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Loretta von Sponheim nahm als eine von wenigen Frauen Einfluss auf das politische Geschehen im spätmittelalterlichen Rheinland. Sie regierte von 1324 bis 1331 erfolgreich die Hintere Grafschaft Sponheim. In die Geschichte eingegangen ist die Gräfin besonders durch die aufsehenerregende Entführung ihres Gegners, des Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg.
Loretta stammte aus dem Geschlecht der Grafen von Salm in den Vogesen. Sie wurde kurz vor 1300 geboren. Ihre Eltern waren Graf Johann I. (belegt 1275 - 1330) und dessen französische Ehefrau Jeanne de Joinville. Soweit bekannt ist, hatte Loretta vier Brüder und eine Schwester. An der deutsch-französischen Sprachgrenze aufgewachsen, lernte sie von der Mutter gewiss Französisch, denn für ihr erstes Siegel wählte sie eine französische Umschrift. Das junge Mädchen wurde 1315 mit dem deutlich älteren Junggrafen Heinrich von Sponheim zu Starkenburg (um 1292 – Oktober 1323) verheiratet. Zur Hochzeit erhielten die Eheleute Burg Herrstein im Hunsrück als Wohnsitz, wo vermutlich ihre drei Söhne zur Welt kamen. Heinrich von Sponheim starb 1323, vor seinem Vater, den er hätte beerben sollen. Er wurde in der Familiengrablege in der Klosterkirche von Himmerod beigesetzt. Loretta zog mit ihren drei Jungen auf die Starkenburg. Als im Frühjahr 1324 auch ihr Schwiegervater starb, der amtierende Graf Johann II. von Sponheim, fehlte dem Grafenhaus ein mündiger männlicher Nachfolger, denn Lorettas ältester Sohn zählte höchstens neun Jahre. Es war mutig und ungewöhnlich, dass die junge Witwe in dieser Lage keinen männlichen Vormund bestimmte, sondern selbst die Regentschaft übernahm.
Die Gräfin regierte kein Land mit festen Grenzen, damals entstanden die Territorien erst. Ihre Herrschaft gründete in Landbesitz, Rechten und Ansprüchen, die sich in bestimmten Gebieten zwischen Mosel und Nahe konzentrierten: von Enkirch bis Trarbach mit dem Hinterland, im Birkenfelder Ländchen um Allenbach, Herrstein und Birkenfeld sowie in Winningen an der unteren Mosel. Es galt, diesen Machtbereich gegen die konkurrierenden Grafen und Herren der Region zu behaupten; besonders gegen Erzbischof Balduin von Trier, der auf dem Hunsrück eine offensive Territorialpolitik betrieb. Zum Schutz des Birkenfelder Ländchens ließ Loretta gleich zu Anfang in einem Seitental der Nahe, südlich vom heutigen Idar-Oberstein, die Frauenburg errichten.
Eine der wirtschaftlichen Grundlagen feudaler Herrschaft bildeten die Abgaben der Bevölkerung. Daher war es wichtig, die Hintersassen im eigenen Territorium zu halten. Landflucht stellte ein verbreitetes Problem dar. Die Hintere Grafschaft Sponheim war davon stark betroffen, weil hier nur stadtähnliche Orte lagen, während gerade die Städte im Erzstift Trier die Bauern anzogen. Sie erhofften sich dort bessere wirtschaftliche und rechtliche Lebensbedingungen. Abzuwandern drohten auch Männer, die über besondere Kenntnisse verfügten, aber dringend in der gräflichen Verwaltung benötigt wurden. Loretta bediente sich gegen die Landflucht eines modernen Instruments, indem sie sich sogenannte Nichtabzugsverpflichtungen ausstellen ließ. In solchen Urkunden gelobten die Aussteller, dass sie und ihre Familien das Territorium niemals verlassen würden. Häufig mussten sie dafür Bürgen stellen.
Bevor es zur Konfrontation mit Erzbischof Balduin kam, bezwang Loretta 1327 in einer ersten Fehde den Wildgrafen Friedrich von Kyrburg (1298-1367). Der hatte ihr wider geltendes Recht sponheimische Eigenleute streitig gemacht, die in Wörresbach auf wildgräflichem Grund wohnten. Loretta ließ Friedrich und seinen Sohn Gottfried kurzerhand überfallen und setzte die beiden auf der Starkenburg gefangen, bis sie sich ihren Forderungen unterwarfen. Sie erreichte, dass ein Schiedsgericht aus Vertretern der wichtigsten benachbarten Herrschaften die Wildgrafen nicht nur in die Schranken verwies, sondern den Vorrang der Sponheimer im strittigen Gebiet anerkannte.
