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Franz Raveaux zählte zwischen 1844 und 1848 zu den populärsten Persönlichkeiten der demokratischen Bewegung im Rheinland. Als Geschäftsmann nur mäßig erfolgreich, stieg er zu einem gefeierten politischen Redner auf und wurde 1848 als erster Parlamentarier Kölns in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt.
Franz Raveaux wurde am 29.4.1810 als Sohn des Berufssoldaten und Magazinverwalters Pierre Raveaux und dessen Ehefrau Anna Maria Maaß in Köln geboren. Der 1894 aus Frankreich eingewanderte Vater war ein überzeugter Anhänger der Französischen Revolution. Die republikanische Geisteshaltung des Elternhauses sollte sich auch auf die spätere politische Positionierung der Söhne Franz und Ludwig prägend auswirken.
Nach dem Willen des Vaters sollte Franz Raveaux den Beruf des Kaufmanns erlernen und besuchte ab 1820 das Kölner Karmelitergymnasium. 1824 wurde er wegen der Verwicklung in eine Schlägerei mit einer Gruppe Kölner Handwerksgesellen von der Schule verwiesen und scheiterte auch bei dem anschließenden Versuch, die Düsseldorfer Malerschule zu absolvieren. 1827 trat Raveaux in den Dienst der preußischen Armee. Aber auch die verheißungsvolle militärische Karriere als Dragoneroffizier nahm schon 1830 nach einem Duell mit einem Landwehrmajor ein abruptes Ende. Nach siebenmonatiger Untersuchungshaft in der Deutzer Militärfestung glückte Raveaux im Sommer 1830 die Flucht nach Brüssel, wo er sich dem Unabhängigkeitskampf Belgiens gegen das Königreich Holland anschloss. 1834 trat er der neu gegründeten französischen Fremdenlegion bei und nahm am Ersten Carlistenkrieg teil, in dessen Verlauf er zwar mehrfach ausgezeichnet wurde, 1835 aber in Gefangenschaft geriet.
Nach seiner Freilassung kehrte Raveaux 1836 in seine Heimatstadt Köln zurück, wo er 1837 die Porzellanhändlerstochter Brigitte Neunkirchen heiratete. In den folgenden Jahren versuchte er zunächst vergeblich, sich eine bürgerliche Existenz als Kaufmann aufzubauen. Erst 1843 gelang es ihm, sich als Tabakhändler und Grundstücksspekulant in der Kölner Gesellschaft zu etablieren und auch finanzielle Erfolge zu verbuchen.
Große Popularität erlangte Raveaux zur gleichen Zeit im Kölner Karneval als gesellschaftskritischer Büttenredner und als Präsident der von ihm gegründeten „Allgemeinen Carnevalsgesellschaft", die sich unter dem Motto „Freiheit und Gleichheit im Narrenthum" zu einer Keimzelle des demokratischen Vereinswesens im Rheinland entwickelte. Mit seinen publikumswirksamen Forderungen nach Pressefreiheit, Volksbewaffnung und Bürgerrechten avancierte Raveaux zum entschiedenen Gegner des von der „Großen Carnevalsgesellschaft" gepflegten romantischen aber unpolitischen Fastnachtstreibens.
Die Grenzen zwischen Karneval und Politik waren nicht zuletzt unter seinem Einfluss fließend geworden. Als es im August 1846 während der traditionellen Martinskirmes zu Übergriffen preußischer Soldaten auf Kölner Bürger kam, nutzte Raveaux seine Popularität, um die antipreußische Stimmung zu schüren und im Herbst 1846 als einer von drei Demokraten in den Kölner Stadtrat gewählt zu werden. Der Ausbruch der Revolution im März 1848 bot ihm schließlich die Möglichkeit, sich auch auf nationalpolitischer Ebene zu engagieren. Nachdem er bereits dem Vorparlament angehört hatte, wurde Raveaux als Abgeordneter der Stadt Köln in die Nationalversammlung gewählt, die am 18.5.1848 in der Frankfurter Paulskirche erstmals zusammentrat. Er schloss sich der Fraktion der „linken Mitte" an, befürwortete das Prinzip der Volkssouveränität, forderte die Beseitigung der Monarchien und die Gründung einer auf demokratischen Prinzipien basierenden Republik. Dennoch erwies er sich auch als Realpolitiker mit taktischem Kalkül, suchte den Dialog mit den politischen Gegnern und zog den Kompromiss der Konfrontation vor. Der Trierer Abgeordnete Ludwig Simon (1819-1872) urteilte: „Raveaux’ Stärke bestand nicht in logischer Denkkraft, sondern in einer seltenen Naivität. Doch er war schlau, und es musste einer früh aufgestanden sein, der ihn hinters Licht führen wollte. Dazu kam das Gemütliche des Kölner Dialekts, welcher selbst durch sein Hochdeutsch hindurchklang und seine schöne, leidende Gestalt mit dem großen, braunen, melancholischen Auge."
