Zu den Kapiteln
Konrad Heresbach war ein bedeutender Humanist, der am Hof des Herzogtums Kleve-Jülich-Berg zuerst als Erzieher des Erbprinzen Wilhelm und dann als Diplomat in religions- und machtpolitischen Fragen tätig war. Auf Heresbachs Wirken gehen insbesondere die während der Reformationszeit von Toleranz gekennzeichnete, allerdings auch unentschiedene klevische Religionspolitik sowie zukunftweisende Reformen zurück. Heresbach war ein Freund des berühmten Gelehrten Erasmus von Rotterdam (1465/ 1469-1536).
Konrad Heresbach wurde am 2.8.1496 auf dem Hof Herzbach bei Mettmann im Herzogtum Berg geboren. Sein Vater, der ebenfalls Konrad hieß, war Pächter eines Haupthofes von Kloster Corvey, der Name der Mutter ist nicht überliefert. Der junge Konrad war das fünfte von sieben Kindern und zugleich der jüngste der Söhne.
Mit sieben Jahren wurde Konrad 1503 zur Abteischule in Werden an der Ruhr geschickt, ab 1507 besuchte er die Lateinschule im westfälischen Hamm. 1510 wurde Heresbach an der Domschule von Münster Schüler des Johannes Murmellius (1480-1517), der ihn mit der Devotio moderna und dem Humanismus in Kontakt brachte. Sein 1512 in Köln begonnenes Studium schloss er 1515 als Magister Artium der freien Künste ab, zugleich begann er theologische und juristische Studien. 1517 studierte Heresbach an Universitäten in Orléans und Paris, wobei er Französisch lernte und mit einem Baccalaureus Legum, dem ersten juristischen Grad, seine Studien abschloss. Nach seiner Rückkehr nach Köln im Jahre 1519 lernte er Erasmus von Rotterdam kennen, als dieser im Gefolge Kaiser Karls V. (Regierungszeit 1519-1556) in Köln weilte. Auf Erasmus Veranlassung zog Heresbach für kurze Zeit nach Basel, wo er im Hause von Johannes Frobenius (1460-1527), dem Drucker des berühmten Humanisten, wohnte.
1521 übernahm Heresbach auf Empfehlung des Erasmus eine Professur für Griechisch an der Universität Freiburg. Im Jahre 1522 ließ sich der bildungshungrige Heresbach beurlauben, um im italienischen Ferrara sein Jurastudium abzuschließen. Hier erwarb Heresbach den Grad eines Doktors des Zivilrechts. Auf seiner Italienreise begleitete ihn Erasmius Froben, der Sohn des Johannes Frobenius, den Heresbach als Erzieher betreute. Zurück in Freiburg nahm Heresbach seine Lehrtätigkeit wieder auf und veröffentlichte sein erstes Werk, eine Neuherausgabe der Geographie Strabons (um 63 vor Christus - 23 nach Christus). Weitere Herausgaben klassischer Texte (Herodot und Thukydides) folgten 1526 und 1527.
Ab September des Jahres 1523 war Heresbach als Erzieher des Erbprinzen Wilhelm in Kleve tätig. Möglicherweise hat er auch diese Stelle auf Empfehlung des Erasmus antreten können. Mit der Übernahme dieser Aufgabe wuchs Heresbach in eine bedeutende Position sowohl innerhalb des Herzogtums als auch im Rahmen der konfessionellen Gegensätze der Zeit hinein. Das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg, sukzessive durch Erbfall als Zusammenschluss der vorgenannten Herzogtümer und der Grafschaften Mark und Ravensberg entstanden, hatte eine entscheidende Machtposition im Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis inne. Heresbach wurde so zum Erzieher eines künftigen weltlichen Herrschers von nicht geringer Bedeutung, an dem er seine pädagogischen und humanistischen Prinzipien erproben konnte.
Kurz nach Antritt der Stelle als Prinzenerzieher formulierte Heresbach in einem Memorandum seine Erziehungsvorstellungen. Zeugnis von diesen Vorstellungen gibt eine von ihm verfasste pädagogische Schrift aus dem Jahre 1570. Er fordert darin in Abgrenzung zur zeitgenössischen mönchisch-scholastischen Erziehungslehre unter anderem eine freie wissenschaftliche Erziehung, die zu Religiosität aus eigener Einsicht führen sollte, Schlichtheit und Moralität auf dem Boden sowohl des Christentums als auch der antiken Lehren von Stoa und Neuplatonismus.
