Fritz Lewy

Grafikdesigner und Bühnenbildner (1893-1950)

Birgit Bernard (Heidelberg)

Fritz Lewy, um 1945/1950. (© WDR/Cincinnati Art Museum)

Fritz Le­wy war Gra­phik­de­si­gner, Büh­nen­bild­ner an den Thea­tern in Düs­sel­dorf, Wei­mar und Köln und von 1927-1933 Chef­gra­phi­ker beim West­deut­schen Rund­funk. In der Emi­gra­ti­on ar­bei­te­te Le­wy als fre­e­lan­cer in Bar­ce­lo­na und Cin­cin­na­ti/Ohio (USA).

Fritz Le­wy stamm­te aus ei­ner jü­disch-as­si­mi­lier­ten Fa­mi­lie. Am 22.5.1893 kam er als äl­tes­ter Sohn des Kauf­manns Gus­tav Le­wy und sei­ner Frau An­na, ge­bo­re­ne Ro­sen­berg, in Es­sen zur Welt. Die Brü­der Ernst und Paul folg­ten in den Jah­ren 1896 und 1899.

Der Va­ter war wirt­schaft­lich er­folg­reich und au­ßer­or­dent­lich kunst­be­flis­sen. Die künst­le­ri­schen Am­bi­tio­nen des Soh­nes Fritz wur­den des­halb von den El­tern schon früh durch Zei­chen- und Mu­sik­un­ter­richt ge­för­dert. Im Früh­jahr 1911 be­stand Le­wy das Ab­itur am Es­se­ner Helm­holtz-Re­al­gym­na­si­um und nahm ein Stu­di­um an der Kunst­ge­wer­be­schu­le in Es­sen auf. Sei­ne aka­de­mi­schen Leh­rer wa­ren ins­be­son­de­re die Ge­brauchs­gra­phi­ker und Ty­po­gra­phen An­na Si­mons (1871-1951) so­wie Fritz H. Ehm­cke (1878-1965). Par­al­lel zu dem Gra­phik­de­sign-Stu­di­um schrieb er sich ab dem WS 1912/1913 auch am Kunst­his­to­ri­schen Se­mi­nar der Uni­ver­si­tät Bonn ein und stu­dier­te bei Pro­fes­sor Paul Cle­men. Der Ers­te Welt­krieg ver­ei­tel­te den Ab­schluss sei­nes Stu­di­ums. Le­wy mel­de­te sich Kriegs­frei­wil­li­ger und dien­te bis 1918 in ei­nem west­fä­li­schen In­fan­te­rie­re­gi­ment an der West­front.

 

1917 hei­ra­te­te er die Düs­sel­dor­fer Kauf­mann­s­toch­ter He­le­ne Frank (1888-1980). En­de 1918 kehr­te Le­wy nach Düs­sel­dorf zu­rück und er­öff­ne­te ein Gra­phi­sches Ate­lier auf der Kreuz­stra­ße. Er schloss sich der Künst­ler­grup­pe „Jun­ges Rhein­lan­d“ an und ent­warf Büh­nen­bil­der für das Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­haus (1920-1924/1934). Als Fre­e­lan­cer ar­bei­te­te er in den 20er Jah­ren un­ter an­de­rem als Ge­brauchs­gra­phi­ker für den Düs­sel­dor­fer Im­mer­mann­bund oder die rhei­ni­sche Pri­vat­wirt­schaft. 1921 hol­te Ernst Hardt, der In­ten­dant des Deut­schen Na­tio­nal­thea­ters in Wei­mar, Fritz Le­wy an sei­ne Büh­ne. Bis zum En­de von Hardts In­ten­danz im Jah­re 1924 pen­del­te Le­wy zwi­schen den bei­den Städ­ten.
Be­deut­sam für sei­ne künst­le­ri­sche Ent­wick­lung sind die Im­pul­se, die er in Wei­mar durch das „Bau­haus“ und den Kon­struk­ti­vis­ten Theo van Does­burg (1883-1931) er­fuhr. In Wei­mar voll­zieht sich Le­wys Wan­del hin zur Neu­en Sach­lich­keit. Zu Be­ginn der Spiel­zeit 1924/1925 wech­sel­te Ernst Hardt ans Schau­spiel­haus nach Köln. Und zum zwei­ten Mal ver­trau­te er Le­wy Kos­tüm- und Büh­nen­bild an.

In der zwei­ten Hälf­te der 1920er Jah­re war Fritz Le­wy als Büh­nen­bild­ner und Gra­phik­de­si­gner künst­le­risch ar­ri­viert. Im Früh­som­mer 1927 stell­te er im Je­na­er Kunst­ver­ein zu­sam­men mit Iko­nen der Klas­si­schen Mo­der­ne wie Kurt Schwit­ters (1887-1948), Os­kar Schlem­mer (1888-1943), Lasz­lo Mo­h­oly-Na­gy (1895-1946), Theo van Does­burg, Jo­sef Al­bers (1888-1976) und an­de­ren aus, kur­ze Zeit spä­ter bei der Ba­se­ler Aus­stel­lung „Neue Ty­po­gra­phie“ im Ge­wer­be­mu­se­um mit Schwit­ters, Schlem­mer und dem Ty­po­gra­fen Jan Tschi­cholt (1902-1974).

