Heinrich Meusel

Turner, Sportlehrer und -funktionär (1899-1970)

Ansgar Molzberger (Köln)

Die Lehrkräfte der Deutschen Hochschule für Leibesübungen Meusel 2. v. r., 1931. (Carl und Liselott Diem-Archiv)

Als be­geis­ter­ter An­hän­ger der deut­schen Turn­be­we­gung, zu de­ren lei­bes­er­zie­he­ri­schen In­hal­ten ne­ben dem (Ge­rät-) Tur­nen im en­ge­ren Sinn tra­di­tio­nell auch ei­ne Viel­zahl di­ver­ser Lei­bes­übun­gen ge­hör­ten, en­ga­gier­te sich Hein­rich „Hein­z“ Meu­sel zeit sei­nes Le­bens in Theo­rie und Pra­xis für Tur­nen und Sport. Gleich­zei­tig er­for­der­ten die Zä­su­ren der bei­den Welt­krie­ge und die po­li­ti­schen Sys­tem­wech­sel in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts meh­re­re Neu­an­fän­ge in Meu­sels Le­ben, ins­be­son­de­re im Zu­ge der Ent­na­zi­fi­zie­rung nach dem En­de der NS-Dik­ta­tur.

Ge­bo­ren am 25.3.1899 in ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen in Düs­sel­dorf, be­such­te Meu­sel, der ei­ner pro­tes­tan­ti­schen Fa­mi­lie ent­stamm­te, von 1905 bis 1909 die Städ­ti­sche Volks­schu­le Düs­sel­dorf. Die Mit­tel­schu­le schloss er 1914 mit der Mitt­le­ren Rei­fe ab und ab­sol­vier­te an­schlie­ßend ei­ne Leh­re als Hand­lungs­ge­hil­fe im Ei­sen­han­del. In sei­ner Mit­tel­schul­zeit trat Meu­sel in die Turn­ge­mein­de (TG) 1881 Düs­sel­dorf ein und avan­cier­te in­ner­halb kur­zer Zeit zu­nächst zum Vor­tur­ner, dann zum Ober­turn­wart sei­nes Ver­eins.

1917 wur­de Meu­sel zum Kriegs­dienst ein­ge­zo­gen, als In­fan­te­rist („Mus­ke­tier“) er­litt er ei­ne Schuss­ver­let­zung am lin­ken Un­ter­arm. Die Schä­di­gung des El­len­nervs (Ul­naris­pa­re­se) führ­te zu ei­ner blei­ben­den Krüm­mung von Mit­tel-, Ring- und klei­nem Fin­ger der lin­ken Hand, Meu­sels Turn­be­geis­te­rung tat dies je­doch kei­nen Ab­bruch: Nach Kriegs­en­de – Meu­sel war im Ers­ten Welt­krieg das Ei­ser­ne Kreuz II. Klas­se ver­lie­hen wor­den – und der 1919 er­folg­ten Ent­las­sung aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft ab­sol­vier­te er ei­nen Ver­eins­turn­leh­rer-Lehr­gang in Ber­lin, den er 1921 mit der Best­no­te „sehr gut“ ab­schloss.

Mit Carl Diem, Ge­ne­ral­se­kre­tär des Deut­schen Reichs­aus­schus­ses für Lei­bes­übun­gen (DRA) und Pro­rek­tor der 1920 in Ber­lin in Trä­ger­schaft des DRA er­öff­ne­ten Deut­schen Hoch­schu­le für Lei­bes­übun­gen (DH­fL) wur­de zu­dem der füh­ren­de Sport­ge­stal­ter sei­ner Zeit auf den ta­len­tier­ten Meu­sel auf­merk­sam. Auch wenn Meu­sel kein Ab­itur vor­wei­sen konn­te, ver­mit­tel­te Diem die­sem ei­nen Stu­di­en­platz mit Voll­s­ti­pen­di­um an der DH­fL – der ers­ten Sport­hoch­schu­le in Deutsch­land, de­ren Lehr- und For­schungs­kon­zept ma­ß­geb­lich auf Diem zu­rück­ging. 

