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Nicolaus August Otto war der Erfinder des Viertaktmotors, den er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte. Die von ihm 1864 mitbegründete Maschinenherstellung unter der Firmenbezeichnung „N.A. Otto & Cie Kg" war die Keimzelle der späteren „Deutz AG", wodurch sein Name nicht nur untrennbar mit dem Ottomotor verbunden ist, sondern auch mit der industriellen und wirtschaftlichen Entwicklung Kölns und des Rheinlands.
Als jüngstes von sechs Kindern wurde Nicolaus August Otto am 14.6.1832 in Holzhausen auf der Heide (Taunus) geboren. Sein eingetragener Geburtsname lautet August Nicolaus Otto, die heute geläufige Namensreihenfolge geht wohl auf eine zum Zeitpunkt seiner Firmengründung von ihm selbst vorgenommene Namensumstellung zurück. Er entstammte einer Land- und Gastwirtsfamilie aus dem Taunus und Westerwald, deren Wurzeln bis ins frühe 17. Jahrhundert zurückzuverfolgen sind. Otto, der nach dem frühen Tod des Vaters 1832 als Halbwaise aufwuchs, besuchte seit 1838 die Volksschule, die er nach sechs Jahren und guten schulischen Leistungen verließ. Im Alter von 14 Jahren wechselte er auf die Realschule in Langenschwalbach, deren Besuch er jedoch bereits 1848 ohne Abschluss, aber mit einem guten Zeugnis, abbrach. Wenngleich noch zu Schulzeiten sein Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Fragen geweckt worden war, absolvierte Otto in den folgenden drei Jahren eine Kaufmannslehre in einem kleinen Warenhandel in Nastätten nahe Holzhausen (Nassau). Dort erlernte er die Grundlagen für seine späteren unternehmerischen Tätigkeiten.
Nach Beendigung der Lehre zog es den jungen Otto zunächst nach Frankfurt am Main, wo er zwischen März 1852 und Juni 1853 als Handlungsreisender in Diensten des Kolonialwaren- und Landwirtschaftsgeschäfts von Philipp Jakob Lindheimer stand. Anschließend ging Otto nach Köln. Was ihn dazu veranlasste, ist unklar. Möglicherweise waren geschäftliche Kontakte und Empfehlungen seines Frankfurter Arbeitgebers ausschlaggebend gewesen. Zudem wohnte sein Bruder Wilhelm zu dieser Zeit bereits in der Stadt. Jedenfalls fand Nicolaus August Otto mit Anfang 20 den Weg ins Rheinland. Von dort aus war er im folgenden Jahrzehnt für verschiedene Firmen tätig: zunächst für I. C. Altpeter und ab 1860 für die Firma Carl Mertens. In ihrem Auftrag bereiste Otto ganz Westdeutschland und handelte mit so genannten Kolonialwaren, hauptsächlich Kaffee, Tee, Reis und Zucker.
Doch nicht nur beruflich fand er in Köln eine neue Heimat. Bereits im Februar 1858 hatte er auf einer Karnevalsveranstaltung seine spätere Ehefrau, Anna Gossi, kennen gelernt. Es vergingen allerdings noch zehn Jahre, bevor das Paar im Mai 1868 in (Köln-)Rodenkirchen heiratete. Aus der Ehe gingen zwischen 1869 und 1883 sieben Kinder hervor. Der jüngste Sohn Gustav sollte 1909 die „Gustav-Otto-Flugmaschinenwerke" gründen.
