Zu den Kapiteln
Der Episkopat Heinrich von Müllenarks war vor allem von den Auswirkungen der Ermordung seines Vorgängers, Engelberts I., und Auseinandersetzungen mit dem rheinisch-westfälischen Adel geprägt. Während seiner Amtszeit machte die innere Entwicklung des Kölner Erzstifts besonders durch eine intensive Städtepolitik und die Herrschaftsbeteiligung unterschiedlicher Personengruppen große Fortschritte.
Insbesondere im Bereich der Städtepolitik etablierte er einen Vorsprung Kölns gegenüber dem rivalisierenden Adel, den dieser erst unter Heinrichs Nachfolgern aufholen konnte. Von Zeitgenossen und der älteren Forschung zumeist negativ beurteilt, hat sein Leben und Wirken erst vor gut 20 Jahren ausführlich Würdigung gefunden.
Vermutlich in den 1180er Jahren (vor 1190) geboren, sind die Namen der Eltern Heinrichs von Müllenark (auch Molenark) nur durch genealogische Rückschlüsse mit einiger Vorsicht zu rekonstruieren. Als Vater könnte Gerhard von Diest (1163-1193) in Frage kommen, während Sophie, eine Tochter des Grafen Hermann von Saffenberg-Müllenark (1161-1172/1174), seine Mutter sein könnte. Über Kindheit, Jugend und Ausbildung Heinrichs ist nichts bekannt. 1211 ist er als Propst des Bonner Cassius-Stiftes, der reichsten Stiftspründe im Erzbistum Köln, bezeugt. Als Bonner Stiftspropst war er Archidiakon für den südlichen Teil des rheinischen Teils des Erzbistums und gehörte dem Kölner Priorenkolleg an.
Nach der Ermordung Erzbischof Engelberts am 7.11.1225 wählten die Kölner Prioren unter Vermittlung des Trierer Erzbischofs Dietrich von Wied (Episkopat 1212-1242) bereits am 15.11.1225 Heinrich zum neuen Erzbischof. Direkt im Anschluss an die Wahl legten die Prioren und einige Ministeriale ihm in einer symbolhaften Inszenierung die blutigen Untergewänder Engelberts in den Schoß und nahmen ihm einen Racheeid ab. Die Bischofsweihe – die Priesterweihe ging ihr voraus – erhielt Heinrich am 20.9.1226 durch Erzbischof Dietrich von Wied in Anwesenheit aller Suffraganbischöfe Kölns. Noch im selben Jahr gelang es, einen der Mörder Engelberts, Friedrich von Isenberg (vor 1190-1226), gefangen zu nehmen. Mit seiner Hinrichtung am 13.11.1226 vor dem Kölner Severinstor fand die Verfolgung der Verschwörer ihr Ende, ohne die Hintermänner erreicht zu haben.
Neben der Verfolgung von Engelberts Mördern prägten die nach dessen Tod ausgebrochenen Aufstände den Beginn von Heinrichs Amtszeit. So zerstörten die Bürger von Soest den Zwingturm der dortigen erzbischöflichen Pfalz, während die Kölner demonstrativ die von Engelbert erzwungenen Verträge verbrannten. Es gelang Heinrich aber in kurzer Zeit, beide Empörungen niederzuwerfen. Auch der limburgische Herzog Walram IV. (um 1175-1226, Herzog von Limburg 1221-1226) nutzte die Ermordung Engelberts für seine Zwecke: Noch vor der Wahl eines neuen Erzbischofs ließ er die erzbischöfliche Burg Valantia nördlich von Aachen durch seinen zweiten Sohn Walram von Monschau (gestorben 1242) und seinen Bruder Gerhard von Wasserberg (gestorben 1225) belagern und zerstören. Gleichzeitig nahm sein Sohn Heinrich (um 1200-1246) die Grafschaft Berg in Besitz. Als Walram IV. – der Herzog von Limburg nahm bei der Wahl eines Kölner Erzbischofs eine wichtige Stellung ein – und sein Sohn Heinrich im November 1125 zur Wahl des neuen Erzbischofs und zur Belehnung mit den kölnischen Lehen nach Köln reisten, verweigerte ihnen Heinrich von Müllenark nach seiner Wahl die Belehnung mit den alten und neuen, mit der Grafschaft Berg verbundenen kölnischen Lehen. Seine Weigerung begründete er mit der Zerstörung der erzbischöflichen Burg Valantia. Erst nach dem Tod Walrams im Frühsommer 1226 übertrug der Erzbischof dessen Sohn Heinrich bei einer Einigung in Deutz (heute Stadt Köln) die kölnischen Lehen der Grafschaft Berg. Im Gegenzug musste sich Heinrich von Limburg bereit erklären, dem Erzbischof die limburgische Burg Frenz als Ersatz für die zerstörte Burg Valantia zu übertragen und das Bündnis mit der Stadt Köln aufzusagen.