Heinrich Meusel turnt, Ubüngsaufnahmen aus: Die Deutsche Hochschule für Leibesübungen 1920-1930, 1930. (Carl und Liselott Diem-Archiv)

 

Das Ver­trau­en war ge­recht­fer­tigt: Mit sei­ner Di­plom­ar­beit „Der Lauf im deut­schen Tur­nen“ schloss Meu­sel sein Stu­di­um zum Dipl.-Turn- und Sport­leh­rer und staat­lich ge­prüf­ten Mas­seur 1923 nicht nur mit der No­te „sehr gut“, son­dern auch als Jahr­gangs­bes­ter ab. Hier­für wur­de er mit der „Au­gust-Bier-Pla­ket­te“ ge­ehrt, der nach dem Ber­li­ner Chir­ur­gen und ers­tem DH­fL-Rek­tor Au­gust Bier (1861-1949) be­nann­ten Aus­zeich­nung für Jahr­gangs­bes­te.

Diem ver­pflich­te­te Meu­sel dar­auf­hin so­fort als or­dent­li­chen Leh­rer für Gym­nas­tik, Tur­nen, Leicht­ath­le­tik, Spie­le und Rin­gen an die DH­fL. 1925 wur­de Meu­sel zu­sätz­lich die Lei­tung der so­ge­nann­ten Sta­di­on­lehr­gän­ge zur Fort­bil­dung von eh­ren­amt­li­chen Turn- und Sport­war­ten, Übungs­lei­tern und Ju­gend­war­ten über­tra­gen. Bis 1930 hat­ten be­reits mehr als 10.000 Män­ner und Frau­en ei­ne sol­che Fort­bil­dung be­sucht. In sei­ner Zeit als Hoch­schul-Lehr­kraft nahm Meu­sel zu­dem ei­ne um­fas­sen­de Pu­bli­ka­ti­ons­tä­tig­keit auf und mach­te sich ins­be­son­de­re als Au­tor di­ver­ser lei­bes­er­zie­he­ri­scher Lehr­bü­cher ei­nen Na­men.

Zur be­ruf­lich exis­tenz­be­dro­hen­den Zä­sur wur­de für Meu­sel die Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten am 30.1.1933. Hat­ten mit NS­DAP und SA sym­pa­thi­sie­ren­de DH­fL-Stu­die­ren­de in den Vor­jah­ren be­reits mehr­fach ge­gen die ih­rer Mei­nung nach zu „li­be­ra­lis­ti­sche“ Hoch­schu­le auf­be­gehrt, be­schlos­sen die neu­en Macht­ha­ber nun die Um­wand­lung der DH­fL in ei­ne Reichs­aka­de­mie, de­ren Ar­beit nicht län­ger auf Sport­wis­sen­schaft, son­dern auf NS-Ideo­lo­gie ba­sie­ren soll­te. Die­ser Pro­zess nahm zwar meh­re­re Jah­re in An­spruch und war erst 1937 end­gül­tig ab­ge­schlos­sen, be­reits im Früh­jahr 1933 wur­de je­doch ein Gro­ß­teil des Lehr­kör­pers ent­las­sen; ne­ben Carl Diem auch Hein­rich Meu­sel. Bei­de gal­ten im jun­gen NS-Staat als po­li­tisch un­zu­ver­läs­sig. Meu­sel, der mit sei­ner Ehe­frau Ger­da zu die­sem Zeit­punkt be­reits drei Kin­der hat­te, ehe 1934 noch ein vier­tes hin­zu­kam, muss­te in den fol­gen­den Mo­na­ten oh­ne fes­tes Ein­kom­men aus­kom­men.

