Zu den Kapiteln
Der katholische Geistliche Johannes Derksen wurde vor allem mit seinen historischen Romanen über das Rheinland und Sachsen bekannt.
Derksen wurde am 25.10.1898 in Emmerich am Niederrhein geboren und am selben Tage in der Kirche St. Aldegundis auf den Namen Johannes Franziskus Maria getauft. Sein Vater, August Derksen (1854–1922), betrieb in Emmerich eine Kohlen- und Düngemittelhandlung. Außerdem war er als Redakteur des kleinen Lokalblatts „Niederrheinische Zeitung für Stadt und Land“, das in seiner politischen Ausrichtung der Zentrumspartei nahestand, tätig. Seine Mutter Maria, geborene van Munster (1862–1902), verlor Johannes Derksen als knapp Vierjähriger. Geprägt wurde er vor allem durch seine acht Geschwister (drei Kinder der Familie waren kurz nach der Geburt oder als Kleinkinder verstorben), mit denen er seine Kindheit verlebte.
Mit fünf Jahren kam Derksen in die Volksschule in Emmerich. In seinen späteren autobiographisch geprägten Schriften (insbesondere in „Hannes brüll nicht so“) berichtet er über die besondere Atmosphäre in dieser niederrheinischen Kleinstadt aus der Sicht eines kleinen Jungen. Nach vier Jahren wechselte er an das Emmericher Gymnasium. Nach eigener Einschätzung hat er die Schule mit gemischten Gefühlen gesehen, nicht zuletzt wegen einiger Misserfolge, musste er doch zwei Mal Klassen wiederholen.
Der Erste Weltkrieg beendete die Schullaufbahn vorfristig; noch vor Ablegung der Reifeprüfung wurde Derksen im Januar 1917 einberufen. Im Oktober des Jahres kam er in französische Gefangenschaft. Als er nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, begann er im Februar 1920 in der Zigarrenfabrik Theodor Klaßen in Emmerich eine kaufmännische Lehre. Obwohl durch die Erlebnisse des Krieges zunächst in gewisser Distanz zu religiösen Fragen stehend, kam er bald mit dem Pfarrer von Marienthal bei Wesel, Augustinus Winkelmann (1881–1954), in Kontakt, was ihn für seinen weiteren Lebensweg prägen sollte. Winkelmann hatte aus dem Ort ein regionales Zentrum für Liturgie und sakrale Kunst gemacht, wo sich auch Anhänger der katholischen Jugendbewegung trafen. Außerdem hatte Derksen Beziehungen zu den Jesuiten im niederländischen 's-Heerenberg.
Mit Beginn des Theologiestudiums in Münster zum Sommersemester 1922 war Derksens unmittelbare Verbindung zum Rheinland beendet, und das nicht nur vorübergehend, sondern er sollte bis zum Lebensende nie wieder dauerhaft hierher zurückkehren. Doch die Kindheits- und Jugendjahre hatten ihn so stark geprägt, dass es – neben seinem zweiten Zuhause in Sachsen – ein Thema seines Lebens und seiner Bücher werden sollte.
Schon nach einem Semester wechselte er an die Jesuiten-Hochschule in Innsbruck, wo er erstmals mit Studenten näher in Kontakt kam, die später als Seelsorger in der mitteldeutschen Diaspora wirken wollten. Derksen wandte sich an den Bischof des 1921 wiedererrichteten Bistums Meißen, Dr. Christian Schreiber (1872–1933), und wurde ab Februar 1925 für diese Diözese als Theologiestudent geführt. Schon ein Jahr später, am 28.2.1926, wurde Johannes Derksen von Bischof Schreiber im Dom zu Bautzen zum Priester geweiht. Das Studium hatte er noch nicht ganz abgeschlossen, so dass er noch zwei weitere Semester in Innsbruck und das Wintersemester 1926/1927 - wie schon länger geplant – in Freiburg im Breisgau verbrachte. Im Sommersemester 1927 wechselte er für einige Monate an das neu eingerichtete diözesane Priesterseminar in Schmochtitz bei Bautzen, wo er seine letzte pastorale Ausbildung erhielt.
Im August 1927 trat Derksen in Zittau seine erste Kaplansstelle an, von der er im Mai 1930 als Kaplan an die Leipziger Propsteikirche wechselte. Auch wenn seine individuelle Bewertung dieser beiden Orte sehr unterschiedlich war, fiel doch bei beiden das gleichbleibende Engagement in der Jugendseelsorge, aber auch seine Begeisterung für Predigten und Verkündigung auf.
