Karl Buschhüter

Architekt und Lebensreformer (1872-1956)

Daniela Gillner (Moers)

Porträt Karl Buschhüter, undatiert. (Der Oberbürgermeister, Stadtarchiv Krefeld)

Karl Busch­hü­ter war ein haupt­säch­lich in sei­ner Hei­mat­stadt Kre­feld be­kann­ter Ar­chi­tekt, der sei­ne Ar­beit und sein Le­ben auf die Le­bens­re­form aus­rich­te­te. Er galt als Au­ßen­sei­ter der Ge­sell­schaft, des­sen ideo­lo­gi­sche Vor­stel­lun­gen von völ­ki­schem Ge­dan­ken­gut durch­drun­gen wa­ren.

Karl Wil­helm Busch­hü­ter wur­de am 3.9.1872 als ers­tes Kind des Buch­hal­ters Carl Jo­seph Busch­hü­ter (1846-1918) und des­sen Frau An­na Jo­se­phi­ne, ge­bo­re­ne Schmitz (1845-1935), in Kre­feld ge­bo­ren; sei­ne Schwes­ter An­na folg­te 1874 und sein Bru­der Wil­helm 1883. Im An­schluss an den Be­such des Re­al­gym­na­si­ums, das er 1887 mit dem „Ein­jäh­ri­gen“ ab­schloss, be­gann Busch­hü­ter zu­nächst ei­ne drei­jäh­ri­ge Leh­re in ei­nem Kre­fel­der Bau­ge­schäft. In die­ser Zeit er­lern­te er so­wohl hand­werk­li­che Fer­tig­kei­ten wie mau­ern und tisch­lern als auch ge­stal­te­ri­sche Tä­tig­kei­ten wie das Zeich­nen. Nach sei­ner Aus­bil­dung ver­ließ Busch­hü­ter Kre­feld, um ab 1890 für vier Jah­re in Köln als Bau­tech­ni­ker zu ar­bei­ten. In die­se Zeit fie­len auch sei­ne ers­ten Wan­de­run­gen am Nie­der­rhein, auf de­nen er klei­ne Ge­dich­te schrieb und Skiz­zen von Bau­wer­ken an­fer­tig­te, die in sei­nen Au­gen sei­ne Hei­mat wi­der­spie­gel­ten. 1894 ab­sol­vier­te er ein Dienst­jahr bei den Pio­nie­ren in Dres­den, be­vor er von 1895 bis 1897 für den Ar­chi­tek­ten Ru­dolf Schnüt­gen (1872-1945) in Düs­sel­dorf ar­bei­te­te. Durch sei­nen Ar­beit­ge­ber ent­deck­te Busch­hü­ter wäh­rend die­ser zwei Jah­re nicht nur die ve­ge­ta­ri­sche Le­bens­wei­se für sich, son­dern ent­wi­ckel­te auch ein In­ter­es­se an der Le­bens­re­form. An­fang 1898 kehr­te er schlie­ß­lich in sei­ne Hei­mat­stadt Kre­feld zu­rück und ar­bei­te­te dort fort­an bis zu sei­nem Le­bens­en­de als selb­stän­di­ger Ar­chi­tekt.

 

