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Otto B. Roegele war einer der bedeutendsten katholischen Publizisten der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Als langjähriger Chefredakteur der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“, wegweisender Kommunikationswissenschaftler und Förderer des journalistischen Nachwuchses, prägte er zeitlebens das politische und publizistische Bild der Bundesrepublik Deutschland.
Otto Emil Karl Bonifazius Roegele kam am 6.8.1920 als erster von drei Söhnen des Gymnasialprofessors Otto Roegele (1882-1958) und dessen Ehefrau Elisabeth, geborene Winter (1898-1966), im baden-württembergischen Heidelberg zur Welt. Ihm folgten seine Brüder Gottfried (1926-1999) und Bernhard (geboren 1929). Bereits in früher Kindheit vermittelten die Eltern Otto und seinen Brüdern ein ausgeprägtes Interesse am aktuellen politischen Geschehen und eine tiefe Verbundenheit mit dem Katholizismus. Das politische Interesse war dem Vater zuzuschreiben, der seinen Kindern bereits früh eine fundierte politische Bildung zukommen ließ, etwa indem regelmäßig über Auszüge aus politischen Schriften – wie unter anderem Hitlers „Mein Kampf“ – diskutiert wurde. Die katholische Erziehung trug hauptsächlich Ottos Mutter Elisabeth. Die Familie hatte katholische Geistliche im Bekannten- und Freundeskreis, und so verbrachten die Kinder mehrere Ferien in einem Pfarrhaus im Schwarzwald.
Roegeles Schulbildung setzte sich nach dem Besuch der Volksschule auf dem Humanistischen Schloss-Gymnasium Bruchsal fort. Dort festigte sich Roegeles Glaube und dort wurde seine ohnehin durch die Eltern vermittelte ökumenische Orientierung geprägt, nicht zuletzt auch beeinflusst durch seine Mitgliedschaft im katholischen Jugendbund „Neudeutschland“, dem er 1932 beitrat, und die Freundschaft zu seinem Religionslehrer, dem „Geistlichen Professor“ Gustav Kempf (8.1.1890-25.5.1972). 1938 legte Roegele das Abitur ab, durchweg mit sehr guten Noten.
Das geplante Theologiestudium und damit der gehegte Berufswunsch, im Anschluss daran Priester zu werden, durfte Roegele jedoch nicht antreten. Das Freiburger Generalvikariat verweigerte ihm 1938 zweimal die Zulassung unter Verweis auf die mögliche gesundheitliche Belastung. Stattdessen immatrikulierte Roegele sich im gleichen Jahr für Geschichte, Philosophie und Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1939 wechselte er nach Heidelberg und schließlich nach Erlangen, wo er 1940 das Physikum absolvierte. 1939 leistete er zusätzlich das vorgeschriebene Pflichthalbjahr Reichsarbeitsdienst. 1940 wurde er kurzzeitig für zwei Wochen und dann ab März 1941 bis zum Kriegsende zur Wehrmacht eingezogen. Er diente bis 1942 als Infanterist im Russlandfeldzug, bis er aus gesundheitlichen Gründen in die Ludolf-Krehl-Klinik Heidelberg eingeliefert wurde. Er genas im Anschluss in Heppenheim, bevor ihm die Versetzung in eine Studentenkompanie gelang. Dadurch konnte er sein Studium an der Reichsuniversität Straßburg abschließen, ohne weiteren Kriegsdienst ableisten zu müssen.
Im April 1945 erlangte Otto B. Roegele schließlich innerhalb von drei Wochen zwei Doktorwürden. Zuerst, am 2. April, promovierte ihn die Reichsuniversität Straßburg, nunmehr in Tübingen, zum Dr. phil. Das Thema dieser Dissertation, die er bei Günther Franz (1902-1992) verfasste, lautete „Damian Hugo Graf Schönborn als Diplomat im Dienste von Kaiser und Reich 1708-1719“. Seinen medizinischen Doktor erwarb er am 24. April an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit der Dissertation „Ein Beitrag zur Frage des Pikrinsäure-Icterus“. Anfang Mai 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der man ihn etwa sechs Wochen später, am 17. Juni, entließ.
In den folgenden Jahren widmete sich Roegele seiner beruflichen Ausbildung zum Mediziner. Bereits während des Krieges hatte er erste Erfahrungen als Militärarzt sammeln können. Von August 1945 bis September 1946 absolvierte er am St. Vinzentius-Krankenhaus in Karlsruhe sein Medizinalpraktikantenjahr. Von Oktober 1946 bis August 1948 hatte er eine halbe Volontär-Assistentenstelle an der Ludolf-Krehl-Klinik in Heidelberg inne, an der man ihn während des Krieges behandelt hatte. Während dieser Zeit, im April 1948, heiratete Otto B. Roegele die Ärztin Gertrud Kundel. Schon bald nach der Eheschließung wurde der erste Sohn geboren, Clemens (geboren 1949), dem Bernhard (geboren 1950) und Franz (geboren 1952) folgen sollten.
Bereits während seiner Ausbildung zum Mediziner begann Roegele, journalistisch aktiv zu werden. Für die erste Ausgabe des in Bonn erscheinenden Rheinischen Merkurs am 15.3.1946 schrieb er als Kulturberichterstatter für das amerikanisch-besetzte Nordbaden – eine Nebentätigkeit, der er in den Folgejahren regelmäßig nachkam. 1948 wurde der damalige Chefredakteur des Rheinischen Merkur, Franz Albert Kramer, auf Roegele aufmerksam, und zwar durch einen Artikel anlässlich des 65. Geburtstages von Karl Jaspers (1883-1969), der am 21.2.1948 im Rheinischen Merkur erschien. Tatsächlich war Kramer so von Roegeles Schreibfertigkeiten beeindruckt, dass er ihn zu seinem Nachfolger bestimmte und entsprechend förderte. So ernannte er ihn zum 1.9.1948 zum Leiter der Kulturredaktion und bereits ein Jahr später zum Chefredakteur.
