Manfred Donike

Biochemiker (1933-1995)

Björn Thomann (Suderburg)

Manfred Donike, Porträtfoto. (Manfred Donike Institut für Dopinganalytik e.V., Köln)

Man­fred Do­ni­ke war ein in­ter­na­tio­nal eben­so an­er­kann­ter wie um­strit­te­ner Spe­zia­list für den Nach­weis von Do­ping­sub­stan­zen im Leis­tungs­sport. Nach sei­ner ak­ti­ven Kar­rie­re als Rad­sport­ler er­ziel­te der pro­mo­vier­te Na­tur­wis­sen­schaft­ler vor al­lem auf dem Feld der ana­ly­ti­schen Bio­che­mie bahn­bre­chen­de For­schungs­er­geb­nis­se.

Man­fred Do­ni­ke wur­de am 23.8.1933 in Köt­tin­gen (heu­te Erft­stadt) als Sohn des Dre­hers Mar­kus Do­ni­ke und des­sen Ehe­frau Ger­trud Cä­sar ge­bo­ren. Ab Os­tern 1939 be­such­te er die Volks­schu­le in Köt­tin­gen und wech­sel­te 1943 auf das Städ­ti­sche Gym­na­si­um in Brühl, an dem er nach kriegs­be­ding­ter Un­ter­bre­chung des Schul­be­trie­bes zwi­schen Ok­to­ber 1944 und Fe­bru­ar 1946 am 4.3.1954 die Prü­fun­gen zum Ab­itur be­stand. Im Som­mer­se­mes­ter 1954 im­ma­tri­ku­lier­te er sich an der Uni­ver­si­tät Köln zum Stu­di­um der Che­mie. Vor­ran­gig wid­me­te er sich zu­nächst aber sei­ner sport­li­chen Kar­rie­re. Zum Zeit­punkt sei­nes Stu­di­en­be­ginns galt er be­reits als am­bi­tio­nier­ter Nach­wuchs­fah­rer im Bahn- und Stra­ßen­rad­sport. Sei­ne grö­ß­ten Er­fol­ge er­ziel­te er in den fol­gen­den Jah­ren auf der Bahn. Zu die­sen zähl­te der Ge­winn der Deut­schen Meis­ter­schaft im Zwei­er-Mann­schafts­fah­ren der Ama­teu­re an der Sei­te von Paul Vad­der im Jahr 1954.

Die sys­te­ma­ti­sche An­wen­dung von leis­tungs­för­dern­den Sub­stan­zen, be­son­ders von Am­phet­ami­nen, war im Rad­sport be­reits in den 1950er Jah­ren zur gän­gi­gen Pra­xis ge­wor­den. Auch Do­ni­ke bil­de­te hier kei­ne Aus­nah­me. Der spä­te­re Do­ping­fahn­der führ­te im Krei­se sei­ner Mann­schafts­kol­le­gen den viel­sa­gen­den Spitz­na­men „Ka­nü­le“.

1955 er­folg­te der Wech­sel ins Pro­fi­la­ger. Zu­nächst stand Do­ni­ke beim Team „Bis­marck“ un­ter Ver­trag. In den Fol­ge­jah­ren fuhr er un­ter an­de­rem für die deut­schen Mann­schaf­ten „Al­ten­bur­ger“ und „Tor­pe­do - Fich­tel & Sachs“. 1957 konn­te er an der Sei­te von Edi Gie­seler (1936-2003) sei­nen na­tio­na­len Ti­tel im Zwei­er-Mann­schafts­fah­ren wie­der­ho­len und mit die­sem 1956 das Sechs-Ta­ge-Ren­nen von Müns­ter ge­win­nen. Es blieb sein ein­zi­ger Sieg in die­ser Dis­zi­plin. Ins­ge­samt ging Do­ni­ke zwi­schen 1954 und 1961 bei 33 Sechs-Ta­ge-Ren­nen an den Start und er­reich­te da­bei noch ei­ni­ge wei­te­re Po­di­ums- und Topplat­zie­run­gen. Un­ter an­de­rem nahm er au­ßer­halb der Bun­des­re­pu­blik an den Wett­be­wer­ben von New York, Ma­drid und Bue­nos Ai­res teil.
Auch auf der Stra­ße zähl­te Man­fred Do­ni­ke zur na­tio­na­len Rad­spor­teli­te. 1960 nahm er erst­mals für das deut­sche Na­tio­nal­team an der Tour de Fran­ce teil, muss­te die­se aber we­gen Über­schrei­tens des Zeit­li­mits auf der elf­ten Etap­pe vor­zei­tig be­en­den. Auch sei­ne zwei­te Teil­nah­me im Jahr 1961 ver­lief glück­los. Auf der sechs­ten Etap­pe muss­te er, auf Rang 109 der Ge­samt­wer­tung lie­gend, das Ren­nen auf­ge­ben. Am En­de der Sai­son 1962 quit­tier­te Man­fred Do­ni­ke sei­ne ak­ti­ve Lauf­bahn und kon­zen­trier­te sich fort­an ganz auf die Be­en­di­gung sei­nes Stu­di­ums.

