Georg von Braunschweig

Kölner Dompropst (1494-1566)

Martin Bock (Bergheim)

Das Brustbild des Erzbischofs Georg von Braunschweig von vorn, mit gefalteten Händen, im Wamms und Pelzrock und mit aufgesetztem Barett. An der um den Hals gehängten Kette ein Kleinod; Der mit dem Helme bedeckte 4-feldige Schild (Braunschweig, Lüneburg, E.

Wäh­rend in­fol­ge der Re­for­ma­ti­on vor al­lem Geist­li­che und Ge­lehr­te um die theo­lo­gi­sche und ju­ris­ti­sche Wahr­heit kämpf­ten und aus dem Ver­such der Er­neue­rung der ei­nen Kir­che all­mäh­lich ver­schie­de­ne Kon­fes­sio­nen wur­den, in­ter­es­sier­te sich der Adel kaum für die in­halt­li­chen Fra­gen des Glau­bens, so­fern man sein Han­deln als Er­mes­sens­grund­la­ge für die­se Ein­schät­zung her­an­zie­hen darf. Viel­fach ist der per­sön­li­che Glau­be nur schwer oder gar nicht aus den Quel­len ein­zu­schät­zen; deut­lich er­kenn­bar je­doch ist, dass sich die ad­li­gen Fa­mi­li­en durch­weg ganz über­wie­gend von dy­nas­ti­schen In­ter­es­sen lei­ten lie­ßen. Ka­tho­li­sche Geist­li­che, die ei­ne Le­bens­part­ne­rin und an­er­kann­te Nach­kom­men hat­ten, die sich mal für den Er­halt des al­ten Glau­bens ein­setz­ten und mal die Ein­füh­rung ei­ner pro­tes­tan­ti­schen Ord­nung be­för­der­ten –  es sind nur schein­ba­re Wi­der­sprü­che, wie Le­bens­läu­fe wie der Ge­orgs von Braun­schweig-Wol­fen­büt­tel zeigt.

Ge­org war der vier­te Sohn des Her­zogs Hein­rich I. von Braun­schweig (1463-1514) und der Ka­tha­ri­na von Pom­mern (ge­stor­ben 1526). In des­sen Re­gie­rungs­zeit fällt durch ei­ne der zahl­rei­chen Lan­des­tei­lun­gen die Be­grün­dung der Li­nie Braun­schweig-Wol­fen­büt­tel des weit ver­zweig­ten Fürs­ten­ge­schlechts. Ge­bo­ren wur­de Ge­org am 22.11.1494 und wird wie sei­ne Brü­der die für nach­ge­bo­re­ne ad­li­ge Söh­ne üb­li­che Lauf­bahn, das hei­ßt die Vor­be­rei­tung auf ein ho­hes geist­li­ches Amt, durch­lau­fen ha­ben. Über sei­ne Ju­gend­jah­re ist, durch­aus be­mer­kens­wert, nichts be­kannt, denn si­cher konn­te er in die­sem Zu­sam­men­hang auch schon ers­te Pfrün­den er­wer­ben.

 

Tat­säch­lich er­scheint er erst wie­der im Jahr 1527, nach­dem Jo­hann II. von Blan­ken­fel­de (um 1471-1527) ge­stor­ben und das Erz­bis­tum Ri­ga da­mit va­kant ge­wor­den war. Ri­ga lag al­ler­dings fern der Hei­mat in ei­nem kon­fes­sio­nell und macht­po­li­tisch in­sta­bi­len Ge­biet, die Be­völ­ke­rung hat­te sich schon früh mehr­heit­lich der neu­en Leh­re an­ge­schlos­sen. Ge­gen Ge­orgs Bi­schofs­wahl po­le­mi­sier­te der liv­län­di­sche Land­meis­ter des Deut­schen Or­dens, Wal­ter von Plet­ten­berg (um 1450-1535), so dass der Braun­schwei­ger schnell re­si­gnier­te und sich statt­des­sen auf den Er­werb von Äm­tern und Di­gni­tä­ten im Kern­ge­biet des Rei­ches, ins­be­son­de­re den hoch­ad­li­gen Stif­ten Köln und Straß­burg be­müh­te.