Erste Ansätze für die Erfinder- und Entwicklertätigkeit ergaben sich im Spätherbst 1860, als die Gebrüder Otto von einem neuartigen Gasverbrennungsmotor des französischen Ingenieurs Jean Joseph Étienne Lenoir (1822-1900) erfuhren. Diese äußerst viel versprechende, aber mit technischen Mängeln behaftete Neuheit begannen Nicolaus August und Wilhelm Otto weiterzuentwickeln. Bereits im Januar 1861 reichten die Brüder eine Patentanmeldung für einen mit flüssigem Brennstoff (Spiritus) betriebenen Motor auf der Basis der Erfindung Lenoirs beim preußischen Handelsministerium ein; doch wurde der Antrag abgelehnt. Während Wilhelm sich daraufhin zurückzog, experimentierte Nicolaus August in Kooperation mit dem Kölner Mechaniker Michael J. Zons in den Jahren 1862/1863 intensiv an der Verbesserung der Maschine. Um sich seinen Forschungen und Konstruktionen umfassend widmen zu können, gab Otto im Mai 1862 seine Tätigkeit bei Carl Mertens auf. Bereits in dieser Phase konzentrierten sich seine Überlegungen auf das Konzept eines nach dem Viertaktprinzip (Ansaugen, Verdichten, Verbrennen und Auspuffen) funktionierenden Motors. Es bildete die Grundlage für den später entstandenen Ottomotor.
Zunächst galt es jedoch, die schwierigen Anfangsjahre zu überstehen. Die wirtschaftliche Situation Ottos verschlechterte sich bis 1863 zusehends, da er über kein festes Einkommen mehr verfügte und die fortlaufenden Modellkonstruktionen seine Geldreserven schnell aufzehrten. Daher war der Erfinder gezwungen, Investoren für seine Projekte zu suchen. Etwa um die Jahreswende 1863/1864 kam es zum Kontakt mit dem Polytechniker Eugen Langen, dem Sohn eines Kölner Zuckerindustriellen. Langen und Otto gingen eine geschäftliche Partnerschaft ein und gründeten am 31.3.1864 die N.A. Otto & Cie KG. Sie war die weltweit erste Firma, welche ausschließlich auf die Konstruktion und den Bau von Verbrennungsmotoren ausgerichtet war. Während Langen als Kommanditist fungierte, war Otto Komplementär, d.h. er haftete mit Einlage und Privatvermögen für die Gesellschaft.
Gemeinsam arbeiteten die Ingenieure an der Verbesserung der atmosphärischen Gaskraftmaschine. In den folgenden drei Jahren gelang es ihnen, die Entwicklung eines zuverlässigen Motors so weit voranzutreiben, dass sie auf der Pariser Weltausstellung von 1867 einen konkurrenzfähigen Prototyp präsentieren konnten. Ihre Maschine wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet und war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Serienreife. Der wesentliche Fortschritt lag darin, dass nur ein Drittel der bis dahin benötigten Gasmenge verbraucht wurde und der Motor Ottos und Langens somit in wirtschaftliche Konkurrenz zu den verbreiteten Dampfmaschinen treten konnte.
Die nach dem technischen Durchbruch des Jahres 1867 aufkommende Nachfrage konnten Otto und Langen im Rahmen der bestehenden Strukturen allerdings nicht befriedigen. Für die Finanzierung der nötigen Expansion waren sie gezwungen, sich nach einem weiteren Teilhaber umzuschauen. Sie fanden ihn in dem Hamburger Geschäftsmann Ludwig August Roosen-Runge. Durch seine Beteiligung entstand im März 1869, nach der Liquidierung von N. A. Otto & Cie, die Firma Langen, Otto & Roosen. Die Gelder Roosen-Runges ermöglichten es, vor den Toren Kölns, an der Chaussee zwischen Deutz und Mülheim, ein Grundstück zu erwerben und darauf eine erste Maschinenfabrik zu errichten. Trotz der guten Entwicklung kam es bald zu Spannungen zwischen den Geschäftspartnern. Infolge der Liquidation hatten sich die Gewichte zwischen Langen und Otto auf der einen und Roosen-Runge auf der anderen Seite verschoben.