 

Nach­dem er be­reits im Ju­ni 1959 die Vor­prü­fung ab­sol­viert hat­te, be­stand er im April 1963 am In­sti­tut für an­or­ga­ni­sche Che­mie in Köln das Ex­amen zum Di­plom­che­mi­ker. 1965 pro­mo­vier­te er bei Leon­hard Birk­o­fer (ge­bo­ren 1911) mit ei­ner Ar­beit zum The­ma „Bei­trag zur Ana­ly­tik acy­lier­ter An­t­ho­cya­ne“. Be­reits in die­ser Zeit rück­te die Er­for­schung des Nach­wei­ses von Do­ping­mit­teln in das Zen­trum sei­nes sport­wis­sen­schaft­li­chen In­ter­es­ses.

Nach Er­lan­gung des Dok­tor­gra­des er­hielt Do­ni­ke ei­ne An­stel­lung als As­sis­tent am Bio­che­mi­schen In­sti­tut der Uni­ver­si­tät Köln, wo er sich vor al­lem der Ent­wick­lung neu­er De­ri­va­ti­sie­rungs­me­tho­den wid­me­te. Er leis­te­te in die­ser Zeit un­ter an­de­rem Grund­la­gen­ar­beit über den Nach­weis von Do­ping­sub­stan­zen durch An­wen­dung chro­ma­to­gra­phi­scher Me­tho­den und da­bei be­son­ders der Gas-Chro­ma­to­gra­phie. Ein Durch­bruch ge­lang ihm 1969 mit der Her­stel­lung des Si­ly­lie­rungs­mit­tels MST­FA (N-Me­thyl-N-tri­me­thyl­si­lyl-trifluor­acet­amid). Es gilt bis heu­te als das stan­dard­mä­ßi­ge De­ri­va­ti­sie­rungs­mit­tel für Gas-Chro­ma­to­gra­phie.
Auf­grund sei­ner ho­hen fach­li­chen Re­pu­ta­ti­on und sei­nes In­si­der­wis­sens als ehe­ma­li­ger Leis­tungs­sport­ler wur­de Man­fred Do­ni­ke 1970 mit dem Auf­bau ei­nes Do­ping­kon­troll­sys­tems auf der Ebe­ne der bun­des­deut­schen Sport­ver­bän­de be­traut. Be­reits bei den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len des Jah­res 1972 in Mün­chen zeich­ne­te er auch auf in­ter­na­tio­na­ler Ebe­ne für die Durch­füh­rung und Ko­or­di­na­ti­on der Do­ping­über­wa­chung ver­ant­wort­lich.

Ab 1975 ge­hör­te er der Me­di­zi­ni­schen Kom­mis­si­on des In­ter­na­tio­na­len Leicht­ath­le­tik­ver­ban­des (IAAF) und ab 1980 der Sub­kom­mis­si­on „Bio­che­mie und Do­ping“ der Me­di­zi­ni­schen Kom­mis­si­on des In­ter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Co­mi­tes (IOC) an. Au­ßer­dem fun­giert er als Be­auf­trag­ter für Do­pingana­ly­tik im Bun­des­in­sti­tut für Sport­wis­sen­schaf­ten.

