Luise Albertz

Oberbürgermeisterin von Oberhausen (1901-1979)

Lothar Weiß (Frechen)

Luise Albertz im Rathaus Oberhausen, Ende der 1960er Jahre. (Stadtarchiv Oberhausen)

Lui­se Al­bertz war ei­ne der be­kann­tes­ten SPD-Po­li­ti­ke­rin­nen der Nach­kriegs­zeit. Sie war die ers­te Ober­bür­ger­meis­te­rin ei­ner deut­schen Groß­stadt, der Stadt Ober­hau­sen, die sie wäh­rend der wech­sel­vol­len ers­ten drei Jahr­zehn­te nach 1945 ma­ß­geb­lich mit­präg­te. We­gen ih­res gro­ßen so­zia­len En­ga­ge­ments wur­de sie auch als „Mut­ter der Be­dräng­ten" be­zeich­net. 

Lui­se Al­bertz wur­de als Toch­ter des preu­ßi­schen SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Her­mann Al­bertz (1877-1945) am 22.6.1901 in Duis­burg ge­bo­ren. Ihr Va­ter ­kam im Zu­ge der so ge­nann­ten „Ak­ti­on Git­ter" – ei­ner Ver­haf­tungs­wel­le ge­gen Po­li­ti­ker der Wei­ma­rer Par­tei­en – im Au­gust 1944 in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ber­gen-Bel­sen und wur­de dort von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten er­mor­det. Nach dem Be­such der Volks- und Han­dels­schu­le ab­sol­vier­te sie ei­ne Leh­re bei der Stadt­ver­wal­tung Ober­hau­sen. Da­nach war sie von 1921 bis 1933 Fi­li­al­lei­te­rin bei den "Neu­es­ten Nach­rich­ten" und von 1934 bis 1939 De­vi­sen­buch­hal­te­rin. Lui­se Al­bertz blieb le­dig und oh­ne Kin­der. 

In der po­li­ti­schen Ein­stel­lung folg­te Lui­se Al­bertz dem Vor­bild ih­res Va­ters. Sie en­ga­gier­te sich in der Ar­bei­ter­be­we­gung und trat schon als Ju­gend­li­che 1915 der So­zia­lis­ti­schen Ar­bei­ter-Ju­gend, der sie bis 1921 an­ge­hör­te, so­wie der SPD bei. Mit­glied der SPD war sie bis zur Auf­lö­sung der Par­tei im Jah­re 1933 durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten. Wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs wur­de sie als Sach­be­ar­bei­te­rin im städ­ti­schen Für­sor­ge- und Wohl­fahrts­amt Ober­hau­sen dienst­ver­pflich­tet und war dort stell­ver­tre­ten­de Dienst­stel­len­lei­te­rin. Auch nach dem Krieg blieb sie in der Ober­hau­se­ner Stadt­ver­wal­tung tä­tig und wur­de Se­kre­tä­rin des Ober­bür­ger­meis­ters. Der ehr­gei­zi­gen So­zi­al­de­mo­kra­tin ge­lang durch die Über­nah­me ein­fluss­rei­cher Äm­ter ein schnel­ler po­li­ti­scher Auf­stieg. Sie wur­de Mit­glied des SPD-Orts­ver­eins­vor­stan­des und des Kreis­vor­stan­des des DGB. 1946 wur­de sie in den Rat der Stadt Ober­hau­sen und von die­sem zur ers­ten Ober­bür­ger­meis­te­rin ei­ner deut­schen Groß­stadt ge­wählt. 

Nach der von der bri­ti­schen Be­sat­zungs­macht ge­präg­ten neu­en Ge­mein­de­ord­nung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len von 1946 über­nahm sie in ei­ner Zeit gro­ßer Not den eh­ren­amt­li­chen Vor­sitz in der Ge­mein­de­ver­tre­tung und re­prä­sen­tier­te Ober­hau­sen im höchs­ten städ­ti­schen Amt. Die Auf­ga­ben, die Stadt und Ober­bür­ger­meis­te­rin er­war­te­ten, wa­ren groß: Ober­hau­sen hat­te 4.800 ge­fal­le­ne Wehr­macht­sol­da­ten zu be­kla­gen, au­ßer­dem mit Kriegs­zer­stö­run­gen, De­mon­ta­gen, Flücht­lings­strö­men, Hun­ger und Woh­nungs­not zu kämp­fen. 1956 wähl­te der Rat der Stadt Ober­hau­sen Lui­se Al­bertz er­neut in das Amt der Ober­bür­ger­meis­te­rin, das sie bis 1979 in­ne­hat­te. Sie über­nahm zahl­rei­che Eh­ren­äm­ter, die mit der Kom­mu­nal­po­li­tik zu­sam­men­hin­gen, wie bei­spiels­wei­se den Vor­sitz der Ober­hau­se­ner Ar­bei­ter­wohl­fahrt. In den Jah­ren ih­rer zwei­ten Amts­zeit er­leb­te die Stadt ei­nen grund­le­gen­den Struk­tur­wan­del. Die Kri­se des Ruhr­berg­baus brach 1958 of­fen aus. Die Ruhr­koh­le war in­ter­na­tio­nal nicht mehr wett­be­werbs­fä­hig und stand in Kon­kur­renz mit dem bil­li­gen Erd­öl. Es kam zum Ze­chenster­ben und zu Mas­sen­ent­las­sun­gen. In den 1970er Jah­ren wur­de Ober­hau­sen auch von der Stahl­kri­se er­fasst. Die Stadt litt un­ter star­ker Luft­ver­schmut­zung und ho­her Ar­beits­lo­sig­keit.

