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Franz Meyers zählt zu den herausragenden politischen Persönlichkeiten in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Den Vergleich mit Karl Arnold, Heinz Kühn und Johannes Rau braucht er nicht zu scheuen, und in seiner Rolle als Wahlkampfleiter für die Bundestagswahl 1957 leistete er einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte der Christlich Demokratischen Union (CDU) Deutschlands.
Franz Josef Heinrich Georg Meyers – so sein vollständiger Geburtsname – wurde am 31.7.1908 als erster Sohn des berittenen Polizeibeamten Franz Josef Meyers und seiner Ehefrau Emma geborene Havenstein in Mönchengladbach am linken Niederrhein geboren. Die familiären Wurzeln von Franz Meyers reichen von den Niederlanden über das Rheinland und Westfalen bis nach Pommern, weshalb er auch zu sagen pflegte, dass sich in seiner Person „die Vielfalt der norddeutschen Tiefebene" vereinige. Dabei hat sich das Rheinland eindeutig durchgesetzt. Ihn kennzeichnete also weniger das niederländische, das westfälische oder das pommersche Element, sondern vor allem die rheinische Wesensart.
Daher kann es nicht überraschen, dass in der Erinnerung politischer Weggefährten Meyers so etwas wie die Verkörperung des typischen Rheinländers darstellt. Sie können seiner Selbstbeschreibung, dass er „immer großzügig, ungezwungen und, auch in scheinbar aussichtslosen Lagen, zuversichtlich" gewesen sei, zustimmen. Für seine politische Karriere war diese rheinische Lebensart von großer Bedeutung. Diese Fröhlichkeit und Geselligkeit, seine Offenheit und sein Optimismus, seine Fähigkeit, auf Menschen aller Bevölkerungsschichten zugehen zu können, machten ihn beim Wahlvolk populär und unter den Journalisten beliebt.
Neben dem Rheinland ist es der Katholizismus gewesen, der Franz Meyers entscheidend geprägt hat. Er war mit seinem ganzen Wesen in der katholischen Weltanschauung verwurzelt, ohne deshalb klerikal zu wirken und zu sein. Im Gegenteil, in seiner Person verbanden sich Rheinland und Katholizismus, sie ließen ihn zu einem typischen Vertreter des toleranten rheinischen Katholizismus werden.
Im März 1927 legte er am Stiftisch-humanistischen Gymnasium in Mönchengladbach die Abiturprüfung ab. Das Abiturzeugnis enthielt den Schlussvermerk: „Franz Meyers will Jura studieren" – um Rheinischer Oberbürgermeister zu werden. Für Franz Meyers war der Rheinische Oberbürgermeister „der fast unbeschränkte Gebieter seines Gemeinwesens". Dem Jurastudium widmete er sich in Köln und Freiburg. Er legte beide juristischen Staatsprüfungen ab und wurde mit einer Arbeit aus dem Staatsrecht zum Doktor der Jurisprudenz promoviert.
Während des Studiums in Köln lernte Franz Meyers seine spätere Ehefrau Alberte Mertens (1908-1982) kennen, die aus einer angesehenen Kölner Arztfamilie stammte. Sie heirateten im Dezember 1936, die Ehe blieb kinderlos.
Da Meyers es ablehnte, Mitglied der NSDAP zu werden, war für ihn der Eintritt in den Staatsdienst ausgeschlossen und die Verwirklichung seines Jugendtraums, Rheinischer Oberbürgermeister zu werden, nicht möglich. Stattdessen ließ er sich als Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt nieder. Seine ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus entsprach der verbreiteten Verhaltensweise der überwiegend katholischen Bevölkerung im Raum Mönchengladbach-Rheydt. Nachdem er die Stelle eines Rechtsreferenten im polnischen Generalgouvernement abgelehnt hatte, nahm er während des Zweiten Weltkrieges als Soldat am Russlandfeldzug teil.
Nach 1945 entschied er sich für eine hauptberufliche Tätigkeit in der Politik erst, nachdem er sich mit dem Aufbau einer Rechtsanwaltspraxis in seiner Heimatstadt Mönchengladbach eine berufliche Existenzgrundlage geschaffen hatte, die ihn in wirtschaftlicher Hinsicht von der Politik unabhängig machte. Er wollte im Sinne von Max Weber (1864-1920) nicht von, sondern für die Politik leben.
Durchsetzungsvermögen und Entscheidungsfreude gepaart mit den Gaben, die ihm als Rheinländer eigen waren, beförderten seine steile politische Karriere, die ihn innerhalb eines Jahrzehnts von bescheidenen Anfängen in der Mönchengladbacher Kommunalpolitik im Jahre 1948 bis in das Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten im Sommer 1958 führte.
