Kurt Schwippert

Bildhauer (1903–1983)

Josef Niesen (Bonn)

Stehendes Mädchen (Wartende), Skulptur von Kurt Schwippert, 1944. (Rheinisches Bildarchiv, rba_d040382)

Kurt Schwip­pert, Pro­fes­sor an den Köl­ner Werk­schu­len, Schöp­fer des Eh­ren­mals der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land in Bonn, ge­hört mit sei­nen kraft­voll-stren­gen Ar­bei­ten zu den be­deu­tends­ten Bild­hau­ern des 20. Jahr­hun­derts. 

Ge­bo­ren wur­de Kurt Fer­di­nand Schwip­pert am 18.7.1903 in So­lin­gen im Ber­gi­schen Land, wo­hin sei­ne El­tern um 1900, aus Rem­scheid kom­mend, ge­zo­gen wa­ren. Sein Va­ter, Karl Fer­di­nand Schwip­pert (ge­bo­ren 1873), ar­bei­te­te dort als Volks­schul­leh­rer an der Schu­le auf der Krah­er­hö­he, die auch sein vier Jah­re äl­te­rer Bru­der Hans be­such­te, der ein be­deu­ten­der Ar­chi­tekt wur­de. Die Mut­ter, Hed­wig Schwip­pert ge­bo­re­ne Kett­niss (ge­bo­ren 1879), stamm­te aus Ge­münd in der Ei­fel, wo die Kin­der re­gel­mä­ßig bei den Gro­ß­el­tern ih­re Fe­ri­en ver­brach­ten und ih­re aus­ge­präg­te Lie­be zur Na­tur ih­ren An­fang nahm. Die Fa­mi­lie war ka­tho­lisch. 

1908 über­sie­del­te die Fa­mi­lie nach Es­sen-Al­ten­es­sen, wo Kurt ge­mein­sam mit sei­nem Bru­der das Hu­ma­nis­ti­sche Gym­na­si­um be­such­te. Im sel­ben Jahr ­über­nahm der Va­ter die Lei­tung der Ge­wer­be­schu­le in Es­sen, die zeit­wei­lig auch Ge­werb­li­che Fort­bil­dungs­schu­le, Kunst­ge­werb­li­che Schu­le und spä­ter Hand­wer­ker- und Kunst­ge­wer­be­schu­le Es­sen hieß. Die Bil­dung sei­ner Söh­ne för­der­te er durch re­gel­mä­ßi­ge Thea­ter- und Opern­be­su­che, stun­den­lan­ge Ge­sprä­che über Re­li­gi­on und Phi­lo­so­phie so­wie Zei­chen- und Mal­un­ter­richt. 

1917 leg­te Hans das Ab­itur ab, doch Kurt ent­schied sich da­zu, nach der Mitt­le­ren Rei­fe ab­zu­ge­hen und 1921–1923 ei­ne Aus­bil­dung zum Holz- und Stein­bild­hau­er bei Jo­seph En­se­ling (1886–1957) an der Kunst­ge­wer­be­schu­le in Es­sen zu ab­sol­vie­ren, die er im Ate­lier bei Ja­kob Wil­helm Fehr­le (1884–1974) in Schwä­bisch Gmünd ver­voll­stän­dig­te. An­schlie­ßend folg­te 1923-1924 ein Stu­di­um an der Kunst­aka­de­mie in Stutt­gart bei Chris­ti­an Spey­er (1855–1929), das er 1924–1927 an der Kunst­aka­de­mie in Düs­sel­dorf er­folg­reich be­en­de­te. Noch als Meis­ter­schü­ler von Ri­chard Lan­ger (1879–1950) er­hielt Schwip­pert dort 1925 durch Ver­mitt­lung des Ma­lers Hein­rich Nau­en (1880–1940) sei­nen ers­ten Auf­trag, die Ge­stal­tung ei­nes Krie­ger­eh­ren­mals für die Ge­mein­de Brüg­gen. Die Stein­guss-Plas­tik, drei zu ei­ner Kern­kom­po­si­ti­on ver­ein­te Män­ner, schwankt zwi­schen na­tu­ra­lis­ti­schen For­men im obe­ren Teil und ex­pres­sio­nis­tisch-pris­ma­ti­schen For­men im un­te­ren Teil der Kör­per, nicht un­ty­pisch für die frü­hen Ar­bei­ten Schwip­perts. Die als zu mo­dern emp­fun­de­ne Form­ge­bung, ver­bun­den mit der an­ti-he­roi­schen Aus­sa­ge, stieß schon bei der Auf­stel­lung auf Ab­leh­nung und führ­te im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus zur Ein­stu­fung als „ent­ar­te­t“. 