Die Lis­te von Ge­orgs Pfrün­den ist lang: 1534 er­warb er zwei Propstei­en an Hil­des­hei­mer Stifts­kir­chen, 1535 wur­de er vom Me­tro­po­li­tan­ka­pi­tel auch in Köln zum Dom­propst ge­wählt. 1536 folg­te Bre­men, und da­ne­ben hielt er noch wei­te­re Ka­no­ni­ka­te et­wa an St. Ge­re­on in Köln und am Straß­bur­ger Dom­ka­pi­tel in der Hand. Aus all die­sen Be­sit­zun­gen flos­sen gu­te Ein­nah­men, mit de­ren Hil­fe er sich ei­ne stan­des­ge­mä­ße Hof­hal­tung er­mög­li­chen konn­te. So galt er als fein­sin­ni­ger, ge­bil­de­ter und gro­ßzü­gi­ger Fürst, der sich be­son­ders für die Wis­sen­schaft und Küns­te in­ter­es­sier­te. Im geist­li­chen Stand war ihm ei­ne Ehe zwar un­mög­lich; den­noch leb­te er in of­fe­nem Kon­ku­bi­nat mit Ot­ti­lie Lo­xi­ma, mit der er zwei Söh­ne, Wil­helm und Hein­rich, hat­te. Kon­fes­sio­nel­len Fra­ge­stel­lun­gen ge­gen­über war er wie die al­ler­meis­ten sei­ner Stan­des­ge­nos­sen in­dif­fe­rent.

Das Brustbild des Erzbischofs Georg von Brauschweig, von der rechten Seite, mit aufgesetztem Barett, im Wams und Pelzrock. An den Seiten 6 und 0, 1560.

 

Dem­entspre­chend streb­te er auch kei­ne Wei­he an, als er im Ok­to­ber 1554 zum Bi­schof von Min­den ge­wählt wur­de, als Nach­fol­ger sei­nes Nef­fen Ju­li­us (1528-1589). Die­ser rück­te, nach­dem sei­ne Brü­der Karl Vik­tor (1525-1553) und Phil­ipp Ma­gnus (1527-1553) bei der Schlacht von Sie­vers­hau­sen ge­fal­len wa­ren, an die Stel­le des Thron­er­ben des Hau­ses Braun­schweig-Wol­fen­büt­tel und ver­ließ des­halb den geist­li­chen Stand wie­der – durch­aus ty­pisch für die Zeit und im Hin­blick auf die Rol­le der geist­li­chen Stif­te und Or­den als „Spi­tä­ler des Adel­s“. Wohl weil Ge­org die star­ken kon­fes­sio­nel­len Kräf­te im Bis­tum Min­den ge­wäh­ren ließ, oh­ne für ei­ne Sei­te Par­tei zu er­grei­fen oder die Aus­ein­an­der­set­zung noch zu be­för­dern, wie es sein Vor­vor­gän­ger Franz von Wal­deck (1491-1553) im pro­tes­tan­ti­schen Sinn ver­sucht hat­te, be­ru­hig­te sich die Si­tua­ti­on im Bis­tum merk­lich, ein Ver­dienst, das bei den fol­gen­den Wah­len Ge­orgs zum Erz­bi­schof von Bre­men und zum Bi­schof von Ver­den im Jahr 1558 durch­aus eben­so ei­ne Rol­le ge­spielt ha­ben dürf­te wie der Er­halt der wel­fi­schen Macht­po­si­ti­on.

Haupt des Erzbischofs Georg von Braunschweig von der linken Seite, Doppelthaler 1562.

