Johann Gregor Breuer

Hauptlehrer, Sozialpädagoge (1821-1897)

Simon Oelgemöller (Bornheim)

Johann Gregor Breuer, undatiert. (Stiftung Seelsorge Wuppertal)

Jo­hann Gre­gor Breu­er, der im Wup­per­tal rund 40 Jah­re ei­ne Mäd­chen­schu­le lei­te­te, war ein gläu­bi­ger, weit­sich­ti­ger wie or­ga­ni­sa­to­risch ta­len­tier­ter In­itia­tor, der den Ka­tho­li­zis­mus und die Bil­dungs­land­schaft in El­ber­feld (heu­te Stadt Wup­per­tal) nach­hal­tig präg­te. Mit nüch­ter­nem Blick er­kann­te er so­zia­le Brenn­punk­te, die durch In­dus­tria­li­sie­rung, Fort­schritt­s­op­ti­mis­mus und Mi­lieu­bil­dung be­stimmt wa­ren. Zu sei­nen weg­wei­sends­ten Grün­dun­gen zähl­te der ers­te Ge­sel­len­ver­ein in El­ber­feld 1846, der spä­ter durch Adolph Kol­ping welt­weit Nach­ah­mung fand. Im Wup­per­tal galt Breu­er als „Va­ter des ka­tho­li­schen Ver­eins­we­sen­s“.

Am 26.11.1821 (laut Ge­burts­ur­kun­de – spä­ter soll­te Breu­er aus un­be­kann­ten Grün­den 1820 schrei­ben) als ach­tes von neun Kin­dern des Mül­ler­meis­ters Wil­helm Breu­er (1774/76-1851) und sei­ner Ehe­frau Chris­ti­ne, geb. Busch (1779-1828) in Neuss ge­bo­ren, wuchs Jo­hann Gre­gor Breu­er in ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen auf. Sei­ne Kind­heit ver­lief seit dem Tod der noch nicht 60 Jah­re al­ten Mut­ter we­nig glück­lich. Nach die­sem Schick­sals­schlag wur­den die Kin­der auf ver­wand­te Fa­mi­li­en auf­ge­teilt, da der Va­ter als Müh­len­bau­er an ver­schie­de­nen Or­ten, so an der Wind­müh­le in Brau­wei­ler, zu ar­bei­ten hat­te. Jo­hann Gre­gor ver­leb­te die fol­gen­den Jah­re bei sei­ner Tan­te Mar­ga­re­the im na­he­ge­le­ge­nen Gey­en (heu­te Stadt Pul­heim). Nach­dem der Va­ter 1830 in Brau­wei­ler die Ar­beit voll­endet hat­te, zog er mit sei­nem Sohn zu Fuß über Neuss, Frim­mers­dorf un­d So­lin­gen in den Sieg­kreis. An­schlie­ßend kam Breu­er bei der Fa­mi­lie de la Va­let­te auf Schloss Au­el im Ag­ger­tal bei Neu­hon­rath (heu­te Stadt Loh­mar) un­ter. Sein äl­te­rer Bru­der Jo­seph war hier als Haus­leh­rer und spä­ter als Dorf­schul­leh­rer tä­tig.

Ne­ben der fa­mi­liä­ren Bin­dung gab ihm der ka­tho­li­sche Glau­be Halt und Ori­en­tie­rung. Sei­ne Tan­te Mar­ga­re­the hat­te ei­ne Art „Klos­ter­le­ben“ ge­führt, mit Ge­bets­zei­ten, bei de­nen Breu­er den Ro­sen­kranz vor­be­te­te. Sie leb­te in stren­ger Klau­sur und Ent­beh­rung. In Schloss Au­el stand er ei­nem blin­den Haus­geist­li­chen zu Sei­te, emp­fing 1832 sei­ne ers­te hei­li­ge Kom­mu­ni­on, war Mi­nis­trant und half dem neu­en Haus­geist­li­chen bei den Küs­ter­diens­ten. In die­sen Jah­ren er­folg­te durch den 16-jäh­ri­gen Breu­er die ers­te „Ver­eins­grün­dun­g“: ein „Ar­men-Kran­ken-Ver­ein“, bei dem Jun­gen für die Kran­ken der Ge­mein­de bei Fa­mi­li­en Le­bens­mit­tel sam­mel­ten. 