Im Zeitalter der Reformation war Religionspolitik auch stets Machtpolitik und umgekehrt, womit dem Einfluss Heresbachs auf die religiöse Haltung des späteren Fürsten große Bedeutung zukam. Noch zu Regierungszeiten Johanns III. (1490-1535), des Vaters des Erbprinzen Wilhelm, nahm der humanistische Gelehrte für Jülich-Kleve-Berg an Land-, Fürsten- und Städtetagen als religionspolitischer Berater teil. Mit dem Politiker und Humanisten Johannes von Vlatten (1498-1562), der Kleve 1530 auf dem reformationsgeschichtlich bedeutenden Reichstag von Augsburg vertrat, stand Heresbach ebenfalls in engem Kontakt. Ins Umfeld dieser Zeit fällt auch die Aufnahme einer über 30 Jahre währenden Korrespondenz mit dem neben Martin Luther (1483-1546) bedeutendsten Reformator Philipp Melanchthon (1497-1560).
1535 wurde Heresbach durch Johann III. zum Herzoglichen Rat ernannt, woraufhin er seine diplomatischen und religionspolitischen Tätigkeiten intensivierte. 1536 heiratete Heresbach die ehemalige Nonne Mechteld von Duenen (1500-1560), die Tochter des ritterbürtigen Arnt von Duenen und seiner Frau Bela von Lorward. Gut Lorward bei Wesel wurde im Folgenden zum ständigen Wohnsitz des Paares.
1539 trat Erbprinz Wilhelm nach dem Tod seines Vaters als Wilhelm V. (genannt „der Reiche") die Herrschaft in den Vereinigten Herzogtümern an. Eine der ersten Aufgaben Heresbachs bestand in der Verhandlungsführung über den Abschluss eines Ehevertrags zwischen Anna von Kleve, einer Schwester Wilhelms, und Heinrich VIII. von England (1491-1547). Zwar gelangen der Abschluss des Ehevertrags und die Realisierung eines Bündnisses mit England, die Ehe zwischen Anna und Heinrich wurde allerdings nach nur drei Monaten wieder geschieden.
In den folgenden Jahren wurde Heresbach immer wieder in diplomatischen Angelegenheiten an den Höfen Europas und in religionspolitischen Fragen tätig. Seine umfassende humanistische Bildung qualifizierte Heresbach für derartige Aufgaben in besonderem Maße. Allerdings war auch Heresbach nicht vor Fehlern gefeit. So war es insbesondere auf Heresbachs juristischen Rat zurückzuführen, dass Jülich-Kleve-Berg im Anspruch auf das Herzogtum Geldern 1543 einen kurzen und chancenlosen Krieg gegen Kaiser Karl V. führte, der mit einem Kniefall des Herzogs vor dem Kaiser endete. In der Frage der Reformation gelang es ihm, den Herzog auf einen toleranten und eigenständigen Mittelweg („via media") zwischen katholischer Orthodoxie und protestantischem Reformeifer festzulegen.
Heresbach arbeitete an verschiedenen Kirchenordnungen für die formal katholischen Vereinigten Herzogtümer mit, die die berechtigte protestantische Kritik ebenso berücksichtigen wollten wie katholische Traditionen. Ergebnis dieser zwar wohlmeinenden, letztlich aber auch unentschiedenen, unpraktikabeln und Jülich-Kleve-Berg im Reich sowohl von katholischen wie protestantischen Ländern isolierenden Politik war eine zunehmende religiöse Spaltung der Bevölkerung in den Vereinigten Herzogtümern. Eine letzte, umfassend neue Kirchenordnung 1567 scheiterte dann auch an den Verhärtungen, die sich im Laufe der Reformationszeit zwischen den Lagern ergeben hatten. Noch heute geht die konfessionelle Mischung Nordrhein-Westfalens zwischen Katholiken und Protestanten nicht unwesentlich auf die Zeit der klevischen „via media"-Politik zurück. Innere Reformen, die auf Heresbach zurückgingen, waren 1554 eine umfassende Rechtsreform der Herzogtümer sowie eine fortschrittliche Armenordnung.
