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Franz Binz war, wie Walter H. Pehle in seiner bis zum heutigen Tag fast unbeachteten Dissertation bereits vor mehr als 30 Jahren zu Recht festgestellt hat, der einzige NSDAP-Kreisleiter aus dem Regierungsbezirk Aachen, der auf eine überregionale Parteikarriere verweisen konnte, indem er im September 1943 zu einem der vier kommissarisch bestellten Gauarbeitsamtspräsidenten im Deutschen Reich avancierte.
Franz Binz, dessen jüngerer Bruder Peter Binz (1901-1985) von 1931 bis zum Ende des „Dritten Reiches" als NSDAP-Kreisleiter von Düren fungierte, war ein typischer „Alter Kämpfer", dessen Lebensweg in geradezu „klassischer" Weise eine Karriere im NS-Staat prädisponierte. Geboren am 2.11.1896 als Sohn des Eisenbahn-Packmeisters Johann Binz in Düren, besuchte Franz Binz die katholische Volksschule und anschließend das Realgymnasium in Düren, welches er im März 1914 mit der Obersekundarreife verließ, um nach dem Eintritt in die Kaiserliche Marine zunächst als Kadett der Seemannsschule Finkenwerder und anschließend – von Oktober 1914 bis Juni 1915 – an der Navigations- und Seemannsschule Hamburg eine Ausbildung im Maschinenbau zu absolvieren.
Im Juni 1915 wurde Binz die Möglichkeit zum Eintritt in die erhoffte Laufbahn eines Torpedo-Offiziers eröffnet, im Oktober des Jahres 1916 bestand er sein ingenieurtechnisches Examen in Cuxhaven. Er nahm über den 9.11.1918 hinaus als Torpedo-Offizier im Minenräumdienst am Ersten Weltkrieg teil, um 1920, dekoriert mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse, als Leutnant aus dem aktiven Marinedienst auszuscheiden.
Danach muss Binz mit Bestimmtheit als einer jener jungen Männer bezeichnet werden, die sich nicht in die gerade gegründete Weimarer Demokratie integrieren konnten und wollten und die die von Konrad Heiden schon zu Anfang der 1930er Jahre ausgemachte „große Schicht von Deklassierten" bildeten, die Hitler – der zweifellos selbst dieser Schicht zuzurechnen ist – als erste willig zu folgen bereit gewesen sind. Dementsprechend gelang es nach 1933 noch nicht einmal mittels der – meist geschönten – offiziellen NS-Biographien, der Vita des nunmehrigen Reichstagsabgeordneten Binz jene Aura unseriösen Vagabundierertums zu entziehen, die für viele der so genannten „Alten Kämpfer" so bezeichnend gewesen ist: „Seit 1921 selbständig im Papier- und Druckereifach. 1929/30 Herausgeber des Kopfblattes „Nationalzeitung". 1930/33 Schriftleiter beim „Westdeutschen Beobachter". Politisch tätig seit 1. April 1927 (…)."
Unterschlagen wurde dabei, dass Binz von 1921 bis 1924 SPD-Mitglied gewesen war und dass er – auch dies erstaunlich für einen nach eigenen Angaben 1931 „steckbrieflich" verfolgten politischen Kämpfer – von 1924 bis 1931 als ehrenamtlicher Wohlfahrtspfleger und Sozialbeamter seiner Heimatstadt Düren engagiert gewesen war.
In jedem Falle gehörte Franz Binz seit dem 1.4.1927 mit der Mitgliedsnummer 60.530 der NSDAP an und muss für die Anfänge der Dürener NSDAP, um deren Frühzeit sich – analog zu so gut wie allen nationalsozialistischen Anfängen – ein Gespinst aus Verklärungen, Legenden und glatten Lügen rankt, sicherlich als zentrale Figur bezeichnet werden. Nach Binz‘ eigener Aussage vom 25.9.1950 war er bereits 1927 der NSDAP beigetreten, „(…) weil ich in ihr allein den Gegenpol zum Bolschewismus sah, den ich in seinen schlimmsten Erscheinungen seit 1917 im Baltikum kannte (…)", wobei für das Dürener Land erst ab Mitte des Jahres 1929 und besonders nach dem Abzug der französischen Besatzungstruppen am 1. Dezember desselben Jahres organisierte nationalsozialistische Strukturen nachgewiesen werden können. Bezeichnenderweise ist es Franz Binz gewesen, der bei einer der ersten NSDAP-Zusammenkünfte im Dürener Restaurant „Zur Mühle" am 11.6.1929 vor ganzen 22 Teilnehmern eine Rede gehalten hatte.
