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Louis-François Mettra war ein bedeutender französischer Verleger, der sich nachweisbar seit 1779 in den deutschen Rheinlanden aufhielt, um dort – wenn auch stets im Verborgenen – zahlreiche publizistische Unternehmungen aufzubauen.
Seine Tätigkeiten im Pressewesen deckten ein breites Spektrum ab: die Herausgabe zweier geheimer Korrespondenzen – der „Bulletins de Versailles" (1774 bis 1794) und der „Correspondance littéraire secrète" (1775 bis 1793), die Gründung einer politischen Gazette im Kurfürstentum Köln im Jahr 1779, der weit verzweigte Handel mit französischer Untergrundliteratur seit 1782 und der Betrieb einer großen Druckerei in Neuwied seit Januar 1785. Als Standorte seiner publizistischen Unternehmungen wählte Louis-François Mettra deutsche Kleinstaaten im Rheinland: das Herzogtum Jülich-Berg, das Kölner Kurfürstentum und das Fürstentum Wied.
Für flexible Unternehmerpersönlichkeiten wie Louis-Francois Mettra, die aus der Aufklärung ein lohnendes Geschäft machten, war das Rheinland der ideale Standort für ein vielschichtiges Pressewesen, das erst mit der französischen Besatzung seit 1794 völlig zum Erliegen kommen sollte.
Louis-François Mettra wurde 1738 geboren und entstammte einer Pariser Kaufmannsfamilie. Bereits sein Vater Louis-François Mettra (gestorben 1763) und sein Großvater waren als Handelsagenten des preußischen Königs Friedrichs II. (Regierungszeit 1740-1786) tätig, in dessen Auftrag sie den Ankauf von Kunstgegenständen in Paris durchführten. Mettra übernahm von 1767 bis 1772 die Nachfolge in den Finanz- und Maklergeschäften seines Vaters und Großvaters, doch seine Unternehmungen scheiterten. Daher wandte er sich einem neuen und profitablen Arbeitsfeld zu, dem europäischen Nachrichtenhandel und dem publizistischen Gewerbe, das er in den deutschen Rheinlanden aufbaute. Im Rheinland traf Mettra in großer Nähe zum frankophonen Sprachgebiet auf größere publizistische Freiräume, die nicht auf einer formal garantierten Pressefreiheit beruhten, sondern vielmehr Folge einer territorialen wie politischen Zersplitterung waren, die das Entstehen einer starken Zentralgewalt im Ansatz verhinderten.
Im Jahr 1779 gründete Mettra unter dem Titel „Nouvelliste politique d’Allemagne" (NPA) das erste französische Zeitungsunternehmen in Kurköln, einem der geistlich regierten Territorien des Deutschen Reiches. Der NPA lässt sich den im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreiteten „gazettes européennes" zuordnen, deren inhaltlicher Schwerpunkt auf der internationalen Politik lag: Kriegsereignisse, diplomatische Verhandlungen und das Hofleben der Souveräne waren wesentlicher Bestandteil dieser Nachrichtenorgane, die in französischer Sprache abgefasst waren und sich an die politische und akademische Elite Europas richteten.
Obwohl der NPA über eine landesherrliche Druckerlaubnis (Privileg) verfügte und damit die Öffentlichkeit nicht zu scheuen brauchte, hielt sich Mettra als Begründer und Herausgeber der Zeitung stets verborgen: Als Privilegieninhaber wurden in den fürstlichen Urkunden stets andere am Unternehmen beteiligte Personen genannt, die es Mettra erlaubten, seine Tätigkeiten im Untergrund zu betreiben.
Nach zwei Jahren wechselte Mettra innerhalb Kurkölns auf die linke Rheinseite über, wo er auf abteilich-altenbergischem Boden in Riehl (heute Stadt Köln) sein Unternehmen wieder aufbaute. Die Motive für den Umzug des Unternehmens standen in Zusammenhang mit einem weiteren publizistischen Handelszweig, den Mettra nun systematisch ausbaute: In enger Zusammenarbeit mit der bedeutenden „Société typographique de Neuchâtel" (Druckereigesellschaft von Neuenburg in der Schweiz) stieg Mettra in den Handel mit französischer Untergrundliteratur ein, das heißt mit gesellschaftskritischen oder freizügigen Romanen und – in noch viel größerem Umfang – mit Pornographie. Sein Handel erstreckte sich schwerpunktmäßig auf deutsche Residenzstädte, nach Belgien und in die Niederlande. Der Handel mit verbotenen französischen Büchern blieb jedoch nicht die einzige heimliche Unternehmung: Bevor sich Mettra im Jahr 1779 auf kurkölnischem Boden niederließ, gab er in der jülich-bergischen Residenz Düsseldorf die beiden geheimen Korrespondenzen „Bulletins de Versailles" und „Correspondance littéraire secrète" heraus. Dabei erhielt er tatkräftige Unterstützung durch Karl von Neorberg, oberster Zensor des Herzogtums Jülich-Berg, der sich eigenhändig an der Niederschrift der handgeschriebenen „Bulletins de Versailles" beteiligte. Diese erschienen seit 1774 einmal wöchentlich und verbreiteten geheime politische Nachrichten aus dem Umfeld des französischen Königshofes. Die anonymen Korrespondenten dieser begehrten und sehr kostbaren Nachrichten offenbaren ausgezeichnete Kenntnisse über das politische Handeln der französischen Regierung.
