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Gebhard Truchseß von Waldburg gehört zu den tragischen Gestalten auf dem Kölner Erzbischofsstuhl. Aus Liebe zu dem Gerresheimer Stiftsfräulein Agnes von Mansfeld (1551-1637) versuchte er vergeblich, in seinem Land die freie Wahl des Bekenntnisses einzuführen. Sein Reformationsversuch führte zum verheerenden Kölner Krieg, dem ersten Religionskrieg auf deutschem Boden nach der Reformation.
Geboren wurde Gebhard am 10.11.1547 auf Schloß Heiligenberg bei Ravensburg. Die Truchsessen von Waldburg waren in der Reformation stets katholisch und romtreu geblieben. Schon 1560 erhielt Gebhard eine Kanonikerpfründe in Augsburg, 1567 eine weitere Pfründe in Straßburg und 1568 auch noch eine in Köln.
Als Erzbischof Salentin von Isenburg 1577 von seinem Amt zurücktrat, gelang es Gebhard Truchseß noch im Dezember desselben Jahres, zum neuen Erzbischof und Kurfürsten von Köln gewählt zu werden. In den ersten Jahren seiner Regierung ließ er an seiner Treue zur Kirche keinen Zweifel aufkommen. Doch der Zufall führte Gebhard Truchseß in die Arme einer Dame, deren adeliger Stand sie weit über die üblichen Liebschaften eines damaligen geistlichen Fürsten hinaushob. Die Rede ist von der Gerresheimer Kanonisse Agnes von Mansfeld, deren Schwager Peter Ernst von Kriechingen (gestorben 1635) zum Hofstaat Gebhards gehörte. So kam sie auf Hoffesten in Kontakt mit dem Erzbischof, dessen heimliche Geliebte sie spätestens seit 1580 war. Graf Adolf von Neuenahr (1544-1589) hatte dem Paar sein Schloss in Moers als Liebesnest zur Verfügung gestellt.
Graf Adolf, ein engagierter Vertreter der calvinistisch gewordenen Grafengeschlechter, hatte schon bald die Chancen erkannt, die für die evangelischen Reichsgrafen aus der Verbindung des Kölner Erzbischofs mit einer evangelisch gesinnten Grafentochter erwachsen konnten. Dabei half ihm die Reaktion der Brüder der Gräfin von Mansfeld, die ihre Schwester nicht als kurfürstliche Mätresse dulden wollten. 1582 zwangen sie Gebhard zu einem Eheversprechen, um die Ehre ihrer Schwester wieder herzustellen. Gebhard war sowohl katholischer Priester als auch ohne größeres persönliches Vermögen, daher suchte er nach einem Ausweg. Und dieser wurde ihm von seinen gräflichen Freunden im Kölner Domkapitel geboten. Die heimlich evangelisch gewordenen Grafensöhne in den katholischen Domkapiteln versuchten nämlich schon lange, eine Sonderregelung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 zu Fall zu bringen.
Darin war der katholischen Seite eine Besitzstandsgarantie für die geistlichen Fürstentümer gegeben worden. Wollte ein geistlicher Fürst evangelisch werden, so musste er gleichzeitig zurücktreten und für einen katholischen Nachfolger Platz machen. Diese Bestimmung, den so genannten „Geistlichen Vorbehalt", wollten die evangelisch gewordenen Reichsgrafen zu Fall bringen. Nun bot sich ihnen die Gelegenheit. Sie rieten dem Erzbischof Gebhard, zum evangelischen Glauben überzutreten, ohne auf seine Ämter zu verzichten, weil er als evangelischer Bischof ruhig verheiratet sein könne. Natürlich war dieser offene Bruch eines Reichsrechts nicht ohne Widerstand möglich, denn die politischen Konsequenzen dieses Planes waren weitreichend: der Kurfürst von Köln gehörte zu der Gruppe von sieben Fürsten, die den Kaiser wählten. Bisher hatten drei weltlichen protestantischen Kurfürsten (Sachsen, Brandenburg und Pfalz) drei katholische Erzbischöfe (Mainz, Trier und Köln) als Kurfürsten gegenüberstanden, während die katholische böhmische Kur ruhte.
Der Übertritt des Kölner Erzbistums zum Protestantismus hätte das Verhältnis im Kurfürstenkolleg zugunsten einer evangelischen Mehrheit verschoben und eine drastische Machtverschiebung zu Lasten der katholischen Habsburger bedeutet. Das gesamte, eng mit der römischen Kirche verbundene Kaisertum wäre durch eine derartige Konstellation gefährdet gewesen. Diese Bedrohung rief den Kaiser, den Papst und die größte katholische Territorialmacht im Reich, das Herzogtum Bayern, auf den Plan.
Die Verschwörer gingen daher zunächst heimlich vor. Ihr erstes Ziel war die Stadt Bonn. Hier lagerten die Urkunden des kurkölnischen Archivs und die Landeskasse, derer sich Gebhard Truchseß im November 1582 bemächtigte. Am 19.12.1582 erging eine Erklärung des Kurfürsten, in der er seinen Konfessionswechsel bekannt gab und gleichzeitig seinen Untertanen die Wahl der Konfession freistellte. Graf Adolf von Neuenahr, dessen Grafschaft Moers im Norden des Kurfürstentums lag, besetzte mit seinen Soldaten die stark befestigte Stadt Rheinberg. Die Mehrheit des Kölner Domkapitels bekannte sich jedoch zum Katholizismus und stellte sich damit gegen den Erzbischof. Auch von ihrer Seite aus begannen jetzt Söldnerwerbungen und militärische Aktionen. Auf einem für Ende Januar in Köln einberufenen Landtag konnte diese Kapitelsmehrheit erreichen, dass sich die kurkölnischen Städte für neutral erklärten. Das ließ den Truchsessischen nur die beiden schon besetzten Städte Bonn und Rheinberg.
