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Gustav Lindemann war ein berühmter Theaterleiter in Düsseldorf. Nach ersten Inszenierungen gründete er dort zusammen mit seiner späteren Frau, der Schauspielerin Louise Dumont, in der rheinischen Stadt ein Theater und eine Theaterschule. Bekannt ist er vor allem für seine Reformversuche des deutschen Theaters.
Gustav Lindemann wurde am 24.8.1872 in Danzig als Sohn von Bernhard Lindemann, einem jüdischen Kaufmann, und seiner Ehefrau Karoline Blumberg geboren. Über den Vater ist lediglich bekannt, dass er mit 36 Jahren während Gustavs Kindheit starb; seine Ehefrau überlebte ihn nur um neun Jahre. Nach dem frühen Tod der Eltern wurden die drei Geschwister Lindemann getrennt, die Schwester blieb in einer Danziger Pension zurück, während Gustav mit seinem Bruder in ein Internat in Wolfenbüttel kam. Von nicht näher bekannten Verwandten wurde Gustav Lindemann mit 17 Jahren nach Berlin geholt, wo er den Kaufmannsberuf erlernen sollte. Nach der Ausbildung wechselte er jedoch das Metier und ging zum Theater.
Es ist unklar, was der endgültige Auslöser für diese Entscheidung war. Er selbst schreibt, dass er in seiner Wolfenbütteler Zeit einige Klassiker und Märchenaufführungen gesehen habe, bei denen er gemerkt hätte, dass nur ein Leben als Schauspieler für ihn sinnvoll sei. In der Folgezeit ließ sich Lindemann in der „Berliner Bühnenschule“ unterrichten. Kurze Zeit darauf wurde er Volontär am Lessingtheater in Berlin unter dem Schriftsteller Otto Blumenthal (1852-1917). Nach einigen Theaterreisen in die deutsche Provinz wurde Lindemann 1897 Theaterdirektor in Graudenz und Marienwerder. Da das kleine Theater einen ständig wechselnden Spielplan zum finanziellen Erfolg brauchte und Lindemann künstlerisch gehobener und beständiger arbeiten wollte, quittierte er die Anstellung und organisierte eine Tournee, auf der die Stücke des Norwegers Henrik Johan Ibsens (1828-1906) gespielt werden sollten. Für die Reise konnte er sich die Unterstützung einer der größten deutschen Schauspielerinnen der damaligen Zeit, Louise Dumont, sichern.
Diese Begegnung im Jahre 1903 wurde entscheidend für das Leben beider wie für die Stadt Düsseldorf, denn nach der gemeinsamen Tournee fassten die Schauspielerin und der Theaterdirektor den Plan, ein Theater zu gründen. Nach gescheiterten Versuchen in Darmstadt und Weimar erklärte sich 1904 die Stadt Düsseldorf bereit, beim Bau eines Theaters und beim Spielbetrieb zu helfen. So entstand in einem knappen Jahr die Schauspielhaus Düsseldorf GmbH. Am 28.10.1905 wurde das Schauspielhaus feierlich mit der Tragödie „Judith“ von Christian Friedrich Hebbel (1813-1863) mit Lindemann als Generalintendant und der Dumont in der Hauptrolle eröffnet.
Lindemann hatte das Ziel, das Theater als geistige Macht der Nation zu etablieren. Stücke sollten groß inszeniert und nicht nur einfach wiedergegeben werden. Zur Nachwuchsförderung eröffnete der ehrgeizige Lindemann eine Schauspielschule. Er gab außerdem zusammen mit seiner Frau und den Schriftstellern Paul Ernst (1866-1933) und Wilhelm Schmidtbonn die Theaterzeitschrift „Masken“ heraus. Neuartig am Düsseldorfer Theater waren die „Morgenfeiern“; gegen geringes Entgelt wurde hier eine Einführung in das Leben der großen Künstler der Welt geboten.
Bald nach der Eröffnung und ersten positiven Resonanzen folgten jedoch einige Enttäuschungen. Das Düsseldorfer Publikum hatte eine andere Auffassung von Theater, es wollte eher leichte Stücke und Komödien sehen, während Lindemann und Dumont künstlerisch anspruchsvolle Stücke darboten. Die finanzielle Wende brachte ein Erfolg im Ausland. 1909 gaben sie ein Gastspiel im Pariser „Théâtre Marigny“. Mit Lobeshymnen überschüttet zurückgekehrt, nahm nun auch das Düsseldorfer Publikum die beiden besser auf. Neben seiner Regisseurs- und Intendantenarbeit stand Lindemann auch gelegentlich selber auf der Bühne. In der Zwischenzeit hatte das Paar 1907 in London geheiratet.
