Zu den Kapiteln
Karl Theodor zählte im 18. Jahrhundert zu den bedeutendsten deutschen Reichsfürsten. Unter seiner Herrschaft wurden die bayerische und die pfälzische Linie der Wittelsbacher nach mehr als 550 Jahren wieder vereinigt. Der Bedeutung seines Herrschaftsgebiets entsprach aber nicht unbedingt seine politische Rolle im Rahmen der Reichspolitik. Durch kühne Tauschpläne geriet er in eine gefährliche Gegnerschaft zu Friedrich II. von Preußen (Regierungszeit 1740-1786). Dauerhaften Nachruhm hat sich Karl Theodor vor allem auf kulturellem Gebiet erworben. Seine Schlossbauten in Benrath bei Düsseldorf und in Schwetzingen gelten als Meisterwerke des Barock. Auch der Musik und dem Theater galt seine ganz besondere Förderung.
Geboren wurde Karl Philipp Theodor Emmanuel am 10.12.1724 auf Schloss Drogenbusch bei Brüssel, das sich im Besitz der Familie seiner Mutter befand. Dort verbrachte er auch seine ersten zehn Lebensjahre. Der Vater, Johann Christian (1700-1733), war der Thronanwärter für das winzige Fürstentum Sulzbach in der Oberpfalz, die Mutter, Maria Anna (1708-1728), entstammte dem nicht unbedeutenden französischen Herzogshaus de la Tour d’Auvergne. Sie war als Dreizehnjährige mit dem künftigen Pfalzgrafen von Sulzbach verheiratet worden, weil sich schon früh abgezeichnet hatte, dass dieser einmal die pfälzische Kurwürde von der Linie Pfalz-Neuburg erben würde. 1632 starb Pfalzgraf Theodor und Johann Christian trat seine Nachfolge an, starb aber bereits im Jahr darauf. Im Alter von acht Jahren war Karl Theodor somit Pfalzgraf von Sulzbach. Seine Erziehung lag, nachdem er 1735 nach Mannheim übergesiedelt war, überwiegend in den Händen des Jesuitenordens und wurde überwacht von seinem Onkel Karl Philipp, Kurfürst von der Pfalz (Regierungszeit 1716-1742). Diese Erziehung bewirkte bei Karl Theodor eine besonders intensive Frömmigkeit, die einher ging mit einer großzügigen Förderung zahlreicher Orden und anderer katholischer Institutionen. Sie erzeugte freilich auch eine rigide Intoleranz gegenüber dem Protestantismus, eine Haltung, die Karl Theodor mit vielen anderen Vertretern des Hauses Wittelsbach teilte.
Im Januar 1742 vermählte sich Karl Theodor mit seiner Cousine Elisabeth Auguste (1721-1794). Der einzige Sohn aus dieser Verbindung starb bereits einen Tag nach seiner Geburt. Am Silvestertag des Jahres 1742 starb der greise Kurfürst Karl Philipp und Karl Theodor trat seine Nachfolge an. Der Spross einer an sich nachgeordneten Nebenlinie der pfälzischen Wittelsbacher war somit einer der bedeutendsten Fürsten des Heiligen Römischen Reichs geworden. Seine Besitzungen umfassten neben der Kurpfalz, Pfalz-Sulzbach und Pfalz-Neuburg, die niederrheinischen Herzogtümer Jülich und Berg sowie die Markgrafschaft Bergen op Zoom in den Niederlanden. Letztere war ihm aus dem Erbe seiner Mutter zugefallen. Nachdem er 1777 auch Kurfürst von Bayern geworden war, nannten ihn seine Zeitgenossen „Herr der sieben Länder“.
Schon bald nach seinem Regierungsantritt ging der Kurfürst daran, ein ehrgeiziges innenpolitisches Reformprogramm umzusetzen. Die Abschaffung der Ämterkäuflichkeit (die freilich später wieder üblich wurde) gehörte ebenso dazu wie eine Verkleinerung des Hofstaats zugunsten der Schaffung neuer Behörden. Besonderer Förderung erfreuten sich auch Kunst und Wissenschaft, für die Karl Theodor in seiner Pfälzer Regierungszeit die enorme Summe von 35 Millionen Gulden aufwandte. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa die Gründung der kurpfälzischen Akademie der Wissenschaften (1763) und die Einrichtung des Deutschen Nationaltheaters in Mannheim (1779), dessen Name programmatisch zu verstehen ist. Hier wurde unter anderem Friedrich Schillers (1759-1805) Stück „Die Räuber“ im Jahre 1782 uraufgeführt. Überhaupt konnte sich die kurpfälzische Residenzstadt Mannheim einer besonderen Förderung durch Karl Theodor erfreuen, was in erster Linie für den weiteren Ausbau der Stadt zutrifft.