In sei­nen ers­ten Jah­ren als Ar­chi­tekt er­rich­te­te Busch­hü­ter ne­ben zahl­rei­chen Ein­fa­mi­li­en­häu­sern auch Miets­häu­ser so­wie Wohn- und Ge­schäfts­häu­ser. Bei der Pla­nung und Durch­füh­rung sei­ner Bau­auf­trä­ge war Busch­hü­ter stets von der Ab­sicht ge­lei­tet, ei­ne Wen­de im Bau­we­sen, ei­ne Re­form der Ar­chi­tek­tur her­bei­zu­füh­ren: Zum ei­nen soll­ten wie­der die Be­dürf­nis­se des Bau­herrn im Mit­tel­punkt ste­hen und nicht das Ge­winn­stre­ben des Bau­un­ter­neh­mers, zum an­de­ren sah er es als sei­ne Auf­ga­be an, den Hand­wer­kern grund­le­gen­de tech­ni­sche und ge­stal­te­ri­sche Fer­tig­kei­ten zu ver­mit­teln. Sei­ne ho­hen An­sprü­che und auch die Kom­pro­miss­lo­sig­keit, mit der er sei­ne Über­zeu­gun­gen ver­trat, führ­ten häu­fig zu Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Bau­her­ren, Bau­un­ter­neh­mern, Hand­wer­kern und der Bau­be­hör­de, denn nie­mand schien sei­nen le­bens­re­for­me­ri­schen und qua­li­ta­ti­ven An­for­de­run­gen zu ent­spre­chen.  Ei­nes von Busch­hü­ters frü­hen Bau­pro­jek­ten war 1899 die Er­rich­tung ei­nes Hau­ses für sei­nen Va­ter in der St.-An­ton-Stra­ße 91 in Kre­feld, das mit sei­nem sand­stein­ver­klei­de­ten Un­ter­bau im Stil des spä­ten 19. Jahr­hun­derts und sei­nem Stahl-Glas-Fach­werk im Ober­bau noch heu­te ei­nen un­ge­wöhn­li­chen Kon­trast bie­tet; dort be­fand sich auch sein Ate­lier. Busch­hü­ters Ge­schäf­te lie­fen gut, so dass er Lehr­lin­ge und Ge­hil­fen be­schäf­ti­gen konn­te. In die­se frü­he Zeit sei­ner Selb­stän­dig­keit fal­len auch Busch­hü­ters ers­te Be­stre­bun­gen, sei­ne Ide­en von Re­for­men im Bau­we­sen und in der Ar­chi­tek­tur zu ver­brei­ten. Nach­dem je­doch sei­ne Ver­su­che, die­se mit Hil­fe der lo­ka­len und über­re­gio­na­len Pres­se ei­ner brei­ten Öf­fent­lich­keit zu prä­sen­tie­ren, ge­schei­tert wa­ren, ver­öf­fent­lich­te er schlie­ß­lich selbst ei­ge­ne so­zi­al- und ar­chi­tek­tur­kri­ti­sche Flug­schrif­ten (Bau­kunst-Flug­blät­ter 1900-1902). So schil­dert Busch­hü­ter bei­spiels­wei­se im Bau­kunst-Flug­blatt 2, dem er den Ti­tel „Die sitt­li­chen Ur­sa­chen des Nie­der­gan­ges der Bau­kunst“ gab, wie sehr die Bau­kunst, al­so die Ar­chi­tek­tur, un­ter der Un­sitt­lich­keit und Un­auf­rich­tig­keit der Ge­sell­schaft zu lei­den ha­be, wenn er sagt: „Die Kunst ist der Aus­druck des Ge­müts­le­bens ei­nes Vol­kes. Be­herrscht nun der Schein das Ge­samt­le­ben, so lei­det die Kunst denk­rich­tig dar­un­ter. Sie sinkt vom Dar­stel­lungs­mit­tel zum Täu­schungs­mit­tel her­ab; die Kunst wird zur Schein­kunst; zur Dir­ne der Lei­den­schaft.“ Al­ler­dings wa­ren in Busch­hü­ters Au­gen so­wohl die Schein­hei­lig­keit der Ge­sell­schaft als auch die da­mit ein­her­ge­hen­de Schein­kunst selbst nur ein Pro­dukt ei­nes grö­ße­ren Übels, näm­lich des herr­schen­den Chris­ten­tums mit sei­nen Kon­fes­sio­nen. Sei­ne an­ti­kle­ri­ka­le Hal­tung ba­sier­te auf der Über­zeu­gung, dass das Chris­ten­tum nicht nur ei­ne Ver­kör­pe­rung ei­nes „auf Un­wahr­haf­tig­keit auf­ge­bau­ten Sys­tems ge­sell­schaft­li­cher Kon­ven­tio­nen“[1] dar­stell­te, son­dern auch des­sen Spal­tung in Kon­fes­sio­nen ei­ne Spal­tung der nach Ei­ni­gung stre­ben­den Na­ti­on ver­ur­sach­te. Kon­se­quen­ter­wei­se trat Busch­hü­ter am 6.12.1903 aus der ka­tho­li­schen Kir­che aus und üb­te fort­an nicht nur Kri­tik am ka­pi­ta­lis­ti­schen Un­ter­neh­mer­tum, son­dern auch am „Pfaf­fen­tum“.

