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Franz Anton Ries war ein berühmter Bonner Musiker, dem zur Zeit des letzten Kölner Kurfürsten Max Franz von Österreich in der Residenz Bonn die Hofkapelle unterstand. Er war väterlicher Freund und Geigenlehrer des jungen Ludwig van Beethoven. Seine Söhne, der Komponist und Pianist Ferdinand Ries und der Geiger Hubert Ries (1802-1886) führten die musikalische Tradition der Familie fort. Die Entwicklung des bürgerlichen Musiklebens in der Stadt Bonn im frühen 19. Jahrhunderts ist ohne ihn nicht zu denken.
Franz Anton Ries wurde am 10.11.1755 als Sohn des kurfürstlichen Hofmusikers und Komponisten Johann Ries (1723-1784) und seiner Frau Johanna Beyer (geboren 1717) in Bonn geboren. Ein Jahr vor seiner Geburt war sein Vater, nachdem er schon als Hoftrompeter und Sänger gedient hatte, zum Violinisten der Kurkölnischen Hofkapelle bestellt worden. Von seinen vier Kindern ergriffen zwei den Beruf des Musikers. Franz Anton wurde wie der Vater Violinist, seine ältere Schwester Anna Maria (geboren 1751) war eine talentierte Sopranistin und sang schon mit elf Jahren in der Hofkapelle.
Franz Ries erhielt den ersten Musikunterricht von seinem Vater und galt früh als Wunderkind auf der Violine. Mit elf Jahren konnte er ihn schon beim Dienst in der Hofkapelle vertreten und wurde deren Mitglied. Der Geiger Johann Peter Salomon (1745-1815), ebenso Mitglied der Hofkapelle und später berühmter Impresario in London, soll „auf seine Ausbildung bedeutend gewirkt haben". Im Frühjahr 1778 wurde ihm vom Kurfürsten, bei Vorausbezahlung seines Gehaltes, ein sechsmonatiger Urlaub in Wien gewährt, um seine Kenntnisse auf das höchste Niveau der damaligen Musikentwicklung zu bringen. Dort betätigte er sich als Quartettspieler und Solist in der Kapelle des Grafen Palffy. Seinen offenbar sehr erfolgreichen Aufenthalt in Wien konnte er auf zwei Jahre ausdehnen. Im Hofbericht von 1784 wird er als der beste Violinist (vor solo), von trefflicher Aufführung, noch jung und verheiratet beschrieben.
Am 27.12.1783 heiratete er Anna Horst (1761-1805). Aus dieser Ehe gingen elf Kinder hervor, von denen der älteste Sohn Ferdinand und der jüngste Sohn Hubert als Musiker Berühmtheit erlangten.
1785/1786 gab Franz Ries Ludwig van Beethoven Unterricht im Geigenspiel. Hier trat zum ersten Mal die außergewöhnliche Improvisationsgabe des jugendlichen Beethoven zutage. Als Beethovens Mutter 1787 starb, unterstützte Ries den jungen Kollegen in väterlicher Weise und wurde sein erster Beschützer. Das ging soweit, dass er 1793/1794 für den in Wien weilenden Beethoven Gehälter in Empfang nahm, die für die Erziehung seiner Geschwisteren bestimmt waren, nachdem Beethovens Vater gestorben war.
Mit anderen angesehenen Hofbeamten und Kollegen des Hoforchesters gründete er, zeitlebens ein Verfechter der Aufklärung, 1787 die Bonner Lesegesellschaft. 1790 empfing er, inzwischen zum Konzertmeister ernannt, Joseph Haydn (1732-1795), als dieser mit Ries’ ehemaligem Lehrer Johann Peter Salomon auf dem Weg nach London in Bonn Station machte. 1791 übernahm er die Stelle des Musikdirektors und damit die Leitung der gesamten Bonner Hofmusik. Aus einer zeitgenössischen Quelle sind wir gut über sein damaliges Wirken als Haupt der kurfürstlichen Kapelle unterrichtet: „Das Orchester war trefflich besetzt; besonders gut wurde das Piano und Forte und das Crescendo in obacht genommen. Herr Ries, dieser treffliche Partiturleser, dieser große Spieler vom Blatt weg, dirigierte mit der Violin. Er ist ein Mann, der an der Seite Cannabichs steht, und durch seinen kräftigen, sichern Bogenstrich allen Geist und Leben gibt …".
1790/1791 fasste der Kurfürst den Plan, Godesberg (heute Stadt Bonn) in einen mondänen Badeort zu verwandeln und verschenkte mehrere Grundstücke zur Errichtung von Logierhäusern für die Badegäste. Franz Ries, einziger privater Bauherr neben dem Kurfürsten selbst und einer Baugesellschaft, konnte sein heute noch existierendes Haus als erster fertig stellen und erhielt die vom Kurfürsten ausgesetzte Prämie von 1.000 Talern.