Seine erste Stelle als Pfarrer übernahm Johannes Derksen am 1.5.1935 in Reichenbach im Vogtland. Hier fand er nicht nur geographisch, sondern auch vom religiösen Leben her vollkommen andere Voraussetzungen als in seiner vertrauten rheinischen Heimat vor. Ein Katholikenanteil von gut 2 Prozent der Bevölkerung, verstreut über zahlreiche Ortschaften (und nicht alle Gläubigen gleichermaßen interessiert am kirchlichen Leben) prägte das Gemeindeleben in diesem Landstrich. Andererseits war es Derksens eigene Entscheidung gewesen, unter genau solchen Bedingungen zu wirken. Orientierung gaben ihm dann aber doch oft die Erinnerung und der Vergleich mit den Verhältnissen in den „richtigen“ katholischen Gegenden. Das war nicht allein Reminiszenz an Vergangenes, sondern brachte ihn dazu, sich ebenso mit Einführung von Neuerungen, wie Abendmessen an Wochentagen oder exegetisch-theologischen Glaubenskursen, den Herausforderungen zu stellen. Unterbrochen wurden seine seelsorglichen Bemühungen zunächst durch seine Rekrutierung als Sanitätssoldat mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939. Auch wenn er recht bald wieder nach Reichenbach zurückkehren konnte, haben ihn die schlimmen Erfahrungen beim Einmarsch der Wehrmacht nach Polen nachhaltig geprägt. Im November 1940 wiederum wurde er wegen der muttersprachlichen Seelsorge an Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen von der Gestapo vorgeladen und wenige Tage danach verhaftet. Obwohl auch hier glücklicherweise nach kurzer Zeit entlassen, war diese unmittelbare Bedrohung – die für zahlreiche katholische Priester im KZ Dachau und für nicht wenige mit dem Tod endete – eine weitere Markierung in seiner seelsorglichen und Lebenserfahrung. Bis 1949 blieb er in Reichenbach und musste dort für die erste Beseitigung der Kriegsschäden an Kirche und Pfarrhaus, vielmehr aber noch bei der seelsorglichen Betreuung der durchziehenden beziehungsweise angesiedelten Flüchtlinge und Vertriebenen Verantwortung übernehmen.
Im Dezember 1949 übernahm er die Pfarrei Herz Jesu in Dresden-Johannstadt. Auch hier waren die Nachwirkungen des Krieges knapp fünf Jahre nach dessen Ende noch zu spüren, so dass insbesondere bei der Wiederherstellung der Pfarrkirche, deren Gestaltung Derksen zugleich ein geistliches Programm gab, das Engagement des Pfarrers gefragt war. Hinzu kamen die regulären Aufgaben des Gemeindeseelsorgers, sei es bei der Liturgie, in der Kinder- und Jugendarbeit, bei Besuchen von Alten und Kranken. Wie schon in Reichenbach verfasste Derksen einige Texte für Geistliche Spiele in seiner Gemeinde, wo oft bis zu 50 Laiendarsteller mitwirkten. Seit 1950 war Derksen zugleich Diözesanpräses für den Borromäusverein und damit für die Versorgung kleiner Seelsorgestellen mit christlichen Büchern zuständig.
Mit seinem schriftstellerischen Wirken, das wesentlich für seine Bekanntheit unter Zeitgenossen und die anhaltende Erinnerung unter den sächsischen (und einigen rheinischen) Christen verantwortlich ist, hat er selbst für die größere Verfügbarkeit entsprechender Literatur gesorgt.
Hier seien nur die mit unmittelbarem Bezug auf das Rheinland hervorgehoben, auch wenn die erzählerische Darstellung der sächsischen Kirchengeschichte ihn in seinem unmittelbaren Lebensumfeld noch „berühmter“ gemacht hat. Als erstes hatte er 1934 eine kurze Geschichte seiner Heimatstadt Emmerich verfasst und 275 hektographierte Exemplare an Bekannte und Freunde in der alten Heimat versandt. Später, 1969, legte er mit „Proot Platt“ ein Wörterbuch der speziellen Mundart von Emmerich vor.
Bald nach seinem Erstlingswerk begann Derksen mit Jan van Derk (über seine Vorfahren) und Melaneken von Kalkar rheinische Persönlichkeiten belletristisch zu beschreiben. Ihnen folgten bald weitere Helden und Heilige seiner Heimat, wie die Lebensretterin Johanna Sebus, der Emmericher Pfarrer des 16. Jahrhunderts Jan Otten oder der Missionar des Niederrheins Willibrord. Und auch in seinen Werken zu sächsischen Persönlichkeiten, wie zum Bistumspatron Benno von Meißen, suchte er immer wieder Verbindungen in das Rheinland zu konstruieren (hier beispielsweise durch eine inszenierte Freundschaft des Meißners mit dem Kölner Erzbischof Anno II.). Ein wichtiges Anliegen war ihm, ein Buch zum heimatlichen Marienwallfahrtsort Kevelaer zu veröffentlichen, was aufgrund staatlicher Beschränkungen in der DDR aber erst postum 1974 gelang.
