Franz Binz

Kreisleiter der NSDAP (1896-1965)

Horst Wallraff (Köln/Düren)

Franz Binz (Mitte), undatierte Aufnahme. (Bildsammlung F.A. Heinen, Schleiden)

Franz Binz war, wie Wal­ter H. Peh­le in sei­ner bis zum heu­ti­gen Tag fast un­be­ach­te­ten Dis­ser­ta­ti­on be­reits vor mehr als 30 Jah­ren zu Recht fest­ge­stellt hat, der ein­zi­ge NS­DAP-Kreis­lei­ter aus dem Re­gie­rungs­be­zirk Aa­chen, der auf ei­ne über­re­gio­na­le Par­tei­kar­rie­re ver­wei­sen konn­te, in­dem er im Sep­tem­ber 1943 zu ei­nem der vier kom­mis­sa­risch be­stell­ten Gau­ar­beits­amts­prä­si­den­ten im Deut­schen Reich avan­cier­te.

Franz Binz, des­sen jün­ge­rer Bru­der Pe­ter Binz (1901-1985) von 1931 bis zum En­de des „Drit­ten Rei­ches" als NS­DAP-Kreis­lei­ter von Dü­ren fun­gier­te, war ein ty­pi­scher „Al­ter Kämp­fer", des­sen Le­bens­weg in ge­ra­de­zu „klas­si­scher" Wei­se ei­ne Kar­rie­re im NS-Staat prä­dis­po­nier­te. Ge­bo­ren am 2.11.1896 als Sohn des Ei­sen­bahn-Pack­meis­ters Jo­hann Binz in Dü­ren, be­such­te Franz Binz die ka­tho­li­sche Volks­schu­le und an­schlie­ßend das Re­al­gym­na­si­um in Dü­ren, wel­ches er im März 1914 mit der Ober­se­kun­d­ar­rei­fe ver­ließ, um nach dem Ein­tritt in die Kai­ser­li­che Ma­ri­ne zu­nächst als Ka­dett der See­manns­schu­le Fin­ken­wer­der und an­schlie­ßend – von Ok­to­ber 1914 bis Ju­ni 1915 – an der Na­vi­ga­ti­ons- und See­manns­schu­le Ham­burg ei­ne Aus­bil­dung im Ma­schi­nen­bau zu ab­sol­vie­ren.

Im Ju­ni 1915 wur­de Binz die Mög­lich­keit zum Ein­tritt in die er­hoff­te Lauf­bahn ei­nes Tor­pe­do-Of­fi­ziers er­öff­net, im Ok­to­ber des Jah­res 1916 be­stand er sein in­ge­nieur­tech­ni­sches Ex­amen in Cux­ha­ven. Er nahm über den 9.11.1918 hin­aus als Tor­pe­do-Of­fi­zier im Mi­nen­räum­dienst am Ers­ten Welt­krieg teil, um 1920, de­ko­riert mit dem Ei­ser­nen Kreuz I. und II. Klas­se, als Leut­nant aus dem ak­ti­ven Ma­ri­ne­dienst aus­zu­schei­den.

Da­nach muss Binz mit Be­stimmt­heit als ei­ner je­ner jun­gen Män­ner be­zeich­net wer­den, die sich nicht in die ge­ra­de ge­grün­de­te Wei­ma­rer De­mo­kra­tie in­te­grie­ren konn­ten und woll­ten und die die von Kon­rad Hei­den schon zu An­fang der 1930er Jah­re aus­ge­mach­te „gro­ße Schicht von De­klas­sier­ten" bil­de­ten, die Hit­ler – der zwei­fel­los selbst die­ser Schicht zu­zu­rech­nen ist – als ers­te wil­lig zu fol­gen be­reit ge­we­sen sind. Dem­entspre­chend ge­lang es nach 1933 noch nicht ein­mal mit­tels der – meist ge­schön­ten – of­fi­zi­el­len NS-Bio­gra­phi­en, der Vi­ta des nun­meh­ri­gen Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ten Binz je­ne Au­ra un­se­riö­sen Va­ga­bun­die­rer­tums zu ent­zie­hen, die für vie­le der so ge­nann­ten „Al­ten Kämp­fer" so be­zeich­nend ge­we­sen ist: „Seit 1921 selb­stän­dig im Pa­pier- und Dru­cke­rei­fach. 1929/30 Her­aus­ge­ber des Kopf­blat­tes „Na­tio­nal­zei­tung". 1930/33 Schrift­lei­ter beim „West­deut­schen Be­ob­ach­ter". Po­li­tisch tä­tig seit 1. April 1927 (…)."

Un­ter­schla­gen wur­de da­bei, dass Binz von 1921 bis 1924 SPD-Mit­glied ge­we­sen war und dass er – auch dies er­staun­lich für ei­nen nach ei­ge­nen An­ga­ben 1931 „steck­brief­lich" ver­folg­ten po­li­ti­schen Kämp­fer – von 1924 bis 1931 als eh­ren­amt­li­cher Wohl­fahrts­pfle­ger und So­zi­al­be­am­ter sei­ner Hei­mat­stadt Dü­ren en­ga­giert ge­we­sen war.

