Josef Bürckel

NS-Gauleiter (1895-1944)

Björn Thomann (Suderburg)

Josef Bürckel, Porträtfoto, um 1937/39. (National Digital Archive Poland)

Jo­sef Bürck­el war ein ein­fluss­rei­cher und po­pu­lä­rer Po­li­ti­ker im „Drit­ten Reich", dem zwi­schen 1925 und 1940 der Auf­stieg vom Volks­schul­leh­rer zum Reichs­statt­hal­ter des Gaus West­mark  ge­lang. Sei­ne von so­zia­lis­ti­schen Ide­en ge­präg­te Po­li­tik brach­te ihm den Bei­na­men „ro­ter Gau­lei­ter" ein.

Jo­sef Bürck­el wur­de am 30.3.1895 in Lin­gen­feld bei Ger­mers­heim als Sohn des Bä­cker­meis­ters Mi­cha­el Bürck­el und des­sen Ehe­frau Mag­da­le­na ge­bo­ren. Ab 1909 be­such­te er die Leh­rer­bil­dungs­an­stalt in Karls­ru­he und nahm 1914 als Frei­wil­li­ger am Ers­ten Welt­krieg teil. Nach Kriegs­en­de be­en­de­te er sei­ne Aus­bil­dung und ar­bei­te­te in den 1920er Jah­ren als Leh­rer in Ro­dal­ben und in Muß­bach bei Neu­stadt.

Ver­mut­lich trat Jo­sef Bürck­el be­reits 1921 der NS­DAP bei, wo er mit dem lin­ken Flü­gel um Ge­org Stras­ser (1892-1934) sym­pa­thi­sier­te und sich mit die­sem für ei­ne stär­ke­re so­zia­lis­ti­sche Aus­rich­tung der Par­tei ein­setz­te.1926 wur­de Bürck­el die Füh­rung des Gaus Rhein­pfalz über­tra­gen, die er trotz ei­ner star­ken in­ner­par­tei­li­chen Op­po­si­ti­on zu be­haup­ten wuss­te. 1930 wur­de er als Ab­ge­ord­ne­ter in den Reichs­tag ge­wählt. Bürck­el ent­wi­ckel­te sich in die­sen Jah­ren zu ei­nem skru­pel­lo­sen Macht­po­li­ti­ker, der sich in den oft jah­re­lan­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit sei­nen Geg­nern durch Durch­hal­te­ver­mö­gen und tak­ti­sches Ge­schick aus­zeich­ne­te.

Von Adolf Hit­ler (1889-1945) im Jahr 1933 zum „Saar­kom­mis­sar der NS­DAP" er­nannt, fiel Bürck­el bei der Vor­be­rei­tung der Ver­ei­ni­gung des Saar­ge­bie­tes mit dem Deut­schen Reich ei­ne Schlüs­sel­rol­le zu. Bei der am 13.1.1935 un­ter der Auf­sicht des Völ­ker­bun­des durch­ge­führ­ten frei­en Volks­ab­stim­mung vo­tier­ten schlie­ß­lich über 90 Pro­zent der Saar­län­der für ih­re Wie­der­ein­glie­de­rung in das Deut­sche Reich.

Bürck­el hat­te ei­nen ent­schei­den­den Bei­trag zu die­sem Er­geb­nis ge­leis­tet und wur­de in das neu ge­schaf­fe­ne Amt ei­nes „Reichs­kom­mis­sars für das Saar­land" be­ru­fen. Mit sei­nem en­er­gi­schen und ef­fi­zi­en­ten Vor­ge­hen hat­te er Hit­ler zu ei­nem wich­ti­gen in­nen- und au­ßen­po­li­ti­schen Etap­pen­sieg ver­hol­fen und sich so­mit für wei­te­re Auf­ga­ben emp­foh­len. Zwar schei­ter­te er 1936 zu­nächst mit dem Vor­stoß, un­ter sei­ner Füh­rung ei­nen Reichs­gau Saar-Pfalz zu in­stal­lie­ren, wur­de aber 1938 von Hit­ler mit der Neu­for­mie­rung der ös­ter­rei­chi­schen NS­DAP und der Vor­be­rei­tung des „An­schlus­ses" der „Ost­mark" an das Deut­sche Reich be­auf­tragt. Vom 23.4.1938 bis zum 31.3.1940 for­cier­te er als „Reichs­kom­mis­sar für die Wie­der­ver­ei­ni­gung Ös­ter­reichs mit dem Deut­schen Reich" und als Gau­lei­ter von Wien nicht durch die po­li­ti­sche, son­dern auch die ge­sell­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Gleich­schal­tung Ös­ter­reichs.

Um die Ver­trei­bung der jü­di­schen Be­völ­ke­rung zu be­schleu­ni­gen, grün­de­te der über­zeug­te An­ti­se­mit Bürck­el be­reits 1938 die „Zen­tral­stel­le für jü­di­sche Aus­wan­de­rung" in Wien, de­ren Lei­ter Adolf Eich­mann wur­de. Im Ge­gen­satz zu sei­ner pfäl­zi­schen Hei­mat, wo er als volks­na­her Po­li­ti­ker ei­nen ho­hen Po­pu­la­ri­täts­grad er­langt hat­te und als „Ver­kör­pe­rung des Volks­tums die­ser süd­west­li­chen Land­schaft" ge­fei­ert wur­de, stieß sein au­to­kra­ti­scher Füh­rungs­stil un­ter den Ös­ter­rei­chern bald auf ent­schie­de­ne Ab­leh­nung. Nach Aus­sa­ge des Ge­ne­rals Ed­mund von Glai­se-Hors­ten­au (1882-1946) be­trieb Bürck­el ei­ne „Haus­macht­po­li­tik wie ein mit­tel­al­ter­li­cher Her­zog", be­setz­te Schlüs­sel­po­si­tio­nen in der Ver­wal­tung be­vor­zugt mit Ge­folgs­leu­ten aus der Pfalz und er­wies sich im Um­gang mit der ös­ter­rei­chi­schen Be­völ­ke­rung als takt­los und un­ge­schickt. Im Som­mer 1940 sah sich Hit­ler ge­zwun­gen, ihn durch Bal­dur von Schi­rach (1907-1974) zu er­set­zen. Im Ge­gen­zug wur­de Bürck­el am 2.8.1940 die Lei­tung der Zi­vil­ver­wal­tung im be­setz­ten Loth­rin­gen über­tra­gen.

