Zu den Kapiteln
Karl Freiherr von Ingersleben schlug zunächst eine militärische Laufbahn ein und trat dann in den preußischen Staatsdienst ein. Als Kriegs- und Domänenrat in Stettin erwarb er sich große Verdienste um die Aufhebung der Leibeigenschaft auf den pommerschen Domänen, wurde erster Oberpräsident der Provinz Pommern und wechselte 1816 als Oberpräsident an den Rhein.
Karl Heinrich Ludwig Freiherr von Ingersleben wurde am 1.4.1753 in Potsdam geboren. Seine Eltern waren Johann Ludwig Freiherr von Ingersleben (1703–1757), preußischer Generalmajor der Infanterie, Ober-Hofjägermeister, Erbherr auf Königerode, Friedrichrode und Willerode im Mansfeldischen, der 1753 in Garnison in Potsdam stand, und Charlotte Louise Dorothea (1712–nach 1776), geborene von Herold, verwitwete von Platen. Die Familie war evangelisch und gehörte zum alten magdeburgischen Adel. Der Vater Johann Ludwig fiel während des Siebenjährigen Krieges 1757 in der Schlacht bei Breslau.
Ingersleben erhielt offenbar zunächst Privatunterricht, besuchte 1764–1765 die Ritterakademie in Brandenburg an der Havel und 1766/1767 die École militaire in Berlin; er absolvierte kein Studium. Am 15.10.1768 trat er als Fahnenjunker in das Kürassier-Regiment von Manstein ein, wurde am 11.6.1769 Cornet, erhielt am 2.5.1776 zusammen mit seiner Schwester die venia aetatis (Volljährigkeit), hatte damals ein Vermögen von rund 13.600 Talern und 600-700 Taler jährliche Einkünfte. Am 13.8.1777 wurde er zum Lieutenant befördert. Als Soldat diente er bis 1786, unter anderem im Bayerischen Erbfolgekrieg 1778/1779. Im August 1786 bat er, angeblich aus gesundheitlichen Gründen, tatsächlich wohl wegen zu langsamer Beförderung, um seinen Abschied und schied mit dem Charakter als Rittmeister aus dem aktiven Dienst - zuletzt beim Regiment von Kalckreuth - aus.
Seit dem 26.10.1783 war er mit Ulrike von Brause (1765–1846) verheiratet; aus der Ehe gingen der Sohn Carl Ludwig Ferdinand (im 26. Lebensjahr gefallen 1813) und die Tochter Luise (1784-1850) hervor.
Am 30.10.1787 wählten die Stände der Altmark Ingersleben zum Landrat; das große Examen bestand er am 15. Dezember des Jahres mit gutem Ergebnis und als geeignet für das Amt, am 19. Dezember wurde er offiziell als Landrat für den Kreis Tangermünde-Arneburg bestallt. Durch Ordre vom 14.8.1795 wurde er zum Präsidenten der Kriegs- und Domänenkammer Halberstadt ernannt, wechselte aber bereits im Juni 1798 in gleicher Eigenschaft nach Stettin, weil er nach Einschätzung der Regierung in Pommern in einem größern Würkungs-Kreis vortheilhafter u. nützlicher angestellt[1] würde. In den Stettiner Jahren erwarb er sich große Verdienste um die Aufhebung der Leibeigenschaft auf den pommerschen Domänen, die er rasch und erfolgreich ohne Beeinträchtigung der fiskalischen Interessen durchführte. Das brachte ihm die Gunst König Friedrich Wilhelms III. (Regierungszeit 1797-1840) ein. Anfang 1801 galt Ingersleben bei seinem Vorgesetzten als ein sehr einsichtsvoller, rechtschaffener, dem Dienst sich ganz widmender Mann, der überhaupt alle erforderlichen Eigenschaften vereinigt, um ein guter Kammerpraesident zu sein.[2]
Mit Patent vom 15.1.1806 (zurückdatiert auf Mai 1798) wurde er zum Finanzrat im Generaldirektorium ernannt, wurde jedoch bereits am 26.9.1806 Staatsminister und Chef der Administrationskommission für das von Preußen besetzte Kurfürstentum Hannover. Diese „schwierige und undankbare Mission“ (Skalweit) endete bereits im folgenden Monat nach dem militärischen Zusammenbruch Preußens bei Jena und Auerstedt. Nach dem Abzug der preußischen Garnison aus Hannover begab sich Ingersleben nach Stettin, um das von Berlin dorthin verlegte Generaldirektorium zu erreichen. Dort fand er die bereits nach Danzig weitergereisten Minister und den Kammerpräsidenten nicht mehr vor und übernahm, wenn auch zögerlich, auf Bitten von Magistrat und Bürgerschaft die Zivilverwaltung seines alten Kammerbezirks. Er wurde in die Kapitulation der Festung Stettin verwickelt, die er zwar nicht verursacht, aber auch nicht verhindert hatte, indem er sich den militärischen Entscheidungen nicht entschieden entgegenstellt hatte. Seine wenig rühmliche Haltung hat ihm viel Tadel eingetragen: „I[ngersleben] gehörte eben nicht zu den kraftvollen Naturen, die in so schwerer Stunde dem Vaterlande zu wünschen sind.“ (Petersdorff). Aus der Untersuchung seines Verhaltens ging er entlastet hervor. In dieser Zeit lebte er ohne Amt und Besoldung in Berlin.