1927 wag­te Schwip­pert den Sprung in die freie künst­le­ri­sche Tä­tig­keit und führ­te zu­nächst ein Ate­lier in Düs­sel­dorf-Stock­um. Auf­trä­ge be­kam er vor­wie­gend von Städ­ten und Kir­chen­ge­mein­den am Nie­der­rhein. Doch sein noch aus der Ju­gend­zeit stam­men­der Wunsch, im Ein­klang mit der Na­tur zu le­ben, ver­an­lass­te ihn 1930, ein Ate­lier­haus im klei­nen Ört­chen Hü­ner­bach bei Kel­berg in der Ei­fel zu be­zie­hen. Der mit­ten im Wald ge­le­ge­ne ku­bi­sche Fach­werk­bau wur­de nur mit ein­hei­mi­schen Ma­te­ria­li­en und nur durch Hand­wer­ker aus der Um­ge­bung nach den Plä­nen sei­nes Bru­ders Hans, mitt­ler­wei­le schon ein be­kann­ter Ar­chi­tekt, er­rich­tet. Dort­hin zog er mit sei­ner Ehe­frau, Eri­ka von Laue (ge­bo­ren 1896), die er am 30.7.1928 ge­hei­ra­tet hat­te; die Ehe blieb kin­der­los.

Doch Schwip­perts deut­lich vom Ex­pres­sio­nis­mus ge­präg­te Bild­hau­er­kunst stand in kras­sem Ge­gen­satz zur po­li­tisch fa­vo­ri­sier­ten Kunst der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten, was ihn in sei­ner Kom­pro­miss­lo­sig­keit zum Au­ßen­sei­ter wer­den ließ. Schwip­perts Wer­ke wur­den nach 1933 als „ent­ar­te­t“ ge­brand­markt, in den Mu­se­en be­schlag­nahmt und aus der Öf­fent­lich­keit ent­fernt. Sei­ne Gro­ß­plas­ti­ken in Brüg­gen, Düs­sel­dorf und Duis­burg wur­den kom­plett ab­ge­bro­chen, sein Eh­ren­mal in Strae­len stark be­schä­digt. Da er mit Be­rufs­ver­bot be­legt wor­den war, bot der cou­ra­gier­te und kunst­sin­ni­ge Pfar­rer des nie­der­rhei­ni­schen Klos­ters Ma­ri­en­thal, Au­gus­ti­nus Win­kel­mann (1881–1954), ihm – wie vie­len an­de­ren „ent­ar­te­ten“ Künst­lern – Ar­beits­mög­lich­kei­ten durch Auf­trä­ge. So fer­tig­te Schwip­pert Grab­stei­ne an, und Hein­rich Cam­pen­donk schmück­te die Mönchs­zel­len mit mo­der­nen Glas­fens­tern aus. 1936 hielt Schwip­pert sich in Rom auf, da er ei­nen Auf­trag für die Welt-Pres­se-Aus­stel­lung des Va­ti­kans er­hal­ten hat­te. Es er­staunt, dass Schwip­pert trotz Aus­gren­zung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten 1938–1939 ein Staats­sti­pen­di­um des preu­ßi­schen Kul­tus­mi­nis­te­ri­ums für die Kunst­aka­de­mie Kas­sel er­hielt. Da­nach be­zog er in Köln-Lin­den­thal ein Ate­lier, das je­doch 1942 im Krieg zu­sam­men mit ei­nem gro­ßen Teil von Schwip­perts Ar­bei­ten zer­stört wur­de. Schwip­pert selbst muss­te in den Jah­ren 1942–1945 als Sol­dat ins Feld zie­hen.

