Karl von Bock und Polach

Oberbürgermeister von Mülheim an der Ruhr (1840-1902)

Kai Rawe (Mülheim an der Ruhr)

Karl von Bock und Polach, Porträtfoto. (Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr)

Karl von Bock und Po­lach hat sich in ei­ner dy­na­mi­schen Epo­che der Ge­schich­te Mül­heims um de­ren Ent­wick­lung hin zur mo­der­nen In­dus­trie­stadt ver­dient ge­macht.

Der aus al­ter preu­ßi­scher Of­fi­ziers­fa­mi­lie stam­men­de Karl von Bock und Po­lach wur­de am 28.10.1840 in Mainz als Sohn des preu­ßi­schen Ar­til­le­rie-Haupt­manns Ernst Fried­rich Wil­helm von Bock und Po­lach (1799 –1849) und des­sen Frau Lui­se Ka­ro­li­ne Ma­ria von Nor­deck (1815–1892) ge­bo­ren. Sei­ne Schul­bil­dung er­hielt er auf der Bür­ger­schu­le zu Müns­ter und in der preu­ßi­schen Ka­det­ten­an­stalt Bens­berg. Als Of­fi­zier nahm er 1864 am Deutsch-Dä­ni­schen und 1866 am Preu­ßisch-Ös­ter­rei­chi­schen Krieg teil, be­vor er 1868 aus dem ak­ti­ven Mi­li­tär­dienst aus­schied und ei­ne zi­vi­le Lauf­bahn in der Kom­mu­nal­ver­wal­tung ein­schlug.

 

Nach be­ruf­li­chen Sta­tio­nen in Hüs­ten, Soest, Laas­phe, Arns­berg, Lang­er­feld und Her­ne kam er im Jah­re 1879 nach Mül­heim an der Ruhr. Dort hat­te im Vor­jahr Bür­ger­meis­ter Hein­rich Bang (1838 – 1896, Amts­zeit 1873–1878) sein Amt vor­zei­tig nie­der­ge­legt, so dass die Stel­le va­kant war. Karl von Bock er­kann­te ei­ne Kar­rie­re­chan­ce, bot doch sei­ne Stel­lung als Amt­mann in Her­ne weit­aus we­ni­ger Ge­stal­tungs­mög­lich­kei­ten und Pres­ti­ge als die ei­nes Mül­hei­mer Bür­ger­meis­ters. Sei­ne Be­wer­bung hat­te Er­folg und so wur­de er 1879 von der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung ein­stim­mig ge­wählt. Für mehr als 20 Jah­re be­stimm­te er von da an die Mül­hei­mer Kom­mu­nal­po­li­tik und die Ent­wick­lung der auf­stre­ben­den Stadt.

Aus der Ehe mit Ma­ria The­re­sia von Ber­nuth (1850–1928) gin­gen vier Söh­ne und zwei Töch­ter her­vor.

Ansturm auf die 'Elektrische'. Kolorierte Postkarte aus den 1890er Jahren. (Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr)

 

Von Bock hat sich in be­son­de­rem Ma­ße um die bau­li­che Wei­ter­ent­wick­lung der ste­tig wach­sen­den In­dus­trie­stadt an der Ruhr be­müht. Sein be­son­de­res Au­gen­merk galt der Ver­bes­se­rung der We­ge und Plät­ze, aber auch der Schaf­fung neu­er, zeit­ge­mä­ßer Ein­rich­tun­gen der kom­mu­na­len In­fra­struk­tur und Da­seins­vor­sor­ge. So sorg­te er 1886 für die Über­nah­me der be­reits seit 1855 be­ste­hen­den Gas­an­stalt in städ­ti­sche Re­gie und de­ren ad­mi­nis­tra­ti­ver Ver­ei­ni­gung mit den städ­ti­schen Was­ser­wer­ken. Am 1.1.1889 nahm die ers­te kom­mu­na­le Müll­ab­fuhr Mül­heims ih­ren Dienst auf. Auch im Spar­kas­sen­we­sen mach­te sich von Bock ei­nen Na­men, in­dem er als ei­ner der Grün­der­vä­ter des heu­ti­gen “R­hei­ni­schen Spar­kas­sen- und Gi­ro­ver­ban­des” 1881 die Idee vom Zu­sam­men­schluss kom­mu­na­ler Spar­kas­sen um­setz­te, und zwar als Zu­sam­men­schluss der Spar­kas­sen Mül­heim an der Ruhr, Es­sen, Stee­le (heu­te Stadt Es­sen) und Bo­chum.

