Gustav Simon

Gauleiter der NSDAP im Gau Koblenz-Trier (1900-1945)

Armin Nolzen (Warburg)

Gauleiter Gustav Simon, Porträtfoto.

Der „Gift­pilz von Her­mes­keil“, so nann­ten zeit­ge­nös­si­sche Geg­ner den ehe­ma­li­gen Gau­lei­ter der NS­DA­P Ko­blenz-Trier, Gus­tav Si­mon. Und in der Tat war die­ser ei­ne äu­ßerst gif­ti­ge Per­son. Von Na­tur aus sehr klein, wird Si­mon stets als drah­tig, hek­tisch und hy­per­ak­tiv be­schrie­ben. Gleich­zei­tig war er ver­schla­gen, rück­sichts­los und im­mer zur An­wen­dung von Ge­walt ge­gen die­je­ni­gen be­reit, die den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus nicht so rück­halt­los be­jah­ten wie er selbst. In sei­ner Funk­ti­on als Chef der Zi­vil­ver­wal­tung im deutsch be­setz­ten Lu­xem­burg leg­te er seit Som­mer 1940 die­sel­be Bru­ta­li­tät an den Tag, die das NS-Re­gime all­ge­mein kenn­zeich­ne­te. Si­mon war ein be­din­gungs­lo­ser Ge­folgs­mann des „Füh­rer­s“ Adolf Hit­ler, der so­wohl sei­ne Un­ter­ge­be­nen wie auch die ihm an­ver­trau­te Be­völ­ke­rung rück­sichts­los für die Zie­le des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus zu mo­bi­li­sie­ren ver­such­te. 

Gus­tav Jo­han­nes Si­mon wur­de am 2.8.1900 in Mal­statt-Bur­bach (heu­te: Stadt Saar­brü­cken) als Sohn des Reichs­bahn-Hilfs­ar­bei­ters Adam Si­mon (1872-1941) und des­sen Ehe­frau Char­lot­te Ka­ro­li­ne ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch. Von 1906 bis 1914 be­such­te er die Volks­schu­le vor Ort, trat da­nach in die Prä­pa­ran­den­an­stalt Mer­zig ein und be­stand am 9.3.1917 die Auf­nah­me am Kö­nig­li­chen Schul­leh­rer­se­mi­nar Mer­zig. Sei­ne bes­ten No­ten be­kam er in „Re­li­gi­on“ (2-3) und „Deut­sch“ (2-3). In die­ser ka­tho­li­schen In­sti­tu­ti­on leg­te er 1920 sei­ne ers­te Volks­schul­leh­rer­prü­fung ab, fand je­doch in den Wir­ren der Nach­kriegs­zeit zu­nächst kei­ne An­stel­lung. Ei­gent­lich war Si­mon ein so­zia­ler Auf­stei­ger, denn sei­ne Fa­mi­lie vä­ter­li­cher­seits be­stand aus ehe­ma­li­gen Bau­ern und Land­ar­bei­tern, die man­gels Zu­kunfts­per­spek­ti­ve in die Groß­stadt ge­zo­gen wa­ren und sich dort als Hilfs­ar­bei­ter ver­ding­ten. Ein ähn­li­ches Schick­sal er­eil­te nun auch den an­ge­hen­den Jung­leh­rer, der sich in den nächs­ten drei Jah­ren als Ei­sen­bahn­aus­hel­fer und Zoll­de­klarant durch­schla­gen muss­te. 

