Herbert Eulenberg

Schriftsteller (1876-1949)

Joseph A. Kruse (Berlin)

Herbert Eulenberg, Porträtfoto..

Her­bert Eu­len­berg ge­hör­te als Ly­ri­ker, Er­zäh­ler und Meis­ter bio­gra­phi­scher Skiz­zen zu den viel ge­le­se­nen Au­to­ren sei­ner Zeit und wur­de als neu­ro­man­ti­scher Büh­nen­dich­ter er­folg­reich. Sein Ruhm ver­blass­te al­ler­dings schon vor der „Macht­er­grei­fung“ des ihn un­ter­drü­cken­den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Den­noch bil­de­te er für ein dank­ba­res Pu­bli­kum lan­ge Zeit hin­durch den In­be­griff des rhei­ni­schen Dich­ters.

Her­bert Eu­len­berg wur­de am 25.1.1876 in Mül­heim am Rhein (heu­te Stadt Köln) als drit­tes Kind des In­ha­bers ei­ner klei­nen Ma­schi­nen­fa­brik Hu­go Eu­len­berg (um 1843-1913) und des­sen Frau Lau­ra, ge­bo­re­ne Bor­ne­mann ge­bo­ren. Ei­ner sei­ner Ur­gro­ßvä­ter war der Ma­ler und Re­dak­teur Gus­tav Adolph Koett­gen (1805-1882) aus El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal), der dem Kreis um Fried­rich En­gels und Mo­ses Heß na­he ge­stan­den hat­te. Sei­ne Schul­zeit auf dem Re­al­gym­na­si­um in Mül­heim und dem Fried­rich-Wil­helm-Gym­na­si­um in Köln ver­lief mehr als schwie­rig, wie es bei sei­nen Al­ters­ge­nos­sen Tho­mas Mann (1875-1955) oder Her­mann Hes­se (1877-1962) zu ei­nem li­te­ra­ri­schen To­pos wur­de.

An­schlie­ßend stu­dier­te er Ju­ra in Ber­lin, Mün­chen, Leip­zig und Bonn, fühl­te sich al­ler­dings stets als Dich­ter ge­bo­ren. Schon in Mün­chen ent­stand 1898 sein ers­tes Stück na­mens „Do­gen­glück“. Nach Staats­ex­amen und Pro­mo­ti­on ab­sol­vier­te er sein Re­fe­ren­da­ri­at in Op­la­den (heu­te Stadt Le­ver­ku­sen) und Köln. Durch sein Trau­er­spiel „Lei­den­schaf­t“ von 1901 wur­de Fer­di­nand Bonn (1861-1933) auf ihn auf­merk­sam und ver­schaff­te ihm 1903 ei­ne Dra­ma­tur­gen­stel­le im „Ber­li­ner Thea­ter“. Dann ver­pflich­te­te ihn Loui­se Du­mont an das von ihr und ih­rem Mann Gus­tav Lin­de­mann neu ge­grün­de­te Düs­sel­dor­fer Schau­spiel­haus, das mit Eu­len­bergs em­pha­ti­schen Pro­log am 28.10.1905 er­öff­net wur­de.

Als Dra­ma­turg und Mit­ar­bei­ter der Haus­zeit­schrift „Mas­ken“ blieb er bis 1909 und ar­bei­te­te an­fangs zu­sam­men mit Paul Ernst (1866-1933), an­schlie­ßend seit 1906 mit Wil­helm Schmidtbonn. Da­nach führ­te er das Le­ben ei­nes frei­en Schrift­stel­lers. Be­reits 1901 hat­te er in Ber­lin sei­ne spä­te­re Frau Hed­da, ge­bo­re­ne Maa­se (1876-1960) aus Duis­burg-Mei­de­rich ken­nen ge­lernt, die in ers­ter Ehe von 1897-1904 mit ih­rem Ju­gend­freund, dem aus So­lin­gen stam­men­den na­tio­na­lis­ti­schen Kul­tur­his­to­ri­ker Ar­thur Mo­el­ler van den Bruck ver­hei­ra­tet war und mit ihm ei­nen Sohn hat­te. Her­bert Eu­len­berg und Hed­da hei­ra­te­ten 1904. Aus der Be­zie­hung gin­gen die noch vor der Hoch­zeit ge­bo­re­ne und bald da­nach an ei­ner Rauch­ver­gif­tung ver­stor­be­ne Toch­ter Imo­gen so­wie zwei Söh­ne her­vor.