Mülheimer Straßenbahn um 1900. (Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr)

 

Wel­che Be­deu­tung von Bock der Wei­ter­ent­wick­lung der kom­mu­na­len In­fra­struk­tur auf tech­nisch höchs­tem und mo­derns­tem zeit­ge­nös­si­schen Ni­veau bei­maß, zei­gen die An­fän­ge der Mül­hei­mer Stra­ßen­bahn und de­ren Um­stel­lung auf elek­tri­schen Be­trieb; bei­de Maß­nah­men fal­len in sei­ne Amts­zeit. 1888 wur­de die ers­te Dampf­stra­ßen­bahn zwi­schen dem Mül­hei­mer Stadt­teil Broich und der be­nach­bar­ten Stadt Duis­burg er­öff­net. Ei­ne Wei­ter­füh­rung der Stre­cke über die Ket­ten­brü­cke auf das Mül­hei­mer Ruh­ru­fer schei­ter­te zu­nächst an der zu ge­rin­gen Trag­fä­hig­keit der al­ten Brü­cke. Mit dem Auf­kom­men der elek­tri­schen Stra­ßen­bah­nen wur­de de­ren Ein­rich­tung auch in Mül­heim an der Ruhr ak­tu­ell: im Ju­li 1896 be­gann die Fir­ma “AG. Elek­tri­zi­täts­wer­ke (vorm. O. Kum­mer & Cie.)” mit dem Bau ei­ner elek­tri­schen Stra­ßen­bahn­stre­cke. Am 9.7.1897 wur­de die ers­te elek­tri­sche Stra­ßen­bahn Mül­heims, die die Stre­cke Kah­len­berg – Rat­haus­markt – Styrum – Ober­hau­sen so­wie die Stre­cke Rat­haus­markt – Kör­ner­stra­ße be­fuhr, er­öff­net. Die Ge­samt­län­ge des zu­meist ein­glei­si­gen Stre­cken­net­zes be­trug zu die­sem Zeit­punkt 12,5 Ki­lo­me­ter, die von sie­ben Mo­tor­wa­gen in ei­nem 15-Mi­nu­ten-Takt be­fah­ren wur­den. Die­se ers­te Li­nie war so er­folg­reich, dass noch im Er­öff­nungs­jahr die Takt­zeit hal­biert und sechs wei­te­re Mo­tor­wa­gen an­ge­schafft wer­den konn­ten. In den dar­auf fol­gen­den Jah­ren wur­de das Stre­cken­netz ste­tig er­wei­tert und noch heu­te prägt die “Elek­tri­sche” den Per­so­nen­nah­ver­kehr in der Stadt an der Ruhr.

Amtsgericht Mülheim an der Ruhr. Kolorierte Postkarte um 1900. (Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr)

 

Nach dem Ge­richts­ver­fas­sungs­ge­setz von 1877, das 1879 in Kraft trat, wur­de Mül­heim an der Ruhr Sitz ei­nes Amts­ge­richts. für das nach pro­vi­so­ri­schen Un­ter­brin­gun­gen der Bau ei­nes ei­ge­nen Ge­bäu­des not­wen­dig wur­de. Un­ter Füh­rung von Bocks mach­te die Stadt der Jus­tiz­ver­wal­tung ein An­ge­bot, das 1898 an­ge­nom­men wur­de: Die Stadt stell­te kos­ten­lo­sen Bau­grund zur Ver­fü­gung und er­rich­te­te auf ei­ge­ne Kos­ten das Ge­richts­ge­bäu­de, das an die Jus­tiz­ver­wal­tung ver­mie­tet wur­de, so dass der For­de­rung der Stadt, durch das Pro­jekt dürf­ten ihr kei­ne “Geld­op­fer” auf­er­legt wer­den, er­füllt war. Von Bock er­leb­te die Fer­tig­stel­lung des Bau­werks, an des­sen Rea­li­sie­rung er er­heb­li­chen An­teil ge­habt hat­te, nicht mehr.

Ein ähn­lich stadt­bild­prä­gen­des Ge­bäu­de war das Kai­ser­li­che Post­amt, das zwi­schen 1894 und 1897 auf dem “Schol­len­feld” er­rich­tet wur­de; der Bau gab ei­nen wich­ti­gen Im­puls für die bau­li­che Ent­wick­lung ei­nes der mar­kan­tes­ten In­nen­stadt­plät­ze Mül­heims und war bei sei­ner Er­rich­tung ei­nes der grö­ß­ten öf­fent­li­chen Ge­bäu­de der Stadt (heu­te Nut­zung als “Kunst­mu­se­um in der Al­ten Post”).