Si­mon, der zu die­ser Zeit in Mor­bach im Huns­rück wohn­te, ra­di­ka­li­sier­te sich 1922/1923 und schloss sich der po­li­ti­schen Rech­ten an. Als ge­bür­ti­ger Saar­län­der war er vom „Saar­sta­tu­t“ be­trof­fen, mit dem das Saar­land 1920 für 15 Jah­re un­ter Ver­wal­tung des Völ­ker­bun­des ge­stellt wor­den war. Si­mon ent­wi­ckel­te ei­nen ab­grund­tie­fen Hass auf den „Erb­fein­d“ Frank­reich, das in der in­ter­na­tio­na­len Re­gie­rungs­kom­mis­si­on im Saar­land die Haupt­tol­le spiel­te. Der fran­zö­si­sche Staat war dort zu­dem der wich­tigs­te Ar­beit­ge­ber, weil er die ehe­ma­li­gen preu­ßi­schen Staats­gru­ben an der Saar als Re­pa­ra­ti­ons­leis­tung er­hal­ten hat­te. Für Si­mon war die­se Si­tua­ti­on, die ihm die deut­sche Kriegs­nie­der­la­ge von 1918/1919 je­den Tag vor Au­gen führ­te, un­er­träg­lich. Ähn­li­ches gilt für die Be­set­zung des Ruhr­ge­biets durch fran­zö­sisch-bel­gi­sche Trup­pen An­fang 1923, die als Re­ak­ti­on auf aus­ge­blie­be­ne Re­pa­ra­ti­ons­zah­lun­gen er­folg­te. Sie schür­te in gro­ßen Tei­len des deut­schen Bür­ger­tums ei­ne re­gel­rech­te an­ti­fran­zö­si­sche Hass­wel­le und öff­ne­te ei­nem ra­di­ka­len Na­tio­na­lis­mus Tür und Tor. Si­mon muss zu die­sem Zeit­punkt auch un­ter der Hy­per­in­fla­ti­on ge­lit­ten ha­ben, die im De­zem­ber 1923 ih­ren Hö­he­punkt er­reich­te. Lei­der feh­len für sei­ne for­ma­ti­ven Jah­re 1922/1923 Do­ku­men­te und Selbst­zeug­nis­se, die wei­te­ren Auf­schluss über sei­nen Le­bens­weg ge­ben könn­ten. 

Am 2.8.1923 im­ma­tri­ku­lier­te sich Si­mon als Werks­stu­dent an der Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Frank­furt am Main. An die­ser Fa­kul­tät, die für ih­re Li­be­ra­li­tät und in­no­va­ti­ven Me­tho­den be­rühmt war, lehr­ten so be­deu­ten­de So­zio­lo­gen wie Franz Op­pen­hei­mer (1864-1943), Carl Grün­berg (1861-1940) und Gott­fried Sa­lo­mon (1892-1964). Sie bil­de­te auch die Keim­zel­le des Frank­fur­ter In­sti­tuts für So­zi­al­for­schung um Max Hork­hei­mer (1895-1973). Si­mon hin­ge­gen ver­trat ei­ne zum Lehr­kör­per die­ser Fa­kul­tät dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­te Po­si­ti­on. Er en­ga­gier­te sich in der Völ­ki­schen Hoch­schul­grup­pe, die dem Hoch­schul­ring Deut­scher Art an­ge­hör­te und ei­nen be­son­ders ra­di­ka­len An­ti­se­mi­tis­mus prak­ti­zier­te, und avan­cier­te schnell zu de­ren stell­ver­tre­ten­dem Vor­sit­zen­den. 1924 trat er in die Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Frei­heits­par­tei (NSFP) ein, die im Ge­fol­ge von Adolf Hit­lers (1889-1945) ge­schei­ter­tem Putsch­ver­such vom 9.11.1923 und dem an­schlie­ßen­den Ver­bot der NS­DAP ge­grün­det wor­den war. Sie war ei­ne Frak­ti­ons­ge­mein­schaft, in der sich ehe­ma­li­ge Mit­glie­der der NS­DAP und an­de­rer „völ­ki­scher“ Par­tei­en sam­mel­ten und die bei der Reichs­tags­wahl vom 4.5.1924 im­mer­hin 32 Man­da­te er­rang. Im Wahl­kreis Ko­blenz-Trier, in dem Si­mon leb­te, fuhr die NSFP mit 1,3 Pro­zent der Stim­men je­doch ihr reichs­weit schlech­tes­tes Er­geb­nis ein. 

