Franz Joseph Wicküler

Brauunternehmer (1851-1916)

Björn Thomann (Suderburg)

Franz Joseph Wicküler, Porträtfoto. (Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv)

Franz Jo­seph Wickü­ler über­nahm im Jahr 1882 die Lei­tung der el­ter­li­chen Pri­vat­braue­rei in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal), die er zu ei­nem bör­sen­no­tier­ten, in­ter­na­tio­nal be­deu­ten­den Un­ter­neh­men um­wan­del­te. Dank sei­nes aus­ge­präg­ten Ge­spürs für die Er­schlie­ßung neu­er Ab­satz­märk­te im Zeit­al­ter der Hoch­in­dus­tria­li­sie­rung steht er in ei­ner Rei­he mit be­deu­ten­den rhei­ni­schen Brau­un­ter­neh­mern wie Pe­ter Jo­sef Früh o­der Theo­bal­d Si­mon. Im Ge­gen­satz zu die­sen war es ihm je­doch nicht ver­gönnt, das Un­ter­neh­men über sei­nen Tod hin­aus in sei­ner Fa­mi­lie zu­ hal­ten.

Franz Jo­seph Wickü­ler wur­de am 15.10.1851 als jüngs­tes Kind des Brau­meis­ters Franz Fer­di­nand Jo­seph Wickü­ler (1813-1882) und des­sen Ehe­frau Frie­de­ri­ke Wil­hel­mi­ne Hil­de­brandt (ge­stor­ben 1862) in El­ber­feld ge­bo­ren. Mit sei­nem Bru­der An­ton Ro­bert (1847-1867) und sei­ner Schwes­ter Wil­hel­mi­ne An­to­nie (ge­bo­ren 1849) bil­de­te er das letz­te Glied ei­ner aus Mül­heim bei KölnKöln  stam­men­den Fa­mi­lie von Hand­wer­kern, Schank­wir­ten und Bier­brau­ern. Eben­so wie der Gro­ßva­ter Pe­ter Ger­hard Wickü­ler (ge­bo­ren um 1772) In­ha­ber ei­ner Haus­braue­rei in Müns­ter­ei­fel (heu­te Bad Müns­ter­ei­fel) ge­we­sen war, hat­te der Va­ter im Jahr 1845 in der El­ber­fel­der Wil­helm­stra­ße ei­ne Pri­vat­braue­rei mit Aus­schank be­grün­det. Durch die Über­nah­me ei­nes Lo­kals in der El­ber­fel­der Alt­stadt 1846 und den An­kauf meh­re­rer Fel­sen­kel­ler zu La­ge­rungs­zwe­cken im Jahr 1853 hat­te er den Be­trieb schritt­wei­se er­wei­tert.

Nach dem frü­hen Tod sei­nes Bru­ders rück­te Franz Jo­seph Wickü­ler be­reits 1867 zum de­si­gnier­ten Nach­fol­ger sei­nes Va­ters auf. Schon seit sei­ner Kind­heit hat­te er al­len Fra­gen, die sich mit dem Brau­we­sen be­schäf­tig­ten gro­ßes In­ter­es­se ent­ge­gen­ge­bracht. Als er am 1.11.1876 in die Ge­schäfts­füh­rung ein­trat, lag der Jah­res­aus­stoß des Be­trie­bes noch bei ver­gleichs­wei­se be­schei­de­nen 5.000 Hek­to­li­tern. Zwar stand das hier ge­brau­te Bier bei Ken­nern be­reits in ho­hem An­se­hen, den ehr­gei­zi­gen Am­bi­tio­nen des jun­gen Wickü­ler ge­nüg­te dies je­doch nicht. Der mit der vor­an­schrei­ten­den In­dus­tria­li­sie­rung an Rhein und Ruhr nicht nur in El­ber­feld ein­her­ge­hen­de ra­san­te Be­völ­ke­rungs­zu­wachs ver­sprach ei­ne deut­li­che Stei­ge­rung des Bier­kon­sums und da­mit glän­zen­de Ab­satz­mög­lich­kei­ten. Tech­ni­sche In­no­va­tio­nen wie die Er­fin­dung der Am­mo­ni­ak-Käl­te­ma­schi­ne oder die Nut­zung der Dampf­kraft zum An­trieb der Malz­müh­len er­öff­ne­ten viel­fäl­ti­ge Op­tio­nen, um zu ei­ner in­dus­tri­el­len, aber zu­gleich qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Pro­duk­ti­ons­wei­se über­zu­ge­hen.