Unter Roegeles Führung stieg der Rheinische Merkur bald zu einer einflussreichen Medienstimme auf, die auch auf bundespolitischer Ebene Beachtung und Gehör fand. Dabei setzte Roegele seine eigene Philosophie den Journalismus betreffend als Leitlinie der Arbeit der Zeitung. Die Neugier sei, so Roegele, eine essenzielle Eigenschaft des Journalisten. Ein wesentlicher Teil seiner Artikel beschäftigte sich – durchaus kritisch – mit der Situation der katholischen Kirche. In der Nachkriegszeit fanden Roegeles zahlreiche Arbeiten zur Einschätzung der deutschen Diözesen Beachtung bis hinein in den Vatikan. Der Rheinische Merkur widmete sich einer katholisch orientierten Berichterstattung; gerade Anfang der 1960er Jahre, als im August 1962 in Hannover der Katholikentag, am Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils, bevorstand. Die Zeitung entwickelte sich zu einer einflussreichen moralischen Medieninstanz sowohl in Kirchenkreisen als auch für die junge Bundesrepublik. Seit den 1970er Jahren unterstützten neun deutsche Diözesen, darunter das Erzbistum Köln, die Wochenzeitung als Förderer, 1976 kam die Deutsche Bischofskonferenz hinzu. Unter Roegele als Chefredakteur entwickelte der Rheinische Merkur eine demokratisch-christliche, europäisch orientierte Line, die keine Kritik scheute, sofern sie geboten erschien – auch über Roegeles Zeit als Chefredakteur hinaus, die 1963 endete.
Mit nunmehr 43 Jahren änderte Otto B. Roegele abermals seine berufliche Orientierung, blieb allerdings dem Journalismus treu. Dem Rheinischen Merkur blieb er bis zu seinem Tod als Herausgeber beziehungsweise Mitherausgeber (ab 1980) erhalten. 1963 nahm er den Ruf des bayerischen Kultusministers Theodor Maunz (1901-1993) als Nachfolger von Hanns Braun (1893-1966) auf den Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft in München an. Mit dem Lehrstuhl verbunden war die Leitung des "Instituts für Zeitungswissenschaft". Seit 1974 war er Dekan der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihm ging es von Beginn an auch immer um einen Bezug zur journalistischen Praxis. Unter seiner Ägide entwickelte sich der Lehrstuhl von der traditionsreichen Zeitungswissenschaft weiter zur modernen Kommunikationswissenschaft. Sein Institut wurde bald zu einer geschätzten Größe in der Politikberatung. Seine Rolle als Gründer und Förderer im journalistischen Bereich setzte Roegele mit anhaltendem Erfolg fort: 1967 war er Gründungspräsident der „Münchener Hochschule für Film und Fernsehen“, an der er bis 1988 auch unterrichtete. 1968 war er Mitgründer des „Instituts für publizistischen Nachwuchs“, 1972 gründete er die „Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ mit. Auf den 1980 eingerichteten Studiengang „Journalistik“ an der Katholischen Universität Eichstätt nahm er beratend Einfluss. 1985 wurde Roegele emeritiert.
Bis kurz vor seinem Tod am 6.9.2005 in Bergisch Gladbach leitete Otto B. Roegele noch die Herausgebersitzungen des Rheinischen Merkurs. Rückblickend bleibt er als eine der prägendsten Gestalten der Publizistiklandschaft der Bundesrepublik in Erinnerung. Er etablierte mit dem Rheinischen Merkur eine der einflussreichsten Wochenzeitungen der Nachkriegszeit, die bis 2010 erschien. Zudem gewann er nach seiner Zeit als Chefredakteur der Zeitung großen Anteil an der medienwissenschaftlichen Entwicklung in Deutschland, durch seine Forschungen der Kommunikationswissenschaft wie durch die Förderung und Einflussnahme auf den journalistischen Nachwuchs.
Werke
Bruchsal wie es war. Stadtgeschichte und Bilddokumentation, Karlsruhe 1975.
[zusammen mit Kurt Andermann] Residenzen der Bischöfe von Speyer: Speyer, Udenheim, Bruchsal, Bruchsal 1989.
Gestapo gegen Schüler: die Gruppe "Christopher" in Bruchsal. Unter Mitarb. von Franz Schmitt, Konstanz 1994.
Plädoyer für publizistische Verantwortung, Konstanz 2000.
Literatur
Hömberg, Walter/Langenbucher, Wolfgang R./Schreiber, Erhard (Hg.), Kommunikation im Wandel der Gesellschaft. Otto B. Roegele zum 60. Geburtstag, Düsseldorf 1980.
Hummel, Karl-Josef, Otto B. Roegele; in: Aretz, Jürgen/Morsey, Rudolf/Rauscher, Andreas (Hg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 12, Münster 2007, S. 201-214.
Online
Siebler, Clemens, Roegele, Otto Bernhard, in: Baden-Württembergische Biographien, Band 4, S. 295-300. [Online]
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Finette, Tom C., Otto B. Roegele, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/otto-b.-roegele/DE-2086/lido/57cd225aa9b420.58361730 (abgerufen am 12.02.2025)
Veröffentlicht am 05.09.2016, zuletzt geändert am 18.05.2024