Zu den Kapiteln
Jürgen von Manger zählte seit den 1960er Jahren zu den populärsten deutschsprachigen Humoristen. Bekannt wurde er nicht zuletzt durch die von ihm entwickelte und über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren verkörperte Kunstfigur des „Adolf Tegtmeier“, durch den er mit Ruhrgebietsdialekt, Sprachwitz und unbestechlicher banaler Logik die Menschen, den Alltag und die Geschehnisse seiner Zeit persiflierte.
Hans Jürgen Julius Emil Fritz von Manger wurde am 6.3.1923 in Koblenz als zweiter von drei Söhnen des Staatsanwalts Fritz Koenig und dessen Ehefrau Antonia von Manger geboren. Die Mutter entstammte einer seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in Koblenz ansässigen katholischen Adelsfamilie. Ihren Titel hatte sie jedoch durch die Eheschließung im Jahr 1919 verloren und erlangte diesen erst wieder, nachdem sie von ihrem Onkel Martin von Manger im Jahre 1927 adoptiert worden war. Auch die Kinder trugen von nun an den Namen „von Manger-Koenig“.
Seine ersten zehn Lebensjahre verbrachte Jürgen von Manger in Koblenz. Erst mit der Versetzung seines Vaters an das Landgericht Hagen im Jahr 1933 verlagerte sich sein Lebensmittelpunkt in das sein späteres Wirken maßgeblich prägende Ruhrgebiet. Dort hatte die im vornehmen Hagener Stadtteil Emst wohnhafte Familie zunächst einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften, da der Vater noch im gleichen Jahr verstarb. Sein zweitältester Sohn besuchte ab 1933 das Hagener Fichte-Gymnasium, wechselte aber später auf das Albrecht-Dürer-Gymnasium, wo er 1941 das Notabitur bestand.
Mit Blick auf die Berufswahl schwankte Manger zwischen einer Laufbahn als Jurist, die durch die Tradition der Familie vorgegeben schien, und einer Karriere als Schauspieler. Beide Varianten übten ihren Reiz auf ihn aus. Seinen ersten Bühnenauftritt hatte er noch zu Schulzeiten Anfang 1939 im Hagener Stadttheater als Statist in einer Inszenierung des „Wilhelm Tell“ von Friedrich Schiller (1759-1805). Eine Entscheidung in dieser Frage wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vertagt. Unmittelbar nach Bestehen des Notabiturs wurde Manger zur Wehrmacht eingezogen und war als Soldat zunächst an der Ostfront stationiert. 1943 erfolgte die Verlegung seiner Einheit nach Italien, wo er 1945 auch das Ende des Krieges erlebte. Vom Tag der Einberufung an führte Manger in diesen Jahren Werke des bayerischen Schriftstellers Ludwig Thoma (1867-1921) bei sich, dessen satirische Alltagsdarstellungen einen nachhaltigen Einfluss auf ihn ausübten.
1945 nach Hagen zurückgekehrt, entschied sich die Frage des beruflichen Werdeganges. Das Studium der Rechte blieb ihm wegen der Überfüllung der Universitäten und der bevorzugten Behandlung älterer Jahrgänge zunächst verschlossen. Dafür erhielt er im September 1945 einen Vertrag am Hagener Stadttheater, wo er im Dezember 1945 unter anderem in der Rolle des Pylades in „Iphigenie auf Tauris“ von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) auf sich aufmerksam machte. 1947 wechselte er an das renommierte Schauspielhaus in Bochum, im Jahr 1950 unterschrieb er einen Vertrag bei den Städtischen Bühnen Gelsenkirchen.
Bis zum Beginn der 1960er Jahre glänzte er hier durch seine Interpretation komödiantischer Charaktere. Seit 1954 hatte er wiederholt als Sprecher in Hörspielen für Kinder und später für Erwachsene mitgewirkt und war auf diese Weise auch für den Hörfunk interessant geworden. Trotzdem erschienen ihm die sich durch die Schauspielerei offerierenden beruflichen Perspektiven in der Mitte der 1950er Jahre keineswegs als ausreichend genug, um sämtliche Zukunftspläne ausschließlich auf sie zu fixieren. Zwischen 1954 und 1958 holte er daher an den Universitäten in Köln und Münster das ursprünglich angestrebte Jurastudium nach, wenngleich dieses letztlich ohne Abschluss blieb.
Die Weichenstellung für den weiteren Verlauf seiner künstlerischen Laufbahn erfolgte bei seinem ersten Soloauftritt im Rundfunk am 31.12.1961. Im Rahmen der Silvestersendung des NDR hatte er die Gelegenheit erhalten, das von ihm geschriebene und von rabenschwarzem Humor getragene Stück „Der Schwiegermuttermörder“ zu präsentieren. Binnen kurzer Frist folgten 1962 weitere Rundfunkauftritte, auf die im März 1962 auch seine erfolgreiche Fernsehpremiere folgte. 1963 ging Manger mit seinem Programm „Stegreifgeschichten“ erstmals auf Tournee, im gleichen Jahr konnten die ersten beiden Schallplatten veröffentlicht sowie „Der Schwiegermuttermörder“ verfilmt werden. In der Presse wurde Jürgen von Manger als legitimer Nachfolger des bayerischen Komödianten Karl Valentin (1882-1942) gefeiert.
