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Johannes Maria Verweyen lehrte als Professor für Philosophie von 1908 bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten 1934 an der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität Bonn. Aufgrund seiner öffentlichen Ablehnung des Nationalsozialismus wurde er 1941 verhaftet und wenige Monate vor Kriegsende in das Konzentrationslager Bergen-Belsen verschleppt, wo Verweyen am 21.3.1945 starb.
Geboren am 11.5.1883 auf einem Bauernhof in Till (heute Gemeinde Bedburg-Hau), wuchs Johannes Maria Verweyen bei seiner Mutter Anna Sybilla (1865-1936) – der Vater Hubert Verweyen (1853-1883) starb bereits ein halbes Jahr nach seiner Geburt – in der katholischen Tradition des Niederrheins auf. Er besuchte die Grundschule in Till und das Königliche Gymnasium in Kleve sowie ab 1896 die Bischöfliche Studienanstalt Collegium Augustinianum in Gaesdonck bei Goch. Neben seinen Studien widmete sich der junge Verweyen der Musik und betätigte sich als Organist und Chorleiter. Während seiner Zeit in Gaesdonck begann Verweyen erstmalig die katholische Kirche in Frage zu stellen.
Im Herbst 1899 verließ Verweyen das Collegium und zog zu seiner Mutter, die mittlerweile nach Düsseldorf übergesiedelt war, wo er 1902 am Hohenzollern-Gymnasium das Abitur ablegte. Hatte er sich ursprünglich dem Studium der Theologie und Rechtswissenschaften widmen wollen, so wählte er zu Beginn seines Studiums in Freiburg im Breisgau aufgrund seiner aufkeimenden Glaubenszweifel die Philosophie. Im Wintersemester 1902/1903 war Verweyen in Leipzig immatrikuliert, ehe er sich im Sommersemester 1903 in Bonn einschrieb, wo er sich der Philosophie, Psychologie sowie den Natur- und Kulturwissenschaften widmete. Es folgten kürzere Studienaufenthalte in Berlin und Straßburg, doch kehrte Verweyen 1904 nach Bonn zurück, wo er im November 1905 mit einer Dissertation zu „Ehrenfried Walter von Tschirnhaus und die Philosophie seiner Zeit" promoviert wurde.
Seit 1906 arbeitete Verweyen in Straßburg an seiner Habilitationsschrift mit dem Thema „Das Problem der Willensfreiheit in der Scholastik", 1907/1908 verbrachte er erneut ein Semester in Leipzig. 1908 wurde Verweyen schließlich in Bonn habilitiert und 1918 zum außerordentlichen Professor ernannt. Seine Vorlesungen fanden unter den Studenten großen Anklang.
Verweyens Philosophie war geprägt durch den Versuch nach einem Heraustreten aus der bloßen Theorie und dem Aufruf zur Tat, weshalb er die Ethik in den Vordergrund seines philosophischen Denkens stellte. Seine unkonventionelle Art der Behandlung philosophischer Themen und seine stetige Suche nach Wahrheit erregten Aufsehen und machten Verweyen zu einem der meist diskutierten Philosophen seiner Zeit. Neben seiner Lehrtätigkeit war er auch als Dichter, Komponist und Schriftsteller tätig.
Den Ersten Weltkrieg erlebte er als „innere Erschütterung", was ihn dazu trieb, nach „Sinn und Ursprung des Übels in der Welt" zu forschen und ihn noch weiter vom christlichen Glauben entfernte. Er erforschte als Vorstandsmitglied des Monistenbundes den naturalistischen Monismus, der Anstelle der Religion als Führerin des Lebens die Wissenschaft setzte, sowie die Theosophie, die Anthroposophie, den Okkultismus und das Freimaurertum.
Getrieben von der Suche nach religiöser und philosophischer Wahrheit erklärte Verweyen schließlich am 21.3.1921 vor dem Bonner Amtsgericht seinen Austritt aus der katholischen Kirche. Seit 1924 versuchte er in einem zusätzlichen Medizinstudium den Mediumismus im Bereich der Parapsychologie zu erforschen und trat dem Bund der Freimaurer bei. 1927 wurde er Mitglied der Theosophischen Gesellschaft Aydar und geriet unter den Einfluss des Inders Jiddu Krishnamurti (1895-1986) und seiner Lehre von der Meisterung des Lebens.nach obenBei einer Vortragsreise in den Niederlanden lernte Verweyen die „Liberal-Katholische-Kirche" kennen und ließ sich 1928 vom ehemals anglikanischen Bischof James Ingall Wegdwood (1883-1951) zum Priester weihen. In der Folgezeit feierte er unter anderem in Düsseldorf regelmäßig die Liturgie und hielt Predigten.
Am 9.4.1934 wurde Verweyen aufgrund seiner öffentlichen Kritik am Nationalsozialismus mit Berufung auf das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.4.1933 die Lehrbefugnis entzogen. Die Nachricht erreichte ihn auf einer Vortragsreise in Spanien.