Von 1230 bis circa 1233 führte Heinrich Krieg mit Herzog Heinrich von Limburg. Hauptstreitpunkt war die Vogtei über das Kloster Siegburg, die der Erzbischof unter dem Vorbehalt der päpstlichen Zustimmung in der Deutzer Einigung 1226 dem Limburger übertragen hatte. Papst Honorius III. (Pontifikat 1216-1227) hatte die Übertragung jedoch nicht anerkannt und den Erzbischof im November 1226 zur Verteidigung der Abtei aufgefordert. Der Aufforderung Folge leistend, gelang es dem Erzbischof bis zu seinem Tod, die Vogtei zu behaupten.
Weitere Auseinandersetzungen hatte Heinrich vor allem mit dem rheinisch-westfälischen Adel. So begann Heinrich 1227 im Bündnis mit dem Hochstift Osnabrück eine Auseinandersetzung mit Graf Otto von Tecklenburg (um 1185-1263). Dieser hatte sich an der Verschwörung gegen Engelbert beteiligt und Friedrich von Isenberg während dessen Flucht Unterkunft gewährt. Der Konflikt endete erst 1232 mit einem Separatfrieden zwischen Otto und Heinrich, indem letzterer auf die in seinem Bündnis mit Osnabrück vereinbarte Aufteilung der Grafschaft Tecklenburg zwischen Köln und Osnabrück verzichtete. Weitere Fehden führte Heinrich unter anderem mit den Grafen Wilhelm IV. von Jülich (1210-1278) und Dietrich IV. von Kleve. Trotz dieser und anderer Konflikte, versuchte Heinrich diese durch Bündnisse zu vermeiden. Zudem war er bereit, weniger bedeutenden Grundbesitz aufzugeben, um bedeutenderen Besitz oder aber wichtige Herrschaftsrechte zu sichern oder zu gewinnen. Die Konflikte trugen aber auch zur Verschlechterung der finanziellen Lage des Erzstifts bei, die Heinrich durch Verpfändungen auszugleichen versuchte. Zwar konnte er so seine Position verteidigen, zugleich beeinträchtigten die Verpfändungen aber die territoriale Entwicklung des Erzstifts. Trotz dieser Auseinandersetzungen fällt auf, dass Heinrich nachgab, wenn der Gewinn in ungünstigem Verhältnis zum finanziellen und militärischem Aufwand stand.
Heinrich versuchte, seine Oberherrschaft auch durch die Ausbildung eigener territorialer Strukturen gegenüber dem konkurrierenden Adel zu fördern, wie beispielsweise durch eine intensiv betriebene Städtepolitik, die eine Stadterhebungs- und Städtegründungswelle auslöste. Er konzentrierte sich hier nicht nur auf Westfalen, sondern dehnte seine Städtepolitik stärker als Engelbert auch auf das Rheinland aus. Zugleich bemühte er sich um die Rechtsvereinheitlichung im Territorium des Erzstifts durch die Verleihung des Neusser Rechts an Städte am Niederrhein und des Soester Rechts an westfälische Städte. Heinrich erhob Rees (1228), Xanten (1228) und Rheinberg (1233) zu Städten und gewährte 1236 Recklinghausen mit Einschränkungen die Bürgerfreiheit. Für Andernach legte er erstmals die Bede auf eine feste Summe in Höhe von 60 Mark fest. 1230 unterstellte er die Deutzer Weber der Zunftaufsicht des Kölner Wollenamtes. Damit förderte Heinrich aufstrebende Kräfte aus dem handwerklich-gewerblichen Sektor und initiierte zugleich eine Politik, die es seinem Nachfolger Konrad von Hochstaden erlaubte, einen kurzen Sieg über die Kölner Geschlechter zu erlangen. Am 1.8.1230 befreite Heinrich zudem die Deutzer Bürger von der Bede. Damit regte er die Befestigung von Deutz an. Als die Deutzer sich daraufhin jedoch ein Stadtsiegel mit der Umschrift SIGILLVM LIBERE CIVITATIS TVICIEN(SIS) zulegten, ließ Heinrich darin nachträglich den Zusatz Q(VE) E(ST) ARCHIEP(ISCOP)I COLON(IENSIS) einfügen, um seine stadtherrlichen Rechte zu betonen. Eine der wichtigsten städtepolitischen Maßnahmen war die Genehmigung der Gründung der Stadt Kalkar durch Graf Dietrich VI. von Kleve im Jahre 1230. Im Gegenzug verpflichtete sich der Graf unter anderem, keine Einwohner kölnischer Städte, kölnische Hörige oder Ministerialen in Kalkar aufzunehmen. Schließlich gehörte nicht nur die Gewinnung von militärischen Stützpunkten zu den Zielen von Stadtprivilegierungen und –gründungen. Auch der Abzug der Bevölkerung aus dem Erzstift in Städte territorialer Rivalen sollte so verhindert werden.