Parallel zu den „Bulletins de Versailles" gab Mettra seit 1775 ebenfalls einmal wöchentlich die gedruckte „Correspondance littéraire secrète" (CLS) heraus, eine literarische Ergänzung zu den handgeschriebenen politischen Nachrichten aus Versailles. Der thematische Schwerpunkt der Zeitschrift lag auf den kulturellen Ereignissen der Pariser Gesellschaft: Literatur, Wissenschaft, Theater, Moden. Besprochen wurden auch die kurzlebigen und zumeist im Untergrund vertriebenen literarischen Werke, die gegen die Zensurvorschriften verstießen und daher umso mehr die Neugierde des Publikums anreizten.
Mettra verfolgte seine Unternehmungen ungestört, bis ein katastrophaler Eisgang im Februar 1784 seine an den Ufern des Rheins gelegene Druckerei zerstörte. Der finanzielle Verlust, den Mettra durch das Rheinhochwasser erlitt, war so hoch, dass er beim Kurfürsten um seinen Rücktritt von den Zeitungsrechten bat. Dennoch setzten zwei Nachfolger die Herausgabe des Blatts bis zu seinem Niedergang im Jahr 1788 fort.
Mettra dagegen organisierte den Aufbau einer Druckerei in Neuwied – ein Ort, der bekannt war für seine Zensurfreiheit und die tolerante Politik seines Landesherrn; im Januar 1785 gab die bis dahin im Untergrund erschienene „Correspondance littéraire secrète" ihren Druckort in Neuwied bekannt. Dort stieg Mettra zudem in ein reges Buchdruckgeschäft mit zumeist verbotenen Büchern ein; sein Spektrum umfasste unter anderem die auf dem Index stehenden gesammelten Werke François Marie Voltaires (1694-1778). Die Druckerei in Neuwied entwickelte sich zu einer der größten typographischen Unternehmungen Deutschlands. Angesichts seiner umfangreichen publizistischen Tätigkeiten übernahm Mettra im Jahr 1793 mit der Neuwieder Papiermühle die Papierherstellung des Fürstentums und betätigte sich als Falschmünzer, indem er das Papiergeld der französischen Revolutionsregierung nachdruckte.
Die Revolutionskriege und die Besetzung des Rheinlandes durch die französischen Truppen setzten der umfangreichen verlegerischen Tätigkeit Mettras ein jähes Ende: 1795 wurde Neuwied bombardiert und Mettras Druckerei zerstört; Mettra selbst verließ fluchtartig das Rheinland, um sich in der Buchhandelsstadt Leipzig niederzulassen. 1798 siedelte er nach Berlin über, wo er sich erneut um einen Einstieg in das Zeitungsgewerbe bemühte. Die preußische Landesregierung verwehrte ihm jedoch die notwendige Erlaubnis zur Zeitungsherausgabe, da sie ihn bereits als politisch unzuverlässige Person identifiziert hatte. Mettra konzentrierte sich daher auf einen umfangreichen Buch- und Kunsthandel, bis er am 11.12.1804 in Berlin verstarb. Er hinterließ seiner Frau und seinen beiden Kindern neben ungeheuren Schulden eine ebenso umfangreiche wie kostbare Sammlung an Kupferstichen und Gemälden und eine bedeutende Bibliothek französischer Werke.
Literatur
Angelike, Karin, Louis-François Mettra. Ein französischer Zeitungsverleger in Köln (1770-1800), Köln /Weimar/Wien 2002.
Berglund-Nilsson, Birgitta / Ohlin, Barbro (Hg.), Inventaire et index de la Correspondance littéraire secrète, dite de Mettra, 2 Bände, Ferney-Voltaire 1999.
Hjortberg, Monica, Correspondance Littéraire Secrète. 1775-1793. Une présentation, Paris/Göteborg 1987.
Johansson, Victor, Sur la Correspondance Littéraire Secrète et son Editeur, Göteborg, Paris 1960.
Mass, Edgar, Französische Journalisten in Deutschland, in: Mondot, Jean / Valentin, Jean-Marie / Voss, Jürgen (Hg.), Deutsche in Frankreich, Franzosen in Deutschland 1715-1789, Sigmaringen 1992.

Schreiben Louis-François Mettras an den Kölner Kurfürsten vom 19. März 1784, Rückseite, namentlich signiert. (Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland)
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Angelike, Karin, Louis-François Mettra, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/louis-fran%25C3%25A7ois-mettra/DE-2086/lido/57c94dfd93f8b6.30662747 (abgerufen am 04.06.2023)