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Johann Viktor Bredt war Professor für Rechts- und Staatswissenschaft an der Universität Marburg. Einen thematischen Schwerpunkt seiner akademischen Arbeit bildete das Staatskirchenrecht, dem er sich in mehreren Publikationen widmete. Als konservativer Politiker gehörte er sowohl dem preußischen Abgeordnetenhaus als auch dem Reichstag an und war 1918 Mitbegründer der DNVP. 1930 war er kurzzeitig Reichsjustizminister.
Die Familie Bredt ist ein altes Barmer (heute Stadt Wuppertal) Kaufmanns- und Fabrikantengeschlecht, dessen Angehörige zu den Honoratioren zählten und oft kommunale Ämter bekleideten. Johann Viktor Bredt war einziger Sohn des Großkaufmanns und Fabrikbesitzers Viktor Richard Bredt (1849-1881) und seiner Frau Amalie Molineus, die gleichfalls aus einer Honoratiorenfamilie stammte. Der Vater starb wenige Jahre nach der Geburt des Sohnes, der beim Großvater aufwuchs. Nach dem Abitur absolvierte er eine einjährige Banklehre und studierte dann Jura, Volkswirtschaftslehre, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Tübingen, Göttingen und Bonn. Mit 22 Jahren erwarb er den Dr. iur., drei Jahre später den Dr. phil. Nach den juristischen Staatsexamina wurde er Referendar, unter anderem in der Stadtverwaltung von Barmen und am Landratsamt Marburg. Er bereitete sich auf eine Laufbahn in der staatlichen Verwaltung vor. 1909 habilitierte sich der junge Assessor an der Universität Marburg.
Politisch aktiv wurde Bredt in der Freikonservativen Partei. Noch als Schüler hatte er Otto von Bismarck (1815-1898) verehrt und dem „Eisernen Kanzler" zu dessen 80. Geburtstag eine Depesche gesandt. Man müsse die alten Herrschaftselemente stützen und dann erst liberale heranziehen, wenn diese reif dafür seien – so etwa kann man seine Auffassung umreißen.
Erste parlamentarische Erfahrungen sammelte er seit 1910 in der Stadtverordnetenversammlung von Marburg, der er bis 1921 angehörte. 1911 errang er als Nachrücker ein Mandat für das preußische Abgeordnetenhaus. Eine Reichstagskandidatur allerdings scheiterte. Da er schon 1910 eine außerordentliche Professur für öffentliches Recht in Marburg angetreten hatte, bewegte er sich auf zwei Arbeitsfeldern, die ihn sehr beanspruchten. Er nahm seine Lehrverpflichtungen genau und bereitete seine Reden im preußischen Parlament wie seine Vorlesungen und Seminare an der Universität häufig in seinen Nachtzugfahrten vor.
1914 meldete Bredt sich freiwillig zum Heer. Schon wenige Wochen nach der Schlacht von Tannenberg erlitt er eine Verletzung, die seine weitere Verwendung an der Front unmöglich machte. Das Kinn wurde ihm weggeschossen. Zeitlebens hatte er unter der Wunde zu leiden. Dennoch war er auf sein kurzes Soldatentum stolz, wie er damals überhaupt das Militärische großartig fand. Erst später hat er sich davon deutlich distanziert. Noch während des Krieges stritt er vehement für ein neues Wahlrecht in Preußen, das das alte Dreiklassenwahlrecht ablösen sollte. Doch den Frauen wollte er das Stimmrecht nicht geben.
Die Revolution 1918 konnte er nicht billigen, stellte sich der neuen Republik aber bald zur Verfügung, wenn er auch lange noch eine Rückkehr der Hohenzollern für möglich hielt. Er gehörte zu den Gründern der neuen DNVP und erarbeitete sogar einen eigenen Verfassungsentwurf, der nach amerikanischem Vorbild die Ämter des Kanzlers und des Präsidenten vereinigte. Als im März 1920 seine Partei die Putschisten um den ehemaligen ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp (1858-1922) unterstützte, verließ er sie und trat in die Wirtschaftspartei, die Partei des deutschen Mittelstandes, ein, die seit 1921 eng mit dem Verband der Haus- und Grundbesitzer zusammenarbeitete und deshalb nach Ansicht vieler keine wirkliche Partei, sondern eher eine einseitige Interessengruppe war. Bredt wurde der „Chefideologe" der Partei und machte vor allem durch eine strikte Ablehnung vieler staatlicher Wirtschaftsmaßnahmen auf sich aufmerksam.
