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Der 1858 in Köln geborene Verlegersohn Karl Bachem entstammte nicht nur einer der bedeutendsten rheinischen Familien des sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierenden politischen Katholizismus, durch seine breitgefächerten Tätigkeitsgebiete als Jurist, Journalist, Politiker, intellektueller Vordenker und letzten Endes als Historiker und Publizist der Zentrumspartei war er wohl auch der bekannteste Spross seiner Familie.
Karl Josef Emil Bachem wurde am 22.9.1858 als zweiter Sohn Josef Bachems (1821-1893), des Gründers der „Kölnischen Volkszeitung“, und seiner Frau Katharina, geborene Degen (1831-1921), in der Kölner Marzellenstraße im Schatten des Domes geboren. Mit seinem ein Jahr älteren Bruder Franz Xaver (1857-1936) wuchs Karl mit drei weiteren jüngeren Brüdern und einer jüngeren Schwester auf.
Das Elternhaus prägte den weiteren Lebensweg Karl Bachems entscheidend: Zunächst war es für alle fünf Brüder vorgesehen, die Realschule erster Ordnung in der Kölner Kreuzgasse zu besuchen, um nach Möglichkeit anschließend eine Tätigkeit im väterlichen Verlag zu übernehmen. Doch intellektuelles Ambiente im Eltern- und Verlagshaus des J. P. Bachem-Verlages färbten auf den heranwachsenden Karl schon früh ab, fiel sein Heranreifen des politischen Verstandes doch in die Zeit des vehement losbrechenden Kulturkampfes in der ersten Phase der Bismarck-Ära und in die Gründungsphase der katholischen Zentrumspartei, die mit ihrem Führer Ludwig Windthorst (1812-1891) in vielerlei Hinsicht ein Gegenbild zum preußisch-protestantisch geprägten Kaiserreich darstellte.
Nach dem im Herbst 1876 bestandenen Abitur entsprach es dem Wunsch des Vaters, Karl solle Jura studieren und später in die Redaktion der „Kölnischen Volkszeitung“ eintreten, ganz nach dem Vorbild seines entfernten älteren Vetters Julius Bachem, der seit 1869 führender redaktioneller Kopf der Zeitung war.
Was den Studienort betraf, so war Karl Bachem in seiner Entscheidung frei. Seine Wahl fiel zunächst auf Straßburg, wo er mit den etwas älteren Kommilitonen Karl Trimborn, dem späteren Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Zentrumspartei, und Adolf Gröber (1854-1919), dem bekannten württembergischen Zentrumspolitiker, zwei wichtige lebenslange Freundschaften schloss. Nach zweijährigem Studium in Straßburg wo er der KSTV Frankonia Straßburg im KV beigetreten war, wechselte er zum Wintersemester 1878/1879 nach Berlin. Dort stand der Abschluss des ersten Referendarexamens im Vordergrund, das Karl Bachem ein Jahr später nach sechs Semestern ablegte.
Bachems Studium diente freilich auch der Kontaktpflege im Sinne der eigenen Familien- und Verlagspolitik, also des „sentire cum ecclesia“, weshalb Vorlesungen im Kirchen- und Staatsrecht einen Schwerpunkt bildeten. Zudem sammelte er, gerade in der Reichshauptstadt, in seinem studentischen Umfeld als Mitglied der KSTV Askania-Burgundia Berlin erste Erfahrungen als Rhetoriker und Vorkämpfer für die Anliegen des politischen Katholizismus während der Kulturkampfzeit.
Nach der Ablegung des ersten Staatsexamens wurde er im Januar 1880 von der juristischen Fakultät der Universität Göttingen promoviert, die 53-seitige rechtshistorisch orientierte Dissertationsschrift wurde im selben Jahr im väterlichen Verlag gedruckt.
Nach der Ablegung des ersten Staatsexamens wurde er im Januar 1880 von der juristischen Fakultät der Universität Göttingen promoviert, die 53-seitige rechtshistorisch orientierte Dissertationsschrift wurde im selben Jahr im väterlichen Verlag gedruckt.
Die Jahre bis zu Bachems Aufstieg als Berufspolitiker auf Reichsebene formten den Kölner Verlegersohn politisch und in seinem sozialen Engagement und legten die weiteren Fundamente für seine vielseitige berufliche Tätigkeit. Bachems familiäre wie regionale Herkunft und die Zeitumstände beförderten seine Laufbahn dabei unbestritten: Die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren die Jahre des abklingenden Kulturkampfes im Reich, aber auch die Jahre der Formierung eines starken politischen Katholizismus im Rheinland, der reichsweit zum stärksten Vorposten der noch jungen deutschen Zentrumspartei avancierte. Im Rheinland und besonders in Köln war dies dem Volksverein für das katholische Deutschland als starke Rekrutierungsstätte junger Talente im Zentrumsmilieu zu verdanken, publizistisch der starken Stellung der „Kölnischen Volkszeitung“, für die Bachem selbstverständlich oftmals Artikel beisteuerte.
