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Hermann von Beckerath zählt zu den Hauptvertretern des rheinischen Liberalismus. Als erfolgreicher Bankier wurde er 1848 zum Abgeordneten seiner Heimatstadt Krefeld in der Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Mit Nachdruck setzte er sich nicht nur für die Schaffung einer konstitutionellen Monarchie, sondern auch für die vollständige Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung im öffentlichen Leben ein.
Hermann von Beckerath wurde am 13.12.1801 als ältestes von sechs Kindern der Eheleute Peter von Beckerath (1774-1856) und Elisabeth Beckers (1779-1853) in Krefeld geboren. Die Familie gehörte der Glaubensgemeinschaft der Mennoniten an. Ihre aus dem Herzogtum Jülich stammenden Vorfahren hatten am Ende des 17. Jahrhunderts als religiöse Flüchtlinge Aufnahme im neutralen Krefeld gefunden, wo sie sich über mehrere Generationen als Bandweber betätigt hatten. Erst die Wirtschaftskrise zu Beginn des 19. Jahrhunderts bewog Peter von Beckerath dazu, das auch von ihm noch erlernte und betriebene Gewerbe aufzugeben. Im Jahr 1807 nahm er eine Anstellung als Gerichtsvollzieher an, seine Söhne ließ er zu Kaufleuten ausbilden.
Hermann von Beckerath besuchte bis zum Jahr 1815 die private Handelsschule Carl Wilhelm Schehls in Krefeld. Im Anschluss begann er eine Lehre im 1812 gegründeten Privatbankhaus der Brüder Nicolaus (1778-1840) und Jacob Molenaar, die ebenfalls der mennonitischen Gemeinde seiner Geburtsstadt angehörten. Ihr Bruder war der Prediger Isaak Molenaar (1776-1834), der mit der Familie Beckerath befreundet und um eine Förderung der vielseitigen Talente ihres ältesten Sohnes bemüht war.
Der Wunsch das Gymnasium zu besuchen und später eventuell ein Studium der Rechte aufzunehmen, blieb Hermann von Beckerath angesichts der materiell angespannten Situation seiner Familie allerdings verwehrt. Er verstand es aber, sich bereits in dieser Zeit durch eigenständige Lektüre ein breites philosophisches und literarisches Wissen anzueignen. Zeitlebens sollte er sich als glänzender Autodidakt erweisen. Überdies zeichnete sich schon zu Beginn seiner Ausbildung seine ausgeprägte unternehmerische Begabung ab, die ihn im Bankhaus Molenaar bald unverzichtbar werden ließ. Nach Beendigung der Lehre wurde er 1819 als Angestellter übernommen und rückte nach dem Tod Jacob Molenaars bereits 1823 in die Geschäftsführung auf. 1828 wurde er Teilhaber. Indem er es von den bisherigen geschäftlichen Verbindungen nach Köln unabhängig zu machen verstand, trug er wesentlich zum kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwung bei, den das Bankhaus Molenaar in den folgenden Jahren nahm.
Am 16.12.1835 heiratete Beckerath die aus Elberfeld (heute Stadt Wuppertal) stammende Kaufmannstochter Charlotte Sophie Heilmann (1810-1890), aus ihrer Ehe gingen die Töchter Elisabeth (1838-1917) und Hedwig (geboren 1839) hervor. Die Familie seiner Gattin stellte ihm einen Teil des Kapitals für den Aufbau eines eigenen Bankhauses zur Verfügung, welches am 18.5.1838 unter dem Namen „Bankhaus von Beckerath-Heilmann“ gegründet wurde. Beckerath stand bis an sein Lebensende an der Spitze des Unternehmens, das er mit großem Geschick als eines der führenden Bankhäuser der Rheinprovinz zu etablieren verstand.
In der Mitte der 1830er Jahre hatte Hermann von Beckerath damit begonnen, sich auch in politischen Fragen zu engagieren, wenn auch zunächst nur auf kommunaler Ebene. 1833 wurde er in den Krefelder Gemeinderat berufen, ebenso gehörte er der Krefelder Handelskammer an, deren stellvertretender Vorsitzender er 1844 wurde und der er zwischen 1846 und 1849 als Präsident vorstand. Zeitgleich hatte er sich dank intensiver Studien weitreichende juristische und staatswirtschaftliche Kenntnisse angeeignet, die ihm in seiner nun beginnenden politischen Laufbahn von großem Nutzen sein sollten. Zahlreiche von ihm verfasste politische Beiträge in der „Kölnischen Zeitung „bezeugen überdies seine außergewöhnliche Sprachgewandtheit, die ihn auch als Redner auszeichnete.
Beckerath fand seine politische Heimat im rheinischen Liberalismus. Er erwies sich als energischer Verfechter der Forderungen nach Einlösung des 1815 gegebenen Verfassungsversprechens sowie der Beseitigung absolutistischer Herrschaftsstrukturen, die vor allem das aufblühende rheinische Wirtschaftsbürgertum von der Partizipation an den politischen Entscheidungsprozessen in Preußen ausschloss. Dabei war er jedoch auch davon überzeugt, dass sich das Ziel einer nationalen Einigung der deutschen Staaten nur im Einvernehmen und unter der Führung Preußens realisieren lassen würde.
Mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. (1795-1861, Regentschaft 1840-1858) am 7.6.1840 verband auch Hermann von Beckerath die Hoffnung auf eine liberale Wende in Preußen, sah sich darin aber nach wenigen Jahren enttäuscht und zugleich in der Entscheidung bestärkt, sich selbst im Rahmen seiner Möglichkeiten für die Durchsetzung seiner politischen Ziele einsetzen zu müssen. 1843 vertrat er seine Heimatstadt auf dem Provinziallandtag in Düsseldorf, wo er entschieden Partei gegen die Bestrebungen zur Einführung einer neuen Kommunalordnung in der Rheinprovinz bezog, welche vor allem die aus napoleonischer Zeit übernommene Selbstverwaltung der Landgemeinden aufheben und diese lediglich auf die Städte beschränken sollte. An der Seite des Kölner Abgeordneten Ludolf Camphausen tat sich Beckerath auch auf dem Provinziallandtag des Jahres 1845 in Koblenz als führender Kopf der Liberalen hervor. Überdies setzte er sich mit Nachdruck für die Gleichberechtigung religiöser Minderheiten ein, sein besonderes Interesse galt der rückhaltlosen Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung.
Im Mai 1848 zog Hermann von Beckerath als gewählter Vertreter der Stadt Krefeld in die Frankfurter Nationalversammlung ein, wo er sich der nationalliberalen Casino-Fraktion um Heinrich von Gagern (1799-1880) und Eduard Simson (1810-1899) anschloss und sich nicht zuletzt als Vermittler zwischen dem Parlament und dem preußischen Staat bewährte. Zu seinen engsten politischen Vertrauten zählte der Unternehmer Gustav von Mevissen, mit dem er sich in Frankfurt auch eine Wohnung teilte. Gleichwohl widerstrebend, übernahm er am 8.8.1848 in der Provisorischen Zentralgewalt unter der Präsidentschaft Karl zu Leiningens (1804-1856) die Leitung des Ministeriums für Finanzen. Mehrere Offerten, selbst Ministerpräsident zu werden schlug er aus.
Während die Frankfurter Nationalversammlung im Frühjahr 1849 auch in der öffentlichen Wahrnehmung erheblich an Einfluss und Ansehen verloren hatte, sahen sich die konservativen Kräfte in Preußen in gleichem Maße gestärkt. Ein Eingehen auf die liberalen politischen Forderungen des Parlaments erwies sich für die preußische Krone als nicht mehr erforderlich. Im Vorfeld einer möglichen Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum deutschen Kaiser am 28.3.1849 hatte Beckerath den Monarchen dennoch mehrfach in persönlichen Gesprächen von der Idee eines preußisch geführten deutschen Nationalstaates mit einer konstitutionellen Monarchie als Staatsform zu überzeugen versucht. Auch nach der Zurückweisung der Krone durch Friedrich Wilhelm IV. setzte er diese Bemühungen fort, musste aber Ende April 1849 erkennen, dass sich seine politischen Ideale unter den bestehenden realpolitischen Konstellationen des einsetzenden Nachmärz nicht mehr verwirklichen ließen.
Am 4.5.1849 trat er vom Amt des Finanzministers zurück und legte zugleich sein Mandat in der Nationalversammlung nieder. Als Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses unternahm er in den folgenden Monaten hingegen noch intensive, aber letztlich vergebliche Anstrengungen um Abänderungen der oktroyierten preußischen Verfassung vom 5.12.1848 im liberalen Sinne zu erwirken. Dem preußischen Landtag gehörte er zwar noch bis zum Mai 1853 an, allerdings ohne hier nach 1850 noch in bedeutender Weise in Erscheinung zu treten. Er zog sich schließlich resignierend und auch gesundheitlich angegriffen von der politischen Bühne zurück und wandte sich wieder seinen Geschäften zu.
Mit dem Beginn der Regentschaft Wilhelms I. 1858 (bis 1888) verband er von neuem die Hoffnung auf politische Reformen und eine Renaissance liberalen Gedankengutes. 1859 kandidierte er erfolgreich für ein Mandat im preußischen Landtag, welches er aufgrund seines Gesundheitszustandes aber schon nach kurzer Zeit niederlegen musste. 1862 wurde er nochmals zum Präsidenten der Krefelder Handelskammer gewählt, ehe er sich im Jahr 1863 endgültig vom politischen Geschehen zurückzog.
In den folgenden Jahren lebte er unter anderem in seiner Villa in Godesberg bei Bonn, wo er sich verstärkt seinen privaten philosophischen Studien zuwandte, ehe er am 12.5.1870 in Krefeld einer Lungenentzündung erlag.
Quellen
Lasker, Julius / Gerhard, Friedrich, Des deutschen Volkes Erhebung im Jahre 1848, sein Kampf um freie Institutionen und sein Siegesjubel, Danzig 1848.
Literatur
Boberach, Heinz, Hermann von Beckerath (1801-1870), in: Rheinische Lebensbilder 2 (1966), S. 177-194.
Hettinger, Ulrich, Hermann von Beckerath. Ein preußischer Patriot und rheinischer Liberaler, Krefeld 2010.
Kopstadt, Hugo, Hermann Beckerath. Ein Lebensbild, Braunschweig 1875.
Kriedte, Peter, Taufgesinnte und großes Kapital. Die niederrheinisch-bergischen Mennoniten und der Aufstieg des Krefelder Seidengewerbes, Göttingen 2007.
Stratmann, Wilhelm, Hermann von Beckerath (1801-1870), in: Dascher, Ottfried/ Kleinertz, Everhard (Hg.), Petitionen und Barrikaden. Rheinische Revolutionen 1848/49, Münster 1998, S. 112-116.
Online
Angermann, Erich, Artikel "Beckerath, Hermann von", in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 723. [Online]
Oncken, Wilhelm, Artikel "Hermann von Beckerath", in: Allgemeine Deutsche Biographie 2 (1875), S. 231-235. [Online]
Hermann von Beckerath (Biographie auf dem Internetauftritt der Familie von Beckerath). [Online]
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Thomann, Björn, Hermann von Beckerath, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hermann-von-beckerath/DE-2086/lido/57c57773a5cad7.43772841 (abgerufen am 12.12.2024)