Hed­da spiel­te da­mals be­reits ei­ne Rol­le als an­er­kann­te Über­set­ze­rin aus der fran­zö­si­schen und an­gel­säch­si­schen Li­te­ra­tur und setz­te Eu­len­berg nach sei­nem Tod mit dem Er­in­ne­rungs­band „Im Dop­pel­glück von Kunst und Le­ben“ ein Denk­mal im ho­hen Ton, wie er in „Haus Frei­heit“ in Kai­sers­werth (heu­te Stadt Düs­sel­dorf), wo Eu­len­berg seit 1905 als frei­er Schrift­stel­ler leb­te, wohl im­mer ge­herrscht hat.

So er­folg­reich auch Eu­len­bergs „Schat­ten­bil­der“ wa­ren, die aus den von der Prin­zi­pa­lin Loui­se Du­mont an­ge­reg­ten „Mor­gen­fei­ern“ als „Dich­ter- und Ton­dich­ter-Ma­ti­néen“ her­vor­gin­gen, so we­nig konn­te er als noch so pro­duk­ti­ver wie ab­wechs­lungs­rei­cher Au­tor von Er­zäh­lun­gen, Ro­ma­nen, Ge­dich­ten, Es­says und Streit­schrif­ten sor­gen­frei in die Zu­kunft bli­cken. Er blieb tra­gi­scher­wei­se zeit­le­bens ein an­ge­se­he­ner Schrift­stel­ler, der sich ei­nen be­acht­li­chen Rah­men zu schaf­fen wuss­te, oh­ne da­bei im­mer im ide­el­len wie ma­te­ri­el­len Sin­ne ei­nen so durch­schla­gen­den Er­folg zu ha­ben, wie er sich das sel­ber wünsch­te und sei­ne Um­welt ihn glau­ben las­sen moch­te.

Trotz­dem oder viel­leicht auch ge­ra­de des­we­gen wur­de er zu ei­nem Mus­ter der li­te­ra­ri­schen wie künst­le­ri­schen Le­bens­füh­rung und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Sein teil­wei­se ge­wiss dem per­sön­li­chen Charme des Schrift­stel­lers und sei­ner Frau zu ver­dan­ken­der Ruhm über­stieg näm­lich bei wei­tem die li­te­ra­ri­sche Wir­kung ei­nes auf­rech­ten Hu­ma­nis­ten. Im­mer­hin ge­hör­te er seit min­des­tens 1910 dem vier Jah­re zu­vor von Ernst Hä­ckel (1834-1919) ge­grün­de­ten „Deut­schen Mo­nis­ten­bund“ an. Dort stan­den Se­xu­al­re­form und ver­bes­ser­ter Mut­ter­schutz, Ab­sti­nenz­ler- und Ve­ge­ta­rier­tum, Dis­kus­sio­nen über Eu­ge­nik und Eu­tha­na­sie, aber auch die Ver­brei­tung von Es­pe­ran­to und die Ein­füh­rung von Sonn­wend­fei­ern auf dem Pro­gramm.