Wahrscheinlich erst seit 1930 – und nicht bereits seit 1929, wie von Binz selbst behauptet – gab er die „Dürener Nationalzeitung" heraus, die ab dem 1.9.1930 als so genanntes „Kopfblatt" des „Westdeutschen Grenzblattes" mit einem Dürener Teil erschien, wobei Schriftleitung und Vertrieb zunächst beim „Dürener NS-Pressezar" Franz Binz verblieben, bis die Dürener Schriftleitung am 15.6.1933 mit hauptamtlichen Kräften besetzt wurde und ab dem 1.1.1934 dann als „Westdeutscher Beobachter" firmierte. Des weiteren fungierte Binz, der seit 1927 auch der SA angehörte, in der so genannten „Kampfzeit" der nationalsozialistischen „Bewegung" von Oktober 1930 bis Mai 1932 als NSDAP-Kreisleiter in Schleiden und war in der Folge bis zum Frühjahr 1933 selbiges im Kreis Bergheim, um danach wieder – bis Ende 1938 – den NSDAP-Kreis Schleiden zu „führen".
Daneben hatte Binz sich im „Kampf" gegen das verhasste Weimarer „System" die für „Alte Kämpfer" geradezu obligatorischen Geld- und Haftstrafen eingehandelt, als er 1931 wegen Beleidigung des Dürener Landrates Paul Schaaff (1885-1966) zu 500 Reichsmark Geldstrafe und im gleichen Jahr zu einer dreimonatigen Haftstrafe wegen der Teilnahme an einem verbotenen SA-Aufmarsch in Braunschweig am 18.1.1931 verurteilt worden war, die er Anfang Januar 1932 antreten musste.
Mit der „Machtergreifung" begann für Binz, wie für etliche „Alte Kämpfer", ein fulminanter gesellschaftlicher Aufstieg, indem er im März 1933 Mitglied des Provinziallandtages der Rheinprovinz und im November desselben Jahres Mitglied des Deutschen Reichstages wurde. Darüber hinaus avancierte er 1934 zum Vertragsangestellten bei der „Deutschen Arbeitsfront" (DAF) und zum Kommandanten der „Ordensburg Vogelsang" sowie 1935 zum Gaubeauftragten der DAF für besondere Aufgaben und gleichzeitig zum stellvertretenden Gauobmann der DAF im Gau Köln-Aachen. Zeitweise nahm Binz bis Mitte September 1937 auch die Geschäfte des NSDAP-Kreisleiters in Euskirchen wahr. Seit April 1933 war er stellvertretendes Mitglied des Provinzialausschusses der Rheinprovinz und fungierte bereits seit 1931 als „Reichsredner" der NSDAP, als welcher er unter anderem am 9.11.1934, dem „Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung", am Grab des 1931 gestorbenen und zum Märtyrer stilisierten Paul Thewellis (1906-1931), die Gedenkrede hielt.
Anfang Januar 1939 schließlich wurde Franz Binz zum „Reichstreuhänder der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Rheinland" ernannt, womit er zum einzigen Nationalsozialisten aus dem Regierungsbezirk Aachen avancierte, der auf eine überregionale Parteikarriere verweisen konnte. Dieses Amt bekleidete er bis zum Ende des „Dritten Reiches", überdies wurde er am 1.9.1943 zum Präsidenten des Köln-Aachener Gauarbeitsamtes ernannt, nachdem er am 1.7.1941, nach seinem Übertritt von der SA in die Reiter-SS, mit der Mitgliedsnummer 393.392 zum SS-Sturmbann- und am 30.1.1943 zum SS-Obersturmbannführer dekoriert worden war. Von Juni bis August 1944 war der als Major der Reserve seinen Kriegsdienst leistende Binz zunächst mit der Führung des SS-Grenadier-Ausbildungs- und Ersatzregiments 14 beauftragt, bis er Ende August zum Generalkommando des XII. SS-Armeekorps versetzt wurde.
Am 8.4.1945 von alliierten Truppen gefangen genommen und fast auf den Tag genau drei Jahre lang im Lager Paderborn-Staumühle interniert, wurde Binz am 29.11.1948 vom Entnazifizierungsausschuss für den Regierungsbezirk Köln zunächst nur als „Mitläufer" eingestuft und erst 1950 in die „Aktivisten"-Kategorie III b II eingeordnet. Ein im Februar 1950 von ihm angestrengtes Berufungsverfahren wurde am 13.11.1950 vom Sonderbeauftragten für die Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen abgelehnt. In der Folgezeit bis zu seinem Tod am 22.6.1965 betrieb Franz Binz die Vermietung von Ferienhäusern in Heimbach.
Literatur
Klefisch, Peter (Bearb.), Die Kreisleiter der NSDAP in den Gauen Köln-Aachen, Düsseldorf und Essen, Düsseldorf 2000.
Lilla, Joachim (Bearb.), Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933-1945. Ein biographisches Handbuch, Düsseldorf 2004.
Wallraff, Horst, Nationalsozialismus in den Kreisen Düren und Jülich. Tradition und „Tausendjähriges Reich" in einer rheinländischen Region 1933 bis 1945, 2. Auflage, Düren 2000.
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Wallraff, Horst, Franz Binz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-binz/DE-2086/lido/57c58332839832.41655116 (abgerufen am 06.10.2024)