Ne­ben sei­ner Tä­tig­keit in na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len Gre­mi­en rich­te­te sich sei­ne Auf­merk­sam­keit in den 1970er und 1980er Jah­ren vor al­lem auf den Aus­bau sei­nes an der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln seit 1972 an­ge­sie­del­ten Do­ping­la­bo­ra­to­ri­ums. Nach­dem ihm 1975 die Ve­nia Le­gen­di für das Fach Bio­che­mi­sche Ana­ly­tik an der Uni­ver­si­tät Köln ver­lie­hen wor­den war, er­folg­te 1977 die Be­ru­fung zum Pro­fes­sor und Lei­ter sei­nes zum In­sti­tut für Bio­che­mie er­ho­be­nen La­bors. In den Fol­ge­jah­ren bau­te er die­ses zu ei­nem der in­ter­na­tio­nal füh­ren­den Zen­tren für die Prü­fung von Do­ping­pro­ben so­wie der An­ti-Do­ping For­schung aus. Hier ent­wi­ckel­te er un­ter an­de­rem Ver­fah­ren zum Nach­weis von ana­bo­len Ste­ro­iden und syn­the­ti­schem Tes­to­ste­ron.

Für welt­wei­tes Auf­se­hen sorg­te Do­ni­ke bei den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len von Seo­ul 1988, als er den Sie­ger des 100 Me­ter Sprint­wett­be­werbs Ben John­son (ge­bo­ren 1961) des Do­pings mit der Sub­stanz Sta­no­zo­lol über­führ­te. Der in der Ab­er­ken­nung der Gold­me­dail­le gip­feln­de Skan­dal gilt noch im­mer als spek­ta­ku­lärs­ter Do­ping­fall der Sport­ge­schich­te. 1992 wies er der Sprin­te­rin und Welt­sport­le­rin von 1991 Kat­rin Krab­be (ge­bo­ren 1969) die Ein­nah­me der Sub­stanz Clen­bu­te­rol nach.

Trotz die­ser Er­fol­ge sah sich der in der Pres­se als „An­ti-Do­ping Paps­t“ ti­tu­lier­te Do­ni­ke wie­der­holt dem Vor­wurf aus­ge­setzt, bis in die 1980er Jah­re hin­ein po­si­ti­ve Do­ping­be­fun­de zu­guns­ten von Funk­tio­nä­ren und über­führ­ten Sport­lern zu­rück­ge­hal­ten zu ha­ben. Mit po­le­mi­schen und pro­vo­zie­ren­den Aus­sa­gen ge­riet er eben­falls mehr­fach in die Kri­tik. En­er­gi­schen Wi­der­spruch er­fuhr er bei­spiels­wei­se 1992 für sei­ne Be­haup­tung, im Fuß­ball wer­de sys­te­ma­tisch ge­dopt. Auch sein Pau­schal­ur­teil über die Glaub­wür­dig­keit von Sport­lern und Funk­tio­nä­ren aus den neu­en Bun­des­län­dern („Ich trau kei­nem aus dem Os­ten“) sorg­te nach der po­li­ti­schen und sport­li­chen Wie­der­ver­ei­ni­gung für hit­zi­ge in­ner­deut­sche De­bat­ten.

Do­ni­kes sport­wis­sen­schaft­li­ches Wir­ken wur­de durch zahl­rei­che Aus­zeich­nun­gen ge­wür­digt. Un­ter an­de­rem er­hielt er 1988 das Gol­de­ne Band der Deut­schen Sport­pres­se und 1993 die Jean-Ser­vais-Stas-Me­dail­le der Ge­sell­schaft für To­xi­ko­lo­gi­sche und Fo­ren­si­sche Che­mie ver­lie­hen. Das IOC ent­schied im März 1995 Do­ni­ke den Olym­pi­schen Or­den zu ver­lei­hen. Sein un­er­war­te­ter Tod ver­hin­der­te je­doch die Eh­rung zu Leb­zei­ten. Statt­des­sen wur­de der Or­den wäh­rend der am 30.8.1995 statt­fin­den­den Trau­er­fei­er sei­ner Wit­we über­reicht.