Wenngleich Manger in seinen Stücken mehrere Charaktere verkörperte und dabei eine außerordentliche künstlerische Bandbreite offenbarte, so gründet sein hoher Bekanntheitsgrad über die Grenzen des Landes Nordrhein-Westfalen hinaus vor allem auf der Figur des im Ruhrgebiet beheimateten Kleinbürgers „Adolf Tegtmeier“. Dessen Popularität legte Manger in künstlerischer Hinsicht fortan vornehmlich auf eine Rolle fest, wenngleich er auch weiterhin in anderen Rollen zu überzeugen wusste. So spielte er 1964 unter der Regie von Helmut Käutner in Düsseldorf den Frosch in der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß (1825-1899). Verschiedene Eigenschaften gaben der Figur des Adolf Tegtmeier ihr charakteristisches Gepräge: Schlitzohrigkeit, Selbstironie, aber auch eine unerschütterliche Selbstsicherheit kennzeichneten diesen Charakter ebenso wie sein unbedarftes und von äußeren Konventionen befreites Reden und Handeln. Den Dialekt des Ruhrgebietes nutzte Manger als Grundlage seines virtuosen Spiels mit grammatikalischen Regelbrüchen, sprachlichen Finten und Doppeldeutigkeiten, ohne dabei jedoch unnatürlich zu wirken. Die in der Banalität des Alltäglichen wurzelnde Originalität verlieh seinem Alter Ego Tegtmeier ein hohes Maß an Authentizität, die keiner weiteren künstlerischen Überzeichnung bedurfte.
Auf der Bühne und bei den Aufritten im Fernsehen unterstrichen die charakteristische Schirmmütze, die ungefüge Gestalt, der schwarze Oberlippenbart und nicht zuletzt die markanten Gesichtszüge, Folgen einer in der Jugend erlittenen Gesichtslähmung, die Unverwechselbarkeit dieser Figur. Seit der Mitte der 1960er Jahre gelang es Manger seine, beziehungsweise Tegtmeiers Popularität geschickt zu vermarkten. Als typischer Repräsentant des Ruhrgebiets geltend, wurde er zu einem bevorzugten Werbeträger, beispielsweise für die Dortmunder Union-Brauerei. Andererseits sah er sich auch vereinzelten kritischen Stimmen ausgesetzt, die ihm vorwarfen, er würde die im Ruhrgebiet lebende Bevölkerung als einen geistig minderbemittelten Menschenschlag zu stigmatisieren versuchen und sie auf diese Weise der Lächerlichkeit preisgeben.
Im Privaten erwies sich Manger, der seit 1952 mit der Fotografin Ruth Stanszus verheiratet war, zeitlebens als bescheiden und bodenständig. Geprägt durch die Not der Kriegs- und Nachkriegsjahre neigte er zu großer Sparsamkeit, entfaltete aber zugleich eine Sammelleidenschaft für Gemälde, Möbel und sonstige Antiquitäten. Von Natur aus introvertiert, war er seit seiner Jugend zu einem aufmerksamen Beobachter seiner Umwelt und hier naturgemäß der Menschen im Ruhrgebiet geworden. Die von ihm hier aufgenommenen Impulse und Erfahrungen verliehen seinen Bühnenfiguren ihre hohe Glaubwürdigkeit.
In den 1970er und 1980er Jahren feierte Jürgen von Manger neben seinen Bühnenprogrammen auch mit verschiedenen Fernsehformaten große Erfolge, unter anderem durch seine zwischen 1972 und 1977 für das ZDF produzierte Reihe „Tegtmeiers Reisen“, in der er aus der Sicht seines Alter Egos beliebte touristische Zentren weltweit porträtierte. Mangers Auftritte stießen generationenübergreifend auf Zustimmung, seine Fernsehsendungen erreichten in den 1970er Jahren Quoten von über 50 Prozent. Neben seinen Sprechplatten erlangten auch Musiktitel wie „Bottroper Bier“ oder „Dat bisken Frühschicht“ einen weit über seinen Tod hinaus nachwirkenden Kultstatus.
Ein Schlaganfall am 15.8.1985 markierte im Leben Jürgen von Mangers eine tiefgreifende Zäsur. Von den Folgen sollte er sich nicht mehr erholen. Die Tragik dieses Vorfalls brachte es mit sich, dass nicht nur die rechte Körperhälfte gelähmt blieb, sondern auch das Sprachzentrum nachhaltig geschädigt worden war. Nach zahlreichen Klinikaufenthalten verbrachte er seine letzten Lebensjahre in seinem Haus in Herne. In dieser Zeit erhielt er das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1987) und den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen (1990) verliehen. Jürgen von Manger starb am 15.3.1994 in Herne. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Hagen-Delstern.
Werke
Bleibense Mensch. Träume, Reden und Gerede des Adolf Tegtmeier, München 1966.
Literatur
Schütze, Peter F./Jankó, Mirjam von (Hg.), Dat soll mir erst mal einer nachmachen. Adolf Tegtmeier und Jürgen von Manger, Essen 1998.
Online
Jürgen von Manger - ein vielseitiges Ruhrgebietsoriginal (Homepage der Stadt Hagen). [Online]
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Thomann, Björn, Jürgen von Manger, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/juergen-von-manger/DE-2086/lido/57c946e03687f6.50477172 (abgerufen am 03.10.2024)