In den ers­ten Jah­ren nach der Hy­per­in­fla­ti­on ver­such­te Si­mon wei­ter­hin ver­zwei­felt, sich ei­ne bür­ger­li­che Exis­tenz auf­zu­bau­en. Im No­vem­ber 1924 hol­te er das Ab­itur nach und schrieb sich zum Som­mer­se­mes­ter 1925 an der Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät in Frank­furt am Main ein. Zu­gleich for­cier­te er sein po­li­ti­sches En­ga­ge­ment in­ner­halb wie au­ßer­halb der Uni­ver­si­tät. Am 14.8.1925 trat Si­mon un­ter der Mit­glieds­num­mer 17.017 in die we­ni­ge Mo­na­te zu­vor neu ge­grün­de­te NS­DAP ein, zähl­te al­so zu de­ren „Al­ten Kämp­fern“. Er hob die Hoch­schul­grup­pe Frank­furt des Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bun­des so­wie ei­ne Orts­grup­pe der NS­DAP in Her­mes­keil aus der Tau­fe, wo sei­ne El­tern leb­ten und sein Va­ter mitt­ler­wei­le ei­ne be­acht­li­che Kar­rie­re als Bahn­hofs­vor­ste­her mit mehr als 100 Un­ter­ge­be­nen ge­macht hat­te. Im Mai 1927 brach Si­mon sein Ju­ra­stu­di­um aus Geld­man­gel ab. Er ent­schied sich statt­des­sen da­für, die Prü­fung zum Di­plom-Han­dels­leh­rer ab­zu­le­gen. In den nächs­ten bei­den Jah­ren ver­ding­te er sich als Aus­hilfs­leh­rer an ei­ner Volks­schu­le in Gu­sen­burg, da­nach als Han­dels­stu­di­en­re­fe­ren­dar und Ge­wer­be­leh­rer in Völk­lin­gen. Aus­sicht, ins Be­am­ten­ver­hält­nis über­nom­men zu wer­den, be­saß Si­mon nicht. 

An­ge­sichts sei­ner noch im­mer pre­kä­ren be­ruf­li­chen Si­tua­ti­on er­weis es sich für Si­mon im Nach­hin­ein als Glücks­fall, dass er sich wei­ter eh­ren­amt­lich in der NS­DAP en­ga­gier­te. Da­bei scheint er sich ins­be­son­de­re bei Ro­bert Ley, dem Lei­ter des Gau­es Rhein­land-Süd, ei­nen gu­ten Na­men­ ­ge­macht zu ha­ben, ob­gleich für die Jah­re 1927/1928 kaum In­for­ma­tio­nen über sei­ne pro­pa­gan­dis­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten vor­lie­gen. Of­fen­bar war es Si­mon in die­ser Zeit im Fa­mi­li­en-, Freun­des- und Be­kann­ten­kreis in Her­mes­keil und Um­ge­bung ge­lun­gen, der NS­DAP vie­le neue Mit­glie­der zu­zu­füh­ren. Auch sein jün­ge­rer Bru­der Paul (1908-1947) schloss sich so­gleich nach sei­nem Ab­itur im De­zem­ber 1926 un­ter der Mit­glieds­num­mer 49.185 der NS­DAP und ih­rer Sturm­ab­tei­lung (SA) an. Sei­te an Sei­te kämpf­ten die bei­den Brü­der in den dar­auf­fol­gen­den Jah­ren da­für, die Ide­en der NS­DAP im süd­li­chen Rhein­land zu ver­brei­ten. 

Be­reits im Sep­tem­ber 1928 hat­te sich Ley da­zu ent­schie­den, Gus­tav Si­mon zum Lei­ter des neu­ge­grün­de­ten NS­DAP-Be­zirks Trier-Bir­ken­feld zu ma­chen. Die­se Auf­ga­be konn­te Si­mon nicht mehr von Völk­lin­gen aus er­le­di­gen. Er ent­schied sich da­her, sei­nen Be­ruf auf­zu­ge­ben und sich voll und ganz in den Dienst der NS­DAP zu stel­len. Dies war hoch ris­kant, da er für sei­nen Ein­satz le­dig­lich ei­ne ge­rin­ge Auf­wands­ent­schä­di­gung be­kam, weil es in der NS­DAP zu die­sem Zeit­punkt noch kei­ne fest eta­ti­sier­ten Äm­ter und kaum haupt­be­ruf­li­che Be­tä­ti­gungs­mög­lich­kei­ten gab. Im März 1929 wur­de Si­mon von Ley noch zu­sätz­lich mit der Re­or­ga­ni­sa­ti­on der Orts­grup­pe Ko­blenz be­traut, die be­reits am 7.4.1927 po­li­zei­lich ver­bo­ten wor­den und seit ih­rer Neu­grün­dung im Som­mer 1928 auf­grund viel­fäl­ti­ger in­ner­par­tei­li­cher Zwis­tig­kei­ten nicht mehr zur Ru­he ge­kom­men war. In Ko­blenz, wo er zwi­schen 1929 und 1945 sei­nen Wohn­sitz nahm, schaff­te Si­mon den Durch­bruch zum Be­rufs­po­li­ti­ker. Bei den Preu­ßi­schen Kom­mu­nal­wah­len vom 17.11.1929 ge­wann die NS­DAP acht der ins­ge­samt 44 Man­da­te im Stadt­rat. Si­mon wur­de Frak­ti­ons­füh­rer im Ko­blen­zer Rat­haus und Mit­glied im Preu­ßi­schen Pro­vin­zi­al­land­tag, wo die NS­DAP mit 3,2 Pro­zent der Stim­men sechs der ins­ge­samt 163 Sit­ze er­run­gen hat­te. 