Rück­bli­ckend ging Wil­li Wey­er, Prä­si­dent des Lan­des­sport­bun­des Nord­rhein-West­fa­len (LSB NRW), am 20.4.1964 in ei­nem Glück­wunsch­schrei­ben zu Meu­sels 65. Ge­burts­tag im LSB NRW-Blatt „Sport­bund Nord­rhein-West­fa­len“ auf die­se Kri­sen­zeit in des­sen Le­ben ein: 1933 wur­de er mit Carl Diem ent­las­sen. Für ihn kam da ei­ne sehr schwe­re Zeit. In sei­ner Hal­tung blieb er aber un­be­irr­bar. Er ge­hör­te zu den we­ni­gen, die dem ent­las­se­nen Carl Diem die Treue hiel­ten. In Wey­ers Dar­stel­lung wur­de Meu­sel we­gen sei­ner Fach­ex­per­ti­se spä­ter den­noch in den Deut­schen Reichs­bund für Lei­bes­übun­gen (DRL) be­ru­fen, der nach der im Zu­ge der „Gleich­schal­tun­g“ er­zwun­ge­nen DRA-Auf­lö­sung 1934 neu ge­grün­de­ten Dach­or­ga­ni­sa­ti­on des deut­schen Sports mit „Reichs­sport­füh­rer“ Hans von Tscham­mer und Os­ten (1887-1943) an der Spit­ze. Hier sei er, so Wey­er 1964, dank sei­nes Kön­nens bis in die Reichs­lei­tung auf­ge­stie­gen und mit hoch­ran­gi­gen sport­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Auf­ga­ben be­traut wor­den, wes­halb er nach En­de des Zwei­ten Welt­kriegs von den Eng­län­dern fest­ge­nom­men wor­den sei.

Da­ge­gen er­wähn­te Wey­er in sei­nem Text nicht, dass der DRL 1938 in den Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Reichs­bund für Lei­bes­übun­gen (NSRL) um­ge­wan­delt und da­mit der NS­DAP un­ter­stellt wor­den war. Vor al­lem aber ver­schwieg Wey­er – bei der Aus­ein­an­der­set­zung mit der NS-Ver­gan­gen­heit in der jun­gen Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wahr­lich kein Ein­zel­fall – dass Meu­sel, nach ei­ge­ner Dar­stel­lung auf An­ra­ten von Freun­den, im Ok­to­ber 1933 in die NS­DAP und in die SA ein­ge­tre­ten war. In der SA wur­de er Sport­re­fe­rent und stieg in den fol­gen­den Jah­ren bis zum Ober­sturm­bann­füh­rer auf. Wei­ter­hin wur­de er Mit­glied in der NS-Volks­wohl­fahrt (NSV) und im Reichs­luft­schutz­bund (RLB) so­wie ab 1939 im NS-Leh­rer­bund.

Ins­be­son­de­re auf­grund sei­nes SA-Rangs stuf­ten die Al­li­ier­ten Meu­sel nach En­de des Zwei­ten Welt­kriegs im Zu­ge der Ent­na­zi­fi­zie­rung – auf Meu­sels Ver­fah­ren wird an spä­te­rer Stel­le noch ein­ge­gan­gen – zu­nächst in die Ka­te­go­rie III („Min­der­be­las­te­te“) ein und leg­ten ihm Be­rufs­be­schrän­kun­gen auf.

Kor­rekt stell­te Wey­er 1964 hin­ge­gen dar, dass Meu­sel auch nach sei­ner Ent­las­sung an der DH­fL in Kon­takt mit Carl Diem blieb, mit dem er seit den 1920er Jah­ren re­gel­mä­ßig turn­te und Früh­sport be­trieb. Diem war als haupt­amt­li­cher Ge­ne­ral­se­kre­tär des kurz vor der NS-Macht­über­nah­me ge­grün­de­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­ko­mi­tees für die Olym­pi­schen Spie­le 1936 in Ber­lin als Chef­or­ga­ni­sa­tor des olym­pi­schen Fes­tes vor­ge­se­hen und blieb – der DH­fL-De­mis­si­on zum Trotz – auf­grund sei­ner in­ter­na­tio­nal an­er­kann­ten Ex­per­ti­se auch un­ter den neu­en Macht­ha­bern im olym­pi­schen Amt. Sei­nen frü­he­ren Hoch­schul­mit­strei­ter hol­te Diem dar­auf­hin ins Team des Or­ga­ni­sa­ti­ons­ko­mi­tees (OK). Als Mit­glied der OK-Sport­ab­tei­lung war Meu­sel bei den Olym­pi­schen Spie­len 1936 ver­ant­wort­lich für sämt­li­che Ge­rät­schaf­ten, die bei den sport­li­chen Wett­kämp­fen be­nö­tigt wur­den.

