Johannes Rethius

Jesuit (1532-1574)

Martin Bock (Frechen)

Brief von Johannes Rethius an den Rat der Stadt Köln mit der Bitte um Überlassung der Burse an ihn, Franz Caster und Heinrich Dionysius, 1556. Original im Historischen Archiv der Stadt Köln, Inv.-Nr. Univ. A. 976 A. (Rheinisches Bildarchiv)

Schlagworte

Mit Jo­han­nes Re­thi­us fass­te der Je­sui­ten­or­den in der Reichs­stadt Köln Fuß, ob­wohl die­se ge­nau das hat­te ver­hin­dern wol­len. Als aka­de­mi­scher Leh­rer und Pre­di­ger ver­an­ker­te er den Or­den und sein Köl­ner Kol­leg je­doch fest am Rhein. Da­bei half ihm sei­ne Zu­ge­hö­rig­keit zur Köl­ner Ober­schicht eben­so wie sei­ne Ent­schie­den­heit in der Sa­che. Zu­min­dest teil­wei­se ge­lang ihm ei­ne Re­form der Köl­ner Schul- und Uni­ver­si­täts­land­schaft.

Re­thi­us wur­de 1532 in Köln ge­bo­ren. Hu­ma­nis­tisch er­zo­gen ver­wen­de­te er zeit­le­bens die la­ti­ni­sier­te Form sei­nes Fa­mi­li­en­na­mens von Reidt, der ihn als Ab­kömm­ling der be­kann­ten Köl­ner Pa­tri­zi­er­fa­mi­lie zu er­ken­nen gibt. So­wohl sein Va­ter Jo­han­nes wie auch der gleich­na­mi­ge Gro­ßva­ter (um 1470-1535) be­klei­de­ten mehr­fach das Bür­ger­meis­ter­amt. Über sei­ne Mut­ter Ka­tha­ri­na Kan­nen­gie­ßer und de­ren Mut­ter Ka­tha­ri­na Rinck war Re­thi­us noch mit zwei wei­te­ren mäch­ti­gen Ge­schlech­tern ver­wandt. Er ge­hör­te da­mit der stadt­köl­ni­schen Eli­te an, die in der ers­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts von ei­ner Form des christ­li­chen Hu­ma­nis­mus ge­prägt war.

In die­sem Sinn be­such­te Re­thi­us die Kuck­aner­bur­se, eins der drei gro­ßen städ­ti­schen Gym­na­si­en, an dem die hu­ma­nis­ti­sche Leh­re zwar in be­son­de­rer Wei­se ver­wur­zelt war, das je­doch ins­ge­samt hin­sicht­lich sei­ner Ak­zep­tanz und Stel­lung im Nie­der­gang be­grif­fen war. Nach­dem Re­thi­us 1550 den Ma­gis­ter­grad er­wor­ben hat­te, setz­te er sei­ne Stu­di­en in Pa­ris fort, wo er al­ler­dings nur kurz blieb. Schon 1552 kehr­te er nach Köln zu­rück und wur­de Or­dens­mit­glied der Je­sui­ten, mit de­nen er be­reits seit 1546 in Ver­bin­dung ge­stan­den hat­te. Re­thi­us hielt die­se Mit­glied­schaft je­doch vor­läu­fig ge­heim, da er sich Kar­rie­re­chan­cen am „Tri­co­ro­na­tum“ aus­rech­ne­te, wie die Kuck­aner­bur­se auf­grund der drei Kro­nen aus dem Köl­ner Stadt­wap­pen über dem Ein­gangs­por­tal auch ge­nannt wur­de. De­ren Re­gens, der Hu­ma­nist Jo­han­nes Lei­chi­us (ge­stor­ben 1584), hat­te ihn als sei­nen Nach­fol­ger aus­er­se­hen. Re­thi­us ent­schied sich je­doch schlie­ß­lich auf An­ra­ten sei­nes Or­dens­bru­ders Leon­hard Kes­sel (1518-1574) da­für, sich öf­fent­lich zum Je­sui­ten­or­den zu be­ken­nen und das Tri­co­ro­na­tum vor­läu­fig zu ver­las­sen.

