Zu den Kapiteln
Johannes Campanus war ein Theologe, der vornehmlich im Herzogtum Jülich gewirkt hat. Als reformatorisches Gedankengut im Rheinland aufkam, nahm Campanus vor allem lutherische Ideen auf und verbreitete sie. Nach dem Bruch mit Martin Luther (1483–1546) und den Wittenberger Reformatoren predigte er im Jülicher Raum seine eigenen Lehransichten. Mit seiner meist als radikal und häretisch empfundenen Lehre eckte er sowohl auf katholischer als auch protestantischer Seite an. Wegen seiner antitrinitarischen Ansichten wurde Campanus verhaftet und verbrachte das letzte Drittel seines Lebens im Gefängnis, wo er auch starb.
Das genaue Geburtsdatum von Johannes Campanus ist nicht überliefert. Man geht davon aus, dass er um 1500 geboren wurde. Gesichert ist hingegen sein Geburtsort Maaseik in der Provinz Limburg. Über sein Elternhaus, seine Kindheit und Erziehung ist nichts bekannt. In Roermond wurde Campanus wohl Klostergeistlicher, wo er auch eine Grundausbildung erhielt. Später ging er in Düsseldorf zur Schule und zum Studium an die Universität Köln. Er lernte Latein, Hebräisch und Griechisch und erwarb eine humanistisch geprägte Bildung. Spätestens 1520 jedoch wurde Campanus, der die in Köln vorherrschende Scholastik ablehnte, aus disziplinarischen Gründen der Universität verwiesen.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Johannes Campanus von Köln aus zuerst in seine alte Heimat begab. Um 1527 tauchte er hingegen im Herzogtum Jülich auf, wo er reformatorisches Gedankengut, genauer lutherische Ansichten, verbreitete. Diese neue Lehre der Reformation nahm er Mitte der 1520er Jahre auf und war spätestens 1526 Anhänger Martin Luthers. Darauf verweist ein in diesem Jahr aus seiner Feder stammendes Gedicht, worin er Luther gegen die Anfeindungen des Tymann Kemener, Rektor einer Lateinschule in Münster, verteidigte.
1528 begab sich Campanus nach Wittenberg und immatrikulierte sich am 19. Dezember an der dortigen Universität. Er verfolgte dabei weniger die Absicht, ein Schüler Luthers zu werden, als mit diesem in Austausch zu treten und ihm seine eigenen Lehrmeinungen darzulegen. Im Juli 1529 scheint er sich mit Dionysius Vinne (um 1500–1534), der Campanus nach Wittenberg begleitete, im brandenburgischen Niemegk bei Georg Witzel (1501–1573) aufgehalten zu haben. Witzel wirkte dort im lutherischen Sinne als Pfarrer, nahm allerdings nach der Bekanntschaft mit Campanus von Luthers Lehre Abstand.
Im August 1529 befand sich Campanus wieder in Wittenberg. Er vertiefte sich in die Ausarbeitung eigener Anschauungen, wobei er in seiner Haltung zunehmend antitrinitarische Züge aufwies. Als Landgraf Philipp von Hessen (1504–1567) Anfang Oktober Martin Luther und Ulrich Zwingli (1484–1531) zum versöhnenden Gespräch in der Abendmahlsfrage auf das Marburger Schloss lud, sah Campanus seine Chance gekommen. Er war der Überzeugung, die Einsetzungsworte beim Abendmahl richtig ausgelegt zu haben und damit auch einen Kompromiss zwischen Luther und Zwingli herbeiführen zu können. Zu seinem Verdruss wurde ihm die Gelegenheit vorzusprechen verwehrt, es wurde ihm lediglich gestattet, seine Überlegungen zu seinem Sakramentsverständnis außerhalb der offiziell geführten Gespräche darzulegen. Der von ihm ersehnte Disput mit Luther blieb aus.
Von nun an war sein Verhältnis zu den Wittenberger Theologen angespannt, zumal Campanus mit immer polemischeren Äußerungen auftrat, die als antitrinitarisch, täuferisch und antinomistisch empfunden wurden. Anfang 1530 bereitete man sich in Torgau auf den von Kaiser Karl V. (1500–1558, Regierungszeit 1519-1556) nach Augsburg einberufenen Reichstag vor, wo die Protestanten ihre neue Lehre erklären sollten. Campanus gelang es, über Vermittler seine Thesen an die kurfürstlichen Räte weiter zu leiten. Er glaubte, dass seine Schrift als Basis für die Verhandlungen in Augsburg dienen könnte. Für die Wittenberger Reformatoren war sie jedoch nicht tragbar. Philipp Melanchthon (1497–1560) bezeichnete sie gar als horribilis und kritisierte, dass Campanus darin die Trinität Gottes leugnete. Erneut wurde Campanus jegliche Chance sich zu erklären ausgeschlagen, die Wittenberger weigerten sich, mit ihm überhaupt ins Gespräch zu kommen.