Nach sei­nem Par­tei­ein­tritt konn­te Meu­sel im Win­ter­se­mes­ter 1933/34 an die DH­fL zu­rück­keh­ren. In sei­nem Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren sprach Meu­sel von ei­nem Gna­den­akt des „Reichs­sport­füh­rer­s“ ge­gen­über dem ar­beits­lo­sen Fa­mi­li­en­va­ter. Die Rück­kehr auf sei­nen al­ten Pos­ten blieb Meu­sel je­doch ver­wehrt, als nun­mehr rei­ner Fach­leh­rer für Tur­nen durf­te er nicht län­ger meh­re­re Sport­ar­ten un­ter­rich­ten. Auch die Lei­tung von Lehr­gän­gen hat­te er 1933/34 nicht mehr in­ne. Vor al­lem aber wur­de sein Ge­halt zu­nächst dras­tisch ge­kürzt.

Über sei­ne Tä­tig­keit an der DH­fL be­zie­hungs­wei­se der zur Reichs­aka­de­mie für Lei­bes­übun­gen um­ge­wan­del­ten In­sti­tu­ti­on und als Sport­re­fe­rent der SA hin­aus wur­de Meu­sel Teil der Reichs­füh­rung des DRL/NSRL. Hier stieg er über die Jah­re bis zum Lei­ter der Aus­bil­dungs­ab­tei­lung auf. Auch sei­ne Pu­bli­ka­ti­ons­tä­tig­keit nahm Meu­sel wie­der auf. Wäh­rend der In­halt sei­ner Lehr­bü­cher wie „Kör­per­li­che Grund­aus­bil­dun­g“ (1937, an­schlie­ßend mehr­fach neu auf­ge­legt) oder „Volks­tüm­li­che Lei­bes­übun­gen der Frau“ (1943), bei­de her­aus­ge­ge­ben im Auf­trag des „Reichs­sport­füh­rer­s“ und dem DRL/NSRL, staats­kon­form in die NS-Ideo­lo­gie ein­ge­bet­tet wur­de, brach­te Meu­sel aber auch ein Buch wie „Lauf-, Rauf- und Ball­spie­le für die kör­per­li­che Grund­aus­bil­dun­g“ (1938) auf den Markt, das sich auf di­ver­se Spiel­for­men und ih­re Re­geln be­schränk­te und in­halt­lich un­ver­än­dert in meh­re­ren neu­en Auf­la­gen auch noch in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ver­trie­ben wur­de.

Im Zwei­ten Welt­krieg blieb Meu­sel weit­ge­hend vom er­neu­ten Kriegs­dienst ver­schont. Zwar wur­de er im Au­gust 1939 in die Wehr­macht ein­ge­zo­gen, als kin­der­rei­cher Welt­kriegs­ve­te­ran je­doch be­reits An­fang De­zem­ber 1939 wie­der ent­las­sen, so dass er sich in der Fol­ge­zeit in Ber­lin auf sei­ne Tä­tig­keit im Sport kon­zen­trie­ren konn­te. Im Fe­bru­ar 1945 wur­de er dann aber zum „Volks­stur­m“ ein­ge­zo­gen – in das Ba­tail­lon, dem auch Diem an­ge­hör­te und das auf dem „Reichs­sport­fel­d“, dem Olym­pia­ge­län­de von 1936, sta­tio­niert war.