Er ging nach Rom, wo er am Col­le­gi­um Ro­ma­num stu­dier­te. Dort lern­te er un­ter an­de­rem Igna­ti­us von Lo­yo­la (1491-1556), den Grün­der des Je­sui­ten­or­dens, ken­nen und emp­fing aus sei­nen Hän­den die Pries­ter­wei­he. Kurz vor sei­nem Tod ent­sand­te Lo­yo­la Re­thi­us und an­de­re rhei­ni­sche Je­sui­ten, die sich in Rom auf­hiel­ten, nach Köln, um dort für die ka­tho­li­sche Re­form zu ar­bei­ten und den Je­sui­ten­or­den ge­gen die Vor­be­hal­te und An­fein­dun­gen des Ra­tes und des Kle­rus zu ver­tei­di­gen. Die Er­rich­tung ei­nes Kol­legs, wie es der je­sui­ti­schen Mis­si­ons­ar­beit ent­spro­chen hät­te, war da­bei aus­drück­lich nicht Auf­trag der klei­nen Ge­sandt­schaft, zu der ne­ben Re­thi­us auch Franz Cos­ter (1532-1619) und Hein­rich Dio­ny­si­us ge­hör­ten.

Ent­ge­gen der ur­sprüng­li­chen Pla­nung be­an­trag­ten die Or­dens­brü­der beim Rat der Stadt Köln, ih­nen die Lei­tung der Kuck­aner­bur­se zu über­tra­gen. Hier konn­te Re­thi­us an sei­ne Tä­tig­keit un­ter Lei­chi­us an­knüp­fen und gleich­zei­tig den Rat we­gen des drin­gen­den Re­form­be­darfs des Gym­na­si­ums in Zug­zwang brin­gen. Die Stadt­obe­ren wil­lig­ten schlie­ß­lich ein, Re­thi­us die Lei­tung zu über­tra­gen, je­doch aus­drück­lich „ad per­so­nam“, das hei­ßt als Pri­vat­per­son und nicht als Ver­tre­ter des Je­sui­ten­or­dens. Au­ßer­dem wur­de er zu­nächst nur für zwei Jah­re zum Re­gens be­stellt und muss­te da­für ei­ne Ge­bühr von 25 Reichs­ta­lern ent­rich­ten. Al­ler­dings be­gann Re­thi­us so­fort nach der Über­nah­me des Rek­to­rats ent­ge­gen je­der Selbst­ver­pflich­tung mit der Um­ge­stal­tung der Bur­se im je­sui­ti­schen Sinn; die Ein­rich­tung wur­de fort­an nur noch als „Kol­le­g“ be­zeich­net. Der Rat dul­de­te die­se Ent­wick­lung, ei­ner­seits we­gen des gro­ßen Er­folgs, den Re­thi­us und vor al­lem auch Dio­ny­si­us als Pre­di­ger in der Stadt hat­ten und mit dem sie dem Gym­na­si­um wie­der Auf­wind ga­ben. An­de­rer­seits konn­te Re­thi­us sich auf sein dich­tes fa­mi­liä­res Netz­werk stüt­zen, das nicht nur ins Pa­tri­zi­at reich­te, son­dern auch die füh­ren­den kirch­li­chen In­tel­lek­tu­el­len um­fass­te. Be­son­ders eng war sei­ne Bin­dung an die Fa­mi­lie Grop­per: mit Pa­tro­k­lus (1512-1558), dem Bru­der des gro­ßen Jo­han­nes Grop­per war er ver­schwä­gert, mit Jo­han­nes selbst ver­band Re­thi­us ei­ne en­ge Freund­schaft. Der Rat, der ju­ris­tisch noch der Trä­ger des Tri­co­ro­na­tums war, nahm dann auch die po­si­ti­ve Ent­wick­lung und vor al­lem die deut­lich stei­gen­den Schü­ler­zah­len zu­frie­den zur Kennt­nis, so dass das Jahr 1556/1557 mit al­ler Be­rech­ti­gung als Grün­dungs­jahr des Köl­ner Je­sui­ten­kol­legs gel­ten darf. Der Er­folg Re­thi­us‘ und der Je­sui­ten über­haupt grün­de­te dar­auf, der brei­ten Mas­se der Be­völ­ke­rung die kirch­li­che Leh­re ver­ständ­lich zu ma­chen. Ka­te­chis­mus und Evan­ge­li­um wur­den den Gläu­bi­gen in ein­fa­cher Spra­che er­läu­tert, re­li­giö­se Schrif­ten ins Deut­sche über­setzt und ver­legt. So trug Re­thi­us we­sent­lich zur Ver­brei­tung der Schrif­ten des Pe­trus Ca­ni­si­us im Rhein­land bei und be­müh­te sich stets um ge­eig­ne­te Lek­to­ren, Über­set­zer und Au­to­ren. Da­mit die­se sich al­lei­ne auf ih­re Auf­ga­ben in Leh­re und Seel­sor­ge kon­zen­trie­ren konn­ten, ver­such­te Re­thi­us wann im­mer mög­lich Mä­ze­ne zu ge­win­nen, die ih­nen den Le­bens­un­ter­halt fi­nan­zier­ten, oder ih­nen Stifts­pf­rün­den zu ver­schaf­fen, aus de­ren Er­trä­gen sie le­ben konn­ten. Zu den auf die­se Wei­se Ge­för­der­ten ge­hör­ten un­ter an­de­rem Hein­rich Fa­bri­ti­us (um 1540-1600) und auch Ja­kob Mid­den­dorp (1538-1611/1613); ins­be­son­de­re letz­te­ren um­warb Re­thi­us hef­tig und ver­schaff­te ihm, wie­der­um un­ter Aus­nut­zung sei­ner viel­fäl­ti­gen Kon­tak­te, über Gott­fried Grop­per (1507-1571) ei­ne Pfrün­de an St. Ma­ria ad gra­dus, der ein­zi­gen heu­te nicht mehr exis­tie­ren­den ro­ma­ni­schen Stifts­kir­che Kölns.