In Köln lebte der 1216 aufgelöste Kölner Rat als Interessenvertretung der Kirchspiele mit Heinrichs stillschweigender Billigung wieder auf. Innerstädtische Konflikte boten ihm in Köln zudem Gelegenheiten zum Eingreifen. So nutzte Heinrich nach der gewaltsamen innerstädtischen Auseinandersetzung zwischen der Partei der „Weisen“ und ihren Gegnern 1237 die Verurteilung der Häupter der „Weisen“, mit dem einflussreichen Schöffenamtmann Dietrich von der Mühlengasse an der Spitze, um für kurze Zeit die Macht des Geschlechts von der Mühlengasse in der Stadt zu brechen.
Sein Verhältnis zu Kaiser Friedrich II. (Regierungszeit als römisch-deutscher König 1212-1250, ab 1220 Kaiser) und dessen Sohn König Heinrich (VII.) (römisch-deutscher König 1220-1242) war nicht sehr eng. Seine Tätigkeiten im Reichsdienst beschränkten sich auf die mit seiner Stellung verbundenen Aufgaben und Handlungen. So krönte er in Aachen am 28.3.1227 Margarete von Österreich (um 1204/1210-1267), die Gemahlin Heinrichs (VII.). In kaiserlichem Auftrag nahm er an den Verhandlungen mit dem englischen König Heinrich III. (Regierungszeit 1216-1272) bezüglich einer Ehe Friedrichs mit dessen Schwester Isabella (1214-1241) teil. Er war auch Teil der Gesandtschaft, die Isabella abholte und zur Hochzeit mit Friedrich II. geleitete. In der Rebellion Heinrichs (VII.) bezog er jedoch ebenso wenig Stellung wie in dem Streit zwischen Papsttum und Kaisertum. So hielt sich Heinrich nach der Bannung Friedrichs II. 1227 zwar von direkten Kontakten mit den Staufern zurück, setzte sich aber auch nicht für die päpstliche Politik ein. Dies lag sicherlich nicht nur an seiner grundsätzlichen Staufertreue, sondern auch daran, dass er mit dem päpstlichen Hauptparteigänger im Nordwesten des Reiches, dem Hochstift Lüttich, zu dieser Zeit im Streit über die Ausübung der Metropolitanrechte lag.
Sein Verhältnis zum Papsttum wurde Anfang der 1230er Jahre durch die Anzeige einer mit Heinrich im Streit liegenden Fraktion im Kölner Domkapitel getrübt. Der Vorwurf lautete auf unsittliches Verhalten und Verschleuderung von Kirchengütern, durch die er den ihm anvertrauten Klerus zugrunde richte. Auslöser für diesen Konflikt dürften dabei die Exkommunikation mehrerer Mitglieder des Domkapitels sowie die Konfiskation eines Teils der Einkünfte des Domkapitels durch päpstliche Beauftragte für Gläubiger aufgrund der starken Verschuldung des Erzstifts gewesen sein. Papst Gregor IX. (Pontifikat 1227-1241) setzte einen Untersuchungsprozess in Gang und rief Heinrich mit dem Versprechen einer üppigen Versorgung eindringlich zum Rücktritt auf. Da der Papst weitere Verpfändungen und Anleihen ohne Zustimmung des Trierer Erzbischofs bei Strafe der völligen Suspension von der Verwaltung der Temporalien während des Prozesses verbot, das Erzstift aber teilweise für die Kosten des Prozesses aufkommen musste, kam es in der Folge dennoch zu weiteren Verpfändungen durch päpstliche Beauftragte. 1232 reiste der Erzbischof nach Spoleto zum Papst. Dort gelang es Heinrich, den Papst davon zu überzeugen, dass seine politischen Gegner – der Herzog von Limburg und seine Anhänger – hinter den verleumderischen Vorwürfen stünden und die Verteidigung der Besitzungen des Erzstifts gegen ihre Angriffe mit Hilfe von – auch durch Verpfändung erlangten – Geldmitteln keine Verschleuderung von Kirchengütern sei. Die Kurie ließ das Verfahren ab 1233 im Sande verlaufen.
Heinrich I. von Müllenark starb am 26.3.1238 und wurde im Kölner Dom bestattet. Das Grab existiert heute nicht mehr.
Quellen
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Regesten der Erzbischöfe zu Trier von Hetti bis Johann II., 814-1503, bearb. v. Adam Goerz, berichtigter Neudruck der Ausgabe Trier 1861, Aalen 1969.
Literatur
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Groten, Manfred, Die Kirche am Niederrhein im Hochmittelalter. Vom Beginn des 10. bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts, in: Janssen, Heinrich/Grote, Udo (Hg.), Zwei Jahrtausende Geschichte der Kirche am Niederrhein, Münster 1998, S. 59-67.
Groten, Manfred, Köln im 13. Jahrhundert. Gesellschaftlicher Wandel und Verfassungsentwicklung, Köln/Weimar/Wien 1998.
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Online
Cardauns, Hermann, Heinrich I., in: Allgemeine Deutsche Biographie 11 (1880), S. 529-530.
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Wisplinghoff, Erich, Heinrich I. von Müllenark, in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 363-364.
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Schild, Stefanie, Heinrich I. von Müllenark, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-i.-von-muellenark/DE-2086/lido/57c829be1802e9.57010861 (abgerufen am 05.10.2024)