Hier wur­de Meu­sel nach Kriegs­en­de bei Auf­räum­ar­bei­ten fest­ge­nom­men und kam in rus­si­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft, aus der er am 20.10.1945 ent­las­sen wur­de. An­schlie­ßend leb­te er ei­ni­ge Mo­na­te bei sei­ner Fa­mi­lie, ehe er von den Bri­ten ver­nom­men und ab dem 20.7.1946 zu­nächst in Ber­lin, dann im La­ger Esel­hei­de bei Pa­der­born in­ter­niert wur­de. Am 19.5.1947 kam Meu­sel frei, die Bri­ten ent­lie­ßen ihn je­doch nicht nach Ber­lin, wo sei­ne Frau und Kin­der leb­ten, son­dern in sei­ne Ge­burts­stadt Düs­sel­dorf.

Wie­der fing Meu­sel von vor­ne an: Zwar hat­ten die Al­li­ier­ten im Zu­ge der Ent­na­zi­fi­zie­rung Meu­sels im Som­mer 1947 ein­ge­hol­te Ent­las­tungs­schrei­ben von Weg­ge­fähr­ten aus der Turn- und Sport­sze­ne – dar­un­ter ein Schrei­ben Diems, mit dem Meu­sel so­fort nach sei­ner Frei­las­sung wie­der in Kon­takt ge­tre­ten war – und die Dar­stel­lung, er sei in der SA aus­schlie­ß­lich sport­lich tä­tig ge­we­sen und nur we­gen der be­ruf­li­chen Nä­he zu „Reichs­sport­füh­rer“ von Tscham­mer und Os­ten re­gel­mä­ßig be­för­dert wor­den, zur Kennt­nis ge­nom­men. Den­noch ord­ne­ten sie ihn gleich­wohl der Ka­te­go­rie III („Min­der­be­las­te­te“) zu, ver­bun­den mit der Sper­re des Ver­mö­gens und der Kon­ten so­wie po­li­ti­schen, Be­we­gungs- und An­stel­lungs­be­schrän­kun­gen.

Um voll­um­fäng­lich in sei­nen al­ten Be­ruf zu­rück­keh­ren zu kön­nen, leg­te Meu­sel Ein­spruch ge­gen den Ein­rei­hungs­be­scheid vom 29.11.1947 ein und bat er­neut Ver­trau­te um Hil­fe. Als Haupt­ent­las­tungs­zeu­ge stand ihm dar­auf­hin bei der Sit­zung der Be­ru­fungs­kam­mer für den Ent­na­zi­fi­zie­rungs­aus­schuss am 23.2.1948 in Düs­sel­dorf der von den Bri­ten ge­schätz­te Diem zur Sei­te, der im April 1947 mit der Lei­tung der neu ge­grün­de­ten Sport­hoch­schu­le Köln be­traut wor­den war. Diem, des­sen Ak­ti­vi­tä­ten im or­ga­ni­sier­ten Sport im Ver­lauf der NS-Zeit bis heu­te selbst Dis­kus­si­ons­ge­gen­stand sind, stütz­te Meu­sels Dar­stel­lung zur Tä­tig­keit in der SA laut Sit­zungs­pro­to­koll nach­drück­lich: Es kann ihm nach mei­nem Da­für­hal­ten des­halb auch nicht die Be­för­de­rung bis zum SA-Ober­sturm­bann­füh­rer als Be­las­tung vor­ge­wor­fen wer­den, zu­mal er sich in­ner­halb der SA auch nach mei­nem Wis­sen nicht be­tä­tigt hat. Sei­ne Ran­ger­hö­hun­gen er­folg­ten aber au­to­ma­tisch zu­gleich mit an­de­ren. Ich ha­be den Be­schwer­de­füh­rer auch nicht in Uni­form, son­dern im­mer nur im Sport­an­zug ge­se­hen.