Am 25.6.1812 wurde er auf Bitten der pommerschen Stände vom König zum Präsidenten der kurz vorher gebildeten pommerschen Regierung mit Sitz in Stargard ernannt, die 1814 nach Stettin versetzt wurde. Am 25.5.1815 erfolgte die Berufung in das neugeschaffene Amt des Oberpräsidenten der Provinz Pommern. Da er sich bei der Eingliederung Schwedisch-Vorpommerns bewährt hatte, wurde er auf Vorschlag von Staatskanzler Hardenberg (1750-1822) am 10.1.1816 als Nachfolger von Johann August Sack, der dafür Oberpräsident in Pommern wurde, zum Oberpräsidenten der neuen, die Regierungsbezirke Aachen, Koblenz und Trier umfassenden Provinz Großherzogtum Niederrhein mit dem Sitz in Koblenz bestellt. Bis 28.11.1817 stand er gleichzeitig dem Regierungspräsidium Koblenz vor. Nach dem Tode des Oberpräsidenten Grafen Solms-Laubach der Provinz Jülich-Kleve-Berg am 24.2.1822 übernahm Ingersleben am 24.3.1822 auch das Oberpräsidium dieser Provinz. Am 5.9.1822 erfolgte formal die Zusammenlegung der beiden Provinzen zu einer Provinz mit Sitz in Koblenz. Die neue Provinz hieß ab 1830 offiziell Rheinprovinz.
Im Rheinland erwarb sich Ingersleben mannigfache Verdienste und hohes Ansehen. Er suchte die Spannungen zwischen der Bevölkerung und der neuen preußischen Herrschaft auszugleichen, wozu sicher beitrug, dass er keine besonderen Initiativen entwickelte und sich in den beginnenden konfessionellen Auseinandersetzungen (Mischehenstreit) neutral verhielt. Dem Kölner Erzbischof Ferdinand August Graf von Spiegel (Episkopat 1825-1835) war er freundschaftlich verbunden.
Sein Wirken für den Staat würdigte der preußische König mit der Verleihung des Eisernen Kreuzes am Weißen Band (1814), des Roten Adlerordens (1815) sowie des Schwarzen Adlerordens (1828), des höchsten preußischen Ordens überhaupt. Das Königreich Hannover verlieh ihm 1821 den Guelphenorden. Ingersleben verstarb noch mit 78 Jahren im Dienst am 13.5.1831 in Koblenz.
Quellen
Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38, hg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Jürgen Kocka und Wolfgang Neugebauer (Acta Borussica NF Reihe 1), Band 1: 19. März 1817 bis 30. Dezember 1829, bearb. von Christina Rathgeber, Hildesheim [u.a.] 2001.
Literatur
Bär, Max, Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, Bonn 1919, ND Düsseldorf 1998.
Romeyk, Horst, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945, Düsseldorf 1994, S. 549.
Schütz, Rüdiger, Die preußischen Oberpräsidenten von 1815 bis 1866, in: Schwabe, Klaus (Hg.), Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, Boppard am Rhein 1985, S. 33-81.
Straubel, Rolf, Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15, Band 1, München 2009, S. 453-454.
Online
Petersdorff, Herman von, Ingersleben, Karl von, in: Allgemeine Deutsche Biographie 50 (1905), S. 669-676. [online]
Skalweit, Stephan, Ingersleben, Karl von, in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 172-173. [online]
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Lilla, Joachim, Karl Freiherr von Ingersleben, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-freiherr-von-ingersleben/DE-2086/lido/5b2ba2b62f36b6.15795707 (abgerufen am 10.12.2024)