Die Zu­sam­men­le­gung der Rhein­pfalz und des Saar­ge­bie­tes zum Gau West­mark, dem pro­vi­so­risch auch Loth­rin­gen zu­ge­ord­net wur­de, stell­te im Herbst 1940 den Hö­he­punkt in Bürck­els po­li­ti­scher Kar­rie­re dar. Im März 1941 of­fi­zi­ell von Hit­ler zum Reichs­statt­hal­ter er­nannt, un­ter­stand ihm nun ein 14.000 Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ßes Ter­ri­to­ri­um mit 2,6 Mil­lio­nen Ein­woh­nern.

Be­reits im Herbst 1940 hat­te er die um­ge­hen­de De­por­ta­ti­on der in sei­nem Macht­be­reich le­ben­den Ju­den an­ge­ord­net und er­wies sich auch bei der eben­falls mit al­ler Här­te um­ge­setz­ten Ab­schie­bung re­gime­kri­ti­scher Per­so­nen aus Loth­rin­gen als be­reit­wil­li­ger Er­fül­lungs­ge­hil­fe Hit­lers. Ab 1943 be­gan­nen sich die Kom­pe­tenz­strei­tig­kei­ten mit Hein­rich Himm­ler (1900-1945), des­sen Ein­fluss in den Gau­en nach sei­ner Er­nen­nung zum In­nen­mi­nis­ter ent­schei­dend zu­nahm, er­heb­lich zu ver­schär­fen. In der De­bat­te um das mi­li­tä­ri­sche Vor­ge­hen wäh­rend der Schlacht um Loth­rin­gen kam es schlie­ß­lich An­fang Sep­tem­ber 1944 zum ent­schei­den­den Zer­würf­nis mit Hit­ler. Auf Ver­an­las­sung von Mar­tin Bor­mann (1900-1945) wur­den Bürck­el dar­auf­hin am 8.9.1944 weit rei­chen­de Kom­pe­ten­zen ent­zo­gen und sei­nem spä­te­ren Nach­fol­ger Wil­li Stöhr (1903-1994) über­tra­gen.

We­ni­ge Wo­chen spä­ter starb Jo­sef Bürck­el am 28.9.1944 in sei­nem Haus in Neu­stadt an der Wein­stra­ße. Als of­fi­zi­el­le To­des­ur­sa­che wur­de ein „Ver­sa­gen des Kreis­lau­fes" als Fol­ge ei­ner Darm­er­kran­kung und ei­ner Lun­gen­ent­zün­dung dia­gnos­ti­ziert. Die Um­stän­de sei­nes plötz­li­chen To­des bo­ten nach Kriegs­en­de al­ler­dings Raum für Spe­ku­la­tio­nen. Ein Nach­weis für den Ver­dacht, Bürck­el sei von der SS er­mor­det oder zum Selbst­mord ge­zwun­gen wor­den, konn­te je­doch nicht er­bracht wer­den.

Literatur

Fens­ke, Hans, Jo­sef Bürck­el (1895-1944), in: Hart­mut Hart­hau­sen (Hg.), Pfäl­zer Le­bens­bil­der 6 (2001), S. 321-350.
Ger­hard, Paul, Jo­sef Bürck­el – Der ro­te Gau­lei­ter, in: Smelser, Ro­nald u.a. (Hg.), Die brau­ne Eli­te, Band 2, Darm­stadt 1999, S. 51-65.
Mus­kal­la, Die­ter, NS-Po­li­tik an der Saar un­ter Jo­sef Bürck­el. Gleich­schal­tung – Neu­ord­nung – Ver­wal­tung, Saar­brü­cken 1995.
Wolfan­g­er, Die­ter, Po­pu­list und Macht­po­li­ti­ker – Jo­sef Bürck­el: Vom Gau­lei­ter der Pfalz zum Chef der Zi­vil­ver­wal­tung in Loth­rin­gen, in: Nest­ler, Ger­hard / Zieg­ler, Han­nes (Hg.), Die Pfalz un­term Ha­ken­kreuz. Ei­ne deut­sche Pro­vinz wäh­rend der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ter­ror­herr­schaft, Land­au 1993, S. 63-86. 

Online

Von der Wei­ma­rer Re­pu­blik zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus in der Pfalz: Jo­sef Bürck­el, (On­line­an­ge­bot der Baye­ri­schen Zeit­schrift für Po­li­tik und Ge­schich­te, Ein­sich­ten und Per­spek­ti­ven). Nest­ler, Ger­hard, Volks­so­zia­lis­ti­sche Selbst­hil­fe Rhein­pfalz, 1933/34 (On­line­an­ge­bot des His­to­ri­schen Le­xi­kon Bay­erns). 

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Josef Bürckel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/josef-buerckel-/DE-2086/lido/57c58ab6e36f84.99495985 (abgerufen am 19.04.2024)