In die­sen Jah­ren zeig­te sich sein Ta­lent fürs Un­ter­rich­ten. Sei­nem Bru­der as­sis­tier­te er bei der Un­ter­wei­sung der jun­gen Schü­ler und ver­trat ihn auch beim Le­se- und Schreib­un­ter­richt. Nach der Hei­rat sei­nes Bru­ders 1836 mit Freif­räu­lein Jo­se­phi­ne von Fran­ken wur­de das Wohn­haus zu eng. Breu­er fand in Loh­mar beim dor­ti­gen Leh­rer ei­ne neue Blei­be und un­ter­stütz­te ihn im Schul- und Küs­ter­dienst. Als Hilfs­leh­rer half er in den um­lie­gen­den Or­ten aus und lern­te in Sieg­burg das Gei­gen­spiel. Für sei­nen spä­te­ren Le­bens­weg soll­ten hier die Wei­chen ge­stellt wer­den. Ka­plan Max Franz Jo­seph Ra­ma­cher (1810-1880) ein Leh­rers­sohn, emp­fahl ihn bei sei­nem Va­ter für ei­ne Un­ter­leh­rer­stel­le in El­ber­feld. 

 

Bei Leh­rer Pe­ter Jo­seph Ra­ma­cher (1780-1856) im Haus­halt woh­nend, un­ter­rich­te­te Breu­er von 1838-1840 an der ka­tho­li­schen Mäd­chen­schu­le in der Grün­stra­ße mor­gens und nach­mit­tags das ers­te und zwei­te Schul­jahr. Abends lehr­te er Kin­der, die we­gen Fa­brik­ar­beit oder Ar­mut nicht die Schu­le be­such­ten. Für die Schu­le be­schloss die Geist­li­che Lei­tung ei­ne Neu­or­ga­ni­sa­ti­on, wo­nach se­mi­na­ris­tisch aus­ge­bil­de­te Leh­rer die hö­he­ren Jahr­gän­ge un­ter­rich­ten soll­ten. Da be­warb sich Breu­er um die Auf­nah­me in das Leh­rer­se­mi­nar in Kem­pen. Be­vor er sei­ne Leh­rer­aus­bil­dung 1842 be­gin­nen konn­te, un­ter­rich­te­te er 1841 als Hilfs­leh­rer in Kre­feld. Bis 1844 lern­te er mo­der­ne, pra­xis­ori­en­tier­te päd­ago­gi­sche An­sät­ze ken­nen und sam­mel­te als Pri­vat­se­kre­tär des Se­mi­nar­di­rek­tors Er­fah­rung in der Ver­wal­tung.

Zu­rück in El­ber­feld wirk­te er 1844 er­neut an der Mäd­chen­schu­le als Hilfs­leh­rer. Die Aus­sicht auf Lei­tung ei­ner ka­tho­li­schen Schu­le, die der El­ber­fel­der Pfar­rer Hu­bert Fried­rich Fri­de­ri­ci (1808-1883) zu grün­den­den plan­te, zer­schlug sich schnell. Als der Haupt­leh­rer der Mäd­chen­schu­le 1845 ver­starb, war Breu­er ei­ner der Kan­di­da­ten für die Lei­tung der Schu­le. Er nutz­te sei­nen Heim­vor­teil und er­hielt von der Schul­kom­mis­si­on die Zu­sa­ge – un­ter der Be­din­gung, zu hei­ra­ten. Die Hoch­zeit mit Sy­bil­la Ger­trud, geb. Kes­se­ler (1814-1881) fand am 27.1.1847 statt. Aus der Ehe gin­gen sie­ben Kin­der her­vor. Bis zu sei­nem Ru­he­stand 1884 lei­te­te er die im Volks­mund so ge­nann­te „Breu­ers Schu­le“. Sie ge­noss ei­nen sehr gu­ten Ruf und wur­de von Mäd­chen aus bes­ten Bür­ger­krei­sen be­sucht. 1853 er­hielt er von der preu­ßi­schen Re­gie­rung be­son­de­re An­er­ken­nung. Ne­ben der All­ge­mein- und Per­sön­lich­keits­bil­dung leg­te er be­son­de­ren Wert auf die re­li­gi­ös-sitt­li­che Bil­dung. Zum Schul­vor­ste­her er­nannt und dem Vor­stand der Mäd­chen­schu­le zu­ge­wie­sen war der jun­ge Ka­plan Adolph Kol­ping. Breu­er fand über die Mäd­chen­schu­le ei­ne aus­ge­zeich­ne­te Ba­sis für ein wei­tes Netz­werk in sei­nem ge­sell­schaft­li­chen und bil­dungs­po­li­ti­schen En­ga­ge­ment.

