Hans Böckler

Gewerkschaftsführer (1875-1951)

Karl Lauschke (Dortmund)

Hans Böckler, Porträtfoto. (Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf)

Hans Böck­ler war der ers­te Vor­sit­zen­de des Deut­schen Ge­werk­schafts­bun­des (DGB) nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Sein Na­me ist un­trenn­bar ver­bun­den mit der Über­win­dung der par­tei­po­li­ti­schen und kon­fes­sio­nel­len La­ger un­ter dem Dach der Ein­heits­ge­werk­schaft und mit der Durch­set­zung der pa­ri­tä­ti­schen Mit­be­stim­mung in der Mon­tan­in­dus­trie.

Jo­hann Ge­org Böck­ler wur­de am 26.2.1875 in Traut­skir­chen, ei­nem klei­nen mit­tel­frän­ki­schen Ort, als Sohn ei­nes Dienst­knechts und ei­ner Ta­ge­löh­ne­rin ge­bo­ren. Die El­tern hei­ra­te­ten im Jahr 1876, nach­dem der Va­ter als Kut­scher im Fuhr­be­trieb der Stadt Fürth ei­ne be­schei­de­ne, aber fes­te An­stel­lung ge­fun­den hat­te. 1888 starb der Va­ter, wor­auf­hin Hans Böck­ler die Schu­le ver­las­sen muss­te, um zum Un­ter­halt der mitt­ler­wei­le sechs­köp­fi­gen Fa­mi­lie bei­zu­tra­gen. Er wur­de Me­tall­schlä­ger und ging nach Be­en­di­gung der Leh­re 1892 auf Wan­der­schaft. 1894 kehr­te er nach Fürth zu­rück und ging mit der gleich­alt­ri­gen Mag­da­le­na Bar­ba­ra Mül­ler ei­ne Le­bens­ge­mein­schaft ein, die 1899 – nach Er­tei­lung des Bür­ger­rechts – le­ga­li­siert wur­de und aus der drei Kin­der her­vor­gin­gen: Jo­hann Wolf­gang (1895), Jo­hann Ge­org (1896) und Ku­ni­gun­de (1898).

In Fürth be­gann Hans Böck­ler zu­gleich, sich ak­tiv in der Ar­bei­ter­be­we­gung zu en­ga­gie­ren. 1894 trat er so­wohl der So­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei (SPD) als auch dem Deut­schen Me­tall­ar­bei­ter­ver­band (DMV) bei. Er war Mit­be­grün­der des ört­li­chen Ar­bei­ter-Turn­ver­eins und wur­de Ver­trau­ens­mann al­ler frei­ge­werk­schaft­lich or­ga­ni­sier­ten Me­tall­ar­bei­ter. 1902 wur­de er schlie­ß­lich nicht nur eh­ren­amt­li­cher Vor­sit­zen­der des ge­sam­ten Für­ther Ge­werk­schafts­kar­tells, son­dern auch als SPD-Ver­tre­ter in den Ge­mein­de­rat ge­wählt.

Mit 28 Jah­ren wur­de Hans Böck­ler haupt­amt­li­cher Ge­werk­schafts­funk­tio­när. Da­mit nahm er ei­ne Tä­tig­keit auf, die ihn in den fol­gen­den 15 Jah­ren durch ganz Deutsch­land führ­te. Zu­erst ging er im Auf­trag des DMV ins Saar­re­vier, ei­ner ge­werk­schaft­li­chen Dia­spo­ra. 1907 wech­sel­te er für rund drei Jah­re nach Frank­furt am Main, wur­de 1910 Be­zirks­lei­ter in Bres­lau und kam 1912 als Ex­pe­dient der Me­tall­ar­bei­ter-Zei­tung in die Zen­tra­le nach Ber­lin. 1914 wur­de er zum Kriegs­dienst ein­ge­zo­gen.  Von ei­ner schwe­ren Ver­wun­dung ge­ne­sen und als dienst­un­taug­lich ent­las­sen, kehr­te er En­de 1915 in die Diens­te des DMV zu­rück und wur­de zu­nächst in Dan­zig, an­schlie­ßend in Kat­to­witz und schlie­ß­lich in Sie­gen ein­ge­setzt. Nach En­de des Ers­ten Welt­krie­ges wur­de Hans Böck­ler, mitt­ler­wei­le ein er­prob­ter, or­ga­ni­sa­ti­ons­er­fah­re­ner Funk­tio­när, Se­kre­tär der Zen­tral­ar­beits­ge­mein­schaft, der in­sti­tu­tio­na­li­sier­ten Zu­sam­men­ar­beit der Ar­beit­ge­ber- und Ar­beit­neh­mer­ver­bän­de auf Reichs­ebe­ne. Nach­dem die Mehr­heit im DMV im Ok­to­ber 1919 die wei­te­re Teil­nah­me an der Zen­tral­ar­beits­ge­mein­schaft ab­ge­lehnt hat­te, wur­de der Ver­bleib für Hans Böck­ler nicht halt­bar.

