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Gerhard von Kügelgen war ein klassizistischer Porträt- und Historienmaler, dessen Ruhm durch Porträts bedeutender Zeitgenossen und Potentaten begründet wurde. Seine Bildnisse, darunter welche von Wieland, Goethe, Kotzebue und Caspar David Friedrich wie auch Herder und Schiller (beide postum), zeichnen sich durch großes zeichnerisches Können, feines Farbgespür und außergewöhnlich große Ähnlichkeit der Porträtierten aus, wobei ihm insbesondere das Erfassen der unterschiedlichen Charaktere hervorragend gelang. Kügelgens eigentliche Liebe galt jedoch der Historienmalerei – vor allem der Mythologie des Altertums –, die er zunächst in klassizistischem Stil ausführte, wobei er sich an seinen großen Vorbildern Raphael, Poussins und den Meistern der Bologneser Schule orientierte. Etwa 1806 trat eine Wende in seiner Malerei ein und er wandte sich mehr und mehr der Romantik und religiösen Themen zu. Besonders mit der Figur des Christus beschäftigte er sich künstlerisch immer wieder bis an sein verfrühtes Lebensende.
Die Zwillingsbrüder Gerhard und Karl Ferdinand von Kügelgen entstammten einem alten, ursprünglich in Bremen beheimateten Adelsgeschlecht, dessen Stammname Coghelke/Kogelke sich nach der Übersiedlung der Familie ins Rheinland im 15. Jahrhundert zu Kügelgen verändert hatte. Durch die Wirren des 30-jährigen Krieges ging ihnen der Adelstitel verloren, den sie erst 1802 zurückerlangten.
Geboren wurden die Brüder am 6.2.1772 in Bacharach am Rhein. Die Eltern, der Kurkölnische Hofkammerrat Franz Anton Kügelgen (1727–1788) und seine Frau Maria Justiana Hoegg (1744–1805), Tochter eines Kurtrierischen Richters, waren recht wohlhabend und stark von ihrem katholischen Glauben geprägt. Der erstgeborenen Schwester, Maria Anna Ludovica (1766–1829), folgte Sebastian Joseph (1768–1773), der jedoch mit nur fünf Jahren verstarb. Der ältere Bruder, Joseph Ignaz (1770–1821), trat in die Fußstapfen des Vaters und wurde später ebenfalls Kurfürstlicher Hofkammerrat. Nach zwei früh verstorbenen jüngeren Geschwistern, Magdalena Margaretha (1775–1778) und Franz Karl (1777–1777), folgte noch einmal ein Mädchen: Cordula Maria (1779–1857).
Zunächst noch zu Hause und später in der Rektoratsschule in Bacharach in lateinischer Sprache und Religion, Musik, Tanz und Malerei unterrichtet, besuchte Gerhard von Kügelgen mit seinem Bruder seit 1786 das Jesuitengymnasium in Bonn. Hier fanden sie schnell Anschluss an die intellektuellen Kreise um Babette Koch (1771–1807), die junge Wirtin des „Zehrgarten“ am Bonner Markt, die eine enge Vertraute Ludwig van Beethovens war. Auch die beiden Brüder Kügelgen durften sich bald zu Beethovens engem Freundeskreis zählen – Franz Gerhard Wegeler (1765–1848) erwähnt sie in seinen „Biographische(n) Notizen über Ludwig van Beethoven“ aus dem Jahr 1838. In dankbarer Erinnerung an diese Zeit stiftete Gerhard von Kügelgen später der Bonner Lesegesellschaft das berühmte Doppelporträt, das ihn gemeinsam mit seinem Bruder zeigt, Heute hängt es als Leihgabe im Beethoven-Haus Bonn.
Obwohl sich Gerhards Talent besonders in Porträtmalerei schon mit zehn Jahren gezeigt hatte, verweigerte der Vater ihm weitere Malereistudien in Bonn aufzunehmen. Dies änderte sich erst mit dem Tod des Vaters zwei Jahre später. Zunächst als Autodidakt malte Gerhard noch in Bonn 21 Ölbilder (unter anderem den Kurfürsten Maximilian Franz), dann zog er zu seinem Großvater nach Rhens und begann 1789 eine Ausbildung beim Koblenzer Historienmaler Januarius Zick. 1790 ging er gemeinsam mit seinem Bruder nach Mainz, lernte dort den Porträtmaler Christoph Fesel (1737–1805) kennen, der die Zwillinge ein halbes Jahr lang unterrichtete und ihnen empfahl, sich wegen einer finanziellen Zuwendung an ihren Landesvater zu wenden. So zogen die Brüder 1791 zurück nach Bonn, fertigten dort Porträts des Kurfürsten Maximilian Franz von Österreich, des Hofkammerpräsidenten Franz Wilhelm von Spiegel zum Diesenberg (1753–1818) und des Grafen Ferdinand von Waldstein (1762–1823) an und erhielten daraufhin ein kurfürstliches Stipendium von jährlich 200 Dukaten, um in Rom ihre Ausbildung zu vervollkommnen.