Seit 1902 wid­me­te Busch­hü­ter ei­nen gro­ßen Teil sei­ner Zeit dem von ihm ge­grün­de­ten Dü­rer­ver­ein, ei­ner Ver­ei­ni­gung im Dü­rer-Bund von Fer­di­nand Ave­na­ri­us (1856-1923). Im Ju­ni 1903 zähl­te der Ver­ein be­reits 60 Mit­glie­der, die haupt­säch­lich aus dem Klein­bür­ger­tum und der Künst­ler­schaft stamm­ten. Ge­mäß sei­ner Sat­zung war der Zweck des Ver­eins die „He­bung der sitt­li­chen und künst­le­ri­schen Bil­dun­g“. Als Ver­samm­lungs­ort dien­te seit 1906 ein Ver­eins­haus, das Busch­hü­ter auf ei­nem von ihm 1904 er­wor­be­nen Grund­stück in Kre­feld-Ver­berg „mit Bau­stof­fen aus ei­ge­nem Bo­den und mit ei­ge­nen Hän­den“[2] er­baut hat­te, das so ge­nann­te Dü­rer-Heim, „die Schutz- und Trutz­burg für deut­sches Le­ben und sei­nen Aus­druck ge­gen die Kunst-pfaf­fen und die Un­kul­tur der Ge­sell­schaft.“[3] Nach sei­ner Fer­tig­stel­lung schloss Busch­hü­ter sein Ate­lier in der St.-An­ton-Stra­ße 91 und sie­del­te dort­hin um; auf sei­nem Grund­stück ver­wirk­lich­te er sei­ne Be­stre­bun­gen von ei­nem na­tur­na­hen Le­ben fern­ab ei­ner städ­ti­schen Um­ge­bung und schuf sich bei­spiels­wei­se durch das Pflan­zen von Obst­bäu­men ei­ne ei­ge­ne Er­näh­rungs­ba­sis. Ge­mein­sam mit den Ver­eins­mit­glie­dern be­tei­lig­te sich Busch­hü­ter ins­be­son­de­re durch Wan­de­run­gen am Nie­der­rhein und in die an­gren­zen­den Nie­der­lan­de, Nackt­tur­nen und das Tra­gen von Re­form­klei­dung an der Kör­per­kul­tur­be­we­gung. Zu­dem gab er die Ver­eins­zeit­schrift „Kunst und Le­ben am Nie­der­rhein“ her­aus, die von 1905 bis 1907 er­schien und sich in­halt­lich haupt­säch­lich mit Pro­ble­men und Licht­bli­cken der Ar­chi­tek­tur be­fass­te. In Form von of­fe­nen Brie­fen trat der Dü­rer­ver­ein dar­in bei­spiels­wei­se an ein­zel­ne rhei­ni­sche Städ­te wie Mo­ers und Ba­cha­rach her­an[4], um die­se bei städ­te­bau­li­chen Maß­nah­men zum Er­halt des his­to­ri­schen Stadt­bil­des zu be­we­gen. Da­ne­ben ver­wen­de­te Busch­hü­ter die Zeit­schrift auch in ge­rin­gem Ma­ße als Platt­form zur Ver­brei­tung sei­ner le­bens­re­for­me­ri­schen An­sich­ten, in de­ren Zen­trum sein Stre­ben nach aut­ar­kem Sie­deln stand. Den Im­puls für sein Vor­ha­ben er­hielt Busch­hü­ter aus dem Wunsch, dem stets exis­ten­zi­ell be­droh­ten Künst­ler wirt­schaft­li­che Un­ab­hän­gig­keit und dem Staat ei­ne si­che­re Er­näh­rungs­la­ge in Kriegs­zei­ten zu er­mög­li­chen. Des Wei­te­ren pro­pa­gier­te er den Ver­zicht auf Al­ko­hol und Ta­bak so­wie die Ver­rin­ge­rung des Fleisch­ge­nus­ses. Ne­ben der schrift­stel­le­ri­schen Tä­tig­keit für den Dü­rer­ver­ein – Busch­hü­ter schrieb zahl­rei­che Bei­trä­ge, Auf­sät­ze und Ge­dich­te für „Kunst und Le­ben am Nie­der­rhein“ – ar­bei­te­te er zu­dem an der Nie­der­schrift ei­ge­ner li­te­ra­ri­scher Wer­ke, bei de­nen es sich vor al­lem um das „Buch von der See­le“ und das dra­ma­ti­sche Ge­dicht „Bir­ke von der Heyden“ han­del­te.[5]