Dem Ein­spruch wur­de vor al­lem dank Diems Ein­satz statt­ge­ge­ben, Meu­sel wur­de nun­mehr in die Ka­te­go­rie IV („Mit­läu­fer“) ein­ge­stuft, oh­ne Auf­la­ge be­son­de­rer Ein­schrän­kun­gen. Meu­sel blieb in Düs­sel­dorf, um sich hier ei­ne neue Exis­tenz auf­zu­bau­en. 1948 konn­te er sei­ne Fa­mi­lie zu sich ho­len. Sei­ne bei­den Söh­ne, dar­un­ter Hein­rich „Hein­z“ Meu­sel jr. (ge­bo­ren 1932), der 1974 ei­ne Pro­fes­sur für Sport­wis­sen­schaft an der Jus­tus-Lie­big-Uni­ver­si­tät Gie­ßen er­hielt, und ei­ne spä­te­re Schwie­ger­toch­ter ab­sol­vier­ten in den 1950er Jah­ren er­folg­reich ein Stu­di­um an der Sport­hoch­schu­le Köln. Mit de­ren Lei­ter Diem blieb Meu­sel auch wei­ter­hin in ste­ti­gem Aus­tausch.

Meu­sel wur­de nach frü­hen Trai­ner­tä­tig­kei­ten im Fuß- und Hand­ball wie­der be­ruf­lich in der Turn- und Sport­be­we­gung tä­tig, zu­nächst als Ver­fas­ser des „Vor­tur­ner­briefs für die Ver­eins­ar­beit“, der vom „Zo­nen­turn­aus­schus­s“ in der Bri­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne her­aus­ge­ge­ben wur­de. Bei der Nach­fol­ge­pu­bli­ka­ti­on „Deut­sches Tur­nen“, der of­fi­zi­el­len Zeit­schrift des 1950 ge­grün­de­ten Deut­schen Tur­ner-Bun­des (DTB), fun­gier­te Meu­sel bis 1966 als haupt­ver­ant­wort­li­cher Schrift­lei­ter.

Am 1.7.1949 trat er sei­ne lang­jäh­ri­ge haupt­be­ruf­li­che Tä­tig­keit als Ge­schäfts­füh­rer des Rhei­ni­schen Tur­ner­bun­des (RTB) – RTB-Vor­sit­zen­der zu die­ser Zeit war Carl Diem – an. Fort­an hat­te Meu­sel auch die Schrift­lei­tung der Rhei­ni­schen Turn­zei­tung in­ne. Dar­über hin­aus ver­fass­te er in den Fol­ge­jah­ren er­neut di­ver­se lei­bes­er­zie­he­ri­sche Lehr­bü­cher und über­nahm Funk­tio­närs­auf­ga­ben im Turn­gau Düs­sel­dorf so­wie bei „sei­ner“ TG 1881 Düs­sel­dorf.

Der Sportpraxis-Lehrkörper der Deutschen Hochschule für Leibesübungen, in der Mitte Carl Diem (1882-1962), ganz rechts der neu ins Kollegium aufgenommene Heinrich Meusel, 1923. (Carl und Liselott Diem-Archiv)

 

Im 1947 ge­grün­de­ten LSB NRW en­ga­gier­te sich Meu­sel, be­kannt durch sei­ne Tä­tig­kei­ten in der Turn­be­we­gung auf lo­ka­ler, re­gio­na­ler und na­tio­na­ler Ebe­ne, eben­falls über ei­nen lan­gen Zeit­raum. Ins­be­son­de­re in der von sport­li­cher Viel­sei­tig­keit ge­präg­ten Ju­gend­ar­beit des LSB NRW war die Ex­per­ti­se des lei­bes­er­zie­he­risch um­fas­send aus­ge­bil­de­ten Turn- und Sport­ver­tre­ters ge­fragt, Meu­sel fun­gier­te als stell­ver­tre­ten­der Ju­gend­wart (1955 bis 1959) und als Mit­glied des Ju­gend­aus­schus­ses (1949/50 bis 1955 und 1959 bis 1965). Wie im DTB und RTB brach­te Meu­sel sich dar­über hin­aus auch in der Sport­ju­gend und im LSB NRW als Au­tor ein. So war er Re­dak­ti­ons­mit­glied der Zeit­schrift „Sport­bund Nord­rhein-West­fa­len“, für de­ren Ju­gend­bei­la­ge er über vie­le Jah­re mo­nat­lich „Die Übungs­stun­de“, ei­ne mehr­sei­ti­ge prak­ti­sche An­re­gung für Turn- und Sport­ver­ei­ne, bei­steu­er­te. Die­se wur­de zum Vor­bild für die Ar­beit an­de­rer Lan­des­sport­bün­de.