 

Nur ein wei­te­rer El­ber­fel­der Brau­meis­ter, Gus­tav Küp­per (1817-1903), hat­te die Zei­chen der Zeit rich­tig ge­deu­tet und den von sei­nem Va­ter Jo­hann Chris­toph Küp­per (ge­stor­ben 1858) im Jahr 1828 ge­grün­de­ten Haus­be­trieb zu ei­nem der füh­ren­den Brau­un­ter­neh­men der Rhein­pro­vinz mit ei­nem Jah­res­aus­stoß von 91.000 Hek­to­li­tern wer­den las­sen. Meh­re­re Jah­re vor Wickü­ler hat­te er sich durch ei­ne ge­ziel­te Mo­der­ni­sie­rung und ei­ne auf welt­wei­te Ex­pan­si­on aus­ge­rich­te­te Un­ter­neh­mens­po­li­tik ei­ne Füh­rungs­po­si­ti­on am na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len Bier­markt er­kämpft. In vie­ler­lei Hin­sicht wur­de er da­mit zum Vor­bild des jun­gen Wickü­ler - und schlie­ß­lich auch des­sen Schwie­ger­va­ter.

Am 17.10.1876 schloss Franz Jo­seph Wickü­ler im El­ber­fel­der Stan­des­amt die Ehe mit Lau­ra Küp­per (ge­bo­ren 1854), der Toch­ter Gus­tav Küp­pers und des­sen Ehe­frau Ju­lie Hei­der­hoff. Die­ser Hoch­zeit dürf­ten vor al­lem bei­der­sei­ti­ge un­ter­neh­mens­stra­te­gi­sche Mo­ti­ve zu­grun­de ge­le­gen ha­ben, wie sie in der rhei­ni­schen Brau­bran­che mehr­fach zu be­ob­ach­ten sind. Lang­fris­tig bil­de­te sie tat­säch­lich die Grund­la­ge für die Fu­si­on bei­der Un­ter­neh­men, die 20 Jah­re spä­ter voll­zo­gen wer­den soll­te. Kurz­fris­tig sorg­te sie aber aus ei­nem an­de­ren Grund für öf­fent­li­ches Auf­se­hen: Franz Jo­seph Wickü­ler ent­stamm­te ei­nem ka­tho­li­schen und Lau­ra Küp­per ei­nem re­for­mier­ten El­tern­haus - ein Skan­dal in ei­ner Zeit der strik­ten Tren­nung zwi­schen den Kon­fes­sio­nen. Das ein­zi­ge aus der un­glück­lich ver­lau­fen­den Ehe her­vor­ge­hen­de Kind, Franz Walt­her, starb be­reits drei Wo­chen nach sei­ner Ge­burt im Mai 1877. Spä­ter leb­te das Paar in Tren­nung.

Noch zu Leb­zei­ten sei­nes Va­ters hat­te Wickü­ler im Jahr 1879 den Bau zwei­er neu­er La­ger­kel­ler durch­ge­setzt und da­mit ei­nen ers­ten Schritt zu ei­ner wei­te­ren Stei­ge­rung des Aus­sto­ßes er­reicht. In den Jah­ren 1881 und 1882 muss­ten be­reits wei­te­re La­ger­ka­pa­zi­tä­ten ge­schaf­fen wer­den. Dank der Er­rich­tung ei­nes neu­en Sud­hau­ses im Jahr 1883, des Ein­sat­zes mo­der­ner Ma­schi­nen so­wie der Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der Ar­beits­ab­läu­fe ge­lang es ihm be­reits bis 1886, den Ge­samt­aus­stoß auf über 31.000 Hek­to­li­ter zu stei­gern und so­mit in­ner­halb von zehn Jah­ren um mehr als das Sechs­fa­che zu er­hö­hen. Auch in den fol­gen­den Jahr­zehn­ten wuss­te Wickü­ler stets um die Not­wen­dig­keit von In­ves­ti­tio­nen in Tech­no­lo­gie und Wis­sen­schaft, um den in­no­va­ti­ven Vor­sprung vor kon­kur­rie­ren­den Un­ter­neh­men dau­er­haft hal­ten zu kön­nen. So war Wickü­ler un­ter an­de­rem die ers­te Braue­rei im Deut­schen Reich, die pas­teu­ri­sier­tes Bier in Fäs­sern trans­por­tie­ren konn­te.

Ei­nen Mei­len­stein in der Fir­men­ge­schich­te mar­kiert das Jahr 1887. Zu­nächst wur­de die Fir­ma am 8. März zur „Wickü­ler-Braue­rei-Ak­ti­en-Ge­sell­schaf­t“ mit ei­ner Grund­ka­pi­tal­aus­stat­tung von 1,5 Mil­lio­nen Reichs­mark um­ge­wan­delt, bei der Franz Jo­seph Wickü­ler 1.496 der 1.500 Ak­ti­en hielt und fort­an als Di­rek­tor fun­gier­te. Im Som­mer 1887 wur­de über­dies das ers­te Bier nach „Pil­se­ner Ar­t“ ge­braut und am 4.7.1887 im El­ber­fel­der Re­stau­rant „Kai­ser­hof“ of­fi­zi­ell vor­ge­stellt. Da­mit be­grün­de­te Wickü­ler je­ne Mar­ke, der er den Auf­stieg zum stärks­ten Brau­un­ter­neh­men im Wes­ten des Deut­schen Rei­ches ver­dank­te.

