Loretta von Sponheim

Regentin der Hinteren Grafschaft Sponheim (um 1300 – um 1346)

Anja Ostrowitzki (Bonn)

Siegel der Gräfin Loretta von Sponheim, genutzt zwischen 1330 und 1344 (Umschrift: S.LORETTE.COMITISSE.DE.SPAYNHEIM), anhängend an einer Urkunde vom 28.6.1330. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Grafschaft Sponheim Urk. 224, Sg. 1)

Lo­ret­ta von Spon­heim nahm als ei­ne von we­ni­gen Frau­en Ein­fluss auf das po­li­ti­sche Ge­sche­hen im spät­mit­tel­al­ter­li­chen Rhein­land. Sie re­gier­te von 1324 bis 1331 er­folg­reich die Hin­te­re Graf­schaft Spon­heim. In die Ge­schich­te ein­ge­gan­gen ist die Grä­fin be­son­ders durch die auf­se­hen­er­re­gen­de Ent­füh­rung ih­res Geg­ners, des Trie­rer Erz­bi­schofs Bal­du­in von Lu­xem­burg.

 

Lo­ret­ta stamm­te aus dem Ge­schlecht der Gra­fen von Salm in den Vo­ge­sen. Sie wur­de kurz vor 1300 ge­bo­ren. Ih­re El­tern wa­ren Graf Jo­hann I. (be­legt 1275 - 1330) und des­sen fran­zö­si­sche Ehe­frau Jean­ne de Join­ville. So­weit be­kannt ist, hat­te Lo­ret­ta vier Brü­der und ei­ne Schwes­ter. An der deutsch-fran­zö­si­schen Sprach­gren­ze auf­ge­wach­sen, lern­te sie von der Mut­ter ge­wiss Fran­zö­sisch, denn für ihr ers­tes Sie­gel wähl­te sie ei­ne fran­zö­si­sche Um­schrift. Das jun­ge Mäd­chen wur­de 1315 mit dem deut­lich äl­te­ren Jung­gra­fen Hein­rich von Spon­heim zu Star­ken­burg (um 1292 – Ok­to­ber 1323) ver­hei­ra­tet. Zur Hoch­zeit er­hiel­ten die Ehe­leu­te Burg Herrstein im Huns­rück als Wohn­sitz, wo ver­mut­lich ih­re drei Söh­ne zur Welt ka­men. Hein­rich von Spon­heim starb 1323, vor sei­nem Va­ter, den er hät­te be­er­ben sol­len. Er wur­de in der Fa­mi­li­en­grable­ge in der Klos­ter­kir­che von Him­merod bei­ge­setzt. Lo­ret­ta zog mit ih­ren drei Jun­gen auf die Star­ken­burg. Als im Früh­jahr 1324 auch ihr Schwie­ger­va­ter starb, der am­tie­ren­de Graf Jo­hann II. von Spon­heim, fehl­te dem Gra­fen­haus ein mün­di­ger männ­li­cher Nach­fol­ger, denn Lo­ret­t­as äl­tes­ter Sohn zähl­te höchs­tens neun Jah­re. Es war mu­tig und un­ge­wöhn­lich, dass die jun­ge Wit­we in die­ser La­ge kei­nen männ­li­chen Vor­mund be­stimm­te, son­dern selbst die Re­gent­schaft über­nahm.

Ortsansicht von Herrstein mit der gleichnamigen Burg, Foto: Berthold Werner.