Im März 1920 über­nahm er die Lei­tung der DMV-Ver­wal­tungs­stel­le Köln und sie­del­te in die rhei­ni­sche Me­tro­po­le über, wo er bis zu sei­nem Tod woh­nen blieb. Ab Mai 1924 saß Hans Böck­ler als Ver­tre­ter der SPD im Rat der Stadt Köln, wo er bei al­len po­li­ti­schen Dif­fe­ren­zen auch die Ach­tung des Ober­bür­ger­meis­ters Kon­rad Ade­nau­er er­warb. Im Sep­tem­ber 1927 wur­de er Be­zirks­lei­ter des All­ge­mei­nen Deut­schen Ge­werk­schafts­bun­des (ADGB) für Rhein­land-West­fa­len-Lip­pe, ei­nem der grö­ß­ten Be­zir­ke ne­ben Ber­lin und Sach­sen. Mit dem grö­ße­ren Ver­ant­wor­tungs­be­reich wuchs auch die Be­deu­tung von Hans Böck­ler. Im Mai 1928 wur­de er erst­mals in den Deut­schen Reichs­tag ge­wählt, dem er bis zum Macht­an­tritt der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten 1933 an­ge­hör­te. Im Zu­ge der Zer­schla­gung der Ge­werk­schaf­ten im Mai 1933 wur­de Hans Böck­ler erst­mals in po­li­zei­li­chen Ge­wahr­sam ge­nom­men, aber schon nach we­ni­gen Ta­gen frei­ge­las­sen. Im Sep­tem­ber 1933 wur­de er er­neut ver­haf­tet und bis De­zem­ber in „Schutz­haft" ge­hal­ten. Ein Straf­ver­fah­ren we­gen Ur­kun­den­ver­nich­tung und Un­ter­schla­gung ge­werk­schaft­li­cher Gel­der en­de­te im Fe­bru­ar 1934 mit ei­nem Frei­spruch. Er leb­te zu­nächst von Ar­beits­lo­sen­un­ter­stüt­zung und ab 1935 von ei­nem be­schei­de­nen Al­ters­ru­he­geld. Po­li­tisch zog er sich zu­rück, hat­te aber ins­ge­heim Kon­tak­te zum Wi­der­stands­kreis um Wil­helm Leu­sch­ner (1890-1944). Nach dem ge­schei­ter­ten At­ten­tat vom 20.7.1944 tauch­te er im Ober­ber­gi­schen un­ter, um sich der dro­hen­den Fest­nah­me zu ent­zie­hen und das En­de des Krie­ges ab­zu­war­ten.

En­de April 1945 kehr­te Hans Böck­ler nach Köln zu­rück und be­gann an füh­ren­der Stel­le so­fort da­mit, die Ge­werk­schaf­ten wie­der­auf­zu­bau­en. Noch im Au­gust 1945 wur­de auf ört­li­cher Ebe­ne ei­ne Ein­heits­ge­werk­schaft ge­grün­det, der so­wohl So­zi­al­de­mo­kra­ten wie Christ­de­mo­kra­ten und Kom­mu­nis­ten an­ge­hör­ten. Be­reits im März 1946 wur­de ein Aus­schuss für die ge­sam­te bri­ti­sche Zo­ne ge­bil­det, in den Ver­tre­ter aus der Nord-Rhein­pro­vinz, aus West­fa­len, aus Nie­der­sach­sen so­wie aus Ham­burg und Schles­wig-Hol­stein ent­sandt wur­den. Im Au­gust 1946 wur­de dar­über hin­aus ein vor­läu­fi­ger Zo­nen­vor­stand mit Hans Böck­ler an der Spit­ze ge­wählt – noch vor der of­fi­zi­el­len Grün­dung des DGB (Bri­ti­sche Be­sat­zungs­zo­ne), die schlie­ß­lich im April 1947 in Bie­le­feld er­folg­te, wo Hans Böck­ler dann zum Vor­sit­zen­den ge­wählt wur­de. Er stand auch dem Ge­werk­schafts­rat vor, der im Zu­ge des Zu­sam­men­schlus­ses der bri­ti­schen und ame­ri­ka­ni­schen Zo­ne im No­vem­ber 1947 ge­mein­sam mit den süd­deut­schen Ge­werk­schafts­bün­den ge­bil­det wur­de.

