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Der Jurist Friedrich Althoff zählt neben Wilhelm von Humboldt (1767-1835) und Carl Heinrich Becker (1876-1933) zu den bedeutenden Gestaltern des preußischen und deutschen Bildungswesens. Trotz der Kritik an seiner Machtfülle und seinem autoritären Führungsstil legte der „Bismarck des Hochschulwesens" mit seiner modernen Kultur- und Bildungspolitik den Grundstein für die internationale Führungsrolle der deutschen Wissenschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts.
Friedrich Theodor Althoff wurde am 19.2.1839 in Dinslaken als Sohn des gleichnamigen Domänenrats Althoff und dessen Frau Julie von Buggenhagen geboren. Ab 1851 besuchte er das Gymnasium in Wesel. Nach bestandener Reifeprüfung immatrikulierte er sich am 29.10.1856 an der juristischen Fakultät der Universität Bonn, wo er dem Corps Saxonia beitrat. Von einem kurzen Intermezzo an der Universität Berlin abgesehen, von der er bereits im November 1857 wegen einer Schlägerei mit der Polizei verwiesen wurde, verbrachte Althoff seine gesamte Studienzeit in Bonn. Dort erwies er sich zwar als fleißiger, bei den akademischen Behörden jedoch auch als berüchtigter Student. Wiederholt geriet er in Konflikt mit der Polizei und musste Haftstrafen im Universitätsgefängnis absitzen.
Nachdem er am 23.11.1861 sein Staatsexamen bestanden hatte, setzte Althoff seine praktische juristische Ausbildung zunächst in Neuwied und Berlin fort, ehe er in Ehrenbreitstein am 20.5.1869 das Assessorexamen bestand. 1865 heiratete er die aus Neuwied stammende Marie Ingenohl (1843-1925). Die Ehe blieb kinderlos.
Im Frühjahr 1871 wurde Althoff als Justiziar und Referent für Kirchen- und Schulangelegenheiten in das Zivilkommissariat der Reichslande Elsaß-Lothringen berufen. Unter der Leitung des Oberpräsidenten Eduard von Möller (1814-1880) erwarb er sich hier die für seinen weiteren Lebensweg entscheidenden Kenntnisse im Verwaltungswesen. Sowohl Möller als auch Althoff waren von der Notwendigkeit einer behutsamen Integration Elsaß-Lothringens in das Reichsgebiet überzeugt und lehnten Bestrebungen zu dessen radikaler „Germanisierung" entschieden ab. Ab 1872 konzentrierte sich Althoffs Hauptaufgabengebiet als Assistent des kaiserlichen Kommissars und Reichstagsabgeordneten Franz von Roggenbach (1825-1907) auf den Aufbau der Kaiser-Wilhelm-Universität in Straßburg, an der er selbst auch „Französisches Zivilrecht" lehrte.
Im Rang eines Geheimen Regierungsrates stehend, trat Althoff am 10.10.1882 als Universitätsreferent in den Dienst des preußischen Kultusministeriums in Berlin. Am 14.4.1897 erfolgte die Beförderung zum Ministerialdirektor für Universitäten und Höhere Schulen. Neben dem höheren Schulwesen unterstanden Althoff nun auch die Ressorts Kunst- und Denkmalpflege, das Bibliothekswesen sowie die nichtuniversitären Forschungsstellen. In diesem Amt blieb er bis zu seiner Pensionierung am 1.10.1907.
Während seiner fünfundzwanzigjährigen Dienstzeit gelang es Althoff, der im Ruf eines „Fanatikers der Arbeit" stand, das deutsche Universitäts- und Bildungswesen grundlegend zu modernisieren. Sein von Pragmatismus und eigenmächtigem Handeln geprägter Arbeitsstil war jedoch nicht unumstritten.
Der Beschreibung des Biochemikers David Nachmansohn (1899-1983) folgend war Althoff „ein ausgeprägter Autokrat und wohlwollend belehrender Diktator, der sich eifrig um den Ausbau der Universitäten und wissenschaftlichen Anstalten bemühte und dabei häufig über die Köpfe der Fakultätsmitglieder hinweg seine Entscheidungen traf." Als vermeintlicher Bekämpfer der akademischen Freiheit machte sich Althoff viele Feinde. Der Historiker Theodor Mommsen (1817-1903) nannte ihn „den Bestgehaßten in unserem lieben, unmündigen Vaterlande".