 

Die Grä­fin re­gier­te kein Land mit fes­ten Gren­zen, da­mals ent­stan­den die Ter­ri­to­ri­en erst. Ih­re Herr­schaft grün­de­te in Land­be­sitz, Rech­ten und An­sprü­chen, die sich in be­stimm­ten Ge­bie­ten zwi­schen Mo­sel und Na­he kon­zen­trier­ten: von En­kirch bis Trar­bach mit dem Hin­ter­land, im Bir­ken­fel­der Länd­chen um Al­len­bach, Herrstein und Bir­ken­feld so­wie in Win­nin­gen an der un­te­ren Mo­sel. Es galt, die­sen Macht­be­reich ge­gen die kon­kur­rie­ren­den Gra­fen und Her­ren der Re­gi­on zu be­haup­ten; be­son­ders ge­gen Erz­bi­schof Bal­du­in von Trier, der auf dem Huns­rück ei­ne of­fen­si­ve Ter­ri­to­ri­al­po­li­tik be­trieb. Zum Schutz des Bir­ken­fel­der Länd­chens ließ Lo­ret­ta gleich zu An­fang in ei­nem Sei­ten­tal der Na­he, süd­lich vom heu­ti­gen Idar-Ober­stein, die Frau­en­burg er­rich­ten.

Ei­ne der wirt­schaft­li­chen Grund­la­gen feu­da­ler Herr­schaft bil­de­ten die Ab­ga­ben der Be­völ­ke­rung. Da­her war es wich­tig, die Hin­ter­sas­sen im ei­ge­nen Ter­ri­to­ri­um zu hal­ten. Land­flucht stell­te ein ver­brei­te­tes Pro­blem dar. Die Hin­te­re Graf­schaft Spon­heim war da­von stark be­trof­fen, weil hier nur stadt­ähn­li­che Or­te la­gen, wäh­rend ge­ra­de die Städ­te im Erz­stift Trier die Bau­ern an­zo­gen. Sie er­hoff­ten sich dort bes­se­re wirt­schaft­li­che und recht­li­che Le­bens­be­din­gun­gen. Ab­zu­wan­dern droh­ten auch Män­ner, die über be­son­de­re Kennt­nis­se ver­füg­ten, aber drin­gend in der gräf­li­chen Ver­wal­tung be­nö­tigt wur­den. Lo­ret­ta be­dien­te sich ge­gen die Land­flucht ei­nes mo­der­nen In­stru­ments, in­dem sie sich so­ge­nann­te Nicht­ab­zugs­ver­pflich­tun­gen aus­stel­len ließ. In sol­chen Ur­kun­den ge­lob­ten die Aus­stel­ler, dass sie und ih­re Fa­mi­li­en das Ter­ri­to­ri­um nie­mals ver­las­sen wür­den. Häu­fig muss­ten sie da­für Bür­gen stel­len.

Be­vor es zur Kon­fron­ta­ti­on mit Erz­bi­schof Bal­du­in kam, be­zwang Lo­ret­ta 1327 in ei­ner ers­ten Feh­de den Wild­gra­fen Fried­rich von Kyr­burg (1298-1367). Der hat­te ihr wi­der gel­ten­des Recht spon­hei­mi­sche Ei­gen­leu­te strei­tig ge­macht, die in Wör­res­bach auf wild­gräf­li­chem Grund wohn­ten. Lo­ret­ta ließ Fried­rich und sei­nen Sohn Gott­fried kur­zer­hand über­fal­len und setz­te die bei­den auf der Star­ken­burg ge­fan­gen, bis sie sich ih­ren For­de­run­gen un­ter­war­fen. Sie er­reich­te, dass ein Schieds­ge­richt aus Ver­tre­tern der wich­tigs­ten be­nach­bar­ten Herr­schaf­ten die Wild­gra­fen nicht nur in die Schran­ken ver­wies, son­dern den Vor­rang der Spon­hei­mer im strit­ti­gen Ge­biet an­er­kann­te.