Bei der Landtagswahl vom 18.6.1950 wurde er direkt in den Landtag gewählt. Der versierte Jurist fiel als guter Debattenredner auf, der messerscharf argumentieren konnte. 1952 holte ihn Ministerpräsident Karl Arnold als Innenminister in die nordrhein-westfälische Landesregierung. Bereits in seinem ersten Amtsjahr als Innenminister brachte Meyers mit der Verabschiedung der Landkreisordnung und der Landschaftsverbandsordnung sowie der Neuordnung des Polizeiwesens drei große Gesetzgebungswerke durch den Landtag. Gleichzeitig bekleidete Meyers zwischen März und November 1952 kurzzeitig das Amt des Mönchengladbacher Oberbürgermeisters.
Auch erlangte er in diesem Amt bundesweite Bekanntheit. Seine Rede im Bundesrat im Juli 1954 gegen die Speiseeisverordnung des Bundesinnenministers, die sich gegen den bürokratischen Perfektionismus wandte, machte ihn ebenso über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus populär wie die Verfolgung von Kriminellen, die in den Herbstnächten des Jahres 1954 die nordrhein-westfälischen Autobahnen im Großraum Köln-Düsseldorf heimsuchten.
1956 holte Konrad Adenauer den Macher Meyers nach Bonn und ernannte ihn zum Generalmanager der CDU für die Bundestagswahl 1957. Mit einer ausgezeichnet organisierten Wahlkampagne mit dem Slogan „Keine Experimente" trug Meyers entscheidend zum triumphalen Wahlsieg der Unionsparteien bei der Wahl zum dritten Deutschen Bundestag am 15.9.1957 bei, als CDU und CSU 50,2 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten.
In Bonn profilierte er sich in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre auch als Parteireformer, der über die Ära Adenauer hinausblickte. Mit seiner Forderung nach einer grundlegenden Reform der Parteiführung und der Erarbeitung eines Grundsatzprogramms auf dem CDU-Bundesparteitag 1958 in Kiel wollte Meyers die CDU Deutschlands auf die Zeit nach Adenauer vorbereiten.
Nach dem Sieg der CDU bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl von 1958 und dem unerwarteten Tod des Spitzenkandidaten Karl Arnold kehrte Meyers nach Düsseldorf zurück, wo er zunächst einer Alleinregierung der CDU vorstand. Ab 1962 stand er an der Spitze einer Regierungskoalition von CDU und FDP.
Während seiner achtjährigen Amtszeit als Regierungschef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes baute er maßgeblich am modernen Nordrhein-Westfalen mit. Mit den Beschlüssen über den Bau neuer Universitäten in Bochum, Dortmund und Bielefeld sowie der Errichtung des Landesamtes für Forschung legte er den Grundstein für die Entwicklung des Landes zu einem der bedeutendsten Forschungs- und Hochschulstandorte in der Bundesrepublik. Ein Modernisierer war er auch auf dem Feld des Umweltschutzes. Das Immissionsschutzgesetz von 1962 und die ein Jahr darauf errichtete Landesanstalt für Immissions- und Bodennutzungsschutz waren wegweisend für die weitere Entwicklung auf dem Gebiet der Umweltschutzpolitik.
Die staatliche Kunstförderung ist ein weiterer landespolitischer Akzent, den Meyers als Regierungschef setzte. Von bleibender Bedeutung ist der Ankauf der Klee-Sammlung im Frühjahr 1960 und der folgende Aufbau einer landeseigenen Kunstsammlung. Als er von dem Angebot eines Schweizer Kunsthändlers erfuhr, 88 Gemälde von Paul Klee (1879-1940) für das Land Nordrhein-Westfalen erwerben zu können, griff er gegen erhebliche Bedenken und Widerstände zu. Den Ankauf dieser einmaligen Gemäldesammlung verstand er als „einen Akt kulturpolitischer Wiedergutmachung" gegenüber einem international bekannten und anerkannten Künstler, der 1933 Deutschland aus politischen Gründen hatte verlassen müssen.
Die Bemühungen zur Stiftung eines nordrhein-westfälischen Landesbewusstseins zählten zu den bedeutendsten politischen Initiativen von Franz Meyers während seiner Ministerpräsidentschaft. Er war der Überzeugung, dass Nordrhein-Westfalen als nach Bevölkerungsdichte und Wirtschaftskraft wichtigster Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland nur bestehen könne, wenn es innerlich fest gegründet sei, das heißt im Zusammengehörigkeitsgefühl seiner Bevölkerung, von Rheinländern und Westfalen. Im Zentrum seiner diesbezüglichen Überlegungen stand der Versuch, mit Hilfe staatlicher Symbole (Landeswappen, Landesorden), die historische Bezüge zu den im nordrhein-westfälischen Raum bedeutsamen Landschaften herstellten, ein besonderes Landesbewusstsein zu bilden. Diese Pläne stießen bei einer funktionalistisch denkenden Nachkriegsöffentlichkeit auf Unverständnis und Ablehnung. Johannes Rau griff in den 1980er Jahren den Gedanken eines besonderen Landesbewusstseins auf. Der Slogan „Wir in Nordrhein-Westfalen" ist legendär geworden. Anlässlich des 40-jährigen Landesjubiläums im Jahre 1986 wurde ein Landesverdienstorden gestiftet.