In den ersten Monaten seiner parlamentarischen Tätigkeit wusste Raveaux nicht nur durch seine herausragenden rhetorischen Fähigkeiten, sondern auch in der Rolle des politischen Vermittlers zu überzeugen. Nicht zuletzt dank seiner energischen Intervention fand der umstrittene Antrag des Liberalen Heinrich von Gagern (1799-1880), den Erzherzog Johann von Österreich (1782-1859) zum Reichsverweser zu wählen, bei der Abstimmung am 27.6.1848 die erforderliche Mehrheit des Parlaments. Bei seiner Rückkehr ins Rheinland wurde Raveaux, der nun im Zenit seiner Popularität stand, am 3.8.1848 ein triumphaler Empfang bereitet.
Die Anerkennung des Waffenstillstands von Malmö durch die Frankfurter Nationalversammlung leitete im September 1848 seinen unaufhaltsamen politischen Abstieg ein. In einer Petition mit 20.000 Unterschriften sah sich Raveaux plötzlich dem Vorwurf ausgesetzt, ein „Verräter des deutschen Volkes, der deutschen Freiheit und Ehre" zu sein, obwohl er selbst gegen den Antrag gestimmt hatte. Im Februar 1849 kandidierte er in Köln vergeblich als Abgeordneter für die preußische Nationalversammlung. Die Niederlage in seiner Heimatstadt, in der er Monate zuvor noch frenetisch gefeiert worden war, markierte einen Tiefpunkt in seiner politischen Karriere.
Ab der zweiten Hälfte des Jahres 1848 wurde es immer offensichtlicher, dass es Raveaux nicht nur an persönlicher Autorität und Durchsetzungsvermögen, sondern auch an konkreten staatstheoretischen Konzepten mangelte. Zudem hatte sich sein zunächst bewunderter Redestil nach wenigen Monaten abgenutzt. Der Abgeordnete Karl Biedermann (1812-1901) bemerkte: „Die chevaleske Romantik einer Politik, welche ihre Hauptstärke in schwungvollen Effekten fand, hatte sich überlebt und hielt nicht Stand vor dem kalten Ernst der Tatsachen, die der Versammlung täglich härter auf den Leib rückten, vor der schroffen Scheidung der Parteien, die nicht mehr durch eine klangvolle Phrase zu versöhnen waren."
Erst die Ablehnung der Kaiserwürde durch König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) am 3.4.1849 bot Raveaux die Gelegenheit, verlorenen Einfluss zurückzugewinnen. Er proklamierte den bewaffneten Widerstand gegen die preußische Regierung, wurde im Mai 1849 zum Reichskommissar der Pfalz und stellvertretenden Kriegsminister ernannt und mit der militärischen Organisation des badischen Aufstands beauftragt. Dabei favorisierte er eine offensive Strategie gegen die heranrückenden preußischen Truppen, konnte sich mit seinen Vorschlägen aber nicht durchsetzen. Die Auflösung des Rumpfparlaments in Stuttgart und der Zusammenbruch des badischen Aufstandes zwangen Raveaux im Juli 1849 zur Flucht in die Schweiz. Von den dortigen Behörden ausgewiesen, emigrierte er im Oktober 1849 zunächst nach Frankreich und im Januar 1851 nach Belgien.
Raveaux, der im Sommer 1851 in Köln als Hochverräter angeklagt und in Abwesenheit zum Tod verurteilt worden war, starb am 13.9.1851 in seinem Haus in Laeken bei Brüssel an den Folgen eines Lungenleidens. Im Gegensatz zu politischen Weggefährten wie Robert Blum oder Gottfried Kinkel gerieten seine Leistungen und Verdienste als Wegbereiter der demokratischen Bewegung bald in Vergessenheit. Raveaux, den sein bis zur Selbstaufgabe reichendes politisches Wirken schließlich Gesundheit und Leben kostete, kann somit zu den tragischen Figuren der Revolution 1848/1849 gerechnet werden. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Laeken.
Literatur
Frohn, Christina, Der organisierte Narr. Karneval in Aachen, Düsseldorf und Köln von 1823 bis 1914, Marburg 2000.
Koppetsch, Axel, Franz Raveaux (1810-1851), in: Dascher, Ottfried (Hg.), Petitionen und Barrikaden. Rheinische Revolutionen 1848/49, Münster i.W. 1998, S. 314-317.
Müller, Michael, Karneval als Politikum, in: Düwell, Kurt/Köllmann, Wolfgang (Hg.), Rheinland – Westfalen im Industriezeitalter, Band 1, Wuppertal 1983, S. 207-233.
Schmidt, Klaus, Franz Raveaux – Karnevalist und Pionier des demokratischen Aufbruchs in Deutschland, Köln 2001.
Seyppel, Marcel, Franz Raveaux (1810-1851), in: Rheinische Lebensbilder 11 (1988), S. 125-148.
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Thomann, Björn, Franz Raveaux, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/franz-raveaux/DE-2086/lido/57cd1c7fe3fad9.55382410 (abgerufen am 01.12.2024)