An der Kon­trol­le über das Bir­ken­fel­der Länd­chen ent­zün­de­te sich auch der Kon­flikt mit Erz­bi­schof Bal­du­in. Als die­ser bei Bir­ken­feld, auf Land, mit dem die Gra­fen von Spon­heim be­lehnt wa­ren, ei­ne Burg bau­en ließ, fühl­te sich Lo­ret­ta pro­vo­ziert und be­droht. Die fol­gen­de be­waff­ne­te Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den Par­tei­en en­de­te mit ei­nem Waf­fen­still­stand. Der In­ter­es­sen­ge­gen­satz mit dem Erz­stift, mit­hin der ei­gent­li­che Grund des Macht­kamp­fes, schwel­te aber wei­ter. Er be­zog sich auf das Krö­ver Reich an der Mit­tel­mo­sel, das ei­nen ter­ri­to­ria­len Rie­gel zwi­schen dem obe­ren und dem nie­de­ren Erz­stift Trier bil­de­te. Die Spon­hei­mer be­sa­ßen die­ses Ge­biet seit 1274 als Reichs­pfand. Erz­bi­schof Bal­du­in ver­folg­te das Ziel, die spon­hei­mi­schen Rech­te im Krö­ver Reich mehr und mehr zu­rück­zu­drän­gen, um es schlie­ß­lich sei­nem ei­ge­nen Ter­ri­to­ri­um ein­zu­ver­lei­ben. Da­ge­gen ver­tei­dig­te sich Lo­ret­ta aus dem Hin­ter­halt: als Erz­bi­schof Bal­du­in im Mai oder Ju­ni 1328 auf der Mo­sel von Trier nach Ko­blenz fuhr, über­fie­len Lehns­män­ner der Grä­fin sein Schiff un­ter­halb der Star­ken­burg, wo bei­de Ufer spon­hei­misch wa­ren. Sie führ­ten den Erz­bi­schof samt Ge­fol­ge als Gei­seln auf die un­ein­nehm­ba­re Burg. Mit der Ge­walt­tat ge­gen den geist­li­chen Ober­hir­ten wa­ren Lo­ret­ta und ih­re Hel­fer au­to­ma­tisch ex­kom­mu­ni­ziert, Trar­bach wur­de mit dem In­ter­dikt be­legt. Trotz­dem ge­lang es Lo­ret­ta, er­folg­reich und po­li­tisch ge­stärkt aus der har­ten Aus­ein­an­der­set­zung her­vor­zu­ge­hen. Ei­ne De­le­ga­ti­on Trie­rer Dom­her­ren be­gann so­fort mit den Ver­hand­lun­gen über die Frei­las­sung des Erz­bi­schofs. Erst nach­dem sich Bal­du­ins Nef­fe, Kö­nig Jo­hann von Böh­men (Re­gie­rungs­zeit 1310-1346), per­sön­lich ein­ge­mischt hat­te, kam An­fang Ju­li ei­ne Ei­ni­gung zu­stan­de. Ne­ben ei­nem Lö­se­geld er­reich­te Lo­ret­ta um­fas­sen­de po­li­ti­sche Zu­ge­ständ­nis­se, die die Un­ab­hän­gig­keit der Graf­schaft Spon­heim vom Erz­stift Trier be­grün­de­ten. Bal­du­in über­gab ihr den Burg­bau bei Bir­ken­feld, sei­ne Herr­schafts­rech­te im Bir­ken­fel­der Länd­chen wur­den stark be­schnit­ten. Dar­über hin­aus si­cher­te er der Grä­fin zu, die in ih­rem Be­sitz be­find­li­che Reichs­pfand­schaft Kröv nicht aus­zu­lö­sen. Ih­re Los­spre­chung vom Kir­chen­bann bahn­te Lo­ret­ta an, in­dem sie den Erz­bi­schof im Süh­ne­ver­trag ver­pflich­te­te, sich bei der Ku­rie für sie zu ver­wen­den. Im Früh­jahr 1330 reis­te die Grä­fin, aus­ge­stat­tet mit ei­nem Emp­feh­lungs­schrei­ben des Erz­bi­schofs, selbst zum Papst nach Avi­gnon. Papst Jo­han­nes XXII. (Pon­ti­fi­kat 1316-1334) leg­te ihr und ih­ren Hel­fern ei­ne Bu­ße auf. Sie muss­ten ei­nen ri­tu­el­len Bu­ßgang in den Trie­rer Dom oder die Haupt­kir­che ei­ner an­de­ren Stadt un­ter­neh­men und ver­schie­de­ne Süh­ne­stif­tun­gen leis­ten. Der Papst ge­währ­te Lo­ret­ta nicht nur die Ab­so­lu­ti­on, für ih­re bei­den jün­ge­ren Söh­ne Gott­fried (ge­stor­ben 1395) und Hein­rich (ge­stor­ben 1375), die der Fa­mi­li­en­tra­di­ti­on fol­gend Geist­li­che wer­den soll­ten, er­hielt sie die An­wart­schaft auf ein­träg­li­che Pfrün­den.

