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Nikolaus Simrock war Waldhornist am Bonner Hof der letzten beiden Kölner Kurfürsten Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels und Max Franz von Österreich. Er war der Gründer eines großen Musikverlagshauses in Bonn, in dem die Werke Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791), Joseph Haydns (1731-1809), Beethovens und fast aller zeitgenössischer Komponisten erschienen. Die Freundschaft zu Ludwig van Beethoven wurde für seine verlegerische Tätigkeit von großer Bedeutung. Sein Sohn Peter Joseph Simrock (1792-1868) und sein Enkel Fritz Simrock (1837–1901) führten den Verlag durch ihre Verbindungen zu Felix Mendelsohn-Bartholdy (1809-1847), Robert Schumann und besonders Johannes Brahms (1833-1897) sehr erfolgreich fort. Sein jüngster Sohn Karl erlangte als Bonner Professor und Literaturhistoriker vor allem mit der Übertragung des Nibelungenliedes und als rheinischer Dichter Berühmtheit. Nikolaus Simrock und seine Familie leisteten so einen wichtigen Beitrag zur rheinischen Kulturgeschichte.
Nikolaus Simrock wurde am 23.8.1751 als Sohn des kurmainzischen Korporals Johannes Simrock (1721–1788) und seiner Ehefrau Dorothea Sopp (1722–1781) in Mainz geboren. Bereits mit 16 Jahren trat er als Waldhornist in das königlich-lothringische Kavallerie-Regiment ein, wo er neun Jahre lang diente. Am 1.4.1775 wurde er in der kurfürstlichen Kapelle in Bonn als Waldhornist mit einem Jahresgehalt von 300 Gulden angestellt. Im Hofbericht von 1784 wird er beschrieben als zweiter und guter Waldhornist, sehr guter Aufführung und geheirathet.
1780 vermählte er sich mit Franziska Ottilia Blaschek (1756-1829), die ebenfalls einer musikalischen Familie in Mainz entstammte. Der Vater war der kurfürstliche Gardetrompeter Franz Blaschek, der auch als Kontrabassist und Flötist in der Mainzer Hofkapelle diente. Aus dieser Ehe gingen 13 Kinder hervor, von denen zehn das Erwachsenenalter erreichten. In dem schon zitierten Hofbericht von 1784, der dem gerade in der Residenzstadt Bonn angekommenen neuen Kurfürsten seine Hofkapelle vorstellte, heißt es: Nikolaus Simrock, alt 32 Jahre, geboren in Mainz, verheirathet, seine Frau ist 27, geboren in Mainz, hat 3 Töchter im Lande, alt 3 und (Zwillinge) ½ Jahr, hat 10 Jahre gedient, 9 Jahre in Frankreich, Gehalt 300 Fl. aus der Landrentm.[meisterei] und 100 Fl. aus der Chatulle. Neben seiner Tätigkeit als Musiker war Nikolaus Simrock ab 1784 mit der Beschaffung von Musikalien für die Hofkapelle beauftragt und erhielt dafür vom Kurfürsten eine weitere Zulage von 40 Reichstalern jährlich. Damit gehörte er zu den bestgestellten Hofmusikern in Bonn. Seit 1785 bot er daneben als privater Geschäftsmann eine Vielzahl von Waren an, wie eine Annonce aus dem Jahre 1790 zeigt: Papiere aller Art, Couverts, Tinten, Farben, Blei- und Rothstifte, Federmesser, Papierscheren, Stimmgabeln und – hammer, alte und neue Instrumente, verschiedene Sorten Claviere, Violin- und Baßbogen, ferner Colophonium und alle Arten Musikalien.
Den Musikalienverkauf betrieb er zuerst offenbar nur als Kommissionshandel. Als 1794 die französischen Truppen in Bonn einmarschierten und nach der Flucht des Kurfürsten keine Gehaltszahlungen mehr zu erwarten waren, verlegte sich Simrock ganz auf den Handel. Schon 1793 hatte er durch Anstellung von Kopisten eine eigene Verlagstätigkeit begründet, die er später mit der Notenstecherei vervollständigte. 1799 pachtete er ein großes Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zu Beethovens Geburtshaus in der Bonngasse Nr. 351, das er 1803 infolge der Säkularisation bei einem Schätzpreis von 3.000 Francs nur mit dem großen Einsatz von 9.750 Francs ersteigern konnte. Unter dem Dach dieses Haus vereinigte er die Familie, das Geschäft und den Verlag, in dem auch die meisten Familienmitglieder mitarbeiteten. Hier erschienen Werke von Mozart, Haydn, Beethoven und fast aller zeitgenössischen Komponisten wie Joseph Reicha (1752-1795), Ferdinand Ries, Andreas (1767-1821) und Bernhard (1767-1841) Romberg, Friedrich Kalkbrenner (1785-1849), Fernando Sor (1778-1839) und Louis Spohr (1784-1859). Mit der Herausgabe von Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Wohltemperiertem Klavier und Kompositionen von Georg Friedrich Händel (1685-1759) setzte er sich auch für die Wiederbelebung Alter Musik ein.