Als Busch­hü­ter 1904 in ei­nem Pro­zess als ein­zi­ger Be­las­tungs­zeu­ge auf­trat, er­litt er ein Trau­ma, das ihn bis zu sei­nem Tod be­glei­te­te. In dem Pro­zess wur­de er von den An­wäl­ten ei­nes ehe­ma­li­gen Auf­trag­ge­bers durch ärzt­li­che Gut­ach­ten als geis­tes­krank dar­ge­stellt. Aus­schlag­ge­bend da­für schie­nen Busch­hü­ters Be­mü­hun­gen um ei­ne Re­form der Ar­chi­tek­tur ge­we­sen zu sein. So war bei­spiels­wei­se in der Pro­zess­be­richt­er­stat­tung der Kre­fel­der Zei­tung vom 26.10.1904 zu le­sen: „Da­nach ist B., der sich für ei­nen `Mes­sias der Bau­kunst´ hält, geis­tes­ge­stört.“ Ge­gen die öf­fent­li­che De­mü­ti­gung ver­such­te Busch­hü­ter sich mit Hil­fe von Freun­den und Be­kann­ten, die ihm sei­ne geis­ti­ge Ge­sund­heit be­stä­tig­ten, zu weh­ren.[6] Doch we­der die Staats­an­walt­schaft noch die Pres­se wa­ren an ei­ner Ge­gen­dar­stel­lung in­ter­es­siert.

Der Zwei­fel an sei­ner geis­ti­gen Zu­rech­nungs­fä­hig­keit wirk­te sich auch auf Busch­hü­ters Auf­trags­la­ge als Ar­chi­tekt aus. Zwar bau­te er seit dem Pro­zess we­ni­ger Ein­fa­mi­li­en­häu­ser für Kre­felds bür­ger­li­che Krei­se, er­hielt je­doch fort­an mehr Auf­trä­ge von Un­ter­stüt­zern sei­ner re­for­me­ri­schen Vor­stel­lun­gen. Bei Letz­te­ren han­del­te es sich vor al­lem um Hand­wer­ker, Künst­ler und Kauf­leu­te jü­di­scher Her­kunft, für die er grö­ß­ten­teils Ein­fa­mi­li­en­häu­ser in Kre­feld er­rich­te­te. Ob­wohl Busch­hü­ter auch Auf­trä­ge von jü­di­schen Bau­her­ren an­nahm, trat in die­ser Zeit sei­ne Feind­schaft ge­gen­über Ju­den im­mer deut­li­cher zum Vor­schein, sie ging so­gar so weit, dass er da­von über­zeugt war, sei­ne jü­di­schen Auf­trag­ge­ber woll­ten ihn rui­nie­ren.[7] 

St.-Anton-Str. 91. (Der Oberbürgermeister, Stadtarchiv Krefeld)

 

Was für Busch­hü­ter nach sei­nem Um­zug auf sein Grund­stück in Kre­feld-Ver­berg als al­ter­na­ti­ves und na­tur­na­hes Le­ben be­gon­nen hat­te, ent­wi­ckel­te sich je­doch bald für ihn zu ei­ner Not­la­ge, da er sich mit dem Kauf des Grund­stücks ver­schul­det hat­te und die Zah­lung der Hy­po­the­ken al­lein kaum zu be­wäl­ti­gen ver­moch­te. Bei Freun­den bat er schlie­ß­lich um fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung.[8] Doch für sei­ne wirt­schaft­li­che Mi­se­re mach­te nicht Busch­hü­ter sich selbst, son­dern ei­ne jü­di­sche Ver­schwö­rung ge­gen sich ver­ant­wort­lich.[9] In Kre­feld grenz­te ihn die­se Hal­tung je­doch noch wei­ter aus, da der An­ti­se­mi­tis­mus in der Stadt ver­gleichs­wei­se schwach aus­ge­prägt war. 1911 lös­te sich der Dü­rer­ver­ein nach dem Bruch Busch­hü­ters mit Ave­na­ri­us schlie­ß­lich auf. Als Grün­de führ­te Busch­hü­ter vor al­lem an, dass Ave­na­ri­us für den Dü­rer-Bund Geld von Ber­li­ner Ju­den an­ge­nom­men hat­te und die deut­schen Künst­ler nicht mehr ge­nug för­der­te, son­dern nur noch jü­di­sche.[10] Zu­künf­tig hieß das Dü­rer-Heim Teut-Heim und Busch­hü­ter führ­te die Ver­wen­dung des Ha­ken­kreu­zes ein.[11] Doch auch nach der Auf­lö­sung des Dü­rer­ver­eins ver­sam­mel­te Busch­hü­ter ei­nen Kreis von treu­en An­hän­gern im Teut-Heim um sich, um mit ih­nen in Ein­klang mit sei­nen le­bens­re­for­me­ri­schen Vor­stel­lun­gen zu le­ben: sie aßen ve­ge­ta­risch, Män­ner lie­ßen die Haa­re wach­sen und Frau­en wie Män­ner tru­gen ein­fa­che Klei­dung.[12] 