Al­ler­dings er­war­te­te Re­thi­us von den so ab­ge­si­cher­ten Ge­lehr­ten, dass sie nicht nur, wie es viel­fach üb­lich ge­we­sen war, die Ein­nah­men aus ih­ren Pfrün­den ein­stri­chen, son­dern mit der­sel­ben Ar­beits­kraft und Be­harr­lich­keit zu Wer­ke gin­gen wie er selbst. In vie­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den Stifts­ka­pi­teln und der Uni­ver­si­tät setz­te er sich da­für ein, dass die Pro­fes­so­ren ih­re Vor­le­sun­gen selbst hiel­ten und nicht von schlecht aus­ge­bil­de­ten Hel­fern vor­tra­gen lie­ßen. Da­durch hoff­te er die Qua­li­tät der Leh­re zu he­ben, wie schon sein Va­ter es mit dem Ent­wurf ei­ner Uni­ver­si­täts­re­form an­ge­strebt hat­te. Al­ler­dings konn­te Re­thi­us sich hier nicht dau­er­haft durch­set­zen, viel­leicht auch, weil die bei­den Grop­per-Brü­der Jo­han­nes und Pa­tro­k­lus schon früh ver­star­ben und Re­thi­us mit ih­nen wich­ti­ge Für­spre­cher sei­nes An­lie­gens ver­lor. Le­dig­lich die Uni­ver­si­tä­ten in Mainz und Trier konn­te er von Köln aus mit je­sui­ti­schem Per­so­nal be­set­zen und neu aus­rich­ten.