Be­vor die Mut­ter schlie­ß­lich die Re­gie­rung an den Erb­fol­ger über­ge­ben konn­te, muss­te sie den Sohn noch ver­hei­ra­ten. Sie ver­ein­bar­te ei­ne für das Gra­fen­ge­schlecht sehr pres­ti­ge­träch­ti­ge Ehe mit Mecht­hild (ge­stor­ben 1358), der Schwes­ter der Pfalz­gra­fen Ru­dolf II. und Ru­precht I., ei­ner Nich­te des re­gie­ren­den Kai­sers Lud­wig der Bay­er (Re­gie­rungs­zeit 1314-1347). Am Tag der Hoch­zeit, dem 20.9.1331, trat Lo­ret­t­as äl­tes­ter Sohn Jo­hann (Jo­hann III., Re­gie­rungs­zeit bis 1398) sei­ne Herr­schaft an. Lo­ret­ta zog sich auf die Frau­en­burg zu­rück. Ab 1340 küm­mer­te sie sich um ihr lit­ur­gi­sches To­ten­ge­den­ken in ver­schie­de­nen Kir­chen, un­ter an­de­rem stif­te­te sie an den Dom in Trier. Lo­ret­t­as ge­nau­er To­des­tag ist nicht über­lie­fert, sie ist zwi­schen dem 28.6.1345 und dem 10.2.1346 ge­stor­ben und wur­de in der Zis­ter­zi­en­ser­ab­tei Him­merod be­gra­ben.

Literatur

Dis­seln­köt­ter, Hein­rich, Grä­fin Lo­ret­ta von Span­heim ge­bo­re­ne von Salm, Ein Le­bens- und Zeit­bild aus dem 14. Jahr­hun­dert, Bonn 1940.
Mötsch, Jo­han­nes, Bal­du­in und die Gra­fen von Spon­heim, in: Nol­den, Rai­ner(Hg.), Bal­du­in von Lu­xem­burg, Erz­bi­schof un­d Kur­fürst von Trier (1308-1354). Vor­trä­ge ei­nes Kol­lo­qui­ums in Trier im Ju­ni 2008, Trier 2010, S. 96-107.
Mötsch, Jo­han­nes, Die Graf­schaf­ten Spon­heim (Kar­te und Bei­heft V/4 = Ge­schicht­li­cher At­las der Rhein­lan­de), Köln 1992.
Mötsch, Jo­han­nes, Lo­ret­ta Grä­fin von Spon­heim (um 1300 – um 1346), in: Rhei­ni­sche Le­bens­bil­der 12 (1991), S. 91-110.
Ro­sen­ber­ger, Ruth, Grä­fin Lo­ret­ta von Spon­heim (ca. 1299 –1346), Adels­da­me mit For­mat, in: Ir­sig­ler, Franz /Minn, Gi­se­la(Hg.), Por­trät ei­ner eu­ro­päi­schen Kern­re­gi­on. Der Rhein-Maas-Raum in his­to­ri­schen Le­bens­bil­dern, Trier 2005, S. 110–120.

Ruine der Frauenburg. (Verbandsgemeindeverwaltung Baumholder)

 
Zitationshinweis

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Ostrowitzki, Anja, Loretta von Sponheim, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/loretta-von-sponheim/DE-2086/lido/57c943514e08f1.01768733 (abgerufen am 10.12.2024)