Aber auch seinen „niederen Landen“, also den Herzogtümern Jülich und Berg, widmete der Kurfürst seine Aufmerksamkeit. Insgesamt vier Mal (1746/1747, 1755, 1767, 1785) hat er den Niederrhein während seiner Herrschaft besucht, wobei er sich besonders für die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bergischen Land interessierte, die er nach Kräften förderte. Auch die Landeshauptstadt Düsseldorf, die nach dem Tode des Kurfürsten Johann Wilhelm im Jahre 1716 ihre Funktion als Residenz verloren hatte, bedachte er mit zahlreichen Wohltaten. Hierzu rechnete etwa die Anlage des Hofgartens als „öffentliche Promenade“ im Jahre 1769, also 20 Jahre vor dem Englischen Garten in München, der ebenfalls auf die Initiative des Kurfürsten zurückgeht. Architektonisch setzte Karl Theodor mit der Errichtung von Schloss Benrath (1769 fertig gestellt) einen der bedeutendsten Marksteine für die Baukunst des Rokoko in Deutschland. Mit diesem Bauprojekt deutete sich auch die Absicht an, den Niederrhein künftig häufiger zu besuchen. Diese Pläne zerschlugen sich allerdings mit der Verlegung der Residenz von Mannheim nach München im Jahre 1778.
Außenpolitisch gelang es Karl Theodor nicht, sich aus den großen Konflikten seiner Zeit, namentlich aus dem Siebenjährigen Krieg herauszuhalten. Da er vertraglich an Frankreich gebunden war, wurden seine Besitzungen zwangsläufig mit in die Kampfhandlungen einbezogen, Dies gilt namentlich für den Niederrhein, der mehrfach unter fremder Besatzung zu leiden hatte. Wenigstens die Kurpfalz, die unter den Kriegen Ludwigs XIV. von Frankreich (Regierungszeit 1643-1715) fürchterlich zu leiden gehabt hatte, blieb diesmal vom Krieg verschont. Die Erfahrung seiner militärischen Ohnmacht bewog den Kurfürsten nach 1763, seine Rüstungsanstrengungen zu erhöhen, was nichts an der Tatsache zu ändern vermochte, dass die Kurpfalz auch weiterhin zu den schwächeren Reichsständen zählte, die keine tragende Rolle auf der Bühne des Kriegstheaters zu spielen vermochten. Einen Wendepunkt in der langen Regierungszeit Karl Theodors bildete das Jahr 1777. Am 30.12.1777 starb in München der bayerische Kurfürst Maximilian III. Joseph (Regierungszeit 1745-1777) . Da er keinen legitimen Erben hinterließ, fiel das Kurfürstentum Bayern gemäß einem 1766 geschlossenen wittelsbachischen Hausvertrags an den Kurfürsten von der Pfalz, also an Karl Theodor. Gemäß einer Bestimmung des erwähnten Vertrags, hatte der Kurfürst von Pfalz-Bayern (so seine offizielle Bezeichnung) in München Residenz zu nehmen. Dieser Schritt fiel Karl Theodor besonders schwer, musste er sich doch von seiner lieb gewonnenen Mannheimer Residenz trennen, in die er so viel investiert hatte. Zu Bayern und vor allem zu dessen Hauptstadt München hat er in den nun folgenden Jahrzehnten nie eine innere Bindung entwickelt. Seine bayerischen Untertanen haben das sehr wohl vermerkt und sind ihm mehrheitlich mit großer Abneigung begegnet. Mit dem selbstbewussten Münchner Magistrat war Karl Theodor bis zu seinem Tode in endlose Händel verstrickt.
Gleich bei seinem Regierungsantritt in Bayern sah sich Karl Theodor mit außenpolitischen Problemen neuer Art konfrontiert. Sein neuer Nachbar Österreich erhob Ansprüche auf die Oberpfalz und Niederbayern, also auf etwa die Hälfte des bayerischen Kurstaats. Karl Theodor zeigte sich zum Nachgeben bereit und willigte in die Abtretung dieser Territorien ein, wofür er im Gegenzug die „Vorderösterreich“ genannten Gebiete (Breisgau, Ortenau) vom Haus Habsburg erhalten sollte. Das Königreich Preußen sah in diesem Vorgang eine unzulässige Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Reich zugunsten des Hauses Österreich und intervenierte militärisch. Im Frieden von Teschen (1779) wurde diese Abmachung schließlich für nichtig erklärt. Kaiser Joseph II. (Regierungszeit 1780-1790) musste sich mit dem Erwerb des bislang zu Bayern gehörigen Innviertels rund um die Stadt Braunau begnügen.