Ernst Hardt, Porträtfoto April 1935, Indendant der WERAG (1926-1933). (© WDR im Bild)

 

Frei­lich ge­hör­te Le­wy nicht zur Avant­gar­de  der Wer­be­gra­phik. Sei­ne Ge­brauchs­gra­phik nahm nach dem Be­fund der De­si­gn­his­to­ri­ke­rin Ute Brü­ning „von den avant­gar­dis­ti­schen Ide­en [...] ge­ra­de so viel auf, dass die Kun­den doch dar­un­ter die her­kömm­li­chen Re­prä­sen­ta­ti­ons­for­men wie­der er­ken­nen konn­ten.“ Sei­ne Wer­bung war „ge­schickt zwi­schen Ge­gen­ständ­lich­keit und Abs­trak­ti­on an­ge­sie­del­t“, und da­mit stell­te sich „ge­ra­de je­ner ge­wünsch­te In­no­va­ti­ons­grad und da­mit Blick­fan­geffekt ein, der da­mals das Non-plus-ul­tra der Re­kla­me war.“[1] 

Im Jah­re 1927 kam es zu ei­ner neu­er­li­chen Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Hardt und Le­wy. Hardt, der 1926 „Künst­le­ri­scher Lei­ter“ (das hei­ßt In­ten­dant) der 1924 ge­grün­de­ten West­deut­schen Rund­funk AG (WER­AG) ge­wor­den war, hol­te Le­wy an den Sen­der nach Köln und bot ihm die Po­si­ti­on ei­nes Chef­gra­phi­kers und Lei­ters der Bild­stel­le in­cl. Bild­ar­chiv an.

Titelblatt der Programmzeitschrift der WERAG vom 29. Oktober 1933. (WDR)

 

Für die WER­AG ent­warf Le­wy neu­sach­li­ches, in den Far­ben Rot und Schwarz ge­hal­te­nes Ge­schäfts­pa­pier, das ers­te Un­ter­neh­mens­pla­kat, das Vor­satz­blatt zum of­fi­zi­el­len Gäs­te­buch so­wie das Lo­go. Es zeig­te ei­ne Welt­ku­gel, aus der der sti­li­sier­te Sen­der Lan­gen­berg, der Mit­tel­wel­len­sen­der der WER­AG, her­aus­rag­te, als Sym­bol für Hardts so­zio­lo­gi­sche und na­tio­na­le Gren­zen über­schrei­ten­de Kon­zep­ti­on des neu­en Me­di­ums.

Logo der Werag. (© WDR im Bild)

 

Viel be­ach­tet war auch Le­wys gra­phi­sche Aus­stat­tung zum „Jahr­buch des West­deut­schen Rund­funks“ von 1929. Ab­ge­se­hen da­von zeich­ne­te Le­wy für Wer­be­maß­nah­men des Sen­ders ver­ant­wort­lich, so zum Bei­spiel für die Fahr­ten des Wer­be­wa­gens oder für die Aus­stat­tung und Ty­po­gra­fie von Mes­se­stän­den, et­wa bei der le­gen­dä­ren Köl­ner PRES­SA von 1928.

Zu den pe­ri­odisch wie­der­keh­ren­den Ar­bei­ten ge­hör­ten Lay­out und Be­bil­de­rung der wö­chent­lich im Köl­ner Ru­Fu-Ver­lag er­schei­nen­den Pro­gramm­zeit­schrift „Die Wer­ag“. Hier zeig­ten sich Le­wys Vor­lie­ben für mo­der­ne Ar­chi­tek­tur oder neu­sach­li­che Fo­to­gra­fie, un­ter an­de­rem in Zu­sam­men­ar­beit mit Iko­nen der Fo­to­gra­fie­ge­schich­te wie Au­gust San­der oder Al­bert Ren­ger-Patzsch. Le­wys Lay­out war stil­bil­dend für die Pro­gramm­pres­se, die Ty­po­gra­phie „mo­dern“ mit ei­ner Bau­haus-ge­mä­ßen Kom­po­sit­schrift in Si­gnal­far­ben auf dem Ti­tel­blatt. Auf­grund der Auf­la­gen­stär­ke der „Wer­ag“ ist Le­wys Funk­ti­on als Ka­ta­ly­sa­tor des mo­der­nen Gra­fik­de­signs für ein he­te­ro­ge­nens, brei­tes Pu­bli­kum nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen.

