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Hans Fuchs war ein hoher preußischer Verwaltungsbeamter, der, abgesehen von den Jahren 1914 bis 1919, in der Rheinprovinz wirkte und 1922-1933 ihr Oberpräsident war. Selbst wenn seine Laufbahn im Großen und Ganzen geradlinig und unspektakulär war, rückten ihn die Zeitläufe doch in bestimmten Jahren, vor allem 1923, in die Nähe auch der großen Politik.
Johannes (Hans) Fuchs wurde am 30.9.1874 in Bickendorf (heute Eifelkreis Bitburg-Prüm) geboren. Seine Eltern waren der Landwirt Nikolaus Fuchs und Margaretha geborene Lamberty. Die Familie war katholisch. 1899 legte Hans Fuchs am Gymnasium in Prüm die Reifeprüfung ab, studierte dann, entgegen dem elterlichen Wunsch, die geistliche Laufbahn einzuschlagen, Rechtswissenschaft in Innsbruck, Berlin und Bonn. Er war Mitglied der Katholischen Studentenvereinigung Askania im KV. Nach der ersten juristischen Staatsprüfung wurde er am 20.7.1899 zum Gerichtsreferendar ernannt und leistete seinen Vorbereitungsdienst im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln bei Gerichten und Behörden in Bitburg, Trier, Düsseldorf und Köln. In der Zwischenzeit absolvierte er seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger bei der Infanterie in Gießen. Am 9.2.1904 wurde er zum Gerichtsassessor ernannt; in dieser Stellung war er bei Gerichten in Düsseldorf, Neuss und Hagen tätig.
Obwohl ihm eine Stelle als Staatsanwalt angeboten wurde, bewarb Fuchs sich um eine Verwendung in der landwirtschaftlichen Verwaltung – möglicherweise sah er dort bessere Aufstiegschancen. Am 23.2.1906 trat er in die Landeskulturverwaltung ein, zunächst zur Einarbeitung bei der Generalkommission in Düsseldorf. Zum 1.10.1906 übernahm er die Stelle eines Spezialkommissars und Leiters der Spezialkommission der Landeskulturverwaltung in Adenau; in dieser Stellung wurde er am 30.7.1912 zum Regierungsrat ernannt. Als Spezialkommissar oblagen ihm unter anderem Aufgaben der Flurbereinigung und der Zusammenlegungen. Dank seines dort rasch erworbenen Ansehens wurde er in den Kreisausschuss des Kreises Adenau gewählt und zum Kreisdeputierten bestellt. 1913 erfolgte seine Versetzung als Spezialkommissar nach Düsseldorf und als Leiter der dortigen Spezialkommission.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges leistete er als Oberleutnant und Kompanieführer Kriegsdienst an der Westfront. Nach einer Verschüttung an Weihnachten 1914 und anschließender Rekonvaleszenz wurde er, mittlerweile zum Hauptmann befördert, im September 1915 als Hilfsreferent in das preußische Kriegsministerium einberufen. Am 22.6.1916 heiratete er in Berlin-Wilmersdorf Hedwig Liertz (1879–1954).
Im Kriegsministerium war er unter anderem mit Fragen der Kriegsernährung beschäftigt, wurde dann in das in diesem Ministerium am 1. November errichtete Kriegsamt, das vor allem zur Zentralisierung der Kriegswirtschaft diente und für alle Bereiche der wirtschaftlichen Mobilisierung, aber auch für die Organisation der Arbeits- und Dienstpflicht zuständig war, kommandiert. Am 16.3.1918 wechselte er als ständiger Hilfsarbeiter in das preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Dort erfolgte bereits am 9.8.1918 die Ernennung zum Geheimen Regierungsrat und Vortragenden Rat, also zum Ministerialrat nach späterem und noch heutigem Verständnis. Eine Karriere in der preußischen Landwirtschaftsverwaltung zeichnete sich ab; diese wurde aber durch die am 20.12.1919 ausgesprochene Ernennung zum Regierungspräsidenten in Trier auf eine andere Bahn umgeleitet. Das preußische Staatsministerium war bestrebt, die leitenden Verwaltungsstellen, darunter die der Regierungspräsidenten, fortan durch demokratisch eingestellte Beamte zu besetzen und auch regionale und konfessionelle Besonderheiten zu beachten. So wurde Fuchs bereits im Juni 1919 für eine mögliche Verwendung als Regierungspräsident in Trier ins Auge gefasst und nach Freiwerden der Stelle auch ernannt.