In diesem Umfeld betätigte sich Bachem unermüdlich: Nach dem Ende seines Referendariats am Kölner Oberlandesgericht 1886 ließ er sich 1887 als Rechtsanwalt in Köln nieder. Für die Armen und Bedürftigen setzte er sich zwölf Jahre lang bis 1892 als städtischer Armenpfleger ein - ein Ehrenamt, zu dem er als stimmfähiger Bürger von der Armenverwaltung der Stadt Köln nach Antritt seines Referendariats verpflichtet wurde. Für den Kölner Volksverein arbeitete er neun Jahre bis 1889 in erster Linie als begehrter Redner in Versammlungen aller Art, um unter anderem Werbung für die Politik der Zentrumspartei zu machen.
In den Jahren 1889 bis 1891 änderten sich die beruflichen wie privaten Lebensumstände von Karl Bachem. Er errang in dem für die Zentrumspartei sicheren Wahlkreis Krefeld zunächst 1889 das Reichstagsmandat und 1890 das Mandat für das preußische Abgeordnetenhaus. Ein Jahr später heiratete er die aus betuchtem Hause stammende Katharina Roeckerath (1870-1906), deren Vater Peter-Josef Roeckerath (1837-1905) ebenfalls von 1884 bis 1887 Abgeordneter des Zentrums im Reichstag war. Die früh verstorbene Gattin sicherte ihm durch ihr Erbe zeitlebens eine finanzielle Unabhängigkeit.
Mit Anfang 30 war der neue Berufspolitiker das jüngste Mitglied des Reichstages. Damit war er nur ein halbes Jahr älter als Kaiser Wilhelm II. (Regentschaft 1888-1918), der 1888 die Regentschaft nach dem Tod seines Großvaters und Vaters übernommen hatte. Tatsächlich war die Anfangsphase von Bachems Parlamentstätigkeit die bislang größte Umbruchphase im noch jungen Kaiserreich, denn nach dem Dreikaiserjahr ging 1890 auch die Ära Otto von Bismarcks (1815-1898) zu Ende, im März 1891 starb Bismarcks schärfster Widersacher, der Zentrumsführer Ludwig Windthorst, dem sich der junge Karl Bachem eng verbunden fühlte. Die hohen Wogen des Kulturkampfes waren längst geglättet, für die neuen Herausforderungen der Zentrumspolitik war der junge Karl Bachem als intellektueller Vordenker und Strippenzieher im Hintergrund bestens geeignet und er sah darin seine Berufung.
In vielerlei Hinsicht avancierte Bachem zu einem Bindeglied zwischen Altem und Neuem, war in der Fraktion in der Phase des Übergang der „Nach-Bismarck-“ und „Nach-Windthorst-Ära“ beratend im Hintergrund tätig und wiederum „graue Eminenz“, Ermahner und Erneuerer in einer Person. Innerhalb des sich formierenden politischen Katholizismus des Kaiserreiches war er ebenso ein führender Impulsgeber wie innerhalb der katholischen Presse, deren größtes Publikationsorgan die „Kölnische Volkszeitung“ war. Ein religiöser Eiferer wurde er dabei aber nie, einige Besuche in Rom und Audienzen bei Papst Leo XIII. (Pontifikat 1878-1903), die ihn seitens der Zentrumspartei als Mitglied einer Verhandlungskommission mit Blick auf die Beilegung des Kulturkampfes dorthin führten, hielten ihn davon ab, allzu ultramontan zu denken, die geistige Nähe zu Windthorst tat ihr Übriges dazu. Noch einmal trat Karl Bachem als Kontaktmann des Zentrums zum Vatikan auf, als er an der Abfassung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), das 1900 in Kraft trat, maßgeblich an der Formulierung des Ehe- und Familienrechts beteiligt war.
Es waren vor allem drei große Themenbereiche, die sich wie ein roter Faden durch seine politische Arbeit und im Grunde durch sein ganzes Leben zogen: sein Einsatz für die Parität zwischen dem dominierenden preußischen Protestantismus und dem im Bismarckschen Kaiserreich zu einer Minderheit gewordenen Katholizismus auf allen Ebenen, eine stärkere Interkonfessionalität und damit verbunden der Aufbau einer nicht ausschließlich auf den Katholizismus beschränkten Zentrumspartei, die er auf die Grundlage einer christlich-demokratischen Volkspartei gestellt sehen wollte.