 

Denn in bei­den Fäl­len folg­te Ge­org sei­nem Bru­der Chris­toph (1487-1558), der sich den un­rühm­li­chen Bei­na­men „der Ver­schwen­der“ ver­dient hat­te, weil er sich rück­sicht­los zahl­rei­che Be­sitz­tü­mer an­ge­eig­net und dar­aus ein zü­gel­lo­ses Fürs­ten­le­ben fi­nan­ziert hat­te. Noch ein­mal wird deut­lich, wie sehr Kon­fes­si­ons­po­li­tik  bis zum En­de des 16. Jahr­hun­derts von den dy­nas­ti­schen In­ter­es­sen des die Reichs­kir­che do­mi­nie­ren­den Adels be­stimmt war. Gleich­wohl ge­lang es Ge­org oder viel­mehr sei­nen fä­hi­gen Rä­ten wie dem Kanz­ler Hein­rich Bor­cholt (1531-1585), die auf­ge­brach­te Stim­mung in den bei­den Ter­ri­to­ri­en zu be­frie­den und sta­bi­le Ver­hält­nis­se zu schaf­fen. Da­zu ge­hör­te auch die ein­heit­li­che Ein­füh­rung ei­ner evan­ge­li­schen Kir­chen­ord­nung, der sich Ge­org, for­mal ka­tho­lisch, nicht wi­der­setz­te. Im Ge­gen­teil traf er mit der An­nah­me Eber­hards von Hol­le (1531/32-1586) als Ko­ad­ju­tor in Ver­den ei­ne Nach­fol­ge­re­ge­lung, die ei­ner sä­ku­la­ren Re­for­ma­ti­on den Weg be­rei­te­te.

Ganz an­ders ver­hielt Ge­org sich in Köln, wo er ne­ben Ver­den leb­te. Ob­wohl sich hier in den 1530er und 1540er Jah­ren der wohl stärks­te Kon­fes­si­ons­streit in ei­nem geist­li­chen Ter­ri­to­ri­um ab­spiel­te – Erz­bi­schof Her­mann von Wied führ­te 1543 die ­Re­for­ma­ti­on of­fi­zi­ell ein, muss­te auf Druck des Paps­tes, des Kai­sers und der Köl­ner Geist­lich­keit al­ler­dings 1547 zu­guns­ten des ka­tho­li­schen Adolf vom Schaum­burg ab­dan­ken –, trat der Braun­schwei­ger in die­sem Kon­flikt fas­t ­über­haupt nicht in Er­schei­nung und be­hielt sei­ne Di­gni­tät als Dom­propst vor, wäh­rend und nach des Re­for­ma­ti­ons­ver­suchs Her­manns von Wied bis zum sei­nem Tod am 4.12.1566. Auf dem Ster­be­bett soll er die Kom­mu­ni­on in bei­der­lei Ge­stalt ge­nom­men ha­ben.

Literatur

Bis­tum Ver­den. 770 bis 1648, hg. Ge­sell­schaft für die Ge­schich­te des Bis­tums Ver­den e.V., 2001.
Nord­siek, Hans, Vom Fürst­bis­tum zum Fürs­ten­tum Min­den. Ver­fas­sungs­recht­li­che, po­li­ti­sche und kon­fes­sio­nel­le Ver­än­de­run­gen von 1550 bis 1650, in: West­fä­li­sche Zeit­schrift 140 (1990), S. 253-273.
Ro­ter­mund, Hein­rich Wil­helm, Vom An­fan­ge der Re­for­ma­ti­on im Erz­stif­te Bre­men und Stif­te Ver­den in den Zei­ten der Erz­bi­schö­fe Chris­toph und Ge­org aus dem Braun­schweig-Lü­ne­burg­schen Hau­se, Lü­ne­burg 1825.

Online

Wohlt­mann, Hans, „Ge­org von Braun­schweig-Wol­fen­büt­tel“, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 6 (1964), S. 208-209. [On­line]

Das Brustbild des Erzbischofs Georg von Braunschweig, das Haupt von der rechten Seite, 1565.

 
Zitationshinweis

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Bock, Martin, Georg von Braunschweig, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/georg-von-braunschweig/DE-2086/lido/584d957aa0e6c6.39162013 (abgerufen am 06.10.2024)