Krankheitsbedingt war Derksen zum Jahresende 1962, geehrt durch den Titel „Monsignore“, in den Ruhestand verabschiedet worden. Die Zeit danach nutzte er für seine schriftstellerische Arbeit, soweit er nicht durch Krankenhausaufenthalte behindert war. Seinen 75. Geburtstag wollte er in seiner Heimat feiern, verstarb aber drei Wochen zuvor am 4. Oktober im Haus seiner Schwester in Emmerich. Derksen wurde auf eigenen Wunsch hin auf dem Friedhof von Marienthal beerdigt, wo er am 11.10.1973 zur Ruhe gebettet wurde. Damit schloss sich auf unerwartete Weise ein Kreis rheinisch-sächsischer Lebensgeschichte.
Werke
Gegebenenfalls ist sowohl die erste BRD- wie die erste DDR-Auflage benannt:
Lebendige Diaspora, Leipzig 1934.
Jan Derk. Der Lebensweg zweier Männer am Niederrhein um 1800, Bonn 1938.
Melaneken von Kalkar, Steyl 1940.
Kam'rad nimm mich mit. Soldatengebetbuch, Steyl 1940 [gemeinsam hg. mit den Steyler Missionaren].
Lebensmorgen. Jugendzeit am Niederrhein, Bonn 1948.
Erinnerungen an Bischof Petrus Legge, Leipzig 1952.
Johanna Sebus. Die Heldin vom Niederrhein, Freiburg/Br. 1953, Leipzig 1956.
Wir wallen nach Rosenthal, Leipzig 1954.
Der Wächter am Strom. Roman eines Helden vom Niederrhein, Freiburg/Br. 1955, Leipzig 1959.
Ein Spiel von der Auferstehung unseres Herrn, Leipzig 1956.
Ein Spiel von Freud und Leid bei unsres Herrn Geburt, Leipzig 1956.
Das gefurchte Antlitz. Der hl. Bischof Benno von Meißen unter dem Kreuz seiner verworrenen Zeit 1010-1106. Ein Lebensgemälde, Leipzig 1956, Rottenburg 1958.
Kaplan Kräuterbein. Schuhgröße 59 und einige andere Übertreibungen, Leipzig 1958, 2. Auflage Meitingen 1965.
Hannes, brüll nicht so!, Leipzig 1958, Meitingen/Freising 1971.
Der getreue Verwalter, Leipzig 1960.
Ein Haus voll Glorie, Leipzig 1962.
Jan van Kleef. Erzählung vom Niederrhein, Leipzig 1963.
Im verschlossenen Garten. Mönch Ludeger von Altzella 1162-1234, Leipzig 1966.
Pfarrer Kräuterbein. Schuhgröße 59 und andere Übertreibungen, Meitingen 1966, als „Hochwürden Kräuterbein“, Leipzig 1980.
Unter Pastor Jansens Paraplü, Leipzig 1967, Freising 1967.
Ein Händchen voll Freude. Kurze und längere, manchmal heitere Geschichten für jugendliche Omas und Opas, für die lieben Alten und Kranken, besonders für die, die wie ich noch aus dem vorigen Jahrhundert sind, für ehrwürdige alte Schwestern und für neugierige jüngere Leute aufgeschrieben, erzählt, erdichtet oder erlogen, aber mit einem Körnchen Wirklichkeit darin, Meitingen/Freising 1968.
Proot Platt. Ein Wörterbuch der Emmericher Mundart, Emmerich [1969].
Über Weniges getreu. Das schlichte Wirken Bischof Eids in den Wirren seiner Zeit, 955 – 992 – 1052, Leipzig 1969.
Kalendergeschichten. Aus der Schublade von einst und jetzt für jung und alt, Leipzig 1970.
Kehr um, Norbert! Eine Erzählung aus dem Leben des hl. Norbert 1082-1134, Leipzig 1971.
Schnipp, schnapp, schnelle!, Meitingen/Freising 1972.
In Gottes Namen voran! Mosaiksteine zu einem Lebensbild des hl. Willibrord 658-739, Leipzig 1974.
Kleines erhöht Er. Eine Erzählung zu Ehren der Muttergottes von Kevelaer, Leipzig 1974.
Sie lebte die Liebe. Ein Lebensbild der hl. Hedwig, Leipzig 1975.
Literatur
Hömig, Heinz, Johannes Derksen (1898-1973), in: Rheinische Lebensbilder 10, Köln 1985, S. 237–250.
Mitzscherlich, Birgit, Ein Rheinländer in der Diaspora. Der Geistliche und Volksschriftsteller Johannes Derksen (1898-1973), in: Lambrecht, Ronald/Morgenstern, Ulf (Hg.), „Kräftig vorangetriebene Detailforschungen“. Aufsätze für Ulrich von Hehl zum 65. Geburtstag, Leipzig/Berlin 2012, S. 77–103.
Zimmermann, Ingo: Johannes Derksen zum 70. Geburtstag am 25.10.1968, Leipzig 1968 [achtseitiger Sonderdruck des St. Benno-Verlags].
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Mitzscherlich, Birgit, Johannes Derksen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-derksen-/DE-2086/lido/57c692d01a1903.61291098 (abgerufen am 19.04.2024)