Für seine Tätigkeit im agrarisch strukturieren Trierer Bezirk qualifizierte ihn neben Herkunft, Konfession und Zentrumsnähe auch seine Erfahrung in der Landwirtschaftsverwaltung. In das neue Amt wurde er - als erster Katholik an der Spitze der Trierer Regierung - am 16.1.1920 eingeführt. Neben dem laufenden Verwaltungsgeschäft sah er sich mit den von der französischen Besatzung eifrig geförderten separatistischen Bestrebungen konfrontiert. Es wurde von ihm auch erwartet, „das Staats- und Nationalbewußtsein der der Bevölkerung zu stärken und zu stützen“.[1]
Wie sehr er die in ihn gesetzten Erwartungen im schwierigen Trierer Bezirk erfüllte, beweist, dass ihn nach weniger als drei Jahren in dieser Stellung, am 16.9.1922, das preußische Staatsministerium zum neuen Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannte. Der plötzliche Tod des Oberpräsidenten Rudolf von Groote am 10.5.1922 hatte heftige Diskussionen um die Neubesetzung der Stelle entfacht, da neben dem Zentrum auch die SPD Ansprüche auf die Stelle erhob. Trotz allem schlug der sozialdemokratische preußische Minister des Innern, Carl Severing (1875–1952), bereits am 17.7.1922 dem Staatsministerium Hans Fuchs als Oberpräsident vor. Das Staatsministerium ermächtigte ihn bereits am folgenden Tage, sich wegen der Ernennung des Trierer Regierungspräsidenten Fuchs zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz mit dem Provinzialausschuss in Verbindung zu setzen.[2] Dessen Einvernehmen war seit 1920 bei der Ernennung der Oberpräsidenten einzuholen. Fuchs wurde am 16. September ernannt und am 14. Oktober durch Minister Severing in sein Amt eingeführt. Allerdings war sein Wirken im neuen Amt zunächst von kurzer Dauer. Am 2.2.1923, kurz nach der Besetzung des Ruhrgebiets, eröffnete Paul Tirard, Präsident der Interalliierten Rheinlandkommission, dem rheinischen Oberpräsidenten einen Ausweisungsbeschluss wegen vermeintlicher Verstöße gegen Bestimmungen der Besatzungsbehörden. Fuchs begab sich zunächst nach Frankfurt am Main, dann nach Wetzlar, wo er im Landratsamt eine Nebenstelle des Oberpräsidiums einrichtete und mit seiner Provinz so gut es ging in Kontakt zu bleiben versuchte. Bei der Bildung der Regierung Stresemann im August 1923 wurde Fuchs zunächst als Reichsminister des Innern vorgesehen, übernahm dann aber aus Proporzgründen das neu errichtete Reichsministerium für die besetzten Gebiete, für das er dank seiner Vertrautheit mit den Rheinlanden eine herausragende Besetzung war.
In dieser Stellung ergab sich die außergewöhnliche staatsrechtliche Situation, dass ein aktiver preußischer Staatsbeamter zugleich das Amt eines Reichsministers innehatte. Reichsminister durften, so hieß es im Reichsministergesetz vom 27.3.1930 (§ 7 Abs. 1), „neben dem Ministeramt keine Beschäftigung berufsmäßig ausüben“. Am 13. August wurde er mit der Wahrnehmung der Geschäfte des 14 Tage später förmlich errichteten Ministeriums beauftragt und am 27. August zum Reichsminister ernannt. Fuchs war bis 1929 der einzige reguläre Minister dieses Ressort, in der Folgezeit wurde die Leitung des Ministeriums stets einem anderen Reichsminister übertragen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt als Reichsminister (23.11.1923) kehrte er nach Wetzlar zurück und übernahm, nach Aufhebung der Ausweisung, am 8.9.1924 wieder die Amtsgeschäfte in Koblenz. In den folgenden Jahren ging es in der Rheinprovinz unter anderem um den schrittweisen Abzug der alliierten Besatzungen aus den drei Zonen (1926, 1929 und 1930). Bei den Besuchen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847–1934, Reichspräsident 1925-1934) in den nunmehr unbesetzten Gebieten gehörte der Oberpräsident der Rheinprovinz stets zu dessen Begleitung.