Ausgestattet mit Reisegeld und kurfürstlichen Empfehlungsschreiben an Prälaten und Erzbischöfe brachen sie am 4.5.1791 zu ihrer Romreise auf. Drei Jahre verbrachten sie dort mit dem Studium der sie tief beeindruckenden Renaissancemalerei, dann unterblieb wegen des Napoleonischen Kriegs die finanzielle Unterstützung aus Deutschland. Während Karl in Rom zurückblieb, machte sich Gerhard am 15.2.1795 über München nach Riga auf, wo er im September eintraf. Während der kommenden zweieinhalb Jahre malte er dort 54 Bilder.
Einer Einladung folgend, reiste Kügelgen 1798 ins 300 Kilometer entfernte Reval (heute Tallinn), wo er über Kreismarschall Georg von Bock (1758–1812), den er aus Riga kannte, mit Helene Zoege von Manteuffel (1773–1842), der Tochter von dessen Schwager, bekannt gemacht wurde. Auf Wunsch ihres Vaters gab er ihr Zeichen- und Malunterricht, wobei Gerhard sich in seine Schülerin verliebte. Seinen baldigen Hochzeitsantrag lehnte sie zunächst ab, da er ein mittelloser Maler ohne Adelstitel war, machte ihm aber den Vorschlag, auf ihn zu warten, während er sich in St. Petersburg beruflich verbessern solle.
Da zwischenzeitlich auch Gerhards Bruder Karl in Riga eingetroffen war, reisten die beiden Brüder im Winter 1798/1799 gemeinsam nach St. Petersburg, wo Gerhard schon bald erste Aufträge für Porträts erhielt, so auch von Zar Paul I. (1754–1801, Regierungszeit 1796-1801), dessen Bildnis er zweimal malte. Am 9.10.1799 erhielt Gerhard, der seit seiner Abreise in Briefkontakt mit der Familie von Manteuffel stand, überraschend ein Schreiben von Helenes Vater, in dem dieser ihm die Bedingungen für eine Ehe mit seiner Tochter vortrug: Gerhard solle sich adeln lassen, ein Kapital von 20.000 Rubeln erwerben und alle Kinder evangelisch taufen lassen. Damit einverstanden, beantragte Gerhard sogleich den Adelsbrief, den er, da die Familie Kügelgen bereits einmal adelig gewesen war, erneut von Kaiser Franz II. (1768–1835) erhielt. Das nötige Geld erwarb er sich in kurzer Zeit mit Porträts der Zarenfamilie und des russischen Adels, die seinen Ruf in St. Petersburg begründeten. So konnte bereits ein Jahr später, am 14.9.1800, die Hochzeit auf dem Landgut der Familie Manteuffel in Harm stattfinden. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, wobei die erstgeborene Tochter Maria (1801–1802) nur 18 Monate überlebte. Ein Sohn, Alexander Georg Wilhelm (1802–1867), folgte dem Vater als Maler, ein weiterer Sohn, Gerhard (1806–1883), wurde Verwalter des Stiftes Finn in Estland. Die jüngste Tochter Adelheid (1808–1874) ist besonders aus dem Buch ihres Bruders „Wilhelm an Adelheid. Jugenderinnerungen eines Alten Mannes“ bekannt.
Beruflich immer erfolgreicher, – Kügelgen malte zwischen 1801 und 1803 alleine 164 Ölbilder, dabei einmal den König von Polen und sechsmal den König von Schweden –, wurde er zum Ehrenmitglied der kaiserlichen russischen Akademie der Künste ernannt. Dennoch sehnte er sich, der Porträtmalerei überdrüssig geworden, zurück in die Heimat. So zog die Familie 1803 zunächst nach Harm, wo Kügelgen sich der Historienmalerei zuwandte, dann 1804 weiter nach Rhens, wohin seine Mutter von Bacharach gezogen war. Nach ihrem Tod entschied Kügelgen sich 1805 dazu, sich mit seiner Familie in Dresden niederzulassen. Hier bildete er sich in Historienmalerei weiter und schulte sich besonders an Raphael, dessen Bilder er kopierte. Seit 1804 Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste, feierte der Maler nun mit seinen historischen Bildern große Erfolge. Selbst König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (Regentschaft 1797-1840) erwarb sein Ölbild „Apoll und Hyazinth“.
1806 wurde Kügelgen in die kaiserliche russische Akademie der Künste als Vollmitglied aufgenommen. Sein künstlerisches Interesse galt nun auch Charakterköpfen und biblischen Figuren.
Im Dezember 1808 reiste Kügelgen nach Weimar, wo er Zugang zum Kreis um Goethe und Wieland fand. Insbesondere zu Goethe, der ihn später in Dresden besuchte, entwickelte sich eine Freundschaft mit intensiven Gesprächen über Kunst. Während der nächsten Jahre vollzog sich Kügelgens Hinwendung zur Romantik und zu religiösen Themen. 1810 erzielte er in einer Kunstausstellung große Erfolge mit den Porträts von Goethe, Wieland, Herder und Schiller. Die beiden Letzteren malte er postum nach Vorlagen. Seit 1811 Mitglied der Dresdner Kunstakademie, wurde Kügelgen 1814 zum außerordentlichen und 1819 zum ordentlichen Professor an der Akademie der Künste ernannt. Nur wenig später starb er eines gewaltsamen Todes.