Als 1794 die napoleonische Armee ins Rheinland einmarschierte und der Kurfürst fliehen musste, löste sich die Hofkapelle auf. Auf ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten blieb Franz Ries in Bonn. Die Folgen der französischen Besetzung waren für ihn gravierend. Wie sein Sohn Ferdinand später an Louis Spohr schrieb, verlor er durch den Krieg seine Stelle, Gehalt, Vermögen und Frau. Sein Haus in Godesberg konnte er halten, jedoch diente es nun als Kaserne für die französischen Soldaten. Ab 1800 bekleidete er für einige Jahre den Posten eines Bonner Stadtrates. 1802 wurde er von den französischen Behörden als Ökonom des in der Nähe von Godesberg gelegenen säkularisierten Klosters Marienforst eingesetzt und betätigte sich als Gutspächter und Steuereinnehmer, um seine wachsende Familie zu ernähren. 1805 starb dort seine Frau. 1807 ersteigerte er Teile des Klostergeländes, scheint sich aber wenige Jahre später schon wieder von ihnen getrennt zu haben.
1807 wurde er zum Musiksmeister am neu gegründeten Bonner Lyzeum ernannt. Als die Zeiten sich ab 1808 langsam wieder normalisierten, setzte er sich für eine Neubelebung des Bonner Musiklebens ein, das infolge von Krieg und Besatzung zum Erliegen gekommen war und organisierte so genannte Winterkonzerte. Einen Höhepunkt unter diesen Konzertabenden nahm der 15.12.1810 ein, als Franz Ries im Rahmen eines Programms, das ausschließlich Kompositionen seines Sohnes Ferdinand vorsah, dessen einziges Violinkonzert (op.24) aufführte. Beide scheinen auch in Köln und an anderen Orten des Rheinlandes gastiert zu haben. Daneben gab er privaten Musikunterricht.
1824 verkaufte Franz Ries seinem Sohn Ferdinand das Godesberger Haus, als dieser von London nach Deutschland zurückkehrte. Zeitweilig lebte er mit ihm und einigen seiner Kinder dort oder im ehemaligen Kurfürstlichen Theater neben der Redoute, deren Umbau- und Renovierungsarbeiten er für den neuen englischen Besitzer, einen Freund von Ferdinand Ries, leitete. Peter Joseph Lenné und Maximilian Weyhe beide aus Bonner Hofgärtnerfamilien, berieten Vater und Sohn Ries bei der Anlage eines Gartens im „englischen Stil" hinter den ehemaligen Logierhäusern. 1827 zog Franz Ries wieder nach Bonn und erteilte trotz seines Alters noch immer Musikunterricht. Zu seinen Schülern (und Schülerinnen) zählte auch Johanna Kinkel. In den 20er und 30er Jahren nahm er regen Anteil an den Aufführungen der Niederrheinischen Musikfeste, die sein Sohn acht Mal in Aachen, Köln und Düsseldorf leitete.
1838 erschienen die „Biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven" von Franz Gerhard Wegeler (1765-1848) und Ferdinand Ries. Sie waren Herrn Franz Ries, ehemals kurkölnischem Musik=Director zu Bonn, Beethoven’s erstem Beschützer verehrend und freundlich gewidmet. Auch in der Vorbereitung des Nachtrags, den Wegeler zur Enthüllung des Beethoven-Denkmals in Bonn 1845 veröffentlichte, und in der Diskussion um die Identifikation des Beethovenschen Geburtshauses spielte der alte Ries als Zeitzeuge eine bedeutende Rolle.
Fast 90-jährig, ältester noch lebender Freund und Lehrer Beethovens, wurde Franz Ries 1845 als Ehrengast beim 1. Beethovenfest unter Beifall in den Festsaal getragen. Am Vorabend war er von der Universität Bonn als bedeutender Bonner Musiker mit dem philosophischen Ehrendoktor ausgezeichnet worden: Herr Ries (hat) eine lange Reihe von Jahren hindurch…für Förderung und Bewahrung der ächten Kunst innerhalb und außerhalb unserer Stadt, auf eine Weise gewirkt, die allgemein dankbar anerkannt unsere Fakultät wohl berechtigen dürfte, in ihm ein großes stillwirkendes Verdienst zu ehren. In Anerkennung seiner großen Verdienste verlieh ihm im gleichen Jahr Friedrich Wilhelm IV. (Regentschaft 1840-1858) den preußischen Roten Adlerorden III. Klasse.
Neun Tage vor seinem 91. Geburtstag, am 1.11.1846, starb Franz Anton Ries in Bonn. Sein Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof der Stadt.
Literatur
Braubach, Max, Die Mitglieder der Hofmusik unter den vier letzten Kurfürsten von Köln, in: Kross, Siegfried/Schmidt, Hans, Colloquium Amicorum, Joseph Schmidt-Görg zum 70. Geburtstag, Bonn 1967, S. 26-63.
Henseler, Theodor Anton, Das musikalische Bonn im 19. Jahrhundert, Bonn 1959.
Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik, hg. von Friedrich Blume, 11 (1963), Sp. 490.
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 2. Auflage, Bonn 2008, S. 255-256.
Thayer A. W., Ludwig van Beethovens Leben, Band 1, 2. Auflage, Berlin 1901.
Online
Eitner, Robert, Artikel „Ries", in: Allgemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 569-573. [Online]
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Mülhens-Molderings, Barbara, Franz Anton Ries, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-anton-ries/DE-2086/lido/57cd203362e899.31398211 (abgerufen am 10.12.2024)