War der Künst­ler zu­nächst nur Kunst Schaf­fen­der, wur­de er ab 1949 Leh­ren­der: 1949–1956 als Do­zent an der Werk­kunst­schu­le Müns­ter und 1957–1962 als Lei­ter der Bild­hau­er­klas­se an der Werk­kunst­schu­le Wup­per­tal, die in der spä­te­ren Ber­gi­schen Uni­ver­si­tät Wup­per­tal auf­ging. 1961 zum Pro­fes­sor er­nannt, folg­te 1963 sei­ne Be­ru­fung als Leh­rer für Bild­haue­rei und Bau­plas­tik so­wie Lei­ter der Bild­hau­er­klas­se an die Köl­ner Werk­schu­len, wo er bis zu sei­ner Eme­ri­tie­rung 1968 lehr­te. Am 7.5.1983 starb Kurt Schwip­pert in ei­nem Kran­ken­haus in May­en.

 

Einst von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ver­femt, be­kam der Bild­hau­er nach dem Zwei­ten Welt­krieg durch zahl­rei­che Aus­stel­lun­gen von re­gio­na­ler und über­re­gio­na­ler Be­deu­tung end­lich die Be­ach­tung, die er ver­dien­te. Er wur­de als Leh­rer und Künst­ler mit Prei­sen aus­ge­zeich­net und er­lang­te wich­ti­ge Eh­run­gen. So er­hielt er 1949 den Karl-Ernst-Ost­haus-Preis der Stadt Ha­gen, 1952 den Pe­ter-Cor­ne­li­us-Preis der Stadt Düs­sel­dorf, wur­de 1953 Mit­glied des Deut­schen Werk­bun­des, be­kam 1968 die Eh­ren­pla­ket­te der Köl­ner Werk­schu­len ver­lie­hen, 1974 das Ver­dienst­kreuz am Ban­de der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, er­hielt 1977 den Kai­ser-Lo­thar-Me­dail­le der Eu­ro­päi­schen Ver­ei­ni­gung bil­den­der Künst­ler aus Ei­fel und Ar­den­nen, 1978 die Max-Sle­vogt-Me­dail­le des Lan­des Rhein­land-Pfalz und den Kul­tur­preis der „Bür­ger­stif­tung So­lin­gen 600“, 1980 das Ver­dienst­kreuz 1. Klas­se der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und 1982 den Kunst­preis Rhein­land-Pfalz.

Ge­gen je­den Zeit­geist blieb der Bild­hau­er Schwip­pert sei­nem stren­gen, et­was re­du­zier­ten und fast ,klas­si­schen‘ Stil bis ins ho­he Al­ter treu. Auf­fal­lend vie­le sei­ner Wer­ke sind Uni­ka­te oder, um die Form auf un­ter­schied­li­chen Ma­te­ria­li­en zu er­pro­ben, in zwei Aus­füh­run­gen er­stellt, ein­mal in Bron­ze und ein­mal in Ke­ra­mik. Die sonst üb­li­che „Auf­la­ge“ meh­re­rer Ab­güs­se kommt eher sel­ten vor. Schwip­pert re­du­zier­te, ar­bei­te­te mit spar­sa­men plas­ti­schen Mit­teln und kon­zen­trier­te sich auf das We­sent­li­che des Mo­tivs. Sein zen­tra­les The­ma war der Mensch, sein künst­le­ri­sches Ziel, die Ver­schmel­zung von Mensch und Har­mo­nie. Nach 1950 tra­ten schar­fe Gra­de und Kan­ten an Stel­le der na­tür­li­chen Run­dun­gen, Schwip­perts Werk ge­wann an Schär­fe, ei­ne zu­neh­men­de Geo­me­tri­sie­rung und Ver­frem­dung be­herrsch­te nun sein Schaf­fen. Spä­ter fand er je­doch wie­der mehr zur run­den Form und plas­ti­schem Vo­lu­men zu­rück. 