Ein wich­ti­ges In­stru­ment sei­nes öf­fent­li­chen Wir­kens in der auf­stre­ben­den In­dus­trie­stadt an der Wup­per wur­de das für das 19. Jahr­hun­dert kenn­zeich­nen­de Ver­eins­we­sen. Aus so­zi­al-ka­tho­li­schem En­ga­ge­ment her­aus hat­te Breu­er be­reits 1841 ge­mein­sam mit zwei Freun­den den „Ar­men-Kran­ken-Ver­ein für Sach­spen­den, geist­li­che Be­glei­tung und Un­ter­stüt­zung von Be­dürf­ti­gen ge­grün­de­t“ – der ers­te ka­tho­li­sche Ver­ein in El­ber­feld. Die über­wie­gend von Lai­en ge­tra­ge­nen Ver­ei­ne wur­den deutsch­land­weit wich­ti­ge ge­sell­schafts­bil­den­de Vor­aus­set­zun­gen des sich for­men­den ka­tho­li­schen Mi­lieus.

Von gro­ßer Be­deu­tung wa­ren auch für Breu­er die Aus­wir­kun­gen der für das Ber­gi­sche Land ty­pi­schen In­dus­tria­li­sie­rung, ge­paart aus Heim­ar­beit und Fa­brik. Sie er­fass­ten das Wup­per­tal mit sei­nem po­li­tisch selbst­be­wuss­ten Wirt­schafts­bür­ger­tum wie auch der po­li­tisch ei­gen­stän­di­gen Ar­bei­ter­be­we­gung. Fried­rich En­gels er­fuhr hier sei­ne so­zi­al­po­li­ti­sche Prä­gung, dis­ku­tier­te hier sei­ne Ide­en mit po­li­ti­schen Ge­sin­nungs­ge­nos­sen, wäh­rend das Ber­gi­sche Land eben­falls zur Hoch­burg des All­ge­mei­nen Deut­schen Ar­bei­ter­ver­eins von Fer­di­nand Las­sal­le wur­de. Mit dem Wirt­schafts­boom gin­gen Be­völ­ke­rungs­wachs­tum und der Zu­strom von Men­schen, so­zia­le Not und Durch­mi­schung der Kon­fes­sio­nen ein­her. Die Ge­mein­de St. Lau­ren­ti­us im pro­tes­tan­tisch do­mi­nier­ten El­ber­feld um­fass­te in den 1840er Jah­ren be­reits 9.000 Ka­tho­li­ken. In der Zeit nach 1844 wid­me­te sich Breu­er der Er­rich­tung von Fi­li­al­ge­mein­den der stark an­wach­sen­den Ge­mein­de von El­ber­feld. Er en­ga­gier­te sich beim Kauf güns­ti­ger Grund­stü­cke, or­ga­ni­sier­te Kirch­bau­ver­ei­ne für die Herz-Je­su-, Ma­ri­en- so­wie Suit­ber­tus­kir­che und setz­te sich für den Bau des Kin­der­heims St. Mi­cha­el in Uel­len­dahl ein.

In glei­chem Zu­ge war Breu­er ma­ß­geb­lich an der Grün­dung der „Ge­sell­schaft Par­la­men­t“ am 22.2.1845 be­tei­ligt – ein Ge­gen­ge­wicht zu der ers­ten in El­ber­feld ge­grün­de­ten deutsch­ka­tho­li­schen Ge­mein­de in West­deutsch­land, die der rö­misch-ka­tho­li­schen Ge­mein­de Kon­kur­renz ma­chen woll­te. 1848 er­hielt die „Ge­sell­schaft Par­la­men­t“ durch Breu­er, der 28 Jah­re ihr Vor­sit­zen­der war, ei­ne neue Rich­tung. Sie setz­te sich nun für den Bau ei­nes ka­tho­li­schen Kran­ken­hau­ses ein. Mit 30.000 Mark Grund­ka­pi­tal konn­te 1856 das St. Jo­seph-Hos­pi­tal, in El­ber­feld be­kannt als „Ka­pell­chen“, ein­ge­weiht wer­den. Elf Jah­re war Breu­er Vor­stands­mit­glied und 33 Jah­re Schrift­füh­rer. 