Diese Zurückweisung ließ Johannes Campanus endgültig mit Luther und seinen Mitstreitern brechen. 1530 verließ er verbittert Kursachsen und reiste vermutlich zunächst nach Straßburg. Dort trat er womöglich in Kontakt mit anabaptistischen Kreisen, vornehmlich mit Sympathisanten des Täufers Melchior Hoffmann (1495–um 1543). Von Straßburg aus begab er sich wieder in das Herzogtum Jülich, welches Zentrum seiner Predigertätigkeit wurde. Sein Wirken blieb in Wittenberg nicht unbemerkt und rief sogar Sorge hervor. Am 15.7.1531 warnte Melanchthon Konrad Heresbach, den Kanzler des Herzogs von Jülich, in einem Brief eindringlich vor Campanus.
Dieser hielt sich ab 1531 im Westen des Herzogtums Jülich auf. Ob er sich dabei den Wassenberger Prädikanten anschloss, ist nicht überliefert. Es liegen weder von ihm noch von den Prädikanten Zeugnisse vor, die das belegen könnten. Die Wassenberger Prädikanten waren eine Gruppe von Predigern, die zu Beginn der Reformation die neue Lehre verbreiteten. Dabei bildeten sie keineswegs eine homogene Fraktion innerhalb der Reformation. Was sie einte, war indes die Ablehnung der Römischen Kirche und ihrer Lehre, vor allem der Transsubstantiationslehre. Die Prädikanten selbst waren zum Teil durch sakramentiererische Strömungen aus den Niederlanden beeinflusst. Durch den Vorwurf des Sakramentierertums der Verfolgung ausgesetzt, fanden viele Prädikanten beim Amtmann von Wassenberg, Werner von Palant (1480-1557), Zuflucht. Ab 1520 bildeten sich in den Jülicher Ämtern Wassenberg und Born ihre Kerngebiete heraus. Zu den bekanntesten Prädikanten zählten Johann Klopriss (auch Klopreis, um 1500–1535), Dionysius Vinne, Heinrich Roll (um 1500–1535) und Hendrik Slachtscaep (um 1480–1534). Um 1533 begaben sich die Prädikanten nach Münster und traten dort zu den Täufern über. Viele von ihnen wurden 1534 in Münster auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
Es ist gut möglich, dass Johannes Campanus bereits seit seinem Aufenthalt in Jülich im Jahre 1527 Vertreter der Prädikanten kannte. Ganz sicher war das bei Dionysius Vinne der Fall, denn mit diesem brach er zusammen nach Wittenberg auf. Wahrscheinlich ist auch, dass er nach 1531 mit ihm in Kontakt stand und über theologische Fragen austauschte.
Im Hinblick auf Luther oder auch auf die Wassenberger Prädikanten war Johannes Campanus in seinen theologischen Ansichten ein Einzelgänger. 1532 erschien sein einzig erhaltenes Werk „Göttliche und heilige Schrift vor vielen Jahren verdunkelt und durch unheilsame Lehre und Lehrer aus Gottes Zulassung verfinstert, Restitution und Besserung“. Diese Abhandlung ist eine Übersetzung und überarbeitete Fassung eines früheren, in lateinischer Sprache abgefassten Traktats „Contra Lutheranos et totum post apostolos mundum“ von 1530. Die deutsche Version offenbart auf rund 160 Seiten, aufgeteilt in vier Ober- und 30 Unterkapiteln, sein theologisches Lehrsystem. Grundsätzlich ist der Ton des Textes antilutherisch. Im letzten Kapitel bemühte sich Campanus zudem, Luthers Lehrsätze zu widerlegen. Darüber hinaus befasste er sich hauptsächlich mit der Gotteslehre, lenkte sein Augenmerk auf die Entkräftung der Trinitätslehre, das Wirken des Heiligen Geistes und die Sakramentenfrage. Außerdem widmete er sich theologischen Einzelfragen, etwa zur Taufe, zur Himmelfahrt Christi, zur Beichte oder zum freien Willen.
Mit seiner Schrift verfolgte Campanus das Ziel, den ursprünglichen christlichen Glauben, so wie er noch zu Zeiten der Apostel gepredigt und gelebt wurde, wiederherzustellen. Er war der Überzeugung, dass das Christentum und seine Lehre nach den Aposteln zunehmend verfälscht würden. Mit der Rückbesinnung auf den Ursprung des Christentums könne man, so seine Überlegungen, auch den konfessionellen Zwiespalt überbrücken und zu einer geeinten christlichen Kirche zurückfinden. Das Hauptmerkmal seiner Lehre war die Verbreitung eines „spekulativen Ditheismus“ (Horst Weigelt), das heißt die Annahme, dass in der christlichen Gottheit nur zwei Personen, nämlich Gott-Vater und Gott-Sohn innewohnen. Er negierte den Heiligen Geist in der Dreifaltigkeit, den er lediglich als attributive Umschreibung ansah. Mit diesen antitrinitarischen Ansätzen grenzte er sich deutlich von zeitgenössischen Strömungen der Reformation ab und wurde besonders von der lutherischen Fraktion als gefährlicher Irrlehrer eingestuft.