1921 wurde er Abgeordneter im preußischen Landtag, 1924 im Reichstag. Er gehörte zu der Gruppe von Abgeordneten, die 1925 nach dem Tod Friedrich Eberts (1871-1925) Paul von Hindenburg (1847-1934) die Kandidatur für das Reichspräsidentenamt antrug; 1926 war er Berichterstatter in dem Untersuchungsausschuss des Reichstages zur Klärung der Umstände des deutschen Zusammenbruchs 1918. Aus dieser Arbeit erwuchs seine mehrbändige Publikation „Der Reichstag im Weltkrieg".
Am 27.3.1930 stürzte das Kabinett Hermann Müller (1876-1931), die letzte parlamentarische Regierung der Weimarer Republik. Der Grund war die Unfähigkeit der sie tragenden Parteien, angesichts der sich ausbreitenden Wirtschaftskrise eine gemeinsame Finanzpolitik zu entwickeln. Die Geister schieden sich an einem Problem der Arbeitslosenversicherung, die jetzt stark in Anspruch genommen wurde. Die Gewerkschaften wollten unter allen Umständen deren Leistungen aufrechterhalten. Dafür hätten die Beiträge von 3,5 auf 4 Prozent erhöht werden, also Arbeitnehmer wie Arbeitgeber jeweils 0,25 Prozent höhere Beiträge zahlen müssen. Für weitere Lücken wären Reichszuschüsse ohne feste Begrenzung herangezogen worden. Als dieser Vorschlag auf Widerstand stieß, schlugen Zentrum und Demokraten vor, die Beiträge zunächst in ihrer Höhe zu belassen, statt dessen den Reichszuschuss zu erhöhen und erst als ultima ratio auch die Beiträge anzuheben oder die Leistungen zu kürzen. Die SPD war uneins, stimmte aber schließlich diesem Kompromiss nicht zu. Darauf brach die Regierung auseinander.
Mit der Bildung einer neuen Regierung wurde Heinrich Brüning (1885-1970), der Vorsitzende der Zentrumsfraktion, beauftragt. Sie wurde nur von bürgerlichen Parteien der Mitte, inzwischen eine Minderheit im Reichstag, im Wesentlichen aber vom Vertrauen des Reichspräsidenten getragen. Die Wirtschaftspartei entsandte ihren Fraktionsvorsitzenden Johann Viktor Bredt als Justizminister ins Kabinett.
Bredt konnte keine große Wirksamkeit in seiner neuen Stellung entfalten. Als „Kopf" seines Ministeriums galt in der Öffentlichkeit auch nicht der Minister, sondern dessen beamteter Staatssekretär, der bereits seit 1920 amtierte. Als Reichskanzler Brüning den Reichstag am 18.7.1930 auflösen ließ und die Neuwahl des Parlaments am 14.9.1930, die berühmt-berüchtigten „Septemberwahlen", einen erdrutschartigen Erfolg für die Nationalsozialisten brachte, konnte die Wirtschaftspartei ihre Zahl der Mandate – 23 – unverändert halten, während SPD und die meisten Parteien der bürgerlichen Mitte geradezu dahin schmolzen.
Aber auch Johann Viktor Bredt konnte sich dem Sog, der von den plötzlichen Wahlerfolgen der Nationalsozialisten ausging, nicht entziehen. Anders als bürgerliche Politiker wie zum Beispiel der ehemalige Reichskanzler und damalige Innenminister Josef Wirth (1879-1956) glaubte er, dass die NSDAP regierungsfähig sei und dass sie ihre zur Schau getragene Radikalität verlieren werde, wenn ihre führenden Leute einmal in verantwortungsvolle Ämter gewählt werden würden. Die zutiefst antidemokratische Programmatik und Haltung der Partei wurde von ihm verharmlost.
