Zu den Kapiteln
Dr. Johann Gottfried Rademacher wirkte 53 Jahre als angesehener Stadtphysikus, Armenarzt und Fachpublizist für Medizin in Goch. Berühmt wurde er durch seine 1841 publizierte und vielbeachtete Erfahrungsheillehre, die auf Paracelsus’ Signaturenlehre fußte. Rademacher war seinerzeit einer der populärsten Persönlichkeiten zwischen Rhein und Maas. Die Bevölkerung liebte ihn wegen seiner Uneigennützigkeit, Hilfsbereitschaft sowie Offen- und Bescheidenheit.
Dr. Rademacher wurde am 6.8.1772 im westfälischen Hamm geboren. Sein Vater war dort Gerichtsdirektor; seine Mutter war eine Tochter von H. Chr. Brande, der Heilkunst studiert hatte und Apotheker des Königs von England war. Als Kind war Rademacher schwächlich und kränkelte oft, so dass die Familie für diesen Knaben eine ungewisse Zukunft voraussah. Den ersten Unterricht erhielt er in Goch und wechselte später auf die Lateinschule nach Schwelm. Mit 18 Jahren begann er in Jena das Studium der Medizin und beendete es nach vier Jahren mit der Promotion zum „Doctor Medicinae et Chirurgiae“. Seine Dissertation über den Unterschied des Rheumatismus und der Gicht verteidigte er erfolgreich. Zur Vollendung seiner Studien wechselte er noch für ein Jahr nach Berlin, wo er am 28.8.1795 das Staatsexamen ablegte.
Nachdem er von 1795 bis 1797 in Kleve als Arzt gearbeitet hatte, ließ sich Rademacher am 19.4.1797 in Goch nieder und eröffnete am Markt eine Arztpraxis. Im Jahr darauf heiratete er die Witwe seines einzigen Bruders, der Richter gewesen und nach einjähriger Ehe gestorben war. Die Witwe war eine geborene von Manger aus Ringenberg (heute Stadt Hamminkeln). Sie führten bis zum Tod der Frau im Jahre 1837 eine glückliche Ehe, die durch den frühen Tod des einzigen Sohnes, der durch Scharlach hinweggerafft wurde, überschattet war.
Während der französischen Zeit war der Arzt von 1805 bis 1809 auch Bezirksarzt für den Kanton Kleve (heute das Gebiet der Stadt Kleve und Hau) und war schon bald der beliebteste Arzt zwischen Rhein und Maas; sein Amtsbereich erstreckte sich über 40 Meilen im Umkreis. Er wirkte mit großer Menschenliebe und oft völliger Uneigennützigkeit. Besondere Fähigkeiten erwarb er in der Pflanzenheilkunde. Der Arzt „war ein Feind alles Prunkes und äußeren Glanzes, Einfachheit und Mäßigkeit bezeichneten sein ganzes Leben […] , ein Mensch von eiserner Konsequenz und Charakterfestigkeit“, so Dr. Bergrath.[1] Der Arzt kleidete sich einfach, zuweilen trug er wegen der Kälte Holzschuhe. Rademacher galt am Niederrhein als eine der populärsten Persönlichkeiten; man nannte ihn „den alten Doktor von Goch“. Rademachers Jenaer Lehrer, der berühmte Professor Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836), schätze ihn sehr und rechnete es sich zur Ehre an, sein Lehrer gewesen zu sein, teilte aber Rademachers medizinischen Ansichten nicht. Dennoch nannte er ihn „einen denkenden, scharfsinnigen, viel erfahrenen und viel belesenen Mann, seinen alten Freund“[2]. In dem Werk „Quellschriften zur Neuen Deutschen Heilkunde“ von 1943 findet sich eine Aussage über Dr. Rademacher von Dr. George Dommes, Kreisphysikus in Iserlohn, der zwei Monate mit Dr. Rademacher in Goch zusammenarbeitete, die alles übertrifft: „Rademacher war unstreitig der größte Arzt, der je gelebt hat und vielleicht wird nie ein größeres Genie geboren werden. Ihm war es gelungen, was seit Jahrtausenden von den ausgezeichnetsten Köpfen angestrebt wurde: er hatte eine Heillehre entdeckt, die mit der Erfahrung in Einklang steht; er hatte gefunden, was die Homöopathen suchen, spezifische Heilmittel; er hatte verhüten gelehrt, was die Hydropathen (d.h. Wasserheilkundigen) fürchten: Arzneikrankheiten“[3].