Die Mäd­chen sei­ner Schu­le för­der­te Breu­er über den von ihm ge­grün­de­ten und 43 Jah­re ge­lei­te­ten Mäd­chen­ver­ein. Den Aus­gangs­punkt bil­de­te der ge­mein­sa­me Chor­ge­sang. Doch ver­stand er als ei­gent­li­che Ziel­set­zung, Mäd­chen auch nach der knapp be­mes­se­nen Zeit der Ele­men­tar­schu­le Wis­sen und Le­bens­re­geln mit auf den Weg zu ge­ben und ih­nen den christ­li­chen Glau­ben nä­her zu brin­gen. An­sät­ze ei­nes Bil­dungs­ide­als des le­bens­lan­gen Ler­nens zeich­nen sich ab. Breu­er ver­band sie mit ka­tho­lisch-so­zia­lem wie re­li­gi­ös-sitt­li­chem An­spruch, Ori­en­tie­rung in ei­ner auf­bre­chen­den Zeit der Ver­än­de­rung zu ge­ben. Von der El­ber­fel­der Geist­lich­keit un­ter­stützt, ka­men so­wohl Schü­le­rin­nen als auch Ehe­ma­li­ge zu die­sen Chor- und Pri­vat­stun­den. Jah­re spä­ter spra­chen El­ber­fel­der Frau­en noch vol­ler Hoch­ach­tung von ih­rem Leh­rer Breu­er. Galt schon die­ser Mäd­chen­ver­ein als ei­gent­li­cher Chor, grün­de­te Breu­er 1850 ei­nen gro­ßen ge­misch­ten Chor, den Kir­chen­ge­sangs­ver­ein „Cä­ci­li­a“. Die Kon­zer­te un­ter sei­ner Lei­tung er­brach­ten Mit­tel zur Aus­stat­tung der Lau­ren­ti­us­kir­che in El­ber­feld.

Johann Gregor Breuer, undatiert. (Stiftung Seelsorge Wuppertal)

 

Die Er­fah­run­gen im Mäd­chen­ver­ein bil­de­ten für Breu­er die geis­ti­ge Grund­la­ge bei der Grün­dung ei­nes Ver­eins, der spä­ter als Kol­ping­werk zu ei­ner bis in die Ge­gen­wart rei­chen­den Er­folgs­ge­schich­te wur­de. Das Elend der jun­gen Ge­sel­len lern­te Breu­er spä­tes­tens ken­nen, als er mit ih­nen 1846 für ei­ne Pfarr­pro­zes­si­on Lie­der ein­üb­te. Breu­er er­kann­te ei­ner­seits ih­re man­gel­haf­te Schul- und Le­bens­bil­dung und an­de­rer­seits den Be­darf an re­li­giö­ser Ori­en­tie­rung. Aus den an­fäng­li­chen Pro­ben er­wuch­sen klei­ne­re Vor­le­sun­gen. Bei den ge­sel­li­gen Tref­fen wur­den le­bens­prak­ti­sche wie re­li­giö­se In­hal­te ver­mit­telt. Zur Grün­dungs­ur­kun­de des Ge­sel­len­ver­eins wur­de ei­ne Denk­schrift mit Sta­tut aus dem Jahr 1846 von Breu­er: Ähn­lich wie beim Mäd­chen­ver­ein setz­te der Bil­dungs­auf­trag des Ge­sel­len­ver­eins da an, wo die Ele­men­tar- und Volks­schul­bil­dung en­de­te. Gleich­zei­tig grenz­te sich der Ver­ein von pro­tes­tan­ti­schem Ein­fluss ab, wäh­rend evan­ge­li­sche Jüng­lings­ver­ei­ne so­wie Bi­bel­stun­den bei dem Ge­dan­ken Pa­te ge­stan­den hat­ten. Dem Ver­ein soll­te ein Geist­li­cher als Vor­sit­zen­der oder Prä­ses vor­ste­hen. 