Am 26.9.1930 beschloss die Wirtschaftspartei gegen die Stimme Bredts, die Unterstützung der Regierung Brüning aufzugeben, weil die SPD sich anschickte, eben dieser Regierung ihre Unterstützung zuteil werden zu lassen. Brüning konnte noch einen Aufschub dieser Entscheidung bis Ende November 1930 erreichen, doch am 5.12.1930 musste Bredt gegen seinen Willen zurücktreten. Er war das Opfer parteiinterner Machtkämpfe geworden. Seit den Septemberwahlen 1930 litt die Partei unter Auszehrung, führende Leute der Partei sympathisierten offen mit den Nationalsozialisten und viele schlossen sich ihnen sogar an.
1932 unterstützte Bredt mit seiner Partei die erneute Kandidatur Hindenburgs. Die verbliebenen Parteimitglieder standen weitgehend geschlossen hinter dem Reichspräsidenten. In den Juli-Wahlen 1932 zum Reichstag ging die Wirtschaftspartei eine Listenverbindung mit der Bayerischen Volkspartei ein, errang aber nur zwei Mandate. Die Novemberwahlen desselben Jahres fielen noch kläglicher aus, die Partei konnte nur noch einen Abgeordneten – Johann Viktor Bredt - in den Reichstag entsenden. Zu den Märzwahlen 1933 trat sie nicht mehr an.
Bredt zog sich aus dem politischen Leben in die Idylle Marburgs zurück. 1931 war er zu einer Kandidatur für den Posten des Oberbürgermeisters der 1929 gebildeten Stadt Wuppertal gedrängt worden, hatte aber abgelehnt. Er kam häufig in seine Heimatstadt, gehörte er doch zur Leitung, dem „Moderamen", des Reformierten Bundes, der Vereinigung reformierter Kirchen in Deutschland. Das rechtliche Verhältnis von Kirche und Staat interessierte ihn seit dem Ende des summepiskopalen Kirchenregiments 1918, und er veröffentlichte das dreibändige Standardwerk „Neues Kirchenrecht für Preußen". Zu den historischen Arbeiten, die nach seinem Rückzug aus der Politik entstanden und die Zeugnis ablegen von seiner Art und Weise, vor der Zudringlichkeit des „Dritten Reiches" in die Vergangenheit zu flüchten und sich dort häuslich einzurichten, gehören „Die Verfassung der reformierten Kirche in Cleve-Jülich-Berg-Mark", die „Studien zur Rechtsgeschichte von Barmen" und vor allem seine großen Wuppertaler Familiengeschichten – über die Bredt, die Siebel, die Molineus und die Greff.
Johann Viktor Bredt starb am 1.12.1940 und wurde in Barmen begraben.
Werke (Auswahl)
Der Geist der Deutschen Reichsverfassung, Berlin 1924.
Die Verfassung der reformierten Kirche in Cleve-Jülich-Berg-Mark, Neukirchen 1938.
Die Trennung von Kirche und Staat, Berlin 1919.
Die Verfassungsänderung in Preussen, Berlin 1913.
Entwurf einer Reichsverfassung, Berlin 1919.
Geschichte der Familie Bredt, Berlin 1934 (2. Auflage 1936).
Literatur (Auswahl)
Goebel, Klaus, Johann Victor Bredt, in: Born, Heinz (Hg.), Wuppertaler
Biographien Band 8, Wuppertal 1969, S. 22-37.
Goebel, Klaus, Johann Victor Bredt, in: Rheinische Lebensbilder 5 (1973), S. 243-257.
Online
Milatz, Alfred, Artikel „Bredt, Johann Viktor", in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 567-568. [Online]
Bredt, Johann Victor (Edition Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik online des Bundesarchivs und der Historischen Kommission München). [Online]
Johann Victor Bredt in der Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten (Informationsportal der Bayerischen Staatsbibliothek). [Online]
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Wittmütz, Volkmar, Johann Viktor Bredt, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-viktor-bredt-/DE-2086/lido/57c587e8de8fa1.71546663 (abgerufen am 20.03.2023)