Gleich­zei­tig mit dem Be­ginn ih­res kom­mu­nal­po­li­ti­schen En­ga­ge­ments ge­wann Frau Al­bertz auch Ein­fluss auf die Po­li­tik des jun­gen Bun­des­lan­des Nord­rhein-West­fa­len. Sie be­tei­lig­te sich am Auf­bau der Lan­des-SPD, war von 1947 bis 1948 stell­ver­tre­ten­des Mit­glied im Zo­nen­bei­rat der Bri­ti­schen Zo­ne und über­nahm Man­da­te im Rund­funk­rat wie im Ver­wal­tungs­rat des NW­DR und sei­nes Nach­fol­gers WDR. 1950 wur­de sie au­ßer­dem in den SPD-Bun­des­vor­stand ge­wählt. Aber auch im par­la­men­ta­ri­schen Be­reich er­rang sie früh Er­fol­ge: So ge­wann sie bei der ers­ten Land­tags­wahl in NRW 1947 das Di­rekt­man­dat des Wahl­krei­ses Ober­hau­sen, ge­hör­te dem Land­tag je­doch nur bis 1950 an. 1949 wur­de Lui­se Al­bertz über die Lan­des­lis­te in den ers­ten deut­schen Bun­des­tag ge­wählt. Das Di­rekt­man­dat im Wahl­kreis Ober­hau­sen er­rang sie al­ler­dings erst­mals bei ih­rer letz­ten Kan­di­da­tur für den Bun­des­tag 1965 mit ei­nem Stim­men­an­teil von 52,6 Pro­zent. Ihr Ein­satz für Be­dürf­ti­ge und Be­nach­tei­lig­te drück­te sich ab 1949 im zehn­jäh­ri­gen Vor­sitz des Pe­ti­ti­ons­aus­schus­ses des Deut­schen Bun­des­ta­ges aus. 

Ob­wohl Lui­se Al­bertz zahl­rei­che lan­des- und bun­des­po­li­ti­sche Äm­ter wahr­nahm, blieb sie stets in der Kom­mu­nal­po­li­tik Ober­hau­sens ver­an­kert. In den Jah­ren ih­res po­li­ti­schen Wir­kens bis zu ih­rem To­de be­hielt sie ihr Man­dat als Rats­mit­glied ih­rer Hei­mat­stadt. Lui­se Al­bertz starb am 1.2.1979 in Ober­hau­sen. Nach ihr ist in Ober­hau­sen die Lui­se-Al­bertz-Hal­le des Kon­gress­zen­trums so­wie in der Neu­en Mit­te der Lui­se-Al­bertz-Platz be­nannt. Au­ßer­dem trägt ei­ne Se­nio­ren­wohn­an­la­ge der Ar­bei­ter­wohl­fahrt in Ober­hau­sen ih­ren und den Na­men ih­res Va­ters. 

Literatur

Haun­fel­der, Bernd, Nord­rhein-West­fa­len. Land und Leu­te. Ein bio­gra­phi­sches Hand­buch, Düs­sel­dorf 2006, S. 38.
Die Prä­si­den­tin des Land­tags Nord­rhein-West­fa­len (Hg.), 60 Jah­re Land­tag Nord­rhein-West­fa­len. Das Land und sei­ne Ab­ge­ord­ne­ten, Düs­sel­dorf 2006, S. 153.
Stadt Ober­hau­sen (Hg.), Lui­se Al­bertz 1901-1979. 25 Jah­re Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt Ober­hau­sen, Ober­hau­sen 1981.

 
Zitationshinweis

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Weiß, Lothar, Luise Albertz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/luise-albertz/DE-2086/lido/57a9ddf7aa78b6.86619954 (abgerufen am 28.03.2024)