Ob­wohl Busch­hü­ter 1912 im Al­ter von 40 Jah­ren nicht mehr der Ju­gend­ge­ne­ra­ti­on an­ge­hör­te, weck­ten sei­ne Le­bens­wei­se und sei­ne An­sich­ten das In­ter­es­se der Wan­der­vo­gel-Be­we­gung. Denn ge­nau­so wie die Ju­gend­li­chen, die sich ge­gen die Le­bens­wei­se und den au­to­ri­tä­ren Ein­fluss der äl­te­ren Ge­ne­ra­tio­nen auf­lehn­te, stand auch Busch­hü­ter mit sei­ner Le­bens­art und sei­nen An­sich­ten in stän­di­gem Kon­flikt mit den meist staat­li­chen Au­to­ri­tä­ten. Ge­mein­sam ver­sam­mel­te man sich im Teut-Heim und hör­te den Wor­ten Busch­hü­ters zu, der auch im Wan­der­vo­gel sei­ne Idee vom aut­ar­ken Sie­deln pro­pa­gier­te.[13] Wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs, in dem sich Busch­hü­ter frei­wil­lig ge­mel­det und als Un­ter­of­fi­zier beim 24. Pio­nier-Ba­tail­lon in Köln als Aus­bil­der ge­dient hat­te, hei­ra­te­te er 1916 die 21-jäh­ri­ge Do­ra Worth­mann (1895-1982), die zur Wan­der­vo­gel-Be­we­gung ge­hör­te. Mit ihr hat­te Busch­hü­ter zwei Töch­ter, de­ren Er­zie­hung er ge­mäß sei­nen Vor­stel­lun­gen ge­stal­te­te; sei­ne Impf- und Schul­geg­ner­schaft führ­te da­bei oft zu Kon­flik­ten mit den zu­stän­di­gen Be­hör­den. Auch zwi­schen 1914 und 1918 ver­fass­te er wei­ter­hin li­te­ra­ri­sche Wer­ke und ver­öf­fent­lich­te nach sei­nem Ge­dicht­band „Der Nie­der­rhein“ (1913) im Jahr 1915 „Son­nen­lie­der“ und „Die Nu­ß“ so­wie 1916 „Geist­li­che Ge­dich­te“. Des Wei­te­ren be­schäf­tig­te er sich mit Phre­no­lo­gie und Phy­sio­gno­mik und fass­te sei­ne Er­geb­nis­se bei­spiels­wei­se 1916 in sei­ner Un­ter­su­chung „Mei­ne Oh­ren­dia­gno­se“ zu­sam­men.  Busch­hü­ters Tä­tig­keit als Ar­chi­tekt be­schränk­te sich nach dem Krieg im We­sent­li­chen auf den Bau von Ein­fa­mi­li­en­häu­sern, meist für Wan­der­vö­gel oder Le­bens­re­for­mer, die grö­ß­ten­teils in der Nä­he des Teut-Heims ent­stan­den. Sei­ne in­ten­si­ve Be­schäf­ti­gung mit ei­ni­gen der Häu­ser stand al­ler­dings in kei­nem Ver­hält­nis zu sei­nem Ho­no­rar, so dass Busch­hü­ter dem­entspre­chend we­nig ver­dien­te. Über sei­nen Freund Erich Floe­ren (1893-1981) lern­te er schlie­ß­lich den Düs­sel­dor­fer In­dus­tri­el­len Paul Mult­haupt (1884-1933) ken­nen, für den er Haus Jung­fried im Sü­ßgrund in Ober­lahn­stein er­rich­ten soll­te. Nach­dem 1921 die Grund­stein­le­gung er­folgt war und be­reits im Jahr dar­auf das Richt­fest be­gan­gen wur­de, kam es je­doch haupt­säch­lich auf Grund von Strei­tig­kei­ten zwi­schen Busch­hü­ter und Mult­haupt zum Still­stand der Bau­ar­bei­ten. 1925 be­auf­trag­te Mult­haupt schlie­ß­lich Karl Dah­men (1884-1976) mit der Fer­tig­stel­lung von Haus Jung­fried; dies ge­lang bis zum Tod des In­dus­tri­el­len im Jahr 1933 nicht. Ne­ben Haus Jung­fried war Busch­hü­ter zu­dem mit der Pla­nung und Er­rich­tung ei­nes Wohn­hau­ses mit Ate­lier für Hein­rich Cam­pen­donk in Kre­feld von Mult­haupt be­auf­tragt wor­den. Doch auch die­ses Ver­hält­nis blieb nicht un­an­ge­spannt, da Busch­hü­ter nach Fer­tig­stel­lung des Hau­ses ein Spott­ge­dicht über Cam­pen­donk ver­öf­fent­lich­te; in ei­nem Be­lei­di­gungs­pro­zess wur­de Busch­hü­ter 1925 schlie­ß­lich zu ei­ner Geld­stra­fe ver­ur­teilt.[14] 

