Hans Reingruber

Verkehrswissenschaftler und Politiker (1888–1964)

Helmut Müller-Enbergs (Berlin)

Hans Reingruber (Mitte) auf der 2. Plenarssitzung der Volkskammer, November 1950, Foto: Horst Sturm. (Bundesarchiv, Bild 183-08618-0003)

Hans Rein­gru­ber war Mi­nis­ter für Ver­kehrs­we­sen in der DDR und als Hoch­schul­leh­rer ma­ß­ge­bend in Fra­gen des Ei­sen­bahn-, Stra­ßen- und Tun­nel­baus.

Hans Rein­gru­ber wur­de am 30.4.1888 in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) als Sohn des bei den Far­ben­wer­ken Bay­er & Co. in El­ber­feld tä­ti­gen Chef­che­mi­kers Dr. Fried­rich Rein­gru­ber ge­bo­ren. Hans Rein­gru­ber leg­te sein Ab­itur 1908 am Gym­na­si­um in Bar­men (heu­te Stadt Wup­per­tal) ab und stu­dier­te Bau­in­ge­nieurs­we­sen be­zie­hungs­wei­se tech­ni­sche Wis­sen­schaf­ten an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le zu Han­no­ver, an der er sich am 22.4.1908 im­ma­tri­ku­lier­te und das Stu­di­um 1912 als In­ge­nieur ab­schloss. An­ge­sichts der „tüch­ti­gen Er­kennt­nis­se“ hän­dig­te der Mi­nis­ter für Öf­fent­li­che Ar­bei­ten Hans Rein­gru­ber, der als Re­gie­rungs­bau­füh­rer für das Ei­sen­bahn- und Stra­ßen­bau­fach aus­ge­wie­sen wur­de, ei­ne Geld­prä­mie aus. 1915 ge­wann er den an­ge­se­he­nen, noch heu­te exis­tie­ren­den Schin­kel-Wett­be­werb mit ei­nem Ent­wurf zur Um­ge­stal­tung des Stet­ti­ner Bahn­hofs und des Bahn­hofs Ge­sund­brun­nen in Ber­lin so­wie der da­zwi­schen lie­gen­den Ei­sen­bahn­stre­cke. Da­für wur­den ihm der Staats­preis und als Ver­ein­san­den­ken die Schin­kel­ge­denk­mün­ze zu­er­kannt.

Spä­tes­tens 1916, wohl eher 1912, trat er als Be­am­ter in den Dienst des Preu­ßi­schen Mi­nis­te­ri­ums für Öf­fent­li­che Ar­bei­ten ein, das seit 1919 als Reichs­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um fir­mier­te. Kon­kret ge­hör­te er der Reichs­bahn­di­rek­ti­on in Han­no­ver an, wo er 1920 zum Re­gie­rungs­bau­rat er­nannt wur­de. Der spä­te­re Mi­nis­te­ri­al­rat Hans Rein­gru­ber pro­mo­vier­te 1924 zum Dr. Ing. in Han­no­ver mit ei­nem „Bei­trag zur Fra­ge der zweck­mä­ßi­gen Über­hö­hung in Gleis­krüm­mun­gen“.

Hans Rein­gru­ber, 1932/1933 für den Bau und Be­trieb von Ei­sen­bah­nen im Reichs­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um zu­stän­dig, wei­ger­te sich, der NS­DAP bei­zu­tre­ten – er blieb par­tei­los – und ori­en­tier­te sich nach der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­ruf­lich um. Er be­warb sich um den seit dem 1.10.1933 va­kan­ten Lehr­stuhl für Ei­sen­bahn-, Stra­ßen- und Tun­nel­bau an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le in Dres­den – und wur­de ge­nom­men. Zu­nächst ließ er sich für 1934 als Mi­nis­te­ri­al­rat oh­ne Be­zü­ge be­ur­lau­ben, um erst da­nach zu ent­schei­den, ob er den Ruf an­nahm. Das ge­schah En­de 1934 und das Säch­si­sche Mi­nis­te­ri­um für Volks­bil­dung er­hob kei­ne Be­den­ken ge­gen ihn. 1936 über­nahm er das Lehr­ge­biet Ei­sen­bahn­si­che­rungs­we­sen. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg ge­hör­te Hans Rein­gru­ber zu den ers­ten Pro­fes­so­ren, die die Leh­re wie­der auf­nah­men. Die 1948 ge­bil­de­te Fa­kul­tät Ver­kehrs­wis­sen­schaf­ten der TH Dres­den bau­te er, un­ter­des­sen zum Pro­rek­tor (1946-1948) und De­kan der Fa­kul­tät für Bau­we­sen (1950-1952) er­nannt, 1952 als Hoch­schu­le für Ver­kehrs­we­sen „Fried­rich Lis­t“ aus. Ein be­son­de­res Kenn­zei­chen die­ser, we­sent­lich durch Hans Rein­gru­ber ge­präg­ten Hoch­schu­le war ein ganz­heit­li­ches, die ein­zel­nen Ver­kehrs­trä­ger über­grei­fen­des Den­ken, ver­bun­den mit ei­nem pra­xis­na­hen Stu­di­um. Ver­mit­telt wur­den in der Leh­re be­trieb­li­che Ab­läu­fe, Ent­wer­fen, Pla­nen, Be­trei­ben und Be­wer­ten von Ver­kehrs­sys­te­men so­wie Op­ti­mie­rungs­fra­gen, wo­mit Kennt­nis­se über In­fra­struk­tur, Fahr­zeug­tech­nik und Ver­kehrs­be­trieb, so­wohl un­ter ju­ris­ti­schen als auch öko­no­mi­schen Ge­sichts­punk­ten, ver­mit­telt wur­den. Ei­ne Neue­rung stell­te der 1952 ein­ge­führ­te Di­plom­stu­di­en­gang Ver­kehrs­in­ge­nieur­we­sen dar. Die­ses En­ga­ge­ment trug ihm 1953 die Eh­ren­dok­tor­wür­de der Hoch­schu­le ein. Zu­gleich lei­te­te er kom­mis­sa­risch bis 1949 als In­sti­tut für Stra­ßen­bau.

