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Manfred Donike war ein international ebenso anerkannter wie umstrittener Spezialist für den Nachweis von Dopingsubstanzen im Leistungssport. Nach seiner aktiven Karriere als Radsportler erzielte der promovierte Naturwissenschaftler vor allem auf dem Feld der analytischen Biochemie bahnbrechende Forschungsergebnisse.
Manfred Donike wurde am 23.8.1933 in Köttingen (heute Erftstadt) als Sohn des Drehers Markus Donike und dessen Ehefrau Gertrud Cäsar geboren. Ab Ostern 1939 besuchte er die Volksschule in Köttingen und wechselte 1943 auf das Städtische Gymnasium in Brühl, an dem er nach kriegsbedingter Unterbrechung des Schulbetriebes zwischen Oktober 1944 und Februar 1946 am 4.3.1954 die Prüfungen zum Abitur bestand. Im Sommersemester 1954 immatrikulierte er sich an der Universität Köln zum Studium der Chemie. Vorrangig widmete er sich zunächst aber seiner sportlichen Karriere. Zum Zeitpunkt seines Studienbeginns galt er bereits als ambitionierter Nachwuchsfahrer im Bahn- und Straßenradsport. Seine größten Erfolge erzielte er in den folgenden Jahren auf der Bahn. Zu diesen zählte der Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Zweier-Mannschaftsfahren der Amateure an der Seite von Paul Vadder im Jahr 1954.
Die systematische Anwendung von leistungsfördernden Substanzen, besonders von Amphetaminen, war im Radsport bereits in den 1950er Jahren zur gängigen Praxis geworden. Auch Donike bildete hier keine Ausnahme. Der spätere Dopingfahnder führte im Kreise seiner Mannschaftskollegen den vielsagenden Spitznamen „Kanüle“.
1955 erfolgte der Wechsel ins Profilager. Zunächst stand Donike beim Team „Bismarck“ unter Vertrag. In den Folgejahren fuhr er unter anderem für die deutschen Mannschaften „Altenburger“ und „Torpedo - Fichtel & Sachs“. 1957 konnte er an der Seite von Edi Gieseler (1936-2003) seinen nationalen Titel im Zweier-Mannschaftsfahren wiederholen und mit diesem 1956 das Sechs-Tage-Rennen von Münster gewinnen. Es blieb sein einziger Sieg in dieser Disziplin. Insgesamt ging Donike zwischen 1954 und 1961 bei 33 Sechs-Tage-Rennen an den Start und erreichte dabei noch einige weitere Podiums- und Topplatzierungen. Unter anderem nahm er außerhalb der Bundesrepublik an den Wettbewerben von New York, Madrid und Buenos Aires teil.
Auch auf der Straße zählte Manfred Donike zur nationalen Radsportelite. 1960 nahm er erstmals für das deutsche Nationalteam an der Tour de France teil, musste diese aber wegen Überschreitens des Zeitlimits auf der elften Etappe vorzeitig beenden. Auch seine zweite Teilnahme im Jahr 1961 verlief glücklos. Auf der sechsten Etappe musste er, auf Rang 109 der Gesamtwertung liegend, das Rennen aufgeben. Am Ende der Saison 1962 quittierte Manfred Donike seine aktive Laufbahn und konzentrierte sich fortan ganz auf die Beendigung seines Studiums.
Nachdem er bereits im Juni 1959 die Vorprüfung absolviert hatte, bestand er im April 1963 am Institut für anorganische Chemie in Köln das Examen zum Diplomchemiker. 1965 promovierte er bei Leonhard Birkofer (geboren 1911) mit einer Arbeit zum Thema „Beitrag zur Analytik acylierter Anthocyane“. Bereits in dieser Zeit rückte die Erforschung des Nachweises von Dopingmitteln in das Zentrum seines sportwissenschaftlichen Interesses.
Nach Erlangung des Doktorgrades erhielt Donike eine Anstellung als Assistent am Biochemischen Institut der Universität Köln, wo er sich vor allem der Entwicklung neuer Derivatisierungsmethoden widmete. Er leistete in dieser Zeit unter anderem Grundlagenarbeit über den Nachweis von Dopingsubstanzen durch Anwendung chromatographischer Methoden und dabei besonders der Gas-Chromatographie. Ein Durchbruch gelang ihm 1969 mit der Herstellung des Silylierungsmittels MSTFA (N-Methyl-N-trimethylsilyl-trifluoracetamid). Es gilt bis heute als das standardmäßige Derivatisierungsmittel für Gas-Chromatographie.
Aufgrund seiner hohen fachlichen Reputation und seines Insiderwissens als ehemaliger Leistungssportler wurde Manfred Donike 1970 mit dem Aufbau eines Dopingkontrollsystems auf der Ebene der bundesdeutschen Sportverbände betraut. Bereits bei den Olympischen Sommerspielen des Jahres 1972 in München zeichnete er auch auf internationaler Ebene für die Durchführung und Koordination der Dopingüberwachung verantwortlich.
Ab 1975 gehörte er der Medizinischen Kommission des Internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF) und ab 1980 der Subkommission „Biochemie und Doping“ der Medizinischen Kommission des Internationalen Olympischen Comites (IOC) an. Außerdem fungiert er als Beauftragter für Dopinganalytik im Bundesinstitut für Sportwissenschaften.