Trotz Okkupation und französischer Fremdherrschaft wuchs der Verlag stetig. 1799/1800 hatte Simrock schon mehr als 100 Werke verlegt, die bis 1814 die Bezeichnung À Bonn chez N. Simrock tragen. Durch die Zugehörigkeit Bonns zum französischen Kaiserreich war es Simrock möglich, die in Österreich und Deutschland erschienenen Noten als „Raubdrucke“ nachzustechen, was seine Berufskollegen in den anderen Staaten ärgerlich hinnehmen mussten, denn Urheberrechte existierten in der damaligen Zeit fast nicht. Tantiemen für Wiederaufführungen oder erneute Auflagen ausverkaufter Werke wurden überhaupt nicht gezahlt. Seine eigenen Verlags- und Nachdruckswerke dagegen waren durch den Vermerk „Déposée à la Bibliothèque nationale“ (ab 1805 „impériale“) im gesamten französischen Reich geschützt.
Die engen freundschaftlichen Beziehungen Nikolaus Simrocks zur Familie des ehemaligem kurfürstlichen Musikdirektors und Kollegen in der Hofkapelle, Franz Anton Ries, und hier besonders zu dem jungen Ferdinand Ries wurden zu einem großen Vorteil für seinen Verlag. Nicht nur, dass Ferdinand Ries als Beethovens Schüler von 1801 bis 1805 dem väterlichen Freund in Bonn die neu erschienenen Werke des Lehrers zusandte, was diesem die Möglichkeit bot, sie gleich in sein Verlagsangebot aufzunehmen, Ferdinand Ries bearbeitete für ihn auch Werke Beethovens und die anderer Komponisten, die in den musikbegeisterten Bürgerkreisen Anklang fanden. Unter den im Nikolaus Simrock Verlag erschienenen circa 3.000 Werken ragen die von Mozart und Haydn, den er 1790 in Bonn persönlich kennengelernt hatte, als dieser auf der Reise nach London in Bonn Station machte, hervor. Von Beethoven selbst gab er (neben einer Anzahl von Raubdrucken) allein 13 Erstausgaben heraus.
Simrock verstand es, mit dem Verlag auch auf internationaler Ebene zu agieren, denn die Vertriebswege, die er als Kommissionär eröffnet hatte, dienten ihm umgekehrt auch zum Absatz der eigenen Verlagsprodukte. Schon seit 1792 befand sich Heinrich (Henri) (1754 – 1839), der jüngere Bruder von Nikolaus Simrock, in Paris. Er war selbst Musiker und bis 1802 Lehrer für Horn und Gesang am Conservatoire in Paris, somit hatte er die besten Voraussetzungen, die Musikalien seines Bruders dort zu vertreiben. Russlands Musikmarkt wurde von Simrocks Sohn Fritz zwischen 1809 und 1819 von Moskau und Riga aus beliefert. Der dritte Sohn und spätere Nachfolger des Vaters im Verlag, Peter Joseph Simrock, eröffnete 1812 in Köln eine Dependance für den Vertrieb von Noten und Instrumenten, verlegte auch selbst einige Werke.
Nikolaus Simrock, zeit seines Lebens ein Verfechter aufklärerischer Ideen, war wie seine Kollegen in der kurfürstlichen Hofkapelle Christian Gottlob Neefe (1748-1798) und Franz Anton Ries Mitglied der Bonner Niederlassung des Illuminatenordens, der Minervalkirche Stagira. Als diese 1785 aufgelöst wurde, beteiligte sich Simrock 1787 an der Gründung der Bonner Lesegesellschaft und trat später ebenso der 1805 gegründeten Bonner Freimaurerloge „Les frères courageux“ bei, in der Deutsche und Franzosen vereint waren.
Nikolaus Simrock gehörte seit der napoleonischen Zeit dem Bonner Stadtrat an, der aus 30 der 100 reichsten Männer der Stadt gebildet wurde. Als Bonn und das Rheinland 1815 in das Königreich Preussen integriert wurden, behielt er diese Funktion bei und übte sie bis kurz vor seinem Tod aus.
Am 12.6.1832 starb Nikolaus Simrock in Bonn als wohlhabender Mann und hinterließ den nachfolgenden Generationen einen Musikverlag, der neben dem von Breitkopf & Härtel und dem Bureau de Musique, beide in Leipzig, zu den berühmtesten und mächtigsten in Deutschland gehörten.
Literatur
Cobb-Biermann, Johanna, Nikolaus Simrock – Verleger, in: Das Haus Simrock, Beiträge zur Geschichte einer kulturtragenden Familie des Rheinlandes, revidierte und stark erweiterte Neuausgabe des Buches „Das Haus Simrock“ von Walther Ottendorf, hg. von Ingrid Bodsch, Bonn 2003, S. 11-56.
Brandenburg, Siegfried, Die Gründungsjahre des Verlags N. Simrock in Bonn, in: Bonner Geschichtsblätter 29 (1977), S. 28-36.
Braubach, Max, Die Mitglieder der Hofmusik unter den vier letzten Kurfürsten von Köln, in: Kross, Siegfried/Schmidt,
Hans, Colloquium Amicorum, Joseph Schmidt-Görg zum 70. Geburtstag, Bonn 1967, S. 26-63.
Henseler, Theodor Anton, Das musikalische Bonn im 19. Jahrhundert, Bonn 1959.
Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, hg. von Friedrich Blume, Band 15, Kassel 2006, Sp. 835-838.
Thayer, A. W., Ludwig van Beethovens Leben, Band 1, 2. Auflage, Berlin 1901, S. 179.
Online
Eitner, Robert, Artikel „Nikolaus Simrock“ in: Allgemeine Deutsch Biographie 34 (1889), S. 385-386. [Online]
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Mülhens-Molderings, Barbara, Nikolaus Simrock, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/nikolaus-simrock/DE-2086/lido/57c9526b75d413.25584762 (abgerufen am 01.12.2024)