Ne­ben Auf­trags­ar­bei­ten für Mult­haupt wid­me­te sich Busch­hü­ter auch dem Bau der „Rhei­ni­schen Ju­gend­bur­g“ im Bay­bach­tal im Huns­rück, für de­ren Pla­nung und Er­rich­tung in der Schloss­rui­ne Wal­deck er von den Brü­dern Karl (1896-1974) und Ro­bert (1896-1941) Oel­ber­mann, die den „Nero­ther Wan­der­vo­gel“ ge­grün­det hat­ten, ge­won­nen wer­den konn­te. Die Ju­gend­burg selbst soll­te nach Busch­hü­ters Vor­stel­lun­gen aus meh­re­ren Ge­bäu­de­kom­ple­xen be­ste­hen und so bei­spiels­wei­se ei­ne Ju­gend­her­ber­ge, ein Schul­land­heim, ei­ne Are­na und ei­nen Wirt­schafts­be­trieb mit Werk­stät­ten um­fas­sen.[15] 1922 er­folg­te die Grund­stein­le­gung für die Ju­gend­her­ber­ge, doch wur­de der Bau der Ju­gend­burg von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ge­stoppt, die die Burg 1933 be­setz­ten. Im sel­ben Jahr er­hielt Busch­hü­ter sei­nen letz­ten gro­ßen Auf­trag: Er soll­te das Ruhr­kämp­fer-Eh­ren­mal bei Haus Horst ober­halb der Ruhr in Es­sen-Stee­le er­rich­ten, das an die Ge­fal­le­nen im Ruhr­ge­biet zwi­schen 1918 und 1920 er­in­nern soll­te. Be­reits 1934 wur­de das Denk­mal ein­ge­weiht und 1935 end­gül­tig fer­tig­ge­stellt.

Von 1927 bis 1941 ver­öf­fent­lich­te Busch­hü­ter er­neut ei­ne Zeit­schrift im Selbst­ver­lag, die den Na­men „Zeit des Teu­t“ trug. Des Wei­te­ren wid­me­te er sich wei­ter sei­nem Werk „Buch von der See­le“, von dem er glaub­te, ei­ne ei­ge­ne, völ­lig neue Phi­lo­so­phie ent­wi­ckelt zu ha­ben. Ver­geb­lich bat er je­doch für des­sen Ver­öf­fent­li­chung bei sei­nen Freun­den um fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung; es ge­lang ihm le­dig­lich, Tei­le da­von zu ver­öf­fent­li­chen. Der Ver­kauf sei­ner Schrif­ten ren­tier­te sich für Busch­hü­ter, so dass er sich ne­ben dem Be­ruf als Ar­chi­tekt, in dem er al­ler­dings kaum noch Auf­trä­ge oder kein Ho­no­rar für aus­ge­führ­te Ar­bei­ten er­hielt[16], ei­ne wei­te­re Ver­dienst­mög­lich­keit schuf. Mitt­ler­wei­le war Busch­hü­ter der un­ver­stan­de­ne Pro­phet ge­wor­den, der mit lang ge­wach­se­nem Haupt- und Bart­haar und in ab­ge­tra­ge­nen Klei­dern sein Ver­ständ­nis für das All­täg­li­che und sei­nen Rea­li­täts­sinn ein­ge­bü­ßt hat­te. Doch trotz sei­ner Au­ßen­sei­ter­rol­le ge­noss er in Fach­krei­sen im­mer noch ei­nen Ruf als gu­ter Ar­chi­tekt; selbst den Vor­sitz der ört­li­chen Grup­pe des Bun­des Deut­scher Ar­chi­tek­ten bot man ihm 1933 an, den er je­doch aus Al­ters­grün­den ab­lehn­te.[17] 