Kaiserliches Postamt. Kolorierte Postkarte um 1910. (Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr)

 

Ein be­son­de­rer Er­folg ge­lang von Bock mit der Er­rich­tung ei­ner Mi­li­tär­gar­ni­son in der Stadt. Nach­dem die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung seit Mit­te der 1890er Jah­re mehr­mals über die Ver­le­gung ei­ner Mi­li­tär­gar­ni­son nach Mül­heim be­ra­ten hat­te, wur­de von Bock be­auf­tragt, beim preu­ßi­schen Kriegs­mi­nis­ter die Sta­tio­nie­rung ei­nes der neu­en Re­gi­men­ter in Mül­heim zu be­an­tra­gen. Ob­wohl sich Kai­ser Wil­helm II. (Re­gent­schaft 1888-1918) stets da­ge­gen aus­ge­spro­chen hat­te, Ka­ser­nen und Uni­ver­si­tä­ten im Ruhr­ge­biet zu er­rich­ten – Sol­da­ten und Stu­den­ten bräch­ten zu viel Un­ru­he in die oh­ne­hin su­spek­te Ar­bei­ter­be­völ­ke­rung – wur­de im März 1897 durch Ka­bi­netts­ord­re die Ver­le­gung des 8. Loth­rin­gi­schen In­fan­te­rie­re­gi­ments Nr. 159 nach Mül­heim be­schlos­sen. Als ein­zi­ge Ruhr­ge­biets­stadt wur­de Mül­heim da­mit zur Gar­ni­son. An­ge­sichts sei­ner ge­sell­schaft­li­chen Be­deu­tung und des ho­hen Pres­ti­ges des Mi­li­tärs im wil­hel­mi­ni­schen Deutsch­land, war dies ein be­deu­ten­der Er­folg, der al­ler­dings auch sei­nen Preis hat­te: die Stadt muss­te die Er­rich­tung der im­mer­hin 16 Ka­ser­nen­ge­bäu­de selbst fi­nan­zie­ren. Für die zu­nächst ver­ein­bar­te Nut­zungs­dau­er von 25 Jah­ren soll­te der Mi­li­tär­fis­kus die Ge­bäu­de dann mie­ten. Wäh­rend ei­ne Frank­fur­ter Bau­fir­ma die Bau­ten er­rich­te­te, wur­de die In­nen­aus­stat­tung bei ein­hei­mi­schen Hand­werks­be­trie­ben in Auf­trag ge­ge­ben. Die Ka­ser­ne konn­te am 29.3.1899 be­zo­gen wer­den. Die Ge­bäu­de wur­den nach dem Zwei­ten Welt­krieg nicht mehr als Ka­ser­ne ge­nutzt und dien­ten bis zum Ab­riss 1975 als Wohn-, Schul- und Ver­wal­tungs­bau­ten.

Die ho­he Wert­schät­zung, die Karl von Bock bei sei­nen Zeit­ge­nos­sen wie der Ob­rig­keit ge­noss, drück­te sich auch dar­in aus, dass er für sei­ne Ver­diens­te um die Stadt Mül­heim an der Ruhr nach sei­ner er­neut ein­stim­mi­gen Wie­der­wahl im Jah­re 1895 per Ka­bi­netts­ord­re zum Ober­bür­ger­meis­ter er­nannt wur­de. Die­ser Ti­tel war ei­gent­lich nur in Groß­städ­ten üb­lich, was Mül­heim erst im Jah­re 1908 mit Er­rei­chen des 100.000. Ein­woh­ners wur­de. Von Bock war es nicht ver­gönnt, sich lan­ge an die­ser Aus­zeich­nung zu er­freu­en. Schwer krank war er seit 1899 nicht mehr in der La­ge, sein Amt aus­zu­fül­len, so dass bis zu sei­nem To­de am 29.1.1902 der städ­ti­sche Bei­ge­ord­ne­te Erich von We­del­städt (1858–1915) die Amts­ge­schäf­te kom­mis­sa­risch führ­te.

Karl von Bock wur­den ho­he Aus­zeich­nun­gen zu­teil, un­ter an­de­rem der Ro­te Ad­ler­or­den mit Schwer­tern und der Kro­nen­or­den mit Schwer­tern. In An­er­ken­nung sei­ner Ver­diens­te wur­de 1914 in der Stadt ei­ne Stra­ße nach ihm be­nannt.

Literatur

Gül­lens­tern, El­leo­no­re, Al­le mei­ne Vor­gän­ger, in: Mül­hei­mer Jahr­buch 1983, S. 42– 2.
Op ten Hö­fel, Ru­dolf, Sie lenk­ten und len­ken die Ge­schi­cke der Stadt Mül­heim seit 150 Jah­ren. Mül­hei­mer Bür­ger­meis­ter 1808 – 1958, in: Mül­hei­mer Jahr­buch 1958. S. 33–40.
Zeu­gen der Stadt­ge­schich­te. Bau­denk­mä­ler und his­to­ri­sche Or­te in Mül­heim an der Ruhr, hg. v. Ge­schichts­ver­ein Mül­heim an der Ruhr, Es­sen 2008.

Mülheim wird Garnisonsstadt. Oberbürgermeister von Bock und Polach begrüßt das 159. Infanterieregiment in Mülheim an der Ruhr. Postkarte, 1899. (Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr)

 
Zitationshinweis

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Rawe, Kai, Karl von Bock und Polach, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-von-bock-und-polach/DE-2086/lido/57c5847600fd33.33805148 (abgerufen am 25.03.2023)