Im Mai 1935 wurde Verweyen in Rom Zeuge der Heiligsprechung Thomas Morus (1478-1535) und John Fishers (1469-1535), was den Philosophen stark beeindruckte und nach einiger Überlegung dazu führte, dass er sich am 2.2.1936 wieder zum katholischen Glauben bekannte. Obwohl die katholische Kirche zu diesem Zeitpunkt bereits den Verfolgungen und dem Druck des nationalsozialistischen Regimes ausgesetzt war, äußerte sich Verweyen öffentlich im Bonner Kirchenblatt mit den Worten „seinen Austritt aus der katholischen Kirche als den größten Irrtum seines Lebens zu bedauern" zu seinem Wiedereintritt.
Wegen seiner Kritik am Nationalsozialismus – insbesondere verurteilte er immer wieder scharf die antisemitischen Maßnahmen des Regimes –, wurde Verweyen seit 1936 von der Gestapo überwacht. Seine Schriften und Bücher, wie zum Beispiel „Zurück zu Christus", „Leben und Mysterien" oder auch „Heimkehr", wurden meist unmittelbar nach Erscheinen durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt.
Am 27.8.1941 wurde Johannes Maria Verweyen schließlich auf einer seiner Vortragsreisen, mit denen er sich mittlerweile den Lebensunterhalt verdiente und mit denen er große Anerkennung fand, verhaftet und ins Berliner Alex-Gefängnis gebracht. Ohne Anklage wurde er am 23.5.1942 ins Konzentrationslager Sachsenhausen überführt, wo er als Fremdsprachenlehrer den polnischen, russischen, ukrainischen, französischen, holländischen und jugoslawischen Häftlingen die meistgebrauchten Vokabeln und Befehle beibringen sollte. Verweyen nutze diese Stellung, um sich in der Seelsorge seiner Mitgefangenen zu betätigen und Vorträge zu halten.
Bei der Evakuierung des Lagers am 4.2.1945 meldete sich Johannes Maria Verweyen, entgegen den Warnungen seiner Freunde, er werde den 300 Kilometer langen Marsch nicht überstehen, freiwillig zum Transport nach Bergen-Belsen, wo er am 7.2.1945 ankam. Am 21.3.1945, kurz vor der Befreiung des Lagers durch englische Truppen am 15.4.1945, starb Verweyen an Flecktyphus.
Werke
Betrachtungen über Mystik, München 1926.
Deutschlands Geistige Erneuerung, Leipzig 1924.
Heimkehr – Eine religiöse Entwicklung, Breslau 1940.
Leben und Mysterien, Breslau 1939.
Philosophie und Theologie im Mittelalter, Bonn 1913.
Das Problem der Willensfreiheit in der Scholastik, Habilitationsschrift, Heidelberg 1909.
Probleme des Okkulten, Berlin 1926.
Die Tat im Ganzen der Philosophie, Heidelberg 1908.
Vom Geist der Deutschen Dichtung, Bonn 1917.
Walter Ehrenfried von Tschirnhaus als Philosoph, Dissertationsschrift, Bonn 1906.
Zurück zu Christus. Ein Buch der Einkehr und Umkehr, Breslau 1939.
Literatur
Gemeinde Bedburg-Hau (Hg.), Johannes Maria Verweyen, Bedburg-Hau 2005.
Hellberg, Helmut, Johannes Maria Verweyen. Wahrheitssucher und Bekenner, in: Bonner Geschichtsblätter 31 (1979), S. 122-154.
Kamps, Karl, Johannes Maria Verweyen, Gottsucher, Mahner und Bekenner, Wiesbaden 1955.
Kipping, Bernhard, Zum Gedenken an Johannes Maria Verweyen, in: Geschichtsbrief Bedburg-Hau 1 (2006), S. 16-19.
Klein, Jessica, Querdenker, Missionar und Märtyrer, in: Gaesdoncker Blätter 6 (2004), S. 51-58.
Kloidt, Franz, Verräter oder Martyrer. Dokumente katholischer Blutzeugen der nationalsozialistischen Kirchenverfolgung geben Antwort, Düsseldorf 1962, S. 208-229.
Moll, Helmut (Hg.), Zeugen für Christus: das deutsche Martyrologium des 20.Jahrhunderts, Paderborn 1999, S. 470-474.
Pfeiffer, Arnold, Johannes Maria Verweyen (1883-1945) – ein niederrheinischer Märtyrer eigener Art, in: Der Niederrhein 70 (2003), S. 206-209.
Seeger, Hans-Karl, "Johannes Maria Verweyen", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 21 (2003), Spalten 1507-1510.
Seeger, Hans-Karl, Johannes Maria Verweyen, in: Rundbrief Internationaler Karl-Leisner-Kreis 38 (1998), S. 57-62.
Zander, Helmut, Johannes Maria Verweyen (1883-1945) als Theosoph, in: Gaesdoncker Blätter 7 (2005), S. 37-70.
Online
Depositum Kipping - Sammlung Johannes Maria Verweyen im Gemeindearchiv Bedburg-Hau, Erläuterung und Findbuch (Information auf der Website Archive in NRW). [Online]
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Striewski, Jennifer, Johannes Maria Verweyen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-maria-verweyen/DE-2086/lido/57c938371c7743.31931177 (abgerufen am 26.03.2023)