Neben seinen diplomatischen Tätigkeiten widmete sich Heresbach auch weiter seinen geistigen Interessen. So war er 1555 wesentlich an den Gründungsplänen einer humanistischen Landesuniversität in Duisburg sowie an der Etablierung eines Gymnasiums in Düsseldorf 1545 beteiligt. Daneben pflegte er eine ansehnliche Bibliothek klassischer, philosophischer und religiöser Schriften, die die für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Menge von circa 2000 Büchern umfasste.
Nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1560 heiratete Heresbach 1562 Mechtelt von Loe, eine Verwandte seiner ersten Gattin. Nachdem Wilhelm V. 1566 einen Schlaganfall erlitten hatte, übernahm Heresbach gemeinsam mit den anderen Räten im so genannten „Großen Rat" verstärkt die Regierungsgeschäfte der Herzogtümer. Im Alter veröffentliche Heresbach schließlich noch weitere Schriften, so 1568 eine Abhandlung „Über die Landwirtschaft" und 1570 die schon erwähnte pädagogische Schrift „Über Erziehung und Bildung der Fürstenkinder". Seine letzte Veröffentlichung war 1574 ein in Basel verlegtes Gebetbuch, das bis 1592 in drei Auflagen publiziert wurde. Weitere Schriften wurden postum veröffentlicht.
Am 14.10.1576 verstarb Konrad Heresbach im Alter von 80 Jahren auf seinem Gut Lorward. Begraben wurde er in der Weseler Pfarrkirche St. Willibrod, wo noch heute die Heresbach-Kapelle besichtigt werden kann. Seine umfangreiche, im Zweiten Weltkrieg weitgehend untergegangene Bibliothek lagerte nach seinem Tod in dieser Kapelle.
An Heresbach erinnern heute neben einer Gedenktafel in der erwähnten Kapelle ein 1996 eingeweihtes Denkmal in Wesel sowie ein nach ihm benanntes Gymnasium in Mettmann.
Schriften (Auswahl)
Celeuma exhortatorium ad praeparationem Christiane moriendi (Ermahnung und Ermutigung zur Vorbereitung auf ein christliches Sterben), Frankfurt a. M. 1592.
Christiane iurisprudentiae epitome (über die christliche Jurisprudenz), Neustadt / Pfalz 1586 .
De educandis erundisque Principum liberis (Über die Erziehung und Unterricht der Fürsrtenkinder), Frankfurt a. M. 1570.
Rei rusticae libri quatuor (Vier Bücher über die Landwirtschaft), Köln 1568.
Strabonis geographicorum commentarii (Kommentar zur Geographie des Strabon), Basel 1549.
Thucydidis Atheniensis Historiographi (Textausgabe der Geschichte des Thukydides über den Peloponesischen Krieg), Köln 1527.
Literatur
Bernhardt, Marcus (Hg.), Geist & Macht. Konrad Heresbach. Humanist und Diplomat am jülich-klevischen Hof, Jülich 1999.
Pohl, Meinhard (Hg.), Der Niederrhein im Zeitalter des Humanismus. Konrad Heresbach und sein Kreis, Bielefeld 1997.
Prieur, Jutta (Hg.), Humanismus als Reform am Niederrhein. Konrad Heresbach 1496-1579, Bielefeld 1996.
Szameitat, Martin, Konrad Heresbach. Ein niederrheinischer Humanist zwischen Politik und Gelehrsamkeit, Bonn 2010.
Online
Lohse, Hartwig, Artikel "Heresbach, Konrad", in: Neue deutsche Biographie 8 (1969), S. 606-607.
Philipp, Michael, Übersetzungsprojekt: Konrad Heresbachs Fürstenspiegel (Information auf der Homepage des Lehrstuhls für Frühe Neuzeit der Universität Augsburg).
Auftritt und Angebot der Heresbach-Stiftung-Kalkar auf den Seiten der Stadt Kalkar. [Online]
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Arand, Tobias, Konrad Heresbach, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/konrad-heresbach/DE-2086/lido/57c82bbf851431.26372457 (abgerufen am 01.12.2024)