Neben seiner Tätigkeit in nationalen und internationalen Gremien richtete sich seine Aufmerksamkeit in den 1970er und 1980er Jahren vor allem auf den Ausbau seines an der Deutschen Sporthochschule Köln seit 1972 angesiedelten Dopinglaboratoriums. Nachdem ihm 1975 die Venia Legendi für das Fach Biochemische Analytik an der Universität Köln verliehen worden war, erfolgte 1977 die Berufung zum Professor und Leiter seines zum Institut für Biochemie erhobenen Labors. In den Folgejahren baute er dieses zu einem der international führenden Zentren für die Prüfung von Dopingproben sowie der Anti-Doping Forschung aus. Hier entwickelte er unter anderem Verfahren zum Nachweis von anabolen Steroiden und synthetischem Testosteron.
Für weltweites Aufsehen sorgte Donike bei den Olympischen Sommerspielen von Seoul 1988, als er den Sieger des 100 Meter Sprintwettbewerbs Ben Johnson (geboren 1961) des Dopings mit der Substanz Stanozolol überführte. Der in der Aberkennung der Goldmedaille gipfelnde Skandal gilt noch immer als spektakulärster Dopingfall der Sportgeschichte. 1992 wies er der Sprinterin und Weltsportlerin von 1991 Katrin Krabbe (geboren 1969) die Einnahme der Substanz Clenbuterol nach.
Trotz dieser Erfolge sah sich der in der Presse als „Anti-Doping Papst“ titulierte Donike wiederholt dem Vorwurf ausgesetzt, bis in die 1980er Jahre hinein positive Dopingbefunde zugunsten von Funktionären und überführten Sportlern zurückgehalten zu haben. Mit polemischen und provozierenden Aussagen geriet er ebenfalls mehrfach in die Kritik. Energischen Widerspruch erfuhr er beispielsweise 1992 für seine Behauptung, im Fußball werde systematisch gedopt. Auch sein Pauschalurteil über die Glaubwürdigkeit von Sportlern und Funktionären aus den neuen Bundesländern („Ich trau keinem aus dem Osten“) sorgte nach der politischen und sportlichen Wiedervereinigung für hitzige innerdeutsche Debatten.
Donikes sportwissenschaftliches Wirken wurde durch zahlreiche Auszeichnungen gewürdigt. Unter anderem erhielt er 1988 das Goldene Band der Deutschen Sportpresse und 1993 die Jean-Servais-Stas-Medaille der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie verliehen. Das IOC entschied im März 1995 Donike den Olympischen Orden zu verleihen. Sein unerwarteter Tod verhinderte jedoch die Ehrung zu Lebzeiten. Stattdessen wurde der Orden während der am 30.8.1995 stattfindenden Trauerfeier seiner Witwe überreicht.
Dem Radsport blieb Manfred Donike zeitlebens eng verbunden. An seinem Wohnort in Düren-Rölsdorf fungierte er zwischen 1977 und 1995 als Vorsitzender des Radsportvereins Düren. Aus der Ehe mit Marie Theres Donike gingen drei Söhne hervor, die ebenfalls im Radsport aktiv waren. Der älteste Sohn Manfred Donike (1960−2003) nahm unter anderem 1984 an den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles teil, war mehrfacher Deutscher Meister im Zweiermannschaftsfahren sowie zweifacher Sieger bei Militärweltmeisterschaften. Nach seiner aktiven Laufbahn wirkte er als Funktionär des Internationalen Radsportverbandes (UCI). Sein Bruder Alexander Donike (geboren 1961) fungiert ebenfalls als Radsportfunktionär und dabei unter anderem als Technischer Direktor des renommierten Rennens „Rund um Köln“.
Am 21.8.1995 verstarb Manfred Donike während eines Fluges von Frankfurt am Main nach Harare in Simbabwe, wo er die Einrichtung eines Labors für die Dopingkontrollen der All African Games betreute. Als Todesursache wurde ein Herzinfarkt diagnostiziert.
Zu Ehren Donikes wurde 1995 an der Deutschen Sporthochschule Köln das Manfred Donike Institut für Dopinganalytik e.V. gegründet. Der jährlich zusammentretende „Manfred-Donike-Workshop“ in Köln gilt als der weltweit bedeutendste Kongress für Dopinganalytiker. Der RSV Düren erweiterte den Namen seines jährlichen Rennens „Rund um Düren“ um den Zusatz „Prof. Dr. Manfred Donike Gedächtnisrennen“.
Schriften
Beitrag zur Analytik acylierter Anthocyane, Dissertationsschrift, Köln 1965.
Blut und/oder Urin zur Dopingkontrolle, Schorndorf 1996.
Doping - verbotene Arzneimittel im Sport, hg. von Dirk Clasing, Stuttgart 1992.
Literatur
Stygermeer, Moth, Der Sport und seine Ethik. Zur Grundlegung einer Dogmatik des Sports, Berlin 1999.
Müller, Rudhard Klaus, Doping. Methoden, Wirkung, Kontrolle, München 2004.
Online
Prof. Dr. rer. nat. Manfred Donike (Kurzbiographie auf der Homepage des Instituts für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln). [Online]
Manfred Donike (Teams, Ergebnisse und Bilder aus der Radsportkarriere Manfred Donikes auf http-blank://www.radsportseiten.net). [Online]
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Thomann, Björn, Manfred Donike, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/manfred-donike-/DE-2086/lido/57c69699d8a517.33337359 (abgerufen am 06.10.2024)