Ver­mut­lich war Re­thi­us‘ Hal­tung für den in die­ser Zeit in kon­fes­sio­nel­ler Hin­sicht noch mo­dera­ten Köl­ner Rat zu re­strik­tiv. Stets hat­te er sich für ein har­tes Vor­ge­hen ge­gen Neu­gläu­bi­ge aus­ge­spro­chen; be­reits wäh­rend sei­ner frü­hen Lehr­jah­re zur Zeit des Re­for­ma­ti­ons­ver­suchs des Erz­bi­schof­s Her­mann von Wied no­tier­te er iro­nisch, es sei nun schon et­was Be­son­ders, wenn ein neu­er Dom­ka­pi­tu­lar ein­mal kein Hä­re­ti­ker sei. Als 1571 der jun­ge bay­ri­sche Her­zo­g Ernst in Köln vor­stel­lig wur­de, um die Chan­cen für sei­ne Wahl zum Erz­bi­schof aus­zu­lo­ten, wur­de Re­thi­us mit der theo­lo­gi­schen Aus­bil­dung des Aspi­ran­ten be­auf­tragt. Er ver­zwei­fel­te al­ler­dings an Ernsts sehr welt­li­chem Cha­rak­ter, den er trotz je­sui­ti­scher Aus­bil­dung be­hal­ten hat­te, und nutz­te die Ge­le­gen­heit, um al­le Köl­ner Erz­bi­schö­fe sei­ner Zeit seit Adolf von Schaum­burg für un­ge­eig­net zu er­klä­ren. An den Or­dens­pro­vin­zi­al Her­mann Thy­rä­us schrieb er: Wenn Gott in sei­nem Er­bar­men nicht ge­wacht hät­te, wä­ren die Wöl­fe ein­ge­drun­gen und hät­ten die Scha­fe zer­streut. Ähn­li­che Äu­ße­run­gen fin­den sich in sei­nem Ta­ge­buch, das sich als ein­zig­ar­ti­ges Selbst­zeug­nis ei­nes früh­neu­zeit­li­chen deut­schen Je­sui­ten er­hal­ten hat.

Im Jahr 1573 reis­te Re­thi­us als De­pu­tier­ter der nie­der­rhei­ni­schen Or­dens­pro­vinz zur Wahl der Or­dens­obe­ren noch ein­mal nach Rom. Bald nach sei­ner Rück­kehr wur­de er von dem of­fen­bar geis­tig ver­wirr­ten Je­sui­ten Ger­hard Pesch ge­mein­sam mit sei­nen Leh­rer­kol­le­gen am Tri­co­ro­na­tum, Ni­co­las Fa­ber und Leon­hard Kas­sel, der ihn einst über­zeugt hat­te, sich zu sei­ner Or­dens­mit­glied­schaft zu be­ken­nen, auf dem Schul­hof des Gym­na­si­ums er­mor­det. Er starb am 26.10.1574.

Literatur (Auswahl)

Fin­ger, Heinz (Hg.), Die An­fän­ge der Ge­sell­schaft Je­su und das ers­te Je­sui­ten­kol­leg in Köln. Ei­ne Aus­stel­lung der Diö­ze­san- und Dom­bi­blio­thek Köln in Zu­sam­men­ar­beit mit der Deut­schen Pro­vinz der Je­sui­ten zum Igna­tia­ni­schen Jahr 2006, Köln 2006.
Holt, Paul, Aus dem Ta­ge­buch des Jo­hann Re­thi­us 1571-74. Ein Bei­trag zur Geis­tes­ge­schich­te und zur stadt­köl­ni­schen Po­li­tik, Teil I in: Jahr­buch des Köl­ni­schen Ge­schichts­ver­eins 20 (1938), S. 77-138; Teil II in: Jahr­buch des Köl­ni­schen Ge­schichts­ver­eins 21 (1939), S. 47-110.
Kuck­hoff, Jo­sef, Jo­han­nes Re­thi­us, der Or­ga­ni­sa­tor des ka­tho­li­schen Schul­we­sens in Deutsch­land im 16. Jahr­hun­dert, Düs­sel­dorf 1929.
Meu­then, Erich, Köl­ner Uni­ver­si­täts­ge­schich­te, Band 1: Die al­te Uni­ver­si­tät, Köln 1988.
Schil­ling, Lo­thar, Jo­han­nes Re­thi­us, in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 12 (1991), S. 111-140.
Te­wes, Götz-R., Die Bur­sen der Köl­ner Ar­tis­ten-Fa­kul­tät bis zur Mit­te des 16. Jahr­hun­derts, Köln 1993.

Online

Meu­then, Erich, Klei­ne Köl­ner Uni­ver­si­täts­ge­schich­te. [On­line]
Schil­ling, Lo­thar, Re­thi­us, Jo­han­nes, in: NDB 21 (2003), S. 446-447. [On­line]

 
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Bock, Martin, Johannes Rethius, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johannes-rethius/DE-2086/lido/57cd1d9f55ba08.78869109 (abgerufen am 19.04.2024)