Mitt­ler­wei­le war Si­mon durch Ley zum NS­DAP-Be­zirks­lei­ter Ko­blenz-Trier er­nannt wor­den. Auch in sei­ner neu­en Funk­ti­on wur­de er zum un­er­müd­li­chen Pro­pa­gan­dis­ten des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und hat­te ei­nen ma­ß­geb­li­chen An­teil an des­sen Auf­stieg in ei­ner über­wie­gend ka­tho­li­schen Re­gi­on, die da­für au­ßer­or­dent­lich we­nig prä­des­ti­niert schien. Über­ein­stim­mend be­tont die For­schung den ra­di­ka­len An­ti­se­mi­tis­mus, den Si­mon als Mo­bi­li­sie­rungs­in­stru­ment nutz­te, et­wa in den bei­den na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ta­ges­zei­tun­gen „Ko­blen­zer Na­tio­nal­blat­t“ und „Trie­rer Na­tio­nal­blat­t“, die er im Som­mer 1930 selbst aus der Tau­fe ge­ho­ben hat­te und als de­ren Haupt­schrift­lei­ter er zu­nächst zeich­ne­te. Bei der Reichs­tags­wahl vom 14.9.1930 er­reich­te die NS­DAP in der Stadt Ko­blenz fast 26 Pro­zent Stim­men­an­teil; ei­ne Ver­dop­pe­lung ge­gen­über den Kom­mu­nal­wah­len vom 17.11.1929. Si­mon zog nun­mehr als Di­rekt­kan­di­dat in den Wei­ma­rer Reichs­tag ein; sei­ne bür­ger­li­che Exis­tenz schien end­gül­tig ge­si­chert. Er ver­mähl­te sich mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin Frie­da Mar­ga­re­tha ("Frie­del") Hen­ning (ge­bo­ren 1911). Aus die­ser Ehe, die 1942 ge­schie­den wur­de, ging 1931 der Sohn Gus­tav Adolf her­vor. Am 1.11.1930 trat Si­mon un­ter der Mit­glieds­num­mer 433 noch in den Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Leh­rer­bund ein. Of­fen­bar fühl­te er sich sei­nem al­ten Be­ruf, den er nicht mehr aus­üb­te, noch im­mer ver­bun­den. 

In den nächs­ten Wo­chen und Mo­na­ten un­ter­brei­te­te Si­mon Reichs­or­ga­ni­sa­ti­ons­lei­ter Gre­gor Stras­ser (1892-1934) ver­schie­dent­lich Vor­schlä­ge für ei­ne Tei­lung des Gau­es Rhein­land (bis 1928 Gau Rhein­land-Süd). Im Rah­men ei­ner Re­form, bei der die ter­ri­to­ria­le Ein­tei­lung der meis­ten NS­DAP-Gaue an die Reichs­tags­wahl­krei­se an­ge­passt wur­de, kam es am 1.6.1931 zur Grün­dung des neu­en Gau­es Ko­blenz-Trier. Zum Gau­lei­ter wur­de Si­mon er­nannt. Er war da­mit in ei­ne Po­si­ti­on auf­ge­stie­gen, die ihn in be­son­de­re Nä­he zu Hit­ler brach­te, dem die Gau­lei­ter ja di­rekt un­ter­stan­den. In­ner­halb ih­rer Gaue be­sa­ßen sie im Prin­zip die­sel­be Macht­fül­le wie ihr un­um­schränk­ter „Füh­rer“. Die Gau­lei­ter der NS­DAP konn­ten selbst ent­schei­den, wie sie die Vor­ga­ben der Par­tei­füh­rung in ih­rem „Ho­heits­be­reich“ um­setz­ten und wel­cher Mit­ar­bei­ter sie sich da­bei be­dien­ten. Si­mon stütz­te sich auf ei­ne Cli­que er­ge­be­ner Män­ner, dar­un­ter sei­nen Bru­der Paul, den er zum Be­zirks­lei­ter der Ei­fel­krei­se Bit­burg, Daun und Prüm, spä­ter auch zum Gau­in­spek­teur er­nann­te. 