In je­dem Fal­le ge­hör­te Franz Binz seit dem 1.4.1927 mit der Mit­glieds­num­mer 60.530 der NS­DAP an und muss für die An­fän­ge der Dü­re­ner NS­DAP, um de­ren Früh­zeit sich – ana­log zu so gut wie al­len na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen An­fän­gen – ein Ge­spinst aus Ver­klä­run­gen, Le­gen­den und glat­ten Lü­gen rankt, si­cher­lich als zen­tra­le Fi­gur be­zeich­net wer­den. Nach Binz‘ ei­ge­ner Aus­sa­ge vom 25.9.1950 war er be­reits 1927 der NS­DAP bei­ge­tre­ten, „(…) weil ich in ihr al­lein den Ge­gen­pol zum Bol­sche­wis­mus sah, den ich in sei­nen schlimms­ten Er­schei­nun­gen seit 1917 im Bal­ti­kum kann­te (…)", wo­bei für das Dü­re­ner Land erst ab Mit­te des Jah­res 1929 und be­son­ders nach dem Ab­zug der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­trup­pen am 1. De­zem­ber des­sel­ben Jah­res or­ga­ni­sier­te na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Struk­tu­ren nach­ge­wie­sen wer­den kön­nen. Be­zeich­nen­der­wei­se ist es Franz Binz ge­we­sen, der bei ei­ner der ers­ten NS­DAP-Zu­sam­men­künf­te im Dü­re­ner Re­stau­rant „Zur Müh­le" am 11.6.1929 vor gan­zen 22 Teil­neh­mern ei­ne Re­de ge­hal­ten hat­te.

 

Wahr­schein­lich erst seit 1930 – und nicht be­reits seit 1929, wie von Binz selbst be­haup­tet – gab er die „Dü­re­ner Na­tio­nal­zei­tung" her­aus, die ab dem 1.9.1930 als so ge­nann­tes „Kopf­blatt" des „West­deut­schen Grenz­blat­tes" mit ei­nem Dü­re­ner Teil er­schien, wo­bei Schrift­lei­tung und Ver­trieb zu­nächst beim „Dü­re­ner NS-Pres­se­zar" Franz Binz ver­blie­ben, bis die Dü­re­ner Schrift­lei­tung am 15.6.1933 mit haupt­amt­li­chen Kräf­ten be­setzt wur­de und ab dem 1.1.1934 dann als „West­deut­scher Be­ob­ach­ter" fir­mier­te. Des wei­te­ren fun­gier­te Binz, der seit 1927 auch der SA an­ge­hör­te, in der so ge­nann­ten „Kampf­zeit" der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen „Be­we­gung" von Ok­to­ber 1930 bis Mai 1932 als NS­DAP-Kreis­lei­ter in Schlei­den und war in der Fol­ge bis zum Früh­jahr 1933 sel­bi­ges im Kreis Berg­heim, um da­nach wie­der – bis En­de 1938 – den NS­DAP-Kreis Schlei­den zu „füh­ren".

Da­ne­ben hat­te Binz sich im „Kampf" ge­gen das ver­hass­te Wei­ma­rer „Sys­tem" die für „Al­te Kämp­fer" ge­ra­de­zu ob­li­ga­to­ri­schen Geld- und Haft­stra­fen ein­ge­han­delt, als er 1931 we­gen Be­lei­di­gung des Dü­re­ner Land­ra­tes Paul Schaaff (1885-1966) zu 500 Reichs­mark Geld­stra­fe und im glei­chen Jahr zu ei­ner drei­mo­na­ti­gen Haft­stra­fe we­gen der Teil­nah­me an ei­nem ver­bo­te­nen SA-Auf­marsch in Braun­schweig am 18.1.1931 ver­ur­teilt wor­den war, die er An­fang Ja­nu­ar 1932 an­tre­ten muss­te.

Franz Binz (rechts) und Josef Grohé (Mitte) auf dem Kreisparteitag der NSDAP in Gemünd am 20.6.1937. (Bildsammlung F.A. Heinen, Schleiden)

 