1846 legte Dr. Rademacher die Stelle als Armenarzt nieder und stellte zwei Jahre später auch seine Tätigkeiten am Kranken- und Waisenhaus in Goch ein.
Dr. Rademacher veröffentlichte zahlreiche medizinische Schriften und Bücher. Berühmt geworden ist er durch die 1841 publizierte und vielbeachtete Erfahrungsheillehre, die auf Paracelsus’ Signaturenlehre fußte. Dieses Hauptwerk in zwei Bänden umfasste 1.600 Seiten. Der Gocher Arzt führte eine moderne, wissenschaftliche und praktische Medizin auf Grundlage der reinen verstandesrechtlichen Empirie ein.
In Goch empfand Dr. Rademacher den Mangel an geistiger Anregung schmerzhaft: „Kein Schatten geistiger Kultur herrscht hier, alle Künste und Wissenschaften sind Konterbande“. Zum 50-jährigen Doktorjubiläum 1844 erhielt er vom preußischen König den Roten Adlerorden IV. Klasse, den er jedoch niemals getragen hat. Der Verein Berliner Ärzte ehrte Rademacher durch die Übersendung eines Diploms zum außerordentlichen korrespondierenden Mitglied.
Dr. Rademacher starb am 9.2.1850. Sein Grabmal befindet sich auf dem ehemaligen Gocher Friedhof an der Ecke Kalkarer/Pfalzdorfer Straße. Zur Erinnerung an diese Persönlichkeit hat die Stadt Goch ihm ein Denkmal errichtet. Die Büste steht heute vor dem Wilhelm-Anton-Hospital. Außerdem ist eine Straße in Goch nach ihm benannt. Trotzdem ist der Ruhm des Mannes im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Studenten der Medizin bleibt der Name allerdings weiterhin präsent.
Werke (Auswahl)
Der Arzt Johann Gottfried Rademacher publizierte zahlreiche Abhandlungen über die Medizin, die zumeist im Journal seines Jenaer Lehrmeisters Hufeland von 1796 bis 1827 (18 Journal-Aufsätze) veröffentlicht wurden. Zu seinen größeren Werken zählen:
Beschreibung einer neuen Heilart der Nervenfieber, 1803.
Briefe für Ärzte und Nichtärzte über die Aftermedizin und deren Notwendigkeiten im Staate, 1804.
Libellus de dysenteria, Köln 1808. [Ein Büchlein über die Ruhr].
Rechtfertigung der von den Gelehrten misskannten verstandesrechten Erfahrungsheillehre der alten scheidekünstigen Geheimärzte und treue Mitteilung des Ergebnisses einer 25jährigen Erprobung dieser Lehre am Krankenbette. Berlin, 1841, 1.309 Seiten. [Die 4. Auflage im Jahre 1853 umfasst zweibändig 1.670 Seiten. Das Buch ist als Reprintausgabe von 1848 noch immer im Buchhandel erhältlich.]
Literatur
Ante, Jürgen, Dr. Johann Gottfried Rademacher. Arzt in Goch von 1797 bis 1850, in: An Niers und Kendel 36 (2000), S. 1-7.
Bergrath, Dr. Peter Bernhard, Dr. Johann Gottfried Rademacher, Arzt in Goch. Eine biographische Skizze, Berlin 1850.
Krack, Dr. med. Niels, Dr. Johann Gottfried Rademacher. Sein Leben, seine Lehre, seine Heilmittel und wir, 1984.
Oehmen, Dr. Franz, Joh. Gottfried Rademacher, seine Erfahrungslehre und ihre Geschichte, 1900.
Paal, Dr. Hermann, Johann Gottfried Rademacher (1772-1850). Arzt in Goch und seine Erfahrungsheillehre, 1932.

Grabstätte Johann Gottfried Rademachers in Goch, 2002, Foto: Hans-Joachim Koepp.
- 1: Vgl. Bergrath, Dr. Johann Gottfried Rademacher, Arzt in Goch, S. 16.
- 2: Vgl. Oehmen, Dr. Franz, Joh. Gottfried Rademacher, S. 2.
- 3: Vgl.Vogel/Schenck/Tischner. Quellschriften zur Neuen Deutschen Heilkunde. Band 1: Die Erfahrungsheillehre von Johann Gottfried Rademacher. Stuttgart 1943, S. 177 (Zitat von Dr. George Dommes).
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Koepp, Hans-Joachim, Johann Gottfried Rademacher, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-gottfried-rademacher/DE-2086/lido/57c95a9f9beee6.41231429 (abgerufen am 04.06.2023)