Auch nach der Macht­er­grei­fung 1933 ver­bes­ser­te sich Busch­hü­ters Auf­trags­la­ge nicht, ob­wohl er För­de­rer un­ter den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­saß. Über­zeugt da­von, dass die neu­en Macht­ha­ber von An­fang an frem­dras­sig zwar nicht mit Ju­den, aber mit „Wäll­schen“ un­ter­wan­dert wa­ren, kri­ti­sier­te er das Re­gime und ge­fähr­de­te da­mit sich und sei­ne Fa­mi­lie; doch wei­ter als zu ei­nem Ver­bot ei­ni­ger sei­ner Schrif­ten kam es nicht.[18] Auf­grund sei­ner schlech­ten fi­nan­zi­el­len La­ge muss­te schlie­ß­lich sei­ne Frau, die ihn kurz­zei­tig von En­de der 1920er Jah­re bis 1933 ver­las­sen hat­te, die Fa­mi­lie durch Hand­we­ben un­ter­stüt­zen.[19] Ei­nen wei­te­ren Rück­schlag muss­te er beim Bom­ben­an­griff auf Kre­feld am 22.6.1943 er­lei­den, als ein gro­ßer Teil sei­nes ar­chi­tek­to­ni­schen Wer­kes durch die Zer­stö­rung vie­ler sei­ner Häu­ser ver­lo­ren ging. Busch­hü­ter be­rei­te­te sich nach dem En­de des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus auf den ge­sell­schaft­li­chen Um­bruch vor, den er be­reits nach dem Ers­ten Welt­krieg er­hofft hat­te. Wei­ter­hin ver­fass­te er sei­ne völ­ki­schen und re­for­me­ri­schen Schrif­ten und ver­such­te, sie zu ver­kau­fen. Doch Busch­hü­ter war er­neut ein Au­ßen­sei­ter der Ge­sell­schaft, ein welt­frem­der Fan­tast, des­sen an­ti­se­mi­ti­sche Hal­tung kei­ne Ak­zep­tanz in der Öf­fent­lich­keit er­fuhr. So pfleg­te Busch­hü­ter am En­de sei­nes Le­bens den Kon­takt zu engs­ten Freun­den und wid­me­te sich dem Wie­der­auf­bau des Teut-Heims, das im Krieg be­schä­digt wor­den war, und sei­nem Gar­ten. Busch­hü­ter starb am 21.8.1956 in Kre­feld.

Das Dü­rer-Heim, das nach Busch­hü­ters Tod an die Stadt Kre­feld ge­lang­te, wur­de 1961 dem Stra­ßen­ver­kehr ge­op­fert, ob­wohl es Ver­su­che ge­ge­ben hat­te, die Stadt zum Wie­der­auf­bau zu be­we­gen. Ei­ne Wür­di­gung Busch­hü­ters setz­te nur zö­ger­lich ein. 1962 wid­me­te die Werk­kunst­schu­le Kre­feld ihm ei­ne Aus­stel­lung. Erst 1978 prä­sen­tier­te das Kai­ser-Wil­helm-Mu­se­um ei­ne Aus­stel­lung sei­nes Ge­samt­werks.

Werke

Werk­ver­zeich­nis, in: Pohl, Busch­hü­ter, S. 78-268. Bi­blio­gra­phie der Schrif­ten Busch­hü­ters, in: Pohl, Busch­hü­ter, S. 368-382. 