Als Ministerpräsident wirkte Meyers über den Bundesrat auch an der Außenpolitik der Bundesrepublik mit. Seinen wichtigsten Beitrag leistete er in diesem Zusammenhang bei der Ratifizierung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages vom 22.1.1963. In Abstimmung mit Außenminister Gerhard Schröder brachte er im Bundesrat einen Entschließungsantrag ein, der schließlich mit einigen redaktionellen Änderungen zur Präambel des deutsch-französischen Vertrages erhoben wurde.
Die Ausflüge in die Außenpolitik konnten Meyers nicht davor bewahren, sich den Problemen der Landespolitik stellen zu müssen. Die Krise im Steinkohlenbergbau, die nicht konjunktureller Art war, sondern das Ergebnis einer dauerhaften Umschichtung auf dem Energiemarkt und damit strukturell bedingt, überschattete seine Ministerpräsidentschaft. Vorschläge von Meyers zur Überwindung der Bergbaukrise, die als Kernstück die Gründung einer Strukturförderungsgesellschaft unter Beteiligung des Bundes, des Landes und des Bergbaus vorsahen, gingen in den turbulenten Tagen des Jahres 1966 unter, das sowohl in Bonn als auch in Düsseldorf einschneidende politische Veränderungen brachte.
Im Sog der politischen Veränderungen in Bonn nach dem Bruch der christlich-liberalen Koalition Ende Oktober 1966 brach auch das CDU/FDP-Bündnis in Düsseldorf auseinander. Nach der verlorenen Landtagswahl vom 10.7.1966, deren Ausgang eine Absage an Bundeskanzler Ludwig Erhard (Amtszeit 1963-1966) war, die stellvertretend Meyers traf, verfügte dessen Regierung im Landtag ohnehin nur noch über eine hauchdünne Mehrheit von 101 zu 99 Stimmen. Am 8.12.1966 wurde Meyers durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt.
1967 scheiterte der Versuch eines landespolitischen Comebacks. Meyers wollte 1970 wieder als Spitzenkandidat seine Partei in den Landtagswahlkampf führen. In einer Kampfabstimmung unterlag er jedoch seinem langjährigen innerparteilichen Rivalen Josef Hermann Dufhues (1908-1971). Nach seinem Abschied von der aktiven Politik im Jahre 1970 wurde es sehr ruhig um Franz Meyers. Nur noch zweimal sorgte er öffentlich für Aufmerksamkeit, und zwar 1975, als er im Rahmen der kommunalen Neuordnung in Mönchengladbach wie schon 1969 in Bonn die Aufgabe eines Regierungskommissars ausübte, und 1979, als er mit Plänen zur Gründung einer „Vierten Partei" als Probelauf einer bundesweiten Ausdehnung der CSU in Verbindung gebracht wurde, von denen er sich aber rasch wieder distanzierte. Daneben war Meyers unter anderem von 1971 bis 1979 Aufsichtsratsvorsitzender der Klöckner-Werke AG und Mitglied der Kuratorien der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften sowie der Landeskunstsammlung.
Im hohen Alter von 93 Jahren starb Franz Meyers am 27.1.2002 in seiner Heimatstadt Mönchengladbach.
Werke (Auswahl)
Gez. Dr. Meyers. Summe eines Lebens, Düsseldorf 1982.
Jugenderinnerungen eines München-Gladbachers, Düsseldorf 1980.
Publizistische Freiheit und politische Verantwortung, Gütersloh 1963.
Reich, Staat, Nation, Bonn 1960.
Reichspräsidentenwahl und Ausnahmemaßnahmen, Köln 1934 (Dissertation).
Über Politik und Staatsgerichtsbarkeit, München 1952.
Literatur (Auswahl)
Köhler, Wolfram, Franz Meyers, in: Först, Walter (Hg.): Aus dreißig Jahren. Rheinisch-Westfälische Politiker-Porträts, Köln/Berlin 1979, S.273-299.
Marx, Stefan, Franz Meyers 1908 – 2002. Eine politische Biographie, Essen 2003.
Online
Franz Meyers (1908-2002) (Umfangreiche Information auf der Website der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.). [Online]
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Marx, Stefan, Franz Meyers, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-meyers/DE-2086/lido/57c94e9cc10190.26629685 (abgerufen am 01.12.2024)