Hein­rich „Hein­z“ Meu­sel, zum 60. bzw. 65. Ge­burts­tag mit dem DTB-Eh­ren­brief und der DTB-Eh­ren­ur­kun­de mit gro­ßer Gol­de­ner Eh­ren­na­del und kurz vor sei­nem 70. Ge­burts­tag mit der Sport­pla­ket­te des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len ge­ehrt, starb am 12.7.1970 an Herz­ver­sa­gen; ei­ni­ge Wo­chen zu­vor war er noch zum 1. Vor­sit­zen­den des RTB ge­wählt wor­den.

Werke (Auswahl)

Na­tür­li­ches Ge­rät­tur­nen: Hin­der­nis­tur­nen für Schu­le und Ver­ein, Ber­lin 1929.

Me­di­zin­ball-Gym­nas­tik, Ber­lin 1930.

Kör­per­li­che Grund­aus­bil­dung, Ber­lin 1937.

Lauf-, Rauf- und Ball­spie­le für die kör­per­li­che Grund­aus­bil­dung, Ber­lin 1938.

Volks­tüm­li­che Lei­bes­übun­gen der Frau, Ber­lin 1943.

Grund­schu­le der Lei­bes­übun­gen. Ein Hand­buch für Schu­le und Ver­ein, Ber­lin 1949.

„Spe­zia­li­sie­rung oder Brei­ten­ar­beit?“, in: Lan­des­sport­bund Nord­rhein-West­fa­len e.V. und Sport­hil­fe e.V. (Hg.), Jah­res­be­richt 1955 – ge­ge­ben zur or­dent­li­chen Mit­glie­der­ver­samm­lung der Sport­hil­fe e.V. am 11. Mai 1956 zu Duis­burg und zum Bun­des­tag des Lan­des­sport­bun­des Nord­rhein-West­fa­len e.V. am 12. Mai 1956 zu Duis­burg, Arns­berg 1956, S. 98-101. 

Quellen

Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ak­te „Meu­sel, Hein­rich“. Lan­des­ar­chiv Nord­rhein-West­fa­len, Ab­tei­lung Rhein­land, Be­stand: NW 1002-G, Si­gna­tur 38799 so­wie Be­stand NW 1037-B I, Si­gna­tur 3133.

Kor­re­spon­denz Carl Diem – Hein­rich und Ger­da Meu­sel, Carl und Li­se­lott Diem-Ar­chiv der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln. 

Map­pe „Meu­sel, Hein­rich“. Pres­se­ar­chiv im Carl und Li­se­lott Diem-Ar­chiv der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln.

Literatur

Hauk, Ger­hard, „Im Sport ist mehr drin": Die Ge­schich­te der Sport­ju­gend Nord­rhein-West­fa­lens 1945-1990, Es­sen 1992.

Lenn­artz, Karl, Bi­blio­gra­phie Ge­schich­te der Lei­bes­übun­gen, Band 2: Per­so­nen, Heft 1: 1. Abs. bis 365. Münch, Köln 1972. 

Logo des Landessportbunds Nordrhein-Westfalen 1953. (Landessportbund NRW)

 
Zitationshinweis

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Molzberger, Ansgar, Heinrich Meusel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-meusel-/DE-2086/lido/685ab457772be8.54097089 (abgerufen am 15.07.2025)

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 03.07.2025, zuletzt geändert am 15.07.2025