Doch Teschen bedeutete nicht das Ende der bayerisch-österreichischen Bestrebungen zum Ländertausch. Ein besonders weitreichendes Projekt wurde zwischen beiden Herrschern im Jahre 1784/1785 verfolgt, das die politische Landkarte des Heiligen Römischen Reiches entscheidend verändert hätte. Es handelte sich um nichts Geringeres als den Tausch des Kurfürstentums Bayern gegen die österreichischen Niederlande, also grosso modo das Staatsgebiet des heutigen Belgien. Als Fernziel schwebte Karl Theodor die Schaffung eines eigenen Königreichs Burgund vor, das aus seinen alten und neuen rheinischen und niederländischen Territorien gebildet werden sollte. Er verfolgte damit einen Plan, an dem schon der Burgunderherzog Karl der Kühne (Regierungszeit 1465-1477) im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gescheitert war. Wie nicht anders zu erwarten, führte das Bekanntwerden dieses Plans abermals zur energischen Intervention Preußens, das diesmal im Verein mit anderen Reichsständen („Fürstenbund“) Karl Theodor und Joseph II. zur Aufgabe ihres Vorhabens zwang. In der Konvention von Reichenbach (1790) mussten sich beide schließlich zum offiziellen Verzicht auf den Ländertausch verpflichten. Es ist allerdings fraglich, ob der Kaiser sich tatsächlich zur Aufgabe der österreichischen Niederlande bereit gefunden hätte, denn die daraus fließenden jährlichen Einnahmen übertrafen diejenigen des Kurfürstentums Bayern beträchtlich.
Die letzten Lebensjahre Karl Theodors waren überschattet von den Auswirkungen der Französischen Revolution und der damit verbundenen Koalitionskriege, die auch die Länder des Kurfürsten nicht verschonten. Bereits im Vorfeld der Französischen Revolution war 1785 in München der Geheimorden der „Illuminaten“ enttarnt worden. Dieser Vereinigung, der unter anderem eine ganze Anzahl leitender bayerischer Beamter angehörte, unterstellte man – sehr zu Unrecht – Pläne zu einem gewaltsamen Umsturz der politischen Verhältnisse in Bayern, was wiederum eine Welle staatlicher Repression auslöste. Davon betroffen waren nicht nur die Illuminaten, sondern auch andere aufklärerische Gesellschaften, die sich zuvor der intensiven Förderung durch Karl Theodor hatten erfreuen dürfen.
Im Zuge des ersten Koalitionskrieges verlor Karl Theodor bereits 1794 die linksrheinisch gelegenen Teile der Pfalz und das Herzogtum Jülich am Niederrhein, die bis 1814 unter französischer Herrschaft blieben und ab 1801 sogar Teil des französischen Staatsgebiets wurden. Dass Pfalzbayern für diesen Verlust im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 reichlich entschädigt wurde, hat Karl Theodor nicht mehr erlebt. Anfang 1795 hatte er sich zum zweiten Mal verehelicht. Seine Gemahlin war eine Erzherzogin aus dem Hause Habsburg, was einmal mehr die Nähe des Kurfürsten zum Kaiserhaus sinnfällig werden lässt. Auch diese Ehe blieb kinderlos, so dass beim Tode Karl Theodors am 16.2.1799 keine legitimen Erben vorhanden waren. Die Herrschaft in Pfalzbayern ging infolgedessen auf die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken über. Neuer Kurfürst (und ab 1806 König) wurde Maximilian IV./I. Joseph. (Regierungszeit bis 1825). Dass Karl Theodor bei seinen bayerischen Untertanen äußerst unbeliebt war, lässt sich auch am versteckten Standort seines Sarkophags in der Fürstengruft der Münchener Theatinerkirche ablesen. Angeblich soll es in München bei der Nachricht von seinem Ableben zu spontanen Freudenbekundungen der Bevölkerung gekommen sein. Im Gegensatz dazu bewahrt man ihm am Niederrhein – wie auch in der Pfalz – ein ehrendes Andenken, hat er sich doch unermüdlich für seine dortigen Untertanen eingesetzt und diese Territorien nachhaltig gefördert.
Quellen
Karl Theodors Initiation zum regierenden Kurfürsten von der Pfalz oder Regierungsgrundsätze, wie sie 1742 zum Gebrauch desselben aufgesetzt wurden, in: Meiners und Spittler, Göttingisches historisches Magazin, Band 1 (1787), S. 648-682.
Mayr, G. K. (Hg.), Sammlung der kurpfalzbaierischen allgemeinen und besonderen Landesverordnungen, 6 Bände, München 1784-1799.
Literatur
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Ebersold, Günther, Rokoko, Reform und Revolution. Ein politisches Lebensbild des Kurfürsten Karl Theodor, Frankfurt a. M. u. a. 1985.
Engelbrecht, Jörg, Karl Theodors Reisen im Bergischen Land. Ein Beitrag zur Verkehrsgeschichte des 18. Jahrhunderts, in: Romerike Berge 53 (2003), S. 2-10.
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Lebenslust und Frömmigkeit. Kurfürst Carl Theodor (1724-1799) zwischen Barock und Aufklärung, hg. von Alfried Wieczorek/Hansjörg Probst/Wieland König, Handbuch und Ausstellungskatalog, 2 Bände, Regensburg 1999.
Mörz, Stefan, Aufgeklärter Absolutismus in der Kurpfalz während der Mannheimer Regierungszeit des Kurfürsten Karl Theodor 1742-77, Stuttgart 1991.
Online
Fuchs, Peter, „Karl Theodor“, in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 252-258. [Online ]
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Engelbrecht, Jörg, Karl Theodor von der Pfalz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-theodor-von-der-pfalz/DE-2086/lido/57c9327525e325.41903160 (abgerufen am 10.12.2024)