Die Predigertätigkeit von Johannes Campanus erregte bald das Missfallen des Herzogs. Um sein Wirken im Volk zu unterbinden, erließ Herzog Johann III. von Jülich-Kleve-Berg (1490-1539) am 1.11.1532 einen Haftbefehl gegen Campanus und befahl zugleich, nach seinen Schriften zu fahnden. Trotz Haftbefehl bewegte sich Campanus die nächsten zwei Jahrzehnte in Freiheit. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass er zwischendurch inhaftiert war. 1553 wurde er schließlich in Kleve oder Angermund gefangen genommen und ins Gefängnis gesteckt. Man warf ihm vor, das Volk aufzuwiegeln, indem er das Ende der Welt ankündigte und gegen kirchliche Institutionen wetterte.
Während seiner Gefangenschaft wurden Versuche unternommen, Johannes Campanus zu bekehren. Dazu wurden Georg Cassander, ein Vermittlungstheologe mit Verbindungen zum Düsseldorfer Hof, und der Inquisitor und späterer Roermonder Bischof Wilhelm Lindanus (15251588) hinzugezogen. Sämtliche Bemühungen, Campanus zu bekehren, schlugen fehl, er rückte nicht von seinen Ansichten ab. Trotzdem scheint Lindanus mit dem eingekerkerten Campanus brieflich in Kontakt gestanden zu haben. Über Lindanus findet sich der Hinweis, dass Campanus in Haft wohl weiter schriftstellerisch tätig gewesen ist. So wird vermutet, dass er im Gefängnis den Traktat „De Eucharistia vera expeditio“ verfasst hat, der sich in den Schriften von Lindanus in Auszügen wiederfindet.
Johannes Campanus verbrachte über zwei Jahrzehnte seines Lebens in Haft. Ob er vor seinem Tod noch einmal in Freiheit entlassen wurde, ist nicht festzustellen. Körperlich und seelisch angeschlagen, starb er nach 1574, wahrscheinlich wohl 1575.
Der einstige Mitstreiter Luthers, der sich theologisch von diesem aber radikal abgewandt hatte, wirkte zeit seines Lebens nur im Herzogtum Jülich. Auch hat er wohl nur eine kleine Anhängerschaft um sich versammeln können. Einfluss übte er in geringem Maße auf das Täufertum und einige Vertreter des mystischen Spiritualismus aus. Sympathien erweckte er indes beim Kölner Erzbischof Hermann von Wied, der seine Mitarbeit bei seinem Reformationsversuch des Erzstifts Köln wünschte. Einzig der Widerstand der evangelischen Partei um ihn ließ den Erzbischof von einem Schulterschluss mit Campanus Abstand nehmen. Dessen Lehre war dabei nicht nur dem reformatorischen Lager zu radikal. Auch Papst Paul IV. (1476–1559, Pontifikat 1555-1559) ließ seine Schriften auf den Index librorum prohibitorum, das Verzeichnis der verbotenen Bücher setzen. Campanus Einflussbereich war jedoch gering und verlor bald an Kraft. Trotzdem bleibt er eine eigentümliche Erscheinung der reformatorischen Strömungen im Rheinland.
Werke
Contra Lutheranos et totum post apostolos mundum (nur Fragmente in einem Manuskript J. Bugenhagens erhalten), deutsche Übersetzung: Göttlicher und Heiliger Schrift, vor vielen Jahren verdunkelt und durch unheilsame Lehre und Lehrer aus Gottes Zulassung verfinstert, Restitution und Besserung, 1532.
De Eucharistia vera expeditio, um 1574.
Literatur
Bautz, Friedrich Wilhelm, Campanus, Johannes, in: Bautz, Friedrich Wilhelm (Hg.), Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 1, Hamm 1975, Sp. 897.
Herzog, J.J., Campanus, Johannes, in: Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche 3 (1878), S. 114-115.
Krumme, Ekkehard, Die frühreformatorische Bewegung im Erkelenz-Jülicher Land, in: Evangelisch im Erkelenzer Land. 100 Jahre Evangelische Kirche in Erkelenz, Erkelenz 2003, S. 241-266.
Ruchatz, Erwin, Einschnitte. Die Wassenberger Prädikanten, Wassenberg 2008.
Séguenny, André (Hg.), Bibliotheca Dissidentium. Répertoire des non-confirmistes religieux des seizièmes et dix-septièmes siècles, Tome 1: Johannes Campanus, Christian Entfelder, Justus Velsius, Catherine Zell-Schütz, Baden-Baden 1980, S. 13-36.
Weigelt, Horst, Campanus, Johannes, in: Theologische Realenzyklopädie 7 (1981), S. 601-604.
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Schröder, Ilona, Johannes Campanus, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-campanus-/DE-2086/lido/605b214f2928d9.95048759 (abgerufen am 03.10.2024)