Par­tei­po­li­tisch hielt er sich be­wusst zu­rück, auch wenn er sich we­der der Be­ru­fung in die Köl­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung im Sep­tem­ber 1945 noch der Ent­sen­dung in den er­nann­ten nord­rhein-west­fä­li­schen Land­tag im Ok­to­ber 1946 ent­zog. Er blieb in die­sen Gre­mi­en je­weils nur so­lan­ge, bis die ers­ten re­gu­lä­ren Wah­len im Ok­to­ber 1946 be­zie­hungs­wei­se im April 1947 durch­ge­führt wur­den.

Auf dem Grün­dungs­kon­gress des DGB Mit­te Ok­to­ber 1949 in Mün­chen wur­de Hans Böck­ler, dem in An­er­ken­nung sei­ner Ver­diens­te im Fe­bru­ar 1948 die Eh­ren­dok­tor­wür­de der rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät zu Köln ver­lie­hen wor­den war, zum Vor­sit­zen­den ge­wählt. Dank sei­nes un­er­müd­li­chen Ein­sat­zes konn­te im Ja­nu­ar 1951 er­reicht wer­den, dass die pa­ri­tä­ti­sche Mit­be­stim­mung zu­min­dest im Be­reich der Mon­tan­in­dus­trie ge­setz­lich ver­an­kert wur­de. Ge­mein­sam mit Kon­rad Ade­nau­er war er un­mit­tel­bar zu­vor, am 4.1.1951, zum Eh­ren­bür­ger der Stadt Köln er­nannt wor­den.

Hans Böck­ler starb am 16.2.1951 in Köln. Nach den Trau­er­fei­er­lich­kei­ten im Fest­saal der Uni­ver­si­tät Köln fand er am 21.2.1951 un­ter gro­ßer An­teil­nah­me der Be­völ­ke­rung sei­ne letz­te Ru­he­stät­te auf dem Fried­hof Me­la­ten. Der Grab­stein in Form ei­nes Zahn­ra­des, dem Sym­bol der Ge­werk­schaf­ten, wur­de vom Bild­hau­er Lud­wig Gies (1887-1966) ge­fer­tigt.

Böck­ler wur­de Na­mens­ge­ber der 1977 ge­grün­de­ten, ge­mein­nüt­zi­gen Hans-Böck­ler-Stif­tung des DGB so­wie der von den Ge­werk­schaf­ten ver­lie­he­nen Hans-Böck­ler-Me­dail­le. Die Stadt Köln stif­te­te 2005 ei­nen nach ihm be­nann­ten Preis für be­son­de­re Ver­diens­te im so­zia­len Be­reich.

Schriften

Hüt­ten­leu­te und Me­tall­ar­bei­ter im Saar­ge­biet, Saar­brü­cken 1906.
Die Auf­ga­ben der deut­schen Ge­werk­schaf­ten in Wirt­schaft, Staat und Ge­sell­schaft, Düs­sel­dorf 1949.

Literatur

Bors­dorf, Ul­rich, Hans Böck­ler, Band 1: Er­fah­run­gen ei­nes Ge­werk­schaf­ters 1875 – 1945, Es­sen 2005.
Lausch­ke, Karl, Hans Böck­ler, Band 2: Ge­werk­schaft­li­cher Neu­be­ginn 1945 – 1951, Es­sen 2005.

Online

Mi­latz, Al­fred, Ar­ti­kel "Böck­ler, Hans", in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 2 (1955), S. 371-372. [On­line]

 
Zitationshinweis

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Lauschke, Karl, Hans Böckler, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hans-boeckler-/DE-2086/lido/57c5851c16c260.91677446 (abgerufen am 28.03.2024)