Ein weit verzweigtes Netz von Kontakten zu einflussreichen Persönlichkeiten in Parlamenten, Behörden und in der Wirtschaft sicherte Althoffs Macht- und Sonderstellung. Der Historiker Bernhard vom Brocke beschrieb dieses „System Althoff" als „das kunstvoll ausgebaute Geflecht offizieller und offiziöser persönlicher Beziehungen, mittels derer Althoff seinen „Wissenschaftsstaat" aufbaute, durchorganisierte und verwaltete." Selbst Kaiser Wilhelm II. (Regierungszeit 1888-1918) war in dieses Netzwerk eingebunden und zeigte sich als ein überzeugter Befürworter der Methoden Althoffs, den er in seinen Memoiren als „genialen Ministerialdirektor" würdigte. Dank der kaiserlichen Unterstützung besaß Althoff einen entscheidenden Rückhalt bei der Durchsetzung seiner Kulturpolitik.
Althoff setzte sich dabei das Ziel, die Qualität des deutschen Universitätswesens zu verbessern und den veränderten Anforderungen des Industriezeitalters anzupassen. Dies bedeutete vor allem eine verstärkte Förderung der Naturwissenschaften und der Medizin. In der Frage der Lehrstuhlbesetzung wich er von der bislang gängigen Praxis ab, nach der die jeweiligen Fakultäten über die Berufung eines Professors entschieden. Er hingegen machte seine Berufungspolitik nicht vom Urteil der Fakultäten abhängig, sondern entschied eigenständig. Nach sorgfältiger Prüfung berief er den Kandidaten, den er aufgrund seiner fachlichen und charakterlichen Eignung für besonders geeignet hielt. Bei seinen Entscheidungen vertraute er auch dem Fachurteil eines Beraterkreis, dem Kapazitäten wie Wilhelm Lexis (1837-1914), Theodor Mommsen oder Bernhard Weiß (1827-1918) angehörten. Dieses Vorgehen gegen den Willen der Fakultäten bedeutete zwar einen schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie der Universitäten, erwies sich jedoch als höchst effektiv. Allein im Zeitraum zwischen 1900 und 1919 wurden 17 Nobelpreise in Medizin, Chemie oder Physik an deutsche Wissenschaftler verliehen.
Das „System Althoff" bewährte sich auch beim Ausbau und der Finanzierung wissenschaftlicher Institute und Forschungseinrichtungen. Bei der Verwirklichung seiner ehrgeizigen Projekte erwies sich Althoff als geschickter Organisator und in der Auseinandersetzung um die Bewilligung finanzieller Mittel als gewiefter Stratege. Zudem verstand er es, sich den Wirtschaftsaufschwung im Deutschen Reich zu Nutze zu machen und nach amerikanischem Vorbild private Geldgeber zur Investition in Bildung und Forschung zu gewinnen.
Bei der Vielzahl der von ihm gegründeten wissenschaftlichen Institute ist der Neubau der Berliner Charité besonders hervorzuheben. Außerdem zeichnete er für die Gründungen der Universität Münster, der Technischen Hochschulen in Danzig und Breslau, der Akademie in Posen sowie einer kaum zu überschauenden Anzahl verschiedenster wissenschaftlicher Institute verantwortlich. Allein die Universität Berlin wurde während seiner Amtszeit von 38 auf 81 Institute ausgebaut.
Auch die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der späteren Max-Planck-Gesellschaft, im Jahr 1910 geht im Wesentlichen auf eine Initiative Althoffs zurück. Sein Ziel, in Berlin-Dahlem ein Wissenschaftszentrum, ein „deutsches Oxford", zu gründen, erfüllte sich zu seinen Lebzeiten jedoch nicht mehr.
Ein Jahr nach seinem Eintritt in den Ruhestand starb Friedrich Althoff am 20.10.1908 „vollkommen gewiß über seinen Tod und in heiterster Ruhe" an den Folgen eines Blutsturzes. Sein Grab befindet sich in dem von ihm neu begründeten botanischen Garten in Berlin-Dahlem.
Literatur
Brocke, Bernhard vom (Hg.), Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftspolitik im Industriezeitalter: das „System Althoff" in historischer Perspektive, Hildesheim 1991.
Domaschke, Franz, Friedrich Theodor Althoff und die preußischen Universitäten im ausgehenden 19. Jahrhundert. Eine historische Skizze, 2001 (ohne Ortsangabe).
Lischke, Ralph-Jürgen, Friedrich Althoff und sein Beitrag zur Entwicklung des Berliner Wissenschaftssystems an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, Berlin 1990.
Sachse, Arnold, Friedrich Althoff und sein Werk, Berlin 1928.
Thomann, Björn, Friedrich Althoff (1839-1908). Preußischer Kulturpolitiker, in: Rheinische Lebensbilder 19 (2013), S.167-195.
Wesseling, Klaus-Gunther, Artikel „Althoff, Friedrich Theodor", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 16 (1999), Sp. 29-48.
Online
Schnabel, Franz , Artikel "Althoff, Friedrich", in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 222-224. [Online]
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Thomann, Björn, Friedrich Althoff, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-althoff/DE-2086/lido/57a9e30a10e419.29211165 (abgerufen am 06.10.2024)