Nicolaus August Otto war aufgrund der zuvor erlittenen Verluste nicht in der Lage gewesen, eine eigene Einlage bei der neuen Gesellschaft zu leisten. Er war somit nur theoretisch gleichberechtigter Teilhaber und wurde mit gerade einmal 10% an den Einnahmen beteiligt. Gleichzeitig hatte sich Eugen Langen alle Patentrechte als Gegenleistung für die Verluste der N. A. Otto & Cie KG gesichert. Somit musste die neue Gesellschaft beträchtliche Lizenzgebühren an ihn auszahlen, wodurch er deutlich besser gestellt war als Roosen-Runge. Dieser kündigte daraufhin bereits im Sommer 1871 den Geschäftsvertrag. An seine Stelle traten mit Langens Brüdern, Gustav und Jakob, sowie Emil und Valentin Pfeiffer eine Reihe neuer Investoren. Gemeinsam mit Langen und Otto hoben sie am 5.1.1872 die „Gasmotoren-Fabrik Deutz Aktiengesellschaft" aus der Taufe. Noch im selben Jahr traten Gottlieb Daimler (1834-1900) und Wilhelm Maybach (1846-1929) als technische Leiter in das Unternehmen ein. Otto übernahm derweil als Direktor die kaufmännische Leitung. Da er zudem bis 1882/1883 seinen Aktienanteil auf ca. 21 Prozent aufstocken konnte, stand er gleichberechtigt neben Eugen Langen.
Befreit von wirtschaftlichen Nöten und ausgestattet mit guten Forschungsbedingungen griff Otto ab 1875 seine ursprüngliche Idee des Viertaktmotors wieder auf, die er zugunsten des Gasmotors hatte zurückstellen müssen. Zügig trieb er seine Pläne voran, und schon im Juni 1876 reichte die Deutz AG einen Patentantrag für den „Ottomotor" ein. Im August 1877 wurde das Patent mit der Nummer DRP 532 vergeben. Öffentliche Annerkennung für seine Pionierleistungen erfuhr Nicolaus August Otto 1882, als ihm die Philosophische Fakultät Würzburg die Ehrendoktorwürde verlieh.
Die letzten Jahre seines Lebens war der Erfinder darum bemüht, sein Lebenswerk zu bewahren und zu verteidigen. In mehreren Gerichtsprozessen wurden seine Patente angegriffen und im Januar 1886 von einem Reichsgericht zu großen Teilen für nichtig erklärt. Unter anderem durch diese Auseinandersetzungen wurde seine Gesundheit stark beeinträchtigt. Am 26.1.1891 erlag er in Köln einem Herzleiden und wurde auf dem Friedhof Melaten beigesetzt. Knapp ein Jahrhundert später wurde im November 1990 eine Figur von Otto (Bildhauer: Theo Heiermann) am Kölner Rathausturm angebracht.
Literatur
Langen, Arnold, Nicolaus August Otto. Der Schöpfer des Verbrennungsmotors, Stuttgart 1949.
Langen, Arnold, N. A. Otto (1832-1891), in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 5, Münster i.W. 1953, S. 79-101.
Löber, Ulrich (Hg.), Nicolaus August Otto, Ein Kaufmann baut Motoren. Eine Ausstellung des Landesmuseums Koblenz, 2. Auflage, Koblenz 1993.
Reuß, Hans-Jürgen, Nicolaus August Otto, Köln 1979.
Sittauer, Hans, Nicolaus August Otto – Rudolf Diesel, 4. Auflage, Leipzig 1990.
Online
Dietmar Voß, Nicolaus August Otto Handlungsreisender in Köln(Website des Oldtimerclub Nicolaus August Otto e.V. beziehungsweise des Otto-Museums mit umfangreichen Informationen zur Person Ottos und zu technischen Aspekten). [Online]
Köln, Gasmotoren-Fabrik Deutz (Informationen zu N. A. Otto auf der Website des „Rheinische Industriekultur e.V."). [Online]
Seherr-Toß, Hans Christoph Graf von, "Otto, Nicolaus", in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 700-702. [Online]
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Kaltscheuer, Christoph, Nicolaus August Otto, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/nicolaus-august-otto/DE-2086/lido/57c95767d405d6.69524041 (abgerufen am 12.12.2024)