschaft in Den Haag. Im November 1918 heiratete er Vera von Schwabach (1899-1996), die Tochter Paul von Schwabachs (1867-1938), des Chefs des Bankhauses Bleichröder. Das Paar zog nach Holland, wo er die Vertretung etlicher deutscher Banken übernahm.
Wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten wurde sie ihm bald entzogen. Verbittert machte er die „Verjudung der deutschen Finanz" dafür verantwortlich, näherte sich der nationalen Rechten und pflegte seine Kontakte zum ehemaligen Kaiser Wilhelm II. (Regierungszeit 1888-1918) im holländischen Exil. 1926 erwarb er ein großes Grundstück auf dem Monte Verità oberhalb Asconas und errichtete dort ein Hotel, das er zur exotischen Künstlerkolonie ausbaute. Er nahm die Schweizer Staatsbürgerschaft an, biederte sich aber auch den Nationalsozialisten an.
Er wurde Mitglied der NSDAP, blieb jedoch in der Schweiz. Seine Verhaftung dort nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu einer Anklage wegen undurchsichtiger finanzieller Transaktionen während des Krieges, aber nicht zu einer Verurteilung. Er stiftete seine Asiatica der Stadt Zürich, die dafür ein eigenes Museum errichtete, und seine Gemälde dem Museum in Wuppertal, das ihn mit der Ehrenbürgerwürde auszeichnete. Die Bank der Familie wurde von der Commerzbank übernommen.
Literatur
Bergengruen, Alexander, Staatsminister August von der Heydt. Leipzig 1908.
Baum , Marie-Luise, Die von der Heydts aus Elberfeld. Wuppertal 1964.
Fehlemann, Sabine/Stamm, Rainer (Hg.), Die Von der Heydts. Wuppertal 2001.
Eckardt, Uwe, Eduard von der Heydt und die Stadt Wuppertal nach 1945. Eine Bestandsaufnahme, in: Geschichte im Wuppertal 16 (2007), S. 85-93.
Online
Aust, Günther, Artikel „Heydt, August Freiherr von der"[1851-1929], in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 76.
Geschichte und Sammlung des von der Heydt-Museums Wuppertal (Information auf der Website des von der Heydt-Museums Wuppertal)
Geschichte des Bankhauses von der Heydt (Kurzinformation auf der Website des Bankhauses von der Heydt)
Köllmann, Wolfgang, Artikel „Heydt, August Freiherr von der", in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 74-76.
Köllmann, Wolfgang, Artikel „Heydt, Daniel von der", in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 76-77.
Köllmann, Wolfgang, Artikel „Heydt, Eduard Freiherr von der", in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 77.
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Wittmütz, Volkmar, Familie von der Heydt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/familie-von-der-heydt/DE-2086/lido/57c83010e38392.80121926 (abgerufen am 19.01.2025)