Wei­ter­hin sind die Ver­bin­dung zur „Deut­schen Frie­dens­ge­sell­schaf­t“ her­vor­zu­he­ben und die Sym­bio­se von Mo­nis­mus, Pa­zi­fis­mus und In­ter­na­tio­na­lis­mus, die al­le­samt sei­ne Welt­an­schau­ung be­ein­fluss­ten. Sei­ne Ver­eh­rung für Ber­tha von Sutt­ner (1843-1914) wur­de von ei­nem Brief­wech­sel be­glei­tet und mün­de­te im Ju­li 1914 in ei­nem Preis­ge­dicht aus An­lass ih­res To­des auf die Frie­dens­no­bel­preis­trä­ge­rin.

Den Pa­zi­fis­ten Eu­len­berg er­schüt­ter­te der Ers­te Welt­krieg zu­tiefst. Es war ihm ei­ne Be­frie­di­gung, dass er 1923 bei ei­ner Vor­trags­rei­se in den USA als ers­ter Deut­scher nach Al­bert Ein­stein (1879-1955) in der Co­lum­bia Uni­ver­si­ty, New York, spre­chen durf­te. In je­ner Zeit un­ter­nahm er auch Rei­sen nach Nord­afri­ka und Pa­läs­ti­na. Zu den viel­fäl­ti­gen Be­geg­nun­gen aus Li­te­ra­tur, Kunst und Mu­sik ge­hö­ren sämt­li­che Grö­ßen der da­ma­li­gen Zeit: Auf dem li­te­ra­ri­schen Feld pfleg­te er Freund­schaf­ten un­ter an­de­rem mit Ger­hart Haupt­mann (1862-1946), Carl Zuck­may­er (1896-1977), Franz und Al­ma Wer­fel (1890-1945 be­zie­hungs­wei­se 1879-1964), Kurt Wolff (1887-1963), Ja­kob Was­ser­mann (1873-1934), Sa­mu­el Fi­scher (1859-1934), Tho­mas und Kat­ja Mann (1875-1955 be­zie­hungs­wei­se 1883-1980), Joa­chim Rin­gel­natz (1883-1934), Ma­xi­mi­li­an Har­den (1861-1927), Kla­bund (1890-1928) und Her­mann Hes­se.

Von den Ma­lern sei­en Lo­vis Corinth (1858-1925), Max Pech­stein (1881-1955), Ot­to Pan­kok, Karl Schmidt-Rott­luff (1884-1976) und Ot­to Dix (1891-1969) als sei­ne Freun­de ge­nannt, die ihn teil­wei­se auch por­trä­tier­ten. Sein Ein­satz für die Künst­ler­grup­pe „Das jun­ge Rhein­lan­d“ ge­hört zu den kul­tu­rel­len Pio­nier­ta­ten. Die­se Vor­lie­be für die Mo­der­ne hat sei­nem Ver­hält­nis zur ehr­wür­di­gen Düs­sel­dor­fer Kunst­aka­de­mie nicht ge­scha­det, die ihn als den Ih­ren be­trach­te­te. Die Büh­nen­stars Alex­an­der Mois­si (1979-1935), Hein­rich Ge­or­ge (1893-1946), Frit­zi Mas­sa­ry (1882-1969), Hen­ny Por­ten (1890-1960), Paul We­ge­ner (1874-1948), Heinz Rüh­mann und Clai­re Wald­off (1884-1957) zähl­ten eben­so zu den Be­su­chern wie die Mu­si­ker Ri­chard Strauß (1864-1949), El­ly Ney, Ed­win Fi­scher (1886-1960) und Hans Pfitz­ner (1869-1949).