Ganz ein­deu­tig ge­hört Schwip­pert mit sei­nen Ar­bei­ten zu den be­deu­tends­ten Bild­hau­ern des 20. Jahr­hun­derts. So ist es auch nicht ver­wun­der­lich, dass sich die Bun­des­re­gie­rung ge­ra­de auf ihn be­sann, als man in den 1960er Jah­ren dar­an dach­te, ein Eh­ren­mal zu er­rich­ten, um bei of­fi­zi­el­len Ver­an­stal­tun­gen am Volks­trau­er­tag oder bei Staats­be­su­chen Kranz­nie­der­le­gun­gen durch­füh­ren zu kön­nen. Bun­des­prä­si­dent Hein­rich Lüb­ke (Amts­zeit 1959-1969) emp­fahl je­doch von vorn­her­ein et­was mut­los ein Denk­mal in sach­li­cher Form mit der sehr all­ge­mein ge­hal­te­nen In­schrift „Den Op­fern der Krie­ge und der Ge­walt­herr­schaf­t“, so dass dem Künst­ler kein gro­ßer Spiel­raum blieb. Schwip­pert schuf al­so ei­ne gro­ße Bron­ze­ta­fel, die 1964 vor dem Aka­de­mi­schen Kunst­mu­se­um im Bon­ner Hof­gar­ten Auf­stel­lung fand (heu­te auf dem Nord­fried­hof). Die­se Ar­beit Schwip­perts, die kaum in­di­vi­du­el­le Zü­ge sei­ner Hand­schrift trägt, zeigt die gan­ze Rat­lo­sig­keit der noch jun­gen Bun­des­re­pu­blik in der Fra­ge, wie man nach den Zei­ten des Miss­brauchs von Sym­bo­len und Denk­mä­lern durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ei­ne ei­ge­ne, neue Er­in­ne­rungs­kul­tur schaf­fen kön­ne. Aus Angst vor fal­schem Pa­thos fand man kei­ne an­de­re Form, als die ei­ner schlich­ten Ta­fel. So wur­de aus­ge­rech­net das Denk­mal, das zum Hö­he­punkt in Schwip­perts Schaf­fen hät­te wer­den kön­nen, zu ei­nem künst­le­risch un­be­deu­ten­den. 

Werke (Auswahl)

1926 - Krie­ger­eh­ren­mal, Brüg­gen, Stein­guss, 1937 ent­fernt, 1957 wie­der­er­rich­tet.
1926 - Krie­ger­eh­ren­mal, Strae­len, 1926, Ke­ra­mik, nach 1933 stark be­schä­digt, 1944 kriegs­zer­stört.
1929 - Pie­tà, Klos­ter­kir­che Ma­ri­en­thal, Ke­ra­mik.
1930 - Krie­ger­eh­ren­mal, Kre­feld-Fi­scheln, Ke­ra­mik.
1930 - Krie­ger­eh­ren­mal, Ka­tho­li­sche Pfarr­kir­che St. Pe­ter in Sin­zig, Bron­ze
1930 - Krie­ger­eh­ren­mal Wald­fried­hof Duis­burg, Bron­ze, 1937 ab­ge­baut und ins Aus­land ver­kauft.
1950 - Fi­gu­ren­grup­pe, In­ge­nieur­schu­le Ha­gen, Bron­ze.
1954 - Auf­er­ste­hen­der Chris­tus, Pfarr­kir­che in Kas­tel, Bron­ze.
1956 - Gea (Gaia), Rhein­park Köln-Deutz, Stein­zeug.
1959 - Ma­don­na im Strah­len­kranz, Pfarr­kir­che Düs­sel­dorf-Wers­ten, Ei­chen­holz.
1953 - Mor­gen­wa­che, Sol­da­ten­fried­hof Noy­ers/Frank­reich, Mu­schel­kalk.
1964 - Eh­ren­mal der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Bron­ze­ta­fel, Bonn, Nord­fried­hof.
1966/1967 - Auf­er­ste­hen­der Chris­tus, Hau­sen, Main­sand­stein. 

Literatur

Amts­blatt Kreis Vier­sen, 61. Jahr­gang, 6. Ok­to­ber 2005.
Bus­lei-Wup­per­mann, Aga­tha, Hans Schwip­pert 1899–1973, Diss. Univ., Wup­per­tal 2006.
Jo­hann, Ernst, Der Bild­hau­er Kurt Schwip­pert, Düs­sel­dorf [1950].
Nie­sen, Jo­sef, Bon­ner Denk­mä­ler und ih­re Er­bau­er, Bonn 2013.
Venz­mer, Wolf­gang, Kurt Schwip­pert. Plas­ti­ken – Zeich­nun­gen, Mainz 1980.

Ehrenmal der Bundesrepublik Deutschland, Bronzetafel von 1964 auf dem Bonner Nordfriedhof, 2012, Foto: Josef Niesen.

 
Zitationshinweis

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Niesen, Josef, Kurt Schwippert, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/kurt-schwippert/DE-2086/lido/57c94da06086e5.82843469 (abgerufen am 28.03.2024)