Aus der weiteren Verwaltungstätigkeit von Oberpräsident Fuchs seien drei Bereiche genannt, die ihm besonders am Herzen lagen: die Fürsorge für Landwirtschaft und Weinbau mit zahlreichen Ödlandkultivierungen und Meliorationen, der Einsatz des 1931 gegründeten Freiwilligen Arbeitsdienstes sowie Planung und Beginn von Schutzbauten vor allem am Rhein nach den Hochwasserkatastrophen 1924 und 1926.
Seine Verdienste in und um die Provinz würdigten die Städte Koblenz (1929) und Trier (1930) durch die Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Gute, wenn nicht freundschaftliche Beziehungen bestanden zwischen Fuchs und dem Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der unter anderem als Vorsitzender des Provinzialausschusses eine bedeutende politische Rolle in der Rheinprovinz spielte.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war der dem Zentrum zuzurechnende Oberpräsident Fuchs auf Dauer nicht haltbar, besonders da er sich auch geweigert hatte, ein von der der NSDAP wegen des Abdrucks eines Aufrufs katholischer Verbände (im Vorfeld der Wahlen im März 1933) gefordertes Verbot der katholischen Presse vorzunehmen. Durch Beschluss des preußischen Staatsministeriums (Kommissare des Reichs) vom 25.3.1933 wurde er mit sofortiger Wirkung einstweilig in den Ruhestand versetzt[3], nicht beurlaubt, wie gelegentlich zu lesen ist. Die Presse (z.B. Krefelder Zeitung Nr. 137, 27.3.1933) berichtete darüber völlig neutral, ohne jeden Hinweis auf politische Hintergründe, informierte lediglich über die Tatsache an sich. Die endgültige Versetzung in den Ruhestand erfolgte zum 1.7.1933.[4]
Fuchs schrieb anlässlich seines unfreiwilligen Ausscheidens an Ildefons Herwegen, Abt von Maria Laach: „Es wird mir außerordentlich schwer, diese Maßnahme zu verstehen, weil ich doch mein ganzes Leben lang meine beste Kraft in den Dienst von Vaterland und Volk gestellt habe und dadurch alle Zeiten hindurch mit innerster Überzeugung die Ziele verfolgt habe, die die derzeitige Regierung sich gestellt hat. Ich füge mich in mein Schicksal, weil ich innerlich überzeugt bin, dass nichts ohne Gottes Willen geschieht.“[5] Fuchs übersiedelte nach Cochem, wo er sich im Vorort Condt ein Haus baute. Dort lebte er zurückgezogen mit seiner Frau, in gelegentlichem schriftlichen und persönlichen Kontakt mit alten Weggefährten, wie etwa Adenauer, und überstand die Jahre des „Dritten Reiches“ erkennbar ohne Belästigung durch die braunen Machthaber. Die SD-„Übersicht führender Männer der Systemzeit“ (Juni 1939) vermerkte über sein Verhalten nach 1933: „Lebt heute in Cochem-Kond. […] hält enge Verbindungen zu führenden katholischen Kreisen in Trier.“[6]
Nach dem Einmarsch der Amerikaner ernannten diese ihn am 1.4.1945 zum Regierungspräsidenten in Koblenz und bereits am 30.4.1945 zum Oberpräsidenten des kurzlebigen „Rhine-Province-Military-District“ mit Sitz in Bad Tönisstein. Diese personelle Entscheidung der Amerikaner war nicht überraschend, stand Fuchs doch an erster Stelle der „Weißen Liste“, in der aus Sicht der Amerikaner politisch unbelastete Deutsche nachgewiesen waren, für „Ruhr-Rheinland“, noch vor dem an zweiter Stelle stehenden Adenauer. Der „Rhine-Province-Military-District“ sollte neben der Rheinprovinz die Rheinpfalz, Rheinhessen und das Saarland umfassen. Dieser Zuschnitt blieb jedoch Theorie, denn bereits am 9. Mai wurde (ebenfalls von den Amerikanern) Hermann Heimerich (1885–1963) als Oberregierungspräsident die Leitung des Verwaltungsbezirks „Westmark-Südhessen“ beziehungsweise „Provinz Saarland-Pfalz-Südhessen“ übertragen. Zwischen beiden Verwaltungsbezirken war die Zugehörigkeit der Regierungsbezirke Koblenz und Trier strittig. Dieses Problem wurde dann aber auf andere Art gelöst. Mit der Einrichtung der Besatzungszonen erfolgte