Nach der Macht­über­nah­me der NS­DAP am 30.1.1933 wur­de Si­mon re­gel­recht mit Äm­tern über­schüt­tet oder eig­ne­te sie sich gleich selbst an. Im April 1933 über­nahm er den Vor­sitz des Rhei­ni­schen Pro­vin­zi­al­land­ta­ges und wur­de we­ni­ge Mo­na­te dar­auf in den Preu­ßi­schen Staats­rat be­ru­fen. Am 28.6.1933 a­van­cier­te er zum Bun­des­füh­rer der Saar­ver­ei­ne Deutsch­lands, schlie­ß­lich zum Mit­glied der Aka­de­mie für Deut­sches Recht. Im Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kraft­fahr­korps brach­te er es bin­nen we­ni­ger Jah­re zum Ober­grup­pen­füh­rer. Die­se Äm­ter ver­mö­gen aber nicht dar­über hin­weg­zu­täu­schen, dass Si­mon in­ner­halb der Gau­lei­ter-Rie­ge ver­gleichs­wei­se schwach und un­be­deu­tend blieb. Er war ei­ner der we­ni­gen Gau­lei­ter, die kein staat­li­ches Amt in­ne­hat­ten und we­der als Ober- oder Mi­nis­ter­prä­si­dent noch als Reich­statt­hal­ter fun­gier­ten. Dies wirk­te sich auch ne­ga­tiv auf Si­mons Stel­lung in­ner­halb des Gau­es Ko­blenz-Trier aus. Dort muss­te er sich sei­ne Macht­bas­tio­nen erst müh­sam er­ar­bei­ten. 

Als Gau­lei­ter prak­ti­zier­te Si­mon im Gau Ko­blenz-Trier seit 1933 ei­ne Dop­pel­stra­te­gie. Zum ei­nen streb­te er da­nach, die Par­tei, ih­re Glie­de­run­gen und an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de zum schlag­kräf­ti­gen In­stru­ment aus­zu­bau­en, in­dem er die „Gleich­schal­tun­g“ der tra­di­tio­nel­len Ver­ei­ne, Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­de vor­an­trieb. Zum an­de­ren ver­such­te Si­mon, den Ein­fluss der NS­DAP auf in­ne­re Ver­wal­tung, Wehr­macht und Wirt­schaft in sei­nem Gau wei­ter aus­zu­deh­nen. Im in­ner­par­tei­li­chen Rah­men bau­te Si­mon die Gau­lei­tung zum Steue­rungs­or­gan so­wohl der Glie­de­run­gen als auch der an­ge­schlos­se­nen Ver­bän­de aus, die in Ko­blenz-Trier nicht ein so star­kes Ei­gen­le­ben führ­ten wie in an­de­ren Par­tei­gau­en. Den tra­di­tio­nel­len Eli­ten in der in­ne­ren Ver­wal­tung und der Wirt­schaft such­te er durch ei­ne ge­ziel­te Po­li­tik aus Bünd­nis­an­ge­bo­ten und Na­del­sti­chen bei­zu­kom­men. 

In­ter­es­sant ist in die­sem Zu­sam­men­hang auch Si­mons Ver­hält­nis zur ka­tho­li­schen Kir­che, ins­be­son­de­re zum Trie­rer Bi­schof Franz Ru­dolf Bor­ne­was­ser. Nach au­ßen hin ­schien Si­mon stets um ein ko­ope­ra­ti­ves Ver­hält­nis be­müht, was sich et­wa bei der ge­mein­sa­men Durch­füh­rung der Trie­rer Hei­lig­tums­fahrt im Som­mer 1933 zei­gen lässt. Hier über­nahm die SA wich­ti­ge lo­gis­ti­sche Funk­tio­nen für die zwei Mil­lio­nen Pil­ger, die den „Hei­li­gen Ro­ck“ be­such­ten, ei­ne im Trie­rer Dom aus­ge­stell­te Re­li­quie. In der NS­DAP ließ Si­mon je­doch kei­ner­lei Zwei­fel dar­an auf­kom­men, dass der „po­li­ti­sche Ka­tho­li­zis­mus“ ein welt­an­schau­li­cher Geg­ner des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus sei, den es zu be­kämp­fen gel­te. Am 17.2.1939 trat Si­mon of­fi­zi­ell zu­sam­men mit Ehe­frau und Sohn aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus. Er in­ten­si­vier­te die an­ti­ka­tho­li­sche Pro­pa­gan­da und for­cier­te auch Über­grif­fe der NS­DAP ge­gen Ka­tho­li­ken und ka­tho­li­sche Ein­rich­tun­gen. Die meis­ten je­ner „Kir­chen­kampf“-Maß­nah­men, die bis 1938/1939 im Gau Ko­blenz-Trier statt­fan­den, ob­la­gen je­doch staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen, vor al­len Din­gen der Po­li­zei, und kön­nen nicht um­stands­los Si­mon als Haupt­ver­ant­wort­li­chem zu­ge­rech­net wer­den. 