Aus dem Ge­dan­ken der Fort­bil­dungs­an­stalt für Hand­werks­ge­sel­len und Jüng­lin­ge im Al­ter von 18 bis 25 Jah­ren er­wuchs un­ter Fe­der­füh­rung von Breu­er und ge­mein­sam mit dem Schrei­ner­meis­ter Jo­sef Thiel als ei­nem der Mit­strei­ter ein le­ben­di­ges ka­tho­li­sches Ver­eins­we­sen in El­ber­feld. Ers­ter Vor­sit­zen­der des am 6.11.1846 ge­grün­de­ten Ge­sel­len­ver­eins wur­de Ka­plan Jo­hann Jo­seph Xa­ver Steen­aerts (1818-1888). Im Früh­jahr 1847 folg­te ihm Adolph Kol­ping, zu­vor zwei­ter Prä­ses. Letz­te­rer war von Breu­ers Denk­schrift be­geis­tert, hielt selbst Vor­trä­ge und iden­ti­fi­zier­te sich als ehe­ma­li­ger Schuh­ma­cher­ge­sel­le mit den jun­gen Män­nern. Er mach­te sich die Idee zu Ei­gen, so­dass mit den spä­te­ren Grün­dun­gen von Ge­sel­len­ver­ei­nen, aus­ge­hend von sei­ner spä­te­ren Wir­kungs­stät­te Köln, sein Na­me mit ih­nen ver­bun­den blieb. Breu­ers Ver­diens­te um die Grün­dung und Pro­fil­bil­dung ge­rie­ten in Ver­ges­sen­heit und Kol­ping un­ter­nahm we­nig, des­sen Leis­tung her­aus­zu­stel­len. Lan­ge hall­te aber das von Breu­er her­aus­ge­ge­be­ne „Ge­sel­len-Lie­der­buch“ im Kol­ping­werk nach, dem er mit ei­ge­nen Lie­dern sei­ne Hand­schrift auf­ge­setzt hat­te.

Breu­ers Auf­merk­sam­keit für so­zia­le Miss­stän­de be­stand wei­ter. Als zwei­ter Vor­sit­zen­der der Sek­ti­on für so­zia­le Fra­gen auf dem Ka­tho­li­ken­tag 1871 reich­te er ei­nen An­trag ein zur Grün­dung von Fort­bil­dungs­ver­ei­nen für Jun­gen und Mäd­chen, ge­sun­de Woh­nun­gen für Ar­bei­ter, Be­gren­zung der Ar­beits­zeit auf zehn Stun­den, Ver­bot der Be­schäf­ti­gung weib­li­cher Ar­bei­ter in den Fa­bri­ken wie auch Auf­he­bung des Schul­gel­des. Sein Ge­spür für öf­fent­li­ches po­li­ti­sches Agie­ren zeig­te sich eben­so bei der För­de­rung ver­schie­de­ner Pres­se­or­ga­ne wie dem „Wup­per­ta­ler Kir­chen­blat­t“. Dar­aus ent­wi­ckel­te sich, von Breu­er un­ter­stützt, die „Ber­gi­sche Ta­ges­zei­tun­g“. Sei­ne ei­ge­nen Bei­trä­ge wa­ren viel­fach an­onym ver­fasst.

Die Be­glei­tung der in Aus­bil­dung und Wan­der­schaft ste­hen­den jun­gen und von Ar­mut ge­zeich­ne­ten Men­schen an­ge­sichts der So­zia­len Fra­ge im in­dus­tri­ell auf­stre­ben­den Wup­per­tal wie auch die re­li­giö­se Un­ter­wei­sung wur­den Breu­er wei­ter­hin zu Le­bens­auf­ga­ben. Die­se Ge­dan­ken fin­den sich eben­so in dem 1847 von ihm ge­grün­de­ten Jung­frau­en­ver­ein wie­der. Er bot ein­ge­wan­der­ten ka­tho­li­schen Dienst­mäd­chen, die aus ih­rer Fa­mi­lie und Kir­chen­ge­mein­de her­aus­ge­ris­sen wur­den, ei­ne An­lauf­stel­le. Bald kam ei­ne Strick- und Näh­schu­le für ar­me Mäd­chen hin­zu. Breu­er or­ga­ni­sier­te für die Fi­nan­zie­rung ei­nen Kreis von Wohl­tä­tern, um drei Han­dels­leh­re­rin­nen be­schäf­ti­gen zu kön­nen. 120 Schü­le­rin­nen ge­nos­sen in die­ser In­dus­trie­schu­le ih­re Aus­bil­dung. Für die sich an­schlie­ßen­de Grün­dung des Frau­en- und Müt­ter­ver­eins stand Breu­er in brief­li­chem Aus­tausch et­wa mit dem Main­zer Bi­schof Wil­helm Em­ma­nu­el von Ket­te­ler (1811-1877, Epis­ko­pat 1850-1877) und der Schrift­stel­le­rin Grä­fin Ida Hahn-Hahn (1805-1880).