Der Kurfürst machte derweil in Bonn sein Versprechen wahr und heiratete am 2.2.1583 Agnes von Mansfeld. Daraufhin wurde er von Papst Gregor XIII. (Pontifikat 1572-1585) als Erzbischof abgesetzt und exkommuniziert. Am 23. Mai wurde der Hildesheimer Bischof Ernst II. von Bayern, der in der Wahl von 1577 knapp unterlegen gewesen war, zum neuen Kölner Erzbischof gewählt. Da Gebhard Truchseß seine Absetzung nicht anerkannte, war ein militärischer Konflikt unvermeidlich.
In militärischer Hinsicht sah er sich jedoch einer schwierigen Situation ausgesetzt, da die dringend erwartete Unterstützung durch die mächtigen evangelischen Fürsten ausblieb. Weder Sachsen noch Hessen oder Brandenburg schickten Geld oder Soldaten. Bald brach der Krieg gegen die von Salentin von Isenburg befehligten kurkölnischen Truppen offen aus. Auf katholischer Seite griffen nun auch Spanien und das Herzogtum Bayern, ausgestattet mit Geldmitteln des Vatikans, in die Kampfhandlungen ein. Im evangelischen Lager stellte sich allein der Pfalzgraf Johann Casimir (1543-1592), der jüngere Bruder des Kurfürsten Ludwig VI. von der Pfalz (1529-1583), offen auf Gebhards Seite. Im Juli 1583 erreichten circa 7.000 Mann des Pfalzgrafen das rechtsrheinische Gebiet bei Bonn. Doch der Pfälzer hatte zwar Soldaten mitgebracht, aber keinen Sold, um sie zu bezahlen. Die Armee des Domkapitels auf der linken Rheinseite war kurz nach der Ankunft der Pfälzer durch bayerische Söldner aus dem Bistum Lüttich und durch ein spanisches Regiment verstärkt worden. Die beiden Armeen vermieden die offene Feldschlacht und blieben jeweils auf ihrer Seite des Rheins.
Kaiser Rudolf II. (Regierungszeit 1576-1612) stellte sich nun auf die Seite des Domkapitels und gebot Johann Casimir, seine Söldner zu entlassen. Dem kam daher der Umstand sehr gelegen, dass am 12.1.1583 sein Bruder, der Kurfürst, starb. Das nahm der Pfälzer zum Anlass, sein Heer aufzulösen und sofort in die Kurpfalz zurück zu kehren. Die bayerischen Truppen rückten nun in das kurkölnische Oberstift ein, um die Stadt Bonn zu erobern. Am 17.12.1583 gelang es ihnen, die als uneinnehmbar geltende Godesburg im Süden von Bonn einzunehmen, indem sie einen Stollen in den Burgberg trieben und die Burgmauern mitsamt dem halben Berg in die Luft sprengten. Nachdem auch die Wasserburg Poppelsdorf (heute Stadt Bonn) erobert worden war, übergaben die truchsessischen Söldner die Stadt Bonn am 19.1.1584.
Gebhard selbst war zu dieser Zeit in Westfalen, wo er sich nach dem Fall Bonns aber nicht mehr halten konnte. Zusammen mit den Resten seiner Armee schlug er sich in die Niederlande durch. Der Kölner Krieg ging auf diese Weise in den Spanisch-Niederländischen Krieg über.
Nachdem seine Sache endgültig verloren war, zog sich Gebhard 1589 zurück. Immer noch hatte er ein Kanonikat am Straßburger Dom inne, wohin er sich nun zusammen mit seiner Frau Agnes wandte. Durch die Hilfe des evangelischen Stadtrates konnten er und vier andere evangelisch gewordene Domkapitulare die Stiftshäuser und einen Teil der Einkünfte an sich bringen. Trotzdem reichten seine Mittel nicht einmal, um regelmäßig seine Bediensteten zu bezahlen. Unter Gicht und Koliken leidend, starb Gebhard Truchseß von Waldburg nach langer Krankheit am 31.5.1601. Seine Frau hatte er unter den Schutz des württembergischen Herzogs Friedrich I. (1582-1628) befohlen. Sie lebte zurückgezogen und starb 1637 in Sulzbach.
Quellen
Bezold, Friedrich von (Hg.), Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir mit verwandten Schriftstücken, 3 Bände, München 1882-1903.
Literatur
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Lojewski, Günther von, Bayerns Weg nach Köln. Geschichte der bayerischen Bistumspolitik in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, Bonn 1962.
Lossen, Max, Der kölnische Krieg, 2 Bände, Gotha u. München / Leipzig 1882-1897.
Molitor, Hansgeorg, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe (Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008, S. 1515-1688.
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Online
Franzen, August, Artikel "Gebhard Frhr. zu Waldburg", in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 113-114.
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Becker, Thomas P., Gebhard Truchseß von Waldburg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gebhard-truchsess-von-waldburg/DE-2086/lido/57c6c6b3b93163.78841413 (abgerufen am 01.12.2024)