Der Erste Weltkrieg brachte große Einschnitte. Lindemann meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. Gerne wäre er als Frontsoldat eingesetzt worden, doch im „Interesse der Kunst“ verbrachte er den Krieg bei der Truppenausbildung in Düsseldorf. Nach dem Krieg lief das Theater schlecht und musste schließlich 1922 als Folge der Inflation aufgelöst werden. Nach einer kurzen Auszeit von Lindemann und Dumont in Oberbayern übernahmen sie 1924 wieder die Intendantenrolle in Düsseldorf. Finanziell gesehen ging es dem Theater in der Folgezeit gut. Das Jahr 1932 brachte zwei Schicksalsschläge für Lindemann: Am 16.5.1932 starb seine Frau Louise Dumont an einer Lungenentzündung, außerdem musste als Folge der Weltwirtschaftskrise das Theater abermals geschlossen werden.
Der Plan für ein rheinisches Nationaltheater, welches Lindemann sich nach Gesprächen mit Konrad Adenauer erhofft hatte, konnte zwar noch konkretisiert werden, doch vor der ersten Aufführungen erlitt Lindemann 1933 durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten einen weiteren Rückschlag. Ihm wurde die Arbeitsmöglichkeit entzogen; im Gegensatz zu anderen Menschen jüdischer Abstammung wurde er jedoch nicht in Gewahrsam genommen oder deportiert. Über seine Situation in den zwölf Jahren der nationalsozialistischen Diktatur ist nicht viel bekannt: Lindemann hielt sich zu der Zeit im oberbayerischen Rosenheim auf; in einigen Briefen wird seine Empörung über das Regime deutlich.
Trotz der Antipathie, die Lindemann gegen Düsseldorf entwickelt hatte, ging er nach dem Zweiten Weltkrieg dorthin zurück. Am 30.5.1947 gründete er das Dumont-Lindemann-Archiv, welches ein kulturelles Zentrum der Stadt werden sollte. Die aufbewahrten Stücke hatte er in den zwölf Jahren der NS-Zeit gesammelt. Außerdem wurde Lindemann Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft kultureller Organisationen in Düsseldorf. Die letzte Inszenierung Lindemanns stammt aus dem Jahr 1948, die üppige Uraufführung des Schauspiels „Das Mahl des Herrn“ von Julius Maria Becker (1887-1949), das von Leonardo da Vincis berühmtem Mailänder Abendmahlsfresko angeregt ist.
Lindemann wurden zahlreiche Ehrungen zuteil. 1947 wurde er zum Professor ernannt, 1948 verlieh ihm die Medizinische Akademie Düsseldorf die Ehrendoktorwürde. 1952 erhielt er das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, im selben Jahr wurde er Ehrenbürger der Stadt Düsseldorf. Der Hochbetagte starb am 6.5.1960.
Lindemann ist besonders dafür anerkannt worden, dass er zusammen mit seiner Frau Louise Dumont das Theater reformieren wollte. Seine Stücke sollten geistige Auseinandersetzungen fördern und nicht allein dem Vergnügen dienen.
Literatur
Engelhard, Manfred/Wolf, Irmgard, Godesberger Gespräche, in: Godesberger Heimatblätter 40 (2002), S. 172-176.
Linke, Manfred, Gustav Lindemann. Regie am Düsseldorfer Schauspielhaus, Düsseldorf 1969.
Online
Matzigkeit, Michael, Gustav Lindemann – Ein Theatermann im inneren Exil?, in: Cepl-Kaufmann, Gertrude/Hartkopf, Winfried/Meiszies, Winrich (Hg.), Bilanz Düsseldorf ‚45, Düsseldorf 1992, S. 131-144 (Text als PDF-Datei auf der Website der Stadt Düsseldorf). [Online]
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Dahlmann, Christof, Gustav Lindemann, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gustav-lindemann/DE-2086/lido/57c941d5553bb2.44293051 (abgerufen am 13.12.2024)