Erhaltene Bauten

1899 – Kre­feld, St.-An­ton-Stra­ße 91, 1975 ver­setzt auf das Grund­stück West­wall 122
1900 – Kre­feld, Bis­marck­platz 11, Wohn­haus
1902 – Vier­sen-Süch­teln, Berg­stra­ße 27, Wohn­haus
1902 – Vier­sen-Süch­teln, Hoch­stra­ße 57, Wohn- und Ge­schäfts­haus
1904 – Kre­feld, Drei­kö­ni­gen­stra­ße 163, Stein­stra­ße 5/7, Al­te Post
1907 – Kre­feld, Lui­sen­stra­ße 62, ehe­ma­li­ges Post­amt
1908 – Kre­feld, Mo­er­ser Land­stra­ße 18, Wohn­haus, er­baut ur­sprüng­lich für Busch­hü­ters Mut­ter, de­ren Büs­te in die Stra­ßen­front ein­ge­las­sen ist. Es gilt ei­nes der be­deu­tends­ten Bau­ten des Ar­chi­tek­ten.
1909 – Kre­feld, Rit­ter­stra­ße, Zen­tral­la­ger der Kon­sum­ge­nos­sen­schaft „Nie­der­rhein“ bei der ehe­ma­li­gen Brot­fa­brik „Im Brah­m“
1910 – Kre­feld, Mo­er­ser Land­stra­ße 14, Wohn­haus
1924 – Fried­richs­se­gen bei Lahn­stein, Haus Jung­fried, im Sü­ßgrund, Wohn­haus und Be­geg­nungs­stät­te für den Fa­bri­kan­ten und Mä­zen Paul Mult­haupt (Busch­hü­ter Ar­chi­tekt 1921–1925, zu­nächst un­voll­endet, spä­ter Carl Dah­men) 
1936 – Kre­feld, Kuh­dyk 20, Cas­sel-Mu­se­um
1938 –Tö­nis­vorst-St. Tö­nis, Feld­stra­ße 102–104, Land­ar­bei­ter­haus

Schriften (Auswahl)

Bau­kunst-Flug­blatt 1, 1900 (Stadt­ar­chiv Kre­feld 40/31 Nr. 36), Bau­kunst-Flug­blatt 2, Die sitt­li­chen Ur­sa­chen des Nie­der­gan­ges der Bau­kunst, 1902.
Der Nie­der­rhein, ei­ne Schil­de­rung der Hei­math, Sonn­höh 1913.
Vor­schlag zur Ret­tung des Deut­schen Va­ter­lan­des, Kre­feld/Teut­heim 1914.
Son­nen­lie­der, dem Deut­schen von Ih­m­selbst, Kre­feld/Teut­heim1915.
Geist­li­che Ge­dich­te, Kre­feld/Teut­heim 1916, 2 Bänd­chen, Leip­zig 1916.
Mei­ne Oh­ren­dia­gno­se. Kur­ze Dar­stel­lung des We­sent­li­chen in Wort und Bild von Ihm selbst. 1916 ent­deckt - ge­druckt 1924.
Zeit des Teut. Ari­sches Blatt für ken­nen und nen­nen der deut­schen Din­ge, 1927-1941.

Literatur

Kai­ser-Wil­helm-Mu­se­um Kre­feld (Hg.), Der Kre­fel­der Ar­chi­tekt Karl Busch­hü­ter (1872-1956). Ideal­ent­wür­fe, Pla­nun­gen und aus­ge­führ­te Bau­ten. 24. Sep­tem­ber bis 19. No­vem­ber 1978. Mit ei­nem Bei­trag von Wal­fried Pohl, Kre­feld 1978.
Pohl, Wal­fried, Der Kre­fel­der Ar­chi­tekt Karl Busch­hü­ter 1872-1956, in: Kre­fel­der Stu­di­en 4, hg. v. Gui­do Rott­hoff, Kre­feld 1987, S. 7-388. 

Dürer-Heim (Moerser Str. 700). (Der Oberbürgermeister, Stadtarchiv Krefeld)

 
Anmerkungen
Zitationshinweis

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Gillner, Daniela, Karl Buschhüter, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-buschhueter/DE-2086/lido/63caa2a99ab339.87119687 (abgerufen am 19.04.2024)