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Hermann Pünder war 1926-1932 Chef der Reichskanzlei in Berlin, wurde 1933 als Regierungspräsident in Münster entlassen, gehörte während des Zweiten Weltkriegs zum Widerstandskreis um Carl Goerdeler und überlebte die KZ-Haft. 1945-1948 Oberbürgermeister von Köln, leitete er 1948/1949 den Verwaltungsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets in Frankfurt a.M. und gehörte 1949-1957 als Kölner CDU-Abgeordneter dem Bundestag an.
Am 1.4.1888 in Trier geboren, wuchs Hermann Pünder in Köln auf, wo sein Vater Hermann Joseph (1841-1917) seit 1989 Richter am Appellhof war. Nach dessen Versetzung (1900) an das Reichsmilitärgericht in Berlin, wohin die Familie übersiedelte, verbrachte Pünder die letzten Gymnasialjahre in Münstereifel. Nach dem Abitur (1906) und einem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg i.Br., London und Berlin bestand er 1909 das 1. Staatsexamen. Als Referendar im preußischen Justizdienst absolvierte Pünder eine einjährige Militärdienstzeit in Naumburg/Saale und erwarb 1910 in Jena den juristischen Doktorgrad. 1915, bereits im Kriegsdienst, bestand er sein Assessorexamen. Als Leutnant der Reserve bis 1918 an der West- und Ostfront eingesetzt und 1916 mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet, machte er nach 1918 eine steile Beamtenkarriere.
Seit Dezember Hilfsrichter beim Landgericht I in Berlin, wechselte der Regierungsrat Anfang 1919 in das Preußische Justizministerium und im September in das Reichsfinanzministerium. Dort leitete er als Ministerialrat seit 1921 das Ministerbüro. Aus der 1920 geschlossenen Ehe mit Magda, geborene Statz, gingen fünf Kinder hervor. Pünder, seit 1922 Mitglied der Zentrumspartei, wurde Anfang 1925 als Ministerialdirektor in die Reichskanzlei berufen, noch Ende dieses Jahres ihr stellvertretender Leiter und am 20.7.1926 deren Chef als Staatssekretär. In dieser Schlüsselstellung entwickelte sich der kompetente und gewandte Jurist zu einem administrativen Krisenmanager unter vier Reichskanzlern. Nach dem Amtsantritt von Reichskanzler Franz von Papen (1879-1969), am 2.6.1932, in den einstweiligen Ruhestand versetzt, übernahm Pünder am 4.10.1932 das Amt des Regierungspräsidenten in Münster. Im Juli 1933 wurde er von der NSDAP-Regierung entlassen und bewirtschaftete seitdem einen kleinen Bauernhof in Hiltrup, am Rande der Stadt.
Im Zweiten Weltkrieg geriet Pünder als Hauptmann beziehungsweise später Major der Reserve im Stab des Wehrkreiskommandos VI in Münster durch zwei Treffen mit Carl Goerdeler (1884-1945), 1939 und 1942, in das Umfeld von dessen Widerstandskreis. Nach dem 20.7.1944 wurde er verhaftet, in das Strafgefängnis in Berlin-Moabit eingewiesen und qualvollen Verhören unterzogen. Er wurde wegen Hochverrats angeklagt, am 20.12. vom Volksgerichtshof freigesprochen, allerdings „wegen Wehrunwürdigkeit" aus der Wehrmacht sowie aus dem Beamtenstand ausgestoßen und verlor seine Versorgungsansprüche. Die Gestapo hielt ihn weiterhin in Haft und verschleppte ihn, nach Aufenthalten in den Konzentrationslagern Fürstenberg in Mecklenburg, Buchenwald und Dachau Anfang Mai 1945 mit einem „Prominententransport" von 136 Häftlingen aus 22 Ländern in die „Alpenfestung Tirol". In Niederdorf im Pustertal wurde Pünder Anfang Mai 1945 von einer Südtiroler Widerstandsgruppe befreit, aber weiter von der amerikanischen Armee als „Ehrengast" in Italien (Capri) festgehalten. Ende Mai empfing ihn Papst Pius XII. (1876-1958) als ersten deutschen Nachkriegsbesucher.