Hans Rein­gru­ber über­nahm ei­ne Rei­he von Funk­tio­nen, zu­nächst auf re­gio­na­ler und dann auch auf säch­si­scher Lan­des­ebe­ne. 1946 wur­de er Mit­glied des Ge­lehr­ten­ra­tes für Wis­sen­schaft und For­schung und der ein­zi­ge Ab­ge­ord­ne­ter des Kul­tur­bun­des im Säch­si­schen Land­tag, dem er 1946 bis 1950 an­ge­hör­te. Er war über­dies Stadt­ver­ord­ne­ter von Dres­den und Mit­glied des Rats­aus­schus­ses für den Wie­der­auf­bau der Stadt.

1948 folg­te Hans Rein­gru­ber über­dies dem Ruf der Deut­schen Wirt­schafts­kom­mis­si­on nach (Ost-)Ber­lin, bei der es sich um die zen­tra­le Ver­wal­tungs­in­stanz mit re­gie­rungs­ähn­li­chen Funk­tio­nen in der So­wje­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne han­del­te. Dort wur­de ihm die Lei­tung der Haupt­ver­wal­tung Ver­kehr der Deut­schen Wirt­schafts­kom­mis­si­on über­tra­gen, zu­gleich ge­hör­te er dem Deut­schen Volks­rat an, aus dem die Pro­vi­so­ri­sche Volks­kam­mer der DDR ent­stand. Es ver­wun­dert da­her nicht, dass er in der am 7.10.1949 ge­grün­de­ten DDR die Funk­ti­on des Mi­nis­ters für Ver­kehrs­we­sen über­nahm, die er bis zum 30.4.1953 in­ne­hat­te, und – wie es da­mals hieß – aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den auf­gab. Wäh­rend sei­ner Amts­zeit wur­de die Gli­e­ni­cker Brü­cke, die Pots­dam mit West-Ber­lin ver­bin­det und we­gen des dort statt­ge­fun­de­nen Agen­ten­aus­tau­sches be­rühmt wur­de, re­kon­stru­iert; Hans Rein­gru­ber gab ihr den Na­men „Brü­cke der Ein­heit“.

Hans Rein­gru­ber über­nahm nach der Mi­nis­ter­zeit wie­der sei­nen Lehr­stuhl, den er bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung am 1.9.1957 be­hielt. Zu­sam­men mit Horst-Erich Ru­precht , Wil­ly Fritz und Bert­hold Grau ver­fass­te er ei­ne Rei­he von Lehr­brie­fen, die re­gel­mä­ßig ab 1955 im VEB Ver­lag Tech­nik er­schie­nen. Sie be­fass­ten sich mit „Bahn­hofs­an­la­gen ein­schlie­ß­lich der Grund­zü­ge des Ei­sen­bahn­si­che­rungs­we­sen­s“, der „Li­ni­en­füh­rung und Bahn­ge­stal­tung der Ei­sen­bah­nen“ oder der „Fahr­dy­na­mik der Ver­kehrs­mit­tel“, die teil­wei­se noch nach sei­nem Ab­le­ben auf­ge­legt wur­den. Hans Rein­gru­ber starb am 14.1.1964 in Dres­den.

Werke (Auswahl)

Bei­trag zur Fra­ge der zweck­mä­ßigs­ten Über­hö­hung in Gleis­krüm­mun­gen. Han­no­ver 1924.
Bahn­hofs­an­la­gen ein­schlie­ß­lich der Grund­zü­ge des Ei­sen­bahn­si­che­rungs­we­sens. Lehr­brie­fe 1 – 4. Ber­lin 1955, 1957, 1960 und 1966.
Fahr­dy­na­mik der Ver­kehrs­mit­tel. Ber­lin. Lehr­brief 1,  Ber­lin 1955.
Li­ni­en­füh­rung und Bahn­ge­stal­tung der Ei­sen­bah­nen. Lehr­brie­fe 1 – 5,  Ber­lin 1967.

Literatur

Gott­waldt, Al­fred/Schul­le, Dia­na, „Ju­den ist die Be­nut­zung von Spei­se­wa­gen un­ter­sag­t“. Die an­ti­jü­di­sche Po­li­tik des Reichs­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums zwi­schen 1933 und 1945. For­schungs­gut­ach­ten, Ber­lin 2007.
Hoch­schu­le für Ver­kehrs­we­sen „Fried­rich Lis­t“ Dres­den: Eh­ren­kol­lo­qui­um aus An­laß des 100. Ge­burts­ta­ges von Prof. Dr. Hans Rein­gru­ber. Aus­ge­wähl­te Vor­trä­ge, Dres­den 1989.
Pa­rak, Mi­cha­el, Hoch­schu­le und Wis­sen­schaft in zwei deut­schen Dik­ta­tu­ren. Eli­ten­aus­tausch an säch­si­schen Hoch­schu­len 1933–1952, Köln 2004.
Pom­me­rin, Rei­ner, Ge­schich­te der TU Dres­den 1828–2003, Köln 2003.

 
Zitationshinweis

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Müller-Enbergs, Helmut, Hans Reingruber, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hans-reingruber/DE-2086/lido/57cd1d3723f832.82777943 (abgerufen am 04.10.2024)