Mit dem Be­ginn des Zwei­ten Welt­krie­ges über­nahm der Gau­lei­ter Ko­blenz-Trier dann auch erst­ma­lig ein staat­li­ches Ver­wal­tungs­amt, als er am 22.9.1939 zum Stell­ver­tre­ter des Reichs­ver­tei­di­gungs­kom­mis­sars für den Wehr­kreis XII er­nannt wur­de. Er blieb in die­ser Ei­gen­schaft aber dem Gau­lei­ter Hes­sen-Nas­sau-Süd, Ja­kob Spren­ger (1884-1945), nach­ge­ord­net. Nach dem sieg­rei­chen Ab­schluss des „Fal­les Gel­b“, al­so des deut­schen Feld­zugs ge­gen die Nie­der­lan­de, Bel­gi­en und Lu­xem­burg, wur­de Si­mon dann durch den „Füh­rer­er­las­s“ vom 2.8.1940 zum Chef der Zi­vil­ver­wal­tung (CdZ) in Lu­xem­burg er­nannt. In die­ser Ei­gen­schaft führ­te er „die ge­sam­te Ver­wal­tung im zi­vi­len Be­reich“ und soll­te Lu­xem­burg, wie es ein zwei­ter „Füh­rer­er­las­s“ vom 18.10.1940 for­mu­lier­te, „in kür­zes­ter Zeit dem deut­schen Volks­tum“ zu­rück­ge­win­nen. Si­mon be­kam al­so ei­ne Blan­ko­voll­macht für ei­ne ri­go­ro­se Po­li­tik der „Ger­ma­ni­sie­run­g“. Die­se voll­zog sich in wei­ten Tei­len au­ßer­halb gel­ten­der völ­ker­recht­li­cher Nor­men. Die Kon­struk­ti­on der CdZ-Ver­wal­tung dien­te ge­ra­de da­zu, die An­ne­xi­on Lu­xem­burgs zu ver­schlei­ern und nach au­ßen hin ei­ne der Haa­ger Land­kriegs­ord­nung kon­for­me Be­sat­zung zu si­mu­lie­ren. 

Die von Si­mon zu ver­ant­wor­ten­de Ok­ku­pa­ti­ons­po­li­tik os­zil­lier­te zwi­schen pseu­do­lega­len Ak­tio­nen wie der in­sti­tu­tio­nel­len und per­so­nel­len „Gleich­schal­tun­g“ der lu­xem­bur­gi­schen Ver­wal­tung, dem Ver­bot der fran­zö­si­schen und der Ein­füh­rung der deut­schen Spra­che und des Reichs­rechts auf der ei­nen Sei­te und ei­ner rück­sichts­lo­sen Re­pres­si­on auf der an­de­ren. Die Ver­trei­bung der 4.000 lu­xem­bur­gi­schen Ju­den ins un­be­setz­te Frank­reich, dann de­ren De­por­ta­ti­on „in den Os­ten“, lag in Si­mons Ver­ant­wor­tung. Als es nach der Ein­füh­rung der All­ge­mei­nen Wehr­pflicht für Lu­xem­bur­ger am 30.8.1942 zu ei­ner Wel­le von Streiks und Pro­tes­ten kam, ver­häng­te Si­mon den „zi­vi­len Aus­nah­me­zu­stan­d“, rich­te­te Son­der­ge­rich­te ein und ließ 21 Lu­xem­bur­ger exe­ku­tie­ren. Dar­auf­hin ver­fes­tig­te sich der dor­ti­ge Wi­der­stand ge­gen die NS-Ok­ku­pa­ti­ons­herr­schaft noch. Al­ler­dings hat­te Si­mon es durch­aus ver­stan­den, sich die pas­si­ve Loya­li­tät ei­nes Gro­ß­teils der lu­xem­bur­gi­schen Be­völ­ke­rung zu si­chern. Schon seit den 1930er Jah­ren hat­te er mit der Volks­deut­schen Be­we­gung (VDB) Da­mi­an Krat­zen­bergs (1878-1946) die lu­xem­bur­gi­sche Kol­la­bo­ra­ti­on un­ter­stützt. Die VDB, die nach der NS-Ok­ku­pa­ti­on dann atem­be­rau­ben­de Er­fol­ge bei der Re­kru­tie­rung von Lu­xem­bur­gern ge­fei­ert hat­te, fun­gier­te als Vor­feld­or­ga­ni­sa­ti­on der NS­DAP, de­ren Ap­pa­rat An­fang 1941 aus dem Gau Ko­blenz-Trier ex­por­tiert wor­den war. 