am 20.6.1945 die Teilung der Rheinprovinz. Am selben Tage ernannte Oberst John A. Barracloigh (1894–1981) von der britischen Militärregierung Fuchs zum Oberpräsidenten der neu gebildeten Nord-Rheinprovinz, die die Regierungsbezirke Düsseldorf, Köln und Aachen umfasste. Sitz des neuen Oberpräsidiums war zunächst Bonn, dann Düsseldorf. Der Aufbau der Behörde in Düsseldorf brauchte seine Zeit, sodass sie erst ab August 1945 stärker in Erscheinung treten konnte. Eine ihrer Grundlagen war die vormalige Verwaltung des Provinzialverbandes der Rheinprovinz in Düsseldorf. Die Provinzialregierung bestand aus den Abteilungen: Allgemeine Innere Verwaltung, Ernährung und Landwirtschaft, Finanzen, Justiz, Kultur, Öffentliche Arbeiten, Öffentliche Gesundheit, Volkswohlfahrt, Wiederaufbau, Wirtschaft. Oberpräsident Fuchs, dem die Erhaltuing der gesamten Rheinprovinz am Herzen lag, versuchte während seiner Amtszeit, das Bewusstsein für die Unnatürlichkeit der Trennung aufrechtzuerhalten und Beziehungen zum in der französischen Besatzungszone gelegenen südlichen Teil der vormaligen Rheinprovinz herzustellen. Er musste aber feststellen, dass weder die britischen noch die französischen Besatzungsbehörden daran interessiert waren. Am 3.10.1945 wurde Fuchs auf knapp-militärische Art von den Briten aus seinem Amt entlassen. Vermutungen, die Briten verdächtigten ihn separatistischer Absichten, sind nicht haltbar. Es ging den Briten nur darum, das von den Amerikanern eingesetzte Personal durch solches, eigener Wahl zu ersetzen. Fuchs war kein Einzelfall, ein anderes prominentes Beispiel war der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, den die Briten am 6. Oktober aus dem Ant entfernten.
Fuchs trat erneut in den Ruhestand und zog wieder nach Cochem. Er blieb aber weiter im öffentlichen Leben tätig: am 29.12.1947 wurde er Präsident des Landesverbandes Rheinland-Pfalz des Deutschen Roten Kreuzes, 1950 zugleich Vorsitzender des Präsidialrats des Deutschen Roten Kreuzes. Der Papst ernannte ihn zum Ritter des Großkreuzes des Hl. Papstes Gregor, Bundespräsident Theodor Heuss (1884–1963) verlieh ihm eine der höchsten Stufen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Hans Fuchs starb am 9.9.1956 in Cochem.
Quellen
MBliV.: Ministerialblatt der preußischen inneren Verwaltung 1933, Teil I, Berlin 1933.
ProtPrStM: Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38, Band 11: 14. November 1918 bis 31. März 1925, bearb. von Gerhard Schulze (Acta Borussica Neue Folge, 1. Reihe), Hildesheim [u.a.] 2002.
Der Nachlass befindet sich im Landeshauptarchiv Koblenz (LHAKo Best. 700, 040).
Literatur
Mensing, Hans Peter (Bearb.), Adenauer im Dritten Reich (Adenauer. Rhöndorfer Ausgabe), Berlin 1991.
Dorfey, Beate, Die Teilung der Rheinprovinz und die Versuche zu ihrer Wiedervereinigung (1945–1956). Das Rheinland zwischen Tradition und Neuorientierung, Köln 1993.
Heyen, Franz Josef, Hans Fuchs, in: Först, Walter (Hg.), Politik und Landschaft, Köln 1965, S. 169–175. Romeyk, Horst, Kleine Verwaltungsgeschichte Nordrhein-Westfalens, Siegburg 1987.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945, Düsseldorf 1994, S. 454-455.
Romeyk, Horst, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, Düsseldorf 1985.
Schulz, Günther (Hg.), Konrad Adenauer 1917–1933. Dokumente aus den Kölner Jahren, Köln 2007.
Stehkämper, Hugo (Hg.), Konrad Adenauer. Oberbürgermeister von Köln. Festgabe der Stadt Köln zum 100. Geburtstag ihres Ehrenbürgers am 5. Januar 1976, Köln 1976.
Online
Saarländische Biographien (22.09.2019). [Online]
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Lilla, Joachim, Johannes (Hans) Fuchs, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-hans-fuchs/DE-2086/lido/60420d3f58d327.77326085 (abgerufen am 06.10.2024)