Schätz­ten die Ge­sel­len schon den in­for­mel­len Aus­tausch, bei dem sie ne­ben Schutz, Si­cher­heit und Ge­bor­gen­heit le­bens­prak­tisch lern­ten, mit dem We­ni­gen, was sie hat­ten, zu haus­hal­ten, soll­te sich Breu­er eben­falls als So­zi­al­re­for­mer in fi­nan­zi­el­len An­ge­le­gen­hei­ten über das Wup­per­tal hin­aus ei­nen Na­men ma­chen. 16 Jah­re lei­te­te er den von ihm 1866 ge­grün­de­ten Spar- und Dar­le­hens-Ver­ein zum hei­li­gen Jo­seph in El­ber­feld. Ver­bun­den war mit die­ser Ge­nos­sen­schaft auf kon­fes­sio­nel­ler Grund­la­ge die För­de­rung des „ka­tho­li­schen Bür­ger­stan­des der Ge­mein­de El­ber­feld durch Grün­dung ei­ner Kas­se“, um die Er­spar­nis­se ren­ta­bel an­zu­le­gen, Vor­schüs­se zu er­hal­ten und den Bür­ger- und Hand­wer­ker­stand zu stär­ken. 

Breu­er schweb­te als Vor­sit­zen­der der Ge­ne­ral­ver­samm­lung al­ler christ­lich-so­zia­ler Ver­ei­ne 1868 in Kre­feld ein Netz­werk vor Au­gen, in wel­chem sich al­le ka­tho­li­schen Kre­dit-, Kon­sum-, Hand­werks-, Spar- und Dar­lehns­ver­ei­ne aus Rhein­land und West­fa­len zu­sam­men­schlos­sen. Sei­ne über­re­gio­na­le Be­deu­tung zeig­te sich, wenn 1869 in Köln bei ei­ner Ver­samm­lung der Ver­ei­ne Breu­er be­auf­tragt wur­de, ei­ne Pro­me­mo­ria für die kirch­li­che Hier­ar­chie zum Zweck der Un­ter­stüt­zung der Kre­dit­an­stal­ten und des Kre­dit­ver­ban­des zu ver­fas­sen. Die Idee der »christ­li­chen So­zia­lis­ten« wur­de auf dem fol­gen­den Ka­tho­li­ken­tag in Düs­sel­dorf wei­ter­ent­wi­ckelt, wo­nach der El­ber­fel­der Ver­ein – un­ter Vor­sitz von Pro­fes­sor Franz Xa­ver Schul­te (1833-1891) und Breu­er als Schrift­füh­rer – zum pro­vi­so­ri­schen Zen­tral­vor­stand er­nannt wur­de. Die in El­ber­feld un­ter Breu­ers Vor­sitz 1870 statt­fin­den­de Ver­samm­lung der christ­lich-so­zia­len Ver­ei­ne be­ab­sich­tig­te, die christ­li­chen Män­ner­ver­ei­ne über­all zu or­ga­ni­sie­ren. Wei­ter­hin en­ga­gier­te er sich 1871 für die christ­lich-so­zia­le Par­tei (Zen­trum) in El­ber­feld im Wahl­kampf zur ers­ten Reichs­tags­wahl. We­ni­ger Er­folg war ihm auf­grund des geist­li­chen Wi­der­stands bei der Grün­dung des christ­lich-so­zia­len Ver­eins in El­ber­feld be­schie­den.