Dem Rad­sport blieb Man­fred Do­ni­ke zeit­le­bens eng ver­bun­den. An sei­nem Wohn­ort in Dü­ren-Röls­dorf fun­gier­te er zwi­schen 1977 und 1995 als Vor­sit­zen­der des Rad­sport­ver­eins Dü­ren. Aus der Ehe mit Ma­rie The­res Do­ni­ke gin­gen drei Söh­ne her­vor, die eben­falls im Rad­sport ak­tiv wa­ren. Der äl­tes­te Sohn Man­fred Do­ni­ke (1960−2003) nahm un­ter an­de­rem 1984 an den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len in Los An­ge­les teil, war mehr­fa­cher Deut­scher Meis­ter im Zwei­er­mann­schafts­fah­ren so­wie  zwei­fa­cher Sie­ger bei Mi­li­tär­welt­meis­ter­schaf­ten. Nach sei­ner ak­ti­ven Lauf­bahn wirk­te er als Funk­tio­när des In­ter­na­tio­na­len Rad­sport­ver­ban­des (UCI). Sein Bru­der Alex­an­der Do­ni­ke (ge­bo­ren 1961) fun­giert eben­falls als Rad­sport­funk­tio­när und da­bei un­ter an­de­rem als Tech­ni­scher Di­rek­tor des re­nom­mier­ten Ren­nens „Rund um Köln“.

Am 21.8.1995 ver­starb Man­fred Do­ni­ke wäh­rend ei­nes Flu­ges von Frank­furt am Main nach Ha­ra­re in Sim­bab­we, wo er die Ein­rich­tung ei­nes La­bors für die Do­ping­kon­trol­len der All Af­ri­can Ga­mes be­treu­te. Als To­des­ur­sa­che wur­de ein Herz­in­farkt dia­gnos­ti­ziert.

Zu Eh­ren Do­ni­kes wur­de 1995 an der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln das Man­fred Do­ni­ke In­sti­tut für Do­pingana­ly­tik e.V. ge­grün­det. Der jähr­lich zu­sam­men­tre­ten­de „Man­fred-Do­ni­ke-Work­shop“ in Köln gilt als der welt­weit be­deu­tends­te Kon­gress für Do­pingana­ly­ti­ker. Der RSV Dü­ren er­wei­ter­te den Na­men sei­nes jähr­li­chen Ren­nens „Rund um Dü­ren“ um den Zu­satz „Prof. Dr. Man­fred Do­ni­ke Ge­dächt­nis­ren­nen“.

Schriften

Bei­trag zur Ana­ly­tik acy­lier­ter An­t­ho­cya­ne, Dis­ser­ta­ti­ons­schrift, Köln 1965.
Blut und/oder Urin zur Do­ping­kon­trol­le, Schorn­dorf 1996. 
Do­ping - ver­bo­te­ne Arz­nei­mit­tel im Sport, hg. von Dirk Cla­sing, Stutt­gart 1992.

Literatur

Sty­ger­meer, Moth, Der Sport und sei­ne Ethik. Zur Grund­le­gung ei­ner Dog­ma­tik des Sports, Ber­lin 1999.
Mül­ler, Rud­hard Klaus, Do­ping. Me­tho­den, Wir­kung, Kon­trol­le, Mün­chen 2004.

Online

Prof. Dr. rer. nat. Man­fred Do­ni­ke (Kurz­bio­gra­phie auf der Home­page des In­sti­tuts für Bio­che­mie der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln). [On­line
Man­fred Do­ni­ke (Teams, Er­geb­nis­se und Bil­der aus der Rad­sport­kar­rie­re Man­fred Do­ni­kes auf http-blank://www.rad­sport­sei­ten.net). [On­line]

Manfred Donike (rechts) und Werner Potzernheim, 1960. (Manfred Donike Institut für Dopinganalytik e.V., Köln)

 
Zitationshinweis

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Thomann, Björn, Manfred Donike, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/manfred-donike-/DE-2086/lido/57c69699d8a517.33337359 (abgerufen am 06.10.2024)