Mit der „Macht­er­grei­fung" be­gann für Binz, wie für et­li­che „Al­te Kämp­fer", ein ful­mi­nan­ter ge­sell­schaft­li­cher Auf­stieg, in­dem er im März 1933 Mit­glied des Pro­vin­zi­al­land­ta­ges der Rhein­pro­vinz und im No­vem­ber des­sel­ben Jah­res Mit­glied des Deut­schen Reichs­ta­ges wur­de. Dar­über hin­aus avan­cier­te er 1934 zum Ver­trags­an­ge­stell­ten bei der „Deut­schen Ar­beits­front" (DAF) und zum Kom­man­dan­ten der „Or­dens­burg Vo­gel­sang" so­wie 1935 zum Gau­be­auf­trag­ten der DAF für be­son­de­re Auf­ga­ben und gleich­zei­tig zum stell­ver­tre­ten­den Gau­ob­mann der DAF im Gau Köln-Aa­chen. Zeit­wei­se nahm Binz bis Mit­te Sep­tem­ber 1937 auch die Ge­schäf­te des NS­DAP-Kreis­lei­ters in Eus­kir­chen wahr. Seit April 1933 war er stell­ver­tre­ten­des Mit­glied des Pro­vin­zi­al­aus­schus­ses der Rhein­pro­vinz und fun­gier­te be­reits seit 1931 als „Reichs­red­ner" der NS­DAP, als wel­cher er un­ter an­de­rem am 9.11.1934, dem „Ge­denk­tag für die Ge­fal­le­nen der Be­we­gung", am Grab des 1931 ge­stor­be­nen und zum Mär­ty­rer sti­li­sier­ten Paul The­wel­lis (1906-1931), die Ge­denk­re­de hielt.

An­fang Ja­nu­ar 1939 schlie­ß­lich wur­de Franz Binz zum „Reich­streu­hän­der der Ar­beit für das Wirt­schafts­ge­biet Rhein­land" er­nannt, wo­mit er zum ein­zi­gen Na­tio­nal­so­zia­lis­ten aus dem Re­gie­rungs­be­zirk Aa­chen avan­cier­te, der auf ei­ne über­re­gio­na­le Par­tei­kar­rie­re ver­wei­sen konn­te. Die­ses Amt be­klei­de­te er bis zum En­de des „Drit­ten Rei­ches", über­dies wur­de er am 1.9.1943 zum Prä­si­den­ten des Köln-Aa­che­ner Gau­ar­beits­am­tes er­nannt, nach­dem er am 1.7.1941, nach sei­nem Über­tritt von der SA in die Rei­ter-SS, mit der Mit­glieds­num­mer 393.392 zum SS-Sturm­bann- und am 30.1.1943 zum SS-Ober­sturm­bann­füh­rer de­ko­riert wor­den war. Von Ju­ni bis Au­gust 1944 war der als Ma­jor der Re­ser­ve sei­nen Kriegs­dienst leis­ten­de Binz zu­nächst mit der Füh­rung des SS-Gre­na­dier-Aus­bil­dungs- und Er­satz­re­gi­ments 14 be­auf­tragt, bis er En­de Au­gust zum Ge­ne­ral­kom­man­do des XII. SS-Ar­mee­korps ver­setzt wur­de.

Am 8.4.1945 von al­li­ier­ten Trup­pen ge­fan­gen ge­nom­men und fast auf den Tag ge­nau drei Jah­re lang im La­ger Pa­der­born-Stau­müh­le in­ter­niert, wur­de Binz am 29.11.1948 vom Ent­na­zi­fi­zie­rungs­aus­schuss für den Re­gie­rungs­be­zirk Köln zu­nächst nur als „Mit­läu­fer" ein­ge­stuft und erst 1950 in die „Ak­ti­vis­ten"-Ka­te­go­rie III b II ein­ge­ord­net. Ein im Fe­bru­ar 1950 von ihm an­ge­streng­tes Be­ru­fungs­ver­fah­ren wur­de am 13.11.1950 vom Son­der­be­auf­trag­ten für die Ent­na­zi­fi­zie­rung in Nord­rhein-West­fa­len ab­ge­lehnt. In der Fol­ge­zeit bis zu sei­nem Tod am 22.6.1965 be­trieb Franz Binz die Ver­mie­tung von Fe­ri­en­häu­sern in Heim­bach.

Literatur

Kle­fisch, Pe­ter (Be­arb.), Die Kreis­lei­ter der NS­DAP in den Gau­en Köln-Aa­chen, Düs­sel­dorf und Es­sen, Düs­sel­dorf 2000.
Lil­la, Joa­chim (Be­arb.), Sta­tis­ten in Uni­form. Die Mit­glie­der des Reichs­tags 1933-1945. Ein bio­gra­phi­sches Hand­buch, Düs­sel­dorf 2004.
Wall­raff, Horst, Na­tio­nal­so­zia­lis­mus in den Krei­sen Dü­ren und Jü­lich. Tra­di­ti­on und „Tau­send­jäh­ri­ges Reich" in ei­ner rhein­län­di­schen Re­gi­on 1933 bis 1945, 2. Auf­la­ge, Dü­ren 2000.

Franz Binz vor dem Kurhaus in Gemünd, um 1938. (Bildsammlung F.A. Heinen, Schleiden)

 
Zitationshinweis

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Wallraff, Horst, Franz Binz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-binz/DE-2086/lido/57c58332839832.41655116 (abgerufen am 01.06.2023)