In den letz­ten bei­den Kriegs­jah­ren pen­del­te Si­mon zwi­schen Lu­xem­burg und Ko­blenz, sei­nem Dienst­sitz als Gau­lei­ter, und ver­such­te mit un­zäh­li­gen Mo­bi­li­sie­rungs­kam­pa­gnen zum er­hoff­ten „End­sie­g“ des Deut­schen Rei­ches bei­zu­tra­gen. Un­ter­des­sen ver­ei­nig­te er im­mer mehr staat­li­che Äm­ter auf sei­ne Per­son. Am 15.11.1940 wur­de Si­mon Gau­woh­nungs­kom­mis­sar, am 6.4.1942 Be­auf­trag­ter des Ge­ne­ral­be­voll­mäch­ti­gen für den Ar­beits­ein­satz und am 16.11.1942 Reichs­ver­tei­di­gungs­kom­mis­sar für den Gau Mo­sel­land. Die Auf­ga­ben­aus­wei­tung er­folg­te par­al­lel zu je­nen Ver­än­de­run­gen, die sich seit 1942/1943 im Ver­hält­nis zwi­schen in­ne­rer Ver­wal­tung, Wehr­macht, Wirt­schaft und NS­DAP er­ge­ben hat­ten. Sie ließ Si­mon im­mer tie­fer in die ver­bre­che­ri­sche Po­li­tik des NS-Staa­tes ein­tau­chen, et­wa bei der Re­kru­tie­rung und ri­go­ro­sen Aus­beu­tung von aus­län­di­schen Zwangs­ar­bei­tern. Si­mon sperr­te sich nicht, son­dern spiel­te mit In­brunst auf je­ner Kla­via­tur des Ter­rors, die er nach 1933 auf­grund feh­len­der Kom­pe­ten­zen noch nicht hat­te or­ches­trie­ren dür­fen. Im Herbst 1944 star­te­te er schlie­ß­lich den ver­zwei­fel­ten Ver­such, den „Deut­schen Volks­stur­m“ im Mo­sel­land auf­zu­bau­en und zur si­gni­fi­kan­ten mi­li­tä­ri­schen Kraft im „Ab­wehr­kampf“ zu for­men. Nach der be­din­gungs­lo­sen Ka­pi­tu­la­ti­on vom 8.5.1945 setz­te sich Si­mon nach West­fa­len ab. Am 11.12.1945 wur­de er von der bri­ti­schen Ar­mee in der Nä­he von Pa­der­born ver­haf­tet und er­war­te­te sei­ne Aus­lie­fe­rung nach Lu­xem­burg. Da­zu kam es je­doch nicht mehr. Am 18.12.1945 er­häng­te sich Si­mon in sei­ner Ge­fäng­nis­zel­le an ei­nem Bett­pfos­ten. 

Quellen

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Heyen, Franz-Jo­sef, Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im All­tag. Quel­len zur Ge­schich­te des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus vor­nehm­lich im Raum Mainz-Ko­blenz-Trier, Bop­pard am Rhein 1967.

Literatur

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Online

Gus­tav Si­mon in der Da­ten­bank der deut­schen Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten. [On­line]
Gus­tav Si­mon (Kurz­bio­gra­phie und Quel­len des Lan­des­haupt­ar­chiv Ko­blenz zu Gus­tav Si­mon). [On­line]

 
Zitationshinweis

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Nolzen, Armin, Gustav Simon, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/gustav-simon/DE-2086/lido/57c951e12e0c75.55304921 (abgerufen am 20.04.2024)