Plakat der WERAG zur Ankündigung des Treffens der Westdeutschen Funk-Verbände und -Vereine bei einem Bergisch-Rheinischen Abend der Radio-Vereinigung Bergisch-Gladbach am 21. September 1929, Grafik: Fritz Lewy, Foto: Grafik: Fritz Lewy. (WDR)

 

Im März 1933 ge­hör­te Le­wy als Ju­de zu den ers­ten Mit­ar­bei­tern, die die Ent­las­sung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten er­hiel­ten. Er hat­te sei­ne Ent­schei­dung zur Emi­gra­ti­on im Grun­de schon im Jah­re 1932 (ver­mut­lich im Rah­men der Pa­pen­schen au­to­ri­tä­ren Rund­funk­re­form) ge­trof­fen für den Fall, dass Adolf Hil­ter (1889-1945) Reichs­kanz­ler  wür­de. So zog er die Kon­se­quenz und emi­grier­te im Som­mer 1933 mit sei­ner Frau He­le­ne nach Bar­ce­lo­na. Sei­nen Le­bens­un­ter­halt be­stritt „Fe­de­ri­co“ Le­wy, wie er sich nun nann­te, durch Auf­trä­ge aus der Pri­vat­wirt­schaft, ab 1936 auch durch Ar­bei­ten für die Ka­ta­la­ni­sche Re­gie­rung. Die Fe­ri­en­zeit ver­bach­ten die Le­wys in der Künst­ler­ko­lo­nie in dem Fi­scher­ort Tos­sa de Mar an der Costa Bra­va, wo zu die­ser Zeit auch be­kann­te Ma­ler und Schrift­stel­ler wie Marc Cha­gall (1887-1985), Pe­re Creix­ams (1893-1965), An­dré Mas­son (1896-1987) oder Ju­les Su­per­viel­le (1884-1960) ver­kehr­ten.

Le­wys wohl be­kann­tes­tes Werk ist das Pla­kat zur „In­ter­na­tio­na­len Ar­bei­ter­olym­pia­de“ vom 22.-26.7.1936, die auf­grund des Put­sches von Ge­ne­ral Fran­co (1892-1975) je­doch nicht mehr in Bar­ce­lo­na statt­fin­den soll­te.

Titelblatt der Programmzeitschrift der WERAG vom 24. September 1933: Reporter mit Gasmaske vor dem Mikrofon anlässlich der Luftschutzwoche. (WDR)

 

Zahl­rei­che Auf­trä­ge er­hielt er in den fol­gen­den bei­den Jah­ren vom ka­ta­la­ni­schen Land­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um. Ab­ge­se­hen da­von en­ga­gier­te sich Le­wy mit ge­brauchs­gra­fi­schen Ar­bei­ten für Druckerzeug­nis­se der an­ti­fa­schis­ti­schen In­ter­bri­ga­den, et­wa für die Zeit­schrift „Pasa­re­mos“.Im Jah­re 1938 ge­lang es Fritz und He­le­ne Le­wy, Bar­ce­lo­na noch recht­zei­tig vor der Ein­nah­me durch Fran­cos Trup­pen zu ver­las­sen. Ver­mö­gen­de Ver­wand­te He­le­ne Le­wys leb­ten in Cin­cin­na­ti/Ohio und über­nah­men die Bürg­schaft für das Ehe­paar. Die Schiffs­pas­sa­ge in die USA ge­lang im Ju­ni 1938 von Rot­ter­dam nach New York. In Cin­cin­na­ti ar­bei­te­te Le­wy wie­der­um als Ge­brauchs­gra­phi­ker, nun als Ver­mitt­ler mo­der­nen eu­ro­päi­schen For­m­emp­fin­dens in der Kul­tur­sze­ne stark be­ach­tet. Aus „Fe­de­ri­co“ wur­de „Fre­d“ Le­wy, 1943 nah­men die Le­wys die ame­ri­ka­ni­sche Staats­bür­ger­schaft an. Her­vor­zu­he­ben sind Ar­bei­ten für das Sym­pho­nie­or­ches­ter Cin­cin­na­ti so­wie für den dort an­säs­si­gen Wasch­mit­tel­kon­zern Proc­ter & Gam­ble. Ab 1947 wirk­te Le­wy auch als Leh­rer für Ty­po­gra­phie und Wer­be­gra­phik an der Cin­cin­na­ti Art Aca­de­my.

Fred Le­wy starb am 12.6.1950 wäh­rend des Un­ter­richts an der Kunst­aka­de­mie an ei­nem Herz­an­fall. Be­deu­ten­de Tei­le sei­nes künst­le­ri­schen Nach­las­ses be­fin­den sich in im Cin­cin­na­ti Art Mu­se­um, der Li­bra­ry of Con­gress in Wa­shing­ton D.C. und im Thea­ter­mu­se­um der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf.

Literatur

Ber­nard, Bir­git, Es­sen – Cin­cin­na­ti. Le­bens­sta­tio­nen des jü­di­schen Büh­nen­bild­ners und Gra­phi­kers Fritz Le­wy (1893-1950), in: Ge­schich­te im Wes­ten 12/2 (1997), S. 150-174.
Mat­zig­keit, Mi­cha­el /Ber­nard, Bir­git (Hg.), Fritz Le­wy (1893-1950). Ein Le­ben für die Form, Düs­sel­dorf 2002.

Plakat der Olimpiada Popular, 1936. (WDR)

 
Zitationshinweis

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Bernard, Birgit, Fritz Lewy, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/fritz-lewy/DE-2086/lido/57c940eb0188a9.01933857 (abgerufen am 09.12.2024)