An der Kontrolle über das Birkenfelder Ländchen entzündete sich auch der Konflikt mit Erzbischof Balduin. Als dieser bei Birkenfeld, auf Land, mit dem die Grafen von Sponheim belehnt waren, eine Burg bauen ließ, fühlte sich Loretta provoziert und bedroht. Die folgende bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den Parteien endete mit einem Waffenstillstand. Der Interessengegensatz mit dem Erzstift, mithin der eigentliche Grund des Machtkampfes, schwelte aber weiter. Er bezog sich auf das Kröver Reich an der Mittelmosel, das einen territorialen Riegel zwischen dem oberen und dem niederen Erzstift Trier bildete. Die Sponheimer besaßen dieses Gebiet seit 1274 als Reichspfand. Erzbischof Balduin verfolgte das Ziel, die sponheimischen Rechte im Kröver Reich mehr und mehr zurückzudrängen, um es schließlich seinem eigenen Territorium einzuverleiben. Dagegen verteidigte sich Loretta aus dem Hinterhalt: als Erzbischof Balduin im Mai oder Juni 1328 auf der Mosel von Trier nach Koblenz fuhr, überfielen Lehnsmänner der Gräfin sein Schiff unterhalb der Starkenburg, wo beide Ufer sponheimisch waren. Sie führten den Erzbischof samt Gefolge als Geiseln auf die uneinnehmbare Burg. Mit der Gewalttat gegen den geistlichen Oberhirten waren Loretta und ihre Helfer automatisch exkommuniziert, Trarbach wurde mit dem Interdikt belegt. Trotzdem gelang es Loretta, erfolgreich und politisch gestärkt aus der harten Auseinandersetzung hervorzugehen. Eine Delegation Trierer Domherren begann sofort mit den Verhandlungen über die Freilassung des Erzbischofs. Erst nachdem sich Balduins Neffe, König Johann von Böhmen (Regierungszeit 1310-1346), persönlich eingemischt hatte, kam Anfang Juli eine Einigung zustande. Neben einem Lösegeld erreichte Loretta umfassende politische Zugeständnisse, die die Unabhängigkeit der Grafschaft Sponheim vom Erzstift Trier begründeten. Balduin übergab ihr den Burgbau bei Birkenfeld, seine Herrschaftsrechte im Birkenfelder Ländchen wurden stark beschnitten. Darüber hinaus sicherte er der Gräfin zu, die in ihrem Besitz befindliche Reichspfandschaft Kröv nicht auszulösen. Ihre Lossprechung vom Kirchenbann bahnte Loretta an, indem sie den Erzbischof im Sühnevertrag verpflichtete, sich bei der Kurie für sie zu verwenden. Im Frühjahr 1330 reiste die Gräfin, ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben des Erzbischofs, selbst zum Papst nach Avignon. Papst Johannes XXII. (Pontifikat 1316-1334) legte ihr und ihren Helfern eine Buße auf. Sie mussten einen rituellen Bußgang in den Trierer Dom oder die Hauptkirche einer anderen Stadt unternehmen und verschiedene Sühnestiftungen leisten. Der Papst gewährte Loretta nicht nur die Absolution, für ihre beiden jüngeren Söhne Gottfried (gestorben 1395) und Heinrich (gestorben 1375), die der Familientradition folgend Geistliche werden sollten, erhielt sie die Anwartschaft auf einträgliche Pfründen.
Bevor die Mutter schließlich die Regierung an den Erbfolger übergeben konnte, musste sie den Sohn noch verheiraten. Sie vereinbarte eine für das Grafengeschlecht sehr prestigeträchtige Ehe mit Mechthild (gestorben 1358), der Schwester der Pfalzgrafen Rudolf II. und Ruprecht I., einer Nichte des regierenden Kaisers Ludwig der Bayer (Regierungszeit 1314-1347). Am Tag der Hochzeit, dem 20.9.1331, trat Lorettas ältester Sohn Johann (Johann III., Regierungszeit bis 1398) seine Herrschaft an. Loretta zog sich auf die Frauenburg zurück. Ab 1340 kümmerte sie sich um ihr liturgisches Totengedenken in verschiedenen Kirchen, unter anderem stiftete sie an den Dom in Trier. Lorettas genauer Todestag ist nicht überliefert, sie ist zwischen dem 28.6.1345 und dem 10.2.1346 gestorben und wurde in der Zisterzienserabtei Himmerod begraben.
Literatur
Disselnkötter, Heinrich, Gräfin Loretta von Spanheim geborene von Salm, Ein Lebens- und Zeitbild aus dem 14. Jahrhundert, Bonn 1940.
Mötsch, Johannes, Balduin und die Grafen von Sponheim, in: Nolden, Rainer(Hg.), Balduin von Luxemburg, Erzbischof und Kurfürst von Trier (1308-1354). Vorträge eines Kolloquiums in Trier im Juni 2008, Trier 2010, S. 96-107.
Mötsch, Johannes, Die Grafschaften Sponheim (Karte und Beiheft V/4 = Geschichtlicher Atlas der Rheinlande), Köln 1992.
Mötsch, Johannes, Loretta Gräfin von Sponheim (um 1300 – um 1346), in: Rheinische Lebensbilder 12 (1991), S. 91-110.
Rosenberger, Ruth, Gräfin Loretta von Sponheim (ca. 1299 –1346), Adelsdame mit Format, in: Irsigler, Franz /Minn, Gisela(Hg.), Porträt einer europäischen Kernregion. Der Rhein-Maas-Raum in historischen Lebensbildern, Trier 2005, S. 110–120.
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Ostrowitzki, Anja, Loretta von Sponheim, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/loretta-von-sponheim/DE-2086/lido/57c943514e08f1.01768733 (abgerufen am 10.12.2024)