Wäh­rend der Zeit des „Drit­ten Rei­ches“ war er ver­femt. Un­ter Pseud­onym konn­te er im Düs­sel­dor­fer „Mit­ta­g“ und im Feuille­ton der „Köl­ni­schen Zei­tun­g“ zwar wei­ter ver­öf­fent­li­chen, da­von je­doch nur müh­sam über­le­ben. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg wur­de er viel­fach aus­ge­zeich­net und ge­ehrt. 1946 wur­de er Eh­ren­bür­ger der Stadt Düs­sel­dorf. 1948 er­hielt er ei­ne Hei­ne-Aus­zeich­nung aus Ham­burg. Für Hei­nes Nach­wir­kung hat­te er sich an des­sen Ge­burts­ort Düs­sel­dorf üb­ri­gens lan­ge und nach­hal­tig ein­ge­setzt. Auch die Eh­ren­dok­tor­wür­de der Uni­ver­si­tät Bonn zeigt die An­er­ken­nung, die man ihm schul­dig zu sein glaub­te. Die DDR ver­lieh ihm 1949 den Na­tio­nal­preis, der auch sei­nem Hei­ne-En­ga­ge­ment ge­schul­det war. Sein Tod am 4.9.1949 in Fol­ge von Ver­let­zun­gen durch Nach­kriegs­trüm­mer trägt ge­wis­ser­ma­ßen sym­bo­li­sche Zü­ge. Eu­len­berg und sein Werk gin­gen trotz Be­en­di­gung der fins­te­ren Zei­ten end­gül­tig un­ter. Nach et­wa ei­nem hal­ben Jahr­hun­dert über­gab die Fa­mi­lie den eben­so um­fang­rei­chen wie auf­schluss­rei­chen Nach­lass zur wis­sen­schaft­li­chen Aus­wer­tung an das Hein­rich-Hei­ne-In­sti­tut in Düs­sel­dorf.

Das Herz­stück sei­ner Bil­dungs­be­mü­hun­gen stel­len zwei­fel­los sei­ne „Schat­ten­bil­der“ von 1910 dar, die spä­ter in sei­ner Werk­aus­ga­be von 1926 durch den er­wei­ter­ten Ti­tel „Schat­ten­bil­der und Licht­bil­der“ das ge­sam­te Pan­ora­ma der In­ter­es­sen, Kennt­nis­se und Ver­mitt­lungs­leis­tun­gen Eu­len­bergs un­ter Be­weis stell­ten. Auch wenn sei­ne sons­ti­gen Wer­ke ver­ges­sen sind, so stel­len sei­ne es­say­is­ti­schen Nach­emp­fin­dun­gen aus der Kul­tur­ge­schich­te un­ter Be­weis, wie sehr Spra­che und Li­te­ra­tur das Me­di­um des Über­gangs sind von der Ver­gan­gen­heit über die Ge­gen­wart zu ei­ner Zu­kunft, der die Kraft jeg­li­cher Er­neue­rung zu­ge­traut wird. Eu­len­bergs Stu­di­en be­schäf­tig­ten sich un­ter an­de­rem mit den un­ter­schied­lichs­ten Dich­tern, Ma­lern, Mu­si­kern, Phi­lo­so­phen, Po­li­ti­kern, Thea­ter­leu­ten und Phil­an­thro­pen, wo­bei zeit­li­che und kul­tu­rel­le Gren­zen sou­ve­rän über­sprun­gen wur­den.

Werke

Aus­ge­wähl­te Wer­ke in 5 Bän­den, Stutt­gart 1925/1926.

Literatur

Eu­len­berg, Hed­da, Im Dop­pel­glück von Kunst und Le­ben, Düs­sel­dorf [1952].
Her­bert Eu­len­berg. Ge­dächt­nis­aus­stel­lung zur 100. Wie­der­kehr des Ge­burts­ta­ges, Hein­rich-Hei­ne-In­sti­tut, Düs­sel­dorf 1976.
Kru­se, Jo­seph A., Der Schrift­stel­ler Her­bert Eu­len­berg (1876-1949). Ein „Eh­ren­bür­ger der Welt“ aus Kai­sers­werth am Rhein, in: Ge­schich­te im Wes­ten 18 (2003), S. 116-123.

 
Zitationshinweis

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Kruse, Joseph A., Herbert Eulenberg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/herbert-eulenberg-/DE-2086/lido/57c6a662ef3bb6.03652809 (abgerufen am 19.04.2024)