Damit gehörte er trotz seiner durchaus konservativ zu nennenden politischen Grundhaltung zum Reformflügel der Zentrumspartei und forcierte eine politische Denkrichtung, die mit dem Namen seiner Familie verbunden blieb. Schon als Präsident des 44. Katholikentages hatte er 1897 in Landshut die Katholiken aufgefordert, ihr Ghetto zu verlassen. Sein Vetter Julius Bachem rief die Zentrumspartei vier Jahre später auf, „heraus aus dem Turm“[1] zu treten. Beide gehörten am Beginn des 20. Jahrhunderts zu den prominentesten Vertretern der „Köln-Mönchengladbach er-Richtung“ innerhalb des Zentrums, die nicht zufällig auch die „Bachemsche-Richtung“ genannt wurde und sich absetzte von der konservativeren „Berliner Richtung“ der Partei, die – gepaart mit konfessionellen Sonderinteressen – aber letztlich bis 1933 eine überkonfessionell-christliche Partei noch verhinderte.
Beim sogenannten Gewerkschaftsstreit innerhalb des deutschen Katholizismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts wundert es da nicht, dass Karl Bachem auf der Seite der Befürworter von interkonfessionellen Gewerkschaften stand. In diesem Richtungsstreit zwischen 1906 und 1914 unterstützte er zudem seinen Vetter Julius publizistisch durch die dreibändige Lebensbeschreibung seines Vaters: „Joseph Bachem und die Entwicklung der katholischen Presse in Deutschland“ (die ersten beiden Bände erschienen 1912/1313, der dritte Band erst 1938), die sich ebenfalls gegen eine rein katholische Ausrichtung der Zentrumspolitik wandte.
Recht früh zog sich Bachem jedoch aus der aktiven Politik zurück, schied 1904 aus dem preußischen Abgeordnetenhaus und 1906 aus dem Reichstag aus. Interfraktionell war er mit der Linie und dem Stil des 1903 neu in den Reichstag eingezogenen Abgeordneten Matthias Erzberger (1875-1921) nicht einverstanden, der im Gegensatz zu Bachem nicht das vorsichtige Taktieren zu bevorzugen schien. Ebenfalls führten Bachems gesundheitliche Probleme, seine in erster Linie wohl schwache nervliche Konstitution, zu seinem Verzicht auf der politischen Bühne. Ende 1906 starb zudem seine Ehefrau Katharina im Alter von nur 36 Jahren, so dass Bachem diesen privaten Schicksalsschlag zusätzlich zu verkraften hatte. Doch bereits 1908 heiratete der nun alleinerziehende Vater eines Sohnes zum zweiten Mal, aus dieser Ehe mit Ottilie (Tilla) Bachem, geborene Du Mont (1878-1974), gingen sechs weitere Kinder hervor, drei Söhne und drei Töchter.
Karl Bachem widmete sich fortan nur noch der publizistischen Tätigkeit. Zwischen 1915 und 1920 übernahm er die Aufgabe des Chefredakteurs bei der „Kölnischen Volkszeitung“. So wie sich das Blatt nach dem Untergang des Kaiserreiches rasch auf den Boden der neuen Weimarer Republik stellte, so schloss sich auch Karl Bachem dem neuen Zentrumskurs unter den demokratischen Vorzeichen einer Republik an. Seit 1918 arbeitete er als Privatgelehrter an seiner neunbändigen „Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei“, die zwischen 1927 und 1932 erschien und die trotz epischer Längen noch heute zu den bedeutenden Werken deutscher Parteiengeschichtsschreibung im Wilhelminischen Kaiserreich zählt.
Hochbetagt starb Karl Bachem am 11.12.1945 im westfälischen Burgsteinfurt, wo er auch begraben wurde, nachdem er wegen der Kriegswirren die rheinische Heimat hatte verlassen müssen. Am Ende seines Lebens verfolgte er noch die Gründungsphase der überkonfessionellen Christlich Demokratischen Union, die er nicht nur als die einzig richtige Konsequenz der vergangenen zwölf Jahre der NS-Diktatur wahrnahm, sondern auch als folgerichtige Quintessenz seiner Lebensarbeit.
Werke (Auswahl)
Josef Bachem. Seine Familie und die Firma J.P. Bachem in Köln, Köln 1912/1913, 1938.
Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, 9 Bände, Köln 1927-1932.
Literatur
Kiefer, Rolf, Karl Bachem 1858–1945. Politiker und Historiker des Zentrums, Mainz 1989 [mit weiterführender Literatur].
Online
Kiefer, Rolf, Bachem, Carl (Karl). [Online]
Ritthaler, Anton, „Bachem, Carl“, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 494. [Online]
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Burtscheidt, Andreas, Karl Bachem, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-bachem/DE-2086/lido/57c570ee055701.46621098 (abgerufen am 10.12.2024)