Am 27.3.1820 verließ Gerhard von Kügelgen wie gewohnt seine Wohnung, um die nahe gelegene Baustelle seines neuen Hauses in Loschwitz zu inspizieren. Etwa um 7 Uhr abends machte er sich von dort wieder auf den Heimweg, doch kam er nie an. Am anderen Morgen fand man seine Leiche in der Nähe der Elbe, bis auf die Unterhose entkleidet, das Gesicht durch Hieb- und Stichwunden entstellt, das linke Auge, der linke Unterkiefer und das linke Schläfenbein zerschmettert. Der Maler war Opfer eines Raubmords geworden, man hatte ihn mit einem Beil erschlagen und das geraubt, was er am Leibe trug. Am 30.3.1820 wurde von Kügelgen auf dem alten Friedhof in Dresden beigesetzt. Der 24-jährige Täter konnte später gefasst werden und wurde am 11.7.1821 hingerichtet.
Werke (Auswahl)
vor 1788 - Porträt des Vaters, Öl auf Leinwand.
vor 1805 - Porträt der Mutter, Öl auf Leinwand.
1790 - Selbstbildnis mit Porträtbüste des Bruders, Öl auf Leinwand, 100 x 75 cm.
1791 - Kurfürst Maximilian Franz von Österreich, Öl auf Leinwand.
1791 - Franz Wilhelm von Spiegel zum Diesenberg, Öl auf Leinwand.
1791 - Graf Ferdinand von Waldstein, Öl auf Leinwand.
1796 - Zar Paul I., Öl auf Leinwand.
1800 - Familie des Zaren Paul I., Öl auf Leinwand, 146 х 215 cm.
1801 - Zar Alexander I., Öl auf Leinwand, 251 x 164 cm.
1801 - Zarin Elisabeth, Öl auf Leinwand.
1801 - Prinzessin Helene Paulowna von Mecklenburg-Schwerin, Öl auf Leinwand, 76 x 62,5 cm.
1806 - Apoll und Hyazinth, Öl auf Leinwand.
1807 - Selbstbildnis, Öl auf Leinwand, 68 x 53 cm.
1807 - David spielt Harfe vor Saul, Öl auf Leinwand, 118,5 x 99,5 cm.
1807 - Der blinde Belisar mit seinem Führer, Öl auf Leinwand, 118,5 x 99,5 cm.
1808 - Johann Wolfgang von Goethe, Öl auf Leinwand, 74,5 x 61,5 cm.
1808 - Christoph Martin Wieland, Öl auf Leinwand, 70,3 x 60,3 cm.
1809 - Johann Gottfried Herder, Öl auf Leinwand, 71 x 61 cm.
1809 - Friedrich Schiller, Öl auf Leinwand, 73 x 61 cm.
1809 - Genius des Krieges, Öl auf Leinwand.
1809 - Genius des Friedens, Öl auf Leinwand.
1810 - Caspar David Friedrich, Öl auf Leinwand, 53 x 41 cm.
1813 - Herzog Friedrich Christian Alexius von Anhalt-Bernburg, Öl auf Leinwand, 64 x 47 cm.
1813 - Theodor Körner, Öl auf Leinwand.
1813 - Klio, Öl auf Leinwand.
1813 - Melpomene, Öl auf Leinwand.
1813 - Kybele, Öl auf Leinwand.
1815 - Allegorie der Trauer, Öl auf Leinwand, 75 x 60 cm.
1816 - Karl von Kügelgen, Öl auf Leinwand.
1816 - Königin Luise von Preußen, Öl auf Leinwand, 71 x 53 cm.
1816 - Doppelporträt Gerhard und Karl von Kügelgen, Öl auf Leinwand, 44,5 x 35,5 cm.
1817 - Prinzessin Charlotte von Preußen, Öl auf Leinwand, 115 x 83 cm.
1817 - Prinzessin Luise und ihr Bruder Prinz Albrecht von Preußen, Öl auf Leinwand, 116x 85 cm.
Literatur
Hasse, Friedrich Christian August, Das Leben Gerhards von Kügelgen, Leipzig 1824.
Hellermann, Dorothee von, Gerhard von Kügelgen (1772–1820). Das zeichnerische und malerische Werk, Berlin 2001.
Linz, Karl-Ernst, Die Bacharacher Malerzwillinge Gerhard und Karl von Kügelgen, Bacharach 1997.
Niesen, Josef, Bonner Personenlexikon, 3. Auflage, Bonn 2011, S. 260-261.
Petry, Sandra, Mord an Gerhard von Kügelgen, Taucha 1997, S. 44-53.
Online
Kügelgen, Bernt von, Kügelgen, Gerhard, in: Neue Deutsche Biographie, Band 13, 1982, S. 184-185. [Online]
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Niesen, Josef, Gerhard von Kügelgen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gerhard-von-kuegelgen/DE-2086/lido/57c93ade279454.04046618 (abgerufen am 10.12.2024)