Mit Ein­tritt in den Ru­he­stand 1884 nah­men sein öf­fent­li­ches En­ga­ge­ment ab, bis auch El­ber­feld ihm frem­der wur­de. Sei­ne Frau starb 1881 und fünf sei­ner Kin­der über­leb­te er. Die letz­ten Jah­re wid­me­te er sich sei­nen Le­bens­er­in­ne­run­gen. 1896 zog er zu sei­nem Sohn nach Höchst am Main. Von Krank­heit ge­zeich­net, ver­starb Breu­er bei ei­ner Rei­se ge­mein­sam mit sei­nem Sohn in San Re­mo am 2.4.1897. Die El­ber­fel­der hiel­ten das An­denken an den Haupt­leh­rer in Eh­ren. Be­reits bei sei­nem Weg­gang aus dem Wup­per­tal ver­an­stal­te­te die „Ge­sell­schaft Par­la­men­t“ ih­rem Eh­ren­prä­si­den­ten ein Ab­schieds­fest. Schlie­ß­lich wur­de der Grün­der des ers­ten Ge­sel­len­ver­eins – trotz sei­ner Am­bi­va­lenz auf­grund der spä­te­ren Do­mi­nanz Kol­pings – am 11.4.1897 auf dem ka­tho­li­schen Fried­hof an der Hoch­stra­ße in El­ber­feld be­stat­tet. Ei­ne Ge­denk­ta­fel am da­ma­li­gen Kol­ping­haus am Lau­ren­ti­us­platz in Wup­per­tal-El­ber­feld er­in­nert seit 1986 an Breu­ers Ver­diens­te.

Werke

Lie­der­buch, zu­nächst für den rhei­ni­schen Ge­sel­len­bund. Hg. zum Vort­heil des El­ber­fel­der Jüng­lings­ver­ei­nes von J. G. Breu­er, Leh­rer in El­ber­feld, El­ber­feld 1851.
Lie­der­buch für ka­tho­li­sche Ge­sel­len­ver­ei­ne, El­ber­feld 11. Auf­la­ge 1894.
St. Suit­ber­tus, der ers­te Ver­kün­der des Chris­ten­tums in un­se­ren hei­mi­schen Ber­gen, und der Suit­ber­tus-Kir­chen­bau­ver­ein in El­ber­feld. Ein Vor­trag, ge­hal­ten von Herrn Haupt­leh­rer emer. J. G. Breu­er in der ers­ten Ver­samm­lung des ge­nann­ten Ver­eins am 25. März 1885, El­ber­feld 1885. 
Was für Jah­re! Le­bens­er­in­ne­run­gen, hg. v. Klaus Goe­bel, Dort­mund 1995. 

Literatur

Boch, Ru­dolf, Das Ber­gi­sche Land im 19. Jahr­hun­dert (1814–1919), in: Ste­fan Go­ri­ßen,Sze­fan/Sas­sin, Horst/Wes­oly, Kurt (Hg.), Ge­schich­te des Ber­gi­schen Lan­des, Band 2, Bie­le­feld 2016, S. 171–267.
Jor­de, Fritz, Jo­hann Gre­gor Breu­er. Ein Le­bens­bild, El­ber­feld 1897.
Lütt­gen, Franz, Jo­hann Gre­gor Breu­ers Bei­trag zur Ent­ste­hung der Ju­gend­so­zi­al­ar­beit, in: Jahr­buch zur Ju­gend­so­zi­al­ar­beit 15 (1994), S. 97–116.
Lütt­gen, Franz, Jo­hann Gre­gor Breu­er und Adolph Kol­ping, Stu­di­en zur Früh­ge­schich­te des Ka­tho­li­schen Ge­sel­len­ver­eins, Pa­der­born 1997.
Lütt­gen, Franz, Jo­hann Gre­gor Breu­ers Wir­ken in der ka­tho­li­schen Ge­mein­de von El­ber­feld 1838 bis 1896, in: Stadt­ar­chiv Wup­per­tal. Zeit­ge­schicht­li­che Samm­lung, Breu­er, Jo­hann Gre­gor (1821-1897), 1996, ZS 123.
Mey­er, Diet­rich, Pro­tes­tan­ti­sche und ka­tho­li­sche So­zi­al­po­li­tik im Ber­gi­schen Land, in: Go­ri­ßen,Ste­fan/Sas­sin, Horst/Wes­oly, Kurt (Hg.), Ge­schich­te des Ber­gi­schen Lan­des, Band 2, Bie­le­feld, S. 143–169.
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Online

Jo­hann Gre­gor Breu­er, Fest­schrift zum gol­de­nen Ju­bi­lä­um des ka­tho­li­schen Mäd­chen-Ver­eins in El­ber­feld (15. Sep­tem­ber 1895), Höchst am Main 1895. [on­line

Johann Gregor Breuer, undatiert. (Stiftung Seelsorge Wuppertal)

 
Zitationshinweis

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Oelgemöller, Simon, Johann Gregor Breuer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-gregor-breuer-/DE-2086/lido/5e427d9285e1b7.92449269 (abgerufen am 16.04.2024)