Erst am 27. Juli gelangte Pünder wieder nach Münster. Dort gehörte er zu den Initiatoren der CDU. Aber bereits am 20.11.1945 übernahm der „Staatssekretär a.D." das ihm von der britischen Militärregierung angebotene Amt des Oberbürgermeisters von Köln, als Nachfolger des von ihr am 6. Oktober entlassenen Konrad Adenauer. Pünder suchte für die in Trümmern liegende Domstadt ihre frühere Stellung als eine der „geistigen Hauptstädte Deutschlands" zurück zu gewinnen, auch ihre Brückenfunktion zum benachbarten Ausland. Den Wiederaufbau der Ruinenlandschaft förderte der Oberbürgermeister ebenso tatkräftig wie die geistige Ausrichtung („Kölner Kulturtage" im Oktober 1946) und die Wiederbegründung einer Reihe überregionaler kommunaler und kultureller Verbände, so auch des Deutschen Städtetags, dessen Präsidentschaft er übernahm. 1947-1973 leitete er den Zentral-Dombau-Verein zu Köln und amtierte auch als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
1946-1950 war Pünder für die CDU Mitglied des Landtags des neu gegründeten Landes Nordrhein-Westfalen, dessen Errichtung er bei der britischen Militärregierung befürwortet hatte, gewählt im 5. Kölner Bezirk: Lindenthal-Müngersdorf. Bei späterer Gelegenheit formulierte er einmal als seine „Lebensmaxime": die „notwendige Festigkeit mit einer möglichst großen Verbindlichkeit" zu verbinden.
Den Höhepunkt seiner Laufbahn erreichte Pünder am 2.3.1948 mit seiner Wahl zum Vorsitzenden („Oberdirektor") des neu geschaffenen Verwaltungsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets in Frankfurt a.M. In dieser Position, mit einer Koalition von CDU, CSU und FDP, war er am Zusammenwachsen der amerikanischen und britischen Besatzungszonen beteiligt, deren Wirtschafts- und Sozialordnung – darunter auch die „Soziale Marktwirtschaft" – für die Bundesrepublik Deutschland zum Vorbild wurde. Aus dieser aufreibenden Tätigkeit, auch in Auseinandersetzungen mit den Militärregierungen, resultierten Spannungen mit Adenauer, der nach seiner Wahl zum Bundeskanzler am 15.9.1949 Pünder nicht in die Regierung übernahm und ihm auch kein anderes politisches Amt anbot. Am 20.9.1949 endete Pünders Frankfurter Tätigkeit, offiziell am 4.5.1950.
Als einer der direkt gewählten Kölner CDU-Abgeordneten des Deutschen Bundestags (1949-1957) leitete er 1950 dessen Delegation in der Beratenden Versammlung des Europarats in Straßburg, war 1952 Vizepräsident der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) in Luxemburg und gehörte 1952-1956 auch dem Europäischen Parlament an. Pünder wurde zu einem Vorkämpfer der europäischen Einigung und blieb als Vorstandsmitglied zahlreicher kultureller Gremien um interkonfessionellen und internationalen Ausgleich bemüht. 1953 erhielt er das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Bundesverdienstkreuzes und die Würde des Ehrendoktors der Universität Köln, 1967 auch die ihres Ehrensenators. Seine 1968 erschienenen Lebenserinnerungen trugen den bekenntnishaften Titel „Von Preußen nach Europa".
Ihr Verfasser zählt zu den herausragenden „Männern der deutschen Verwaltung" und zu denen der „ersten Stunde" beim Wiederaufbau Deutschlands nach dem Ende des Hitler-Regimes. Er war Repräsentant jener hohen Ministerialbeamten, die 1933 aus ihren Ämtern entfernt wurden, das „Dritte Reich" trotz leidvoller Prüfungen überlebt haben und über diese Epoche hinaus ein Stück deutscher Verwaltungskontinuität verkörperten. In seinen verschiedenen Ämtern trug er dazu bei, eine Brücke von der ersten zur zweiten Republik zu schlagen. Pünder starb am 3.10.1976 in Fulda und fand sein Grab auf dem Melaten-Friedhof in Köln.
Quellen
Pünder, Hermann, Von Preußen nach Europa. Lebenserinnerungen, Stuttgart 1968.
Literatur
Morsey, Rudolf, Hermann Pünder, in: Christliche Demokraten gegen Hitler, hg. von Günter Buchstab u.a., Freiburg i.Br. 2004, S. 397-402.
Morsey, Rudolf, Hermann Pünder, in: Rheinische Lebensbilder 12, Köln 1991, S. 275-296.
Morsey, Rudolf, Kommunalpolitik in der Trümmerwüste. Hermann Pünder als Oberbürgermeister von Köln, in: Die Verwaltung 21 (1988), S. 375-388.
Pünder, Tilmann, Hermann Pünder und seine Kölner Zeit, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 55 (1988), S. 249-293.
Steinle, Jürgen, Europa-Vorstellungen der ersten Nachkriegszeit. Aufgezeigt am Beispiel Hermann Pünders, in: Zeitschrift für Politik 46 (1999), S. 424-440.
Online
Detailansicht des Abgeordneten Dr. Dr.hc Hermann Pünder (Information auf der Website des Landtages NRW). [Online]
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Morsey, Rudolf, Hermann Pünder, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hermann-puender/DE-2086/lido/57c95bcfcd6839.85118297 (abgerufen am 01.12.2024)