Das Wickü­ler-Pils ent­wi­ckel­te sich na­tio­nal wie in­ter­na­tio­nal um­ge­hend zu ei­nem Ex­port­schla­ger und trug ent­schei­dend da­zu bei, dass sich das Un­ter­neh­men Ab­satz­märk­te auf al­len Kon­ti­nen­ten zu er­schlie­ßen ver­moch­te. Er­wäh­nung ver­dient in die­sem Zu­sam­men­hang, dass Wickü­ler im Zu­ge des so­ge­nann­ten Bo­xer­auf­stan­des in Chi­na von der deut­schen Ar­mee­ver­wal­tung im Jahr 1900 den eben­so lu­kra­ti­ven wie pres­ti­ge­träch­ti­gen Auf­trag zur Bier­ver­sor­gung der ge­sam­ten eu­ro­päi­schen Trup­pen­ver­bän­de er­hielt. Mit der Ver­lei­hung ei­ner Gold­me­dail­le auf der Welt­aus­stel­lung in Ant­wer­pen 1894 fan­den die An­stren­gun­gen Wickü­lers, Qua­li­tät und Quan­ti­tät in Ein­klang zu brin­gen auch auf in­ter­na­tio­na­ler Ebe­ne höchs­te An­er­ken­nung.

Im Jahr 1896 wur­de das wirt­schaft­lich an­ge­schla­ge­ne, seit 1886 als „Ber­gi­sche Braue­rei-Ge­sell­schaft vor­mals Gus­tav Küp­per“ fir­mie­ren­de Un­ter­neh­men sei­nes Schwie­ger­va­ters von Wickü­ler über­nom­men. Das durch die­se Fu­si­on ent­stan­de­ne und von Wickü­ler als Vor­stands­vor­sit­zen­dem ge­führ­te Un­ter­neh­men er­hielt den Na­men „Wickü­ler-Küp­per-Braue­rei, Ak­ti­en-Ge­sell­schaft zu El­ber­fel­d“, des­sen Ge­samt­aus­stoß im Ge­schäfts­jahr 1899/1900 erst­mals die Mar­ke von 200.000 Hek­to­li­tern über­schritt. Dies be­deu­te­te ge­gen­über dem Jahr 1876 ei­ne vier­zig­fa­che Stei­ge­rung der Pro­duk­ti­on.

Das letz­te Jahr­zehnt im Le­ben Franz Jo­seph Wickü­lers wur­de von ei­ner schwe­ren Ner­ven­er­kran­kung über­schat­tet, die ihn be­reits zum En­de des Ge­schäfts­jah­res 1906/1907 zum Rück­tritt vom Pos­ten des Vor­stands­vor­sit­zen­den und schlie­ß­lich auch zu ei­nem län­ge­ren Auf­ent­halt in der re­nom­mier­ten Ner­ven­heil­an­stalt in En­de­nich bei Bonn zwang. Im Jahr 1912 trat er auch aus dem Auf­sichts­rat zu­rück, die Ge­schäfts­füh­rung wur­de dem Brau­ex­per­ten Gott­lieb Hell­manns­ber­ger (ge­stor­ben 1916) über­tra­gen. 

Franz Jo­seph Wickü­ler starb nach lan­ger Krank­heit am 17.8.1916 in Mühl­dorf am Inn, wo er sich zur Kur auf­hielt. Er blieb zwar oh­ne di­rek­te Er­ben, hin­ter­ließ da­für aber ein Un­ter­neh­men von in­ter­na­tio­na­lem Rang, wel­ches nach wech­sel­vol­ler Ge­schich­te seit 2004 Teil der Ra­de­ber­ger Grup­pe ist, den Na­men sei­ner Grün­der­fa­mi­lie aber bis heu­te führt. In Wup­per­tal wur­den sämt­li­che Pro­duk­ti­ons­an­la­gen be­reits in den 1990er Jah­ren auf­ge­ge­ben. Hier er­in­nern heu­te le­dig­lich der Wickü­ler­brun­nen und das auf dem ehe­ma­li­gen Fir­men­ge­län­de  ein­ge­rich­te­te Ein­kaufs­zen­trum „Wickü­ler-Par­k“ an den al­ten Stamm­sitz.

Literatur

Hoth, Wolf­gang, Wickü­ler. Die Ge­schich­te ei­ner Braue­rei, Wup­per­tal 1986.
Schwär­zel, Re­na­te, Deut­sche Wirt­schafts­ar­chi­ve. Nach­weis his­to­ri­scher Quel­len in Un­ter­neh­men, Kör­per­schaf­ten, des öf­fent­li­chen Rechts (Kam­mern) und Ver­bän­den der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Band 1, Stutt­gart 1994, S. 210.

Franz Joseph Wicküler als Jäger. (Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv)

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Franz Joseph Wicküler, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-joseph-wickueler/DE-2086/lido/57c92ea8b9a462.14616651 (abgerufen am 20.04.2024)