Paul von Lettow-Vorbeck

Offizier (1870-1964)

Eckard Michels (London)

Fotografie von Paul Emil von Lettow-Vorbeck als Hauptmann im Jahr 1904. (Bundesarchiv, Bild 183-2007-0621-500 / Giese, Emil / CC-BY-SA 3.0)

Paul von Let­tow-Vor­beck ist ei­ner der be­kann­tes­ten Ge­ne­rä­le des Ers­ten Welt­kriegs. Er wur­de durch die Ver­tei­di­gung der Ko­lo­nie Deutsch-Ost­afri­ka ge­gen weit über­le­ge­ne bri­ti­sche, in­di­sche, bel­gi­sche, süd­afri­ka­ni­sche und por­tu­gie­si­sche Trup­pen be­rühmt. Nach 1918 ehr­te man ihn in Deutsch­land als „im Fel­de un­be­sieg­ten“ und „rit­ter­li­chen“ Heer­füh­rer, der sich auch bei sei­nen ehe­ma­li­gen Geg­nern ei­nes ho­hen An­se­hens er­freu­te. Er hät­te es ver­stan­den, sei­ne schwar­zen „As­ka­ri“-Sol­da­ten zu mi­li­tä­ri­schen Höchst­leis­tun­gen an­zu­spor­nen, was wie­der­um als Aus­weis ei­ner an­geb­lich ge­rech­ten und un­ter den Afri­ka­nern be­lieb­ten deut­schen Ko­lo­ni­al­herr­schaft ge­wer­tet wur­de. Let­tow-Vor­becks Po­pu­la­ri­tät und die mit sei­nem Na­men ver­bun­de­ne Deu­tung der deut­schen Ko­lo­ni­al­ver­gan­gen­heit zeig­te sich un­ter an­de­rem dar­an, dass drei Dut­zend Städ­te Stra­ßen nach ihm be­nann­ten. Im Rhein­land gab es zum Bei­spiel in Eus­kir­chen, Köln, Mön­chen­glad­bach, Saar­louis, Völk­lin­gen un­d Wup­per­tal Let­tow-Vor­beck-Stra­ßen. Bis heu­te ha­ben sie in Mön­chen­glad­bach und Völk­lin­gen über­lebt, ob­wohl sei­ne Per­son im letz­ten Vier­tel­jahr­hun­dert in His­to­rio­gra­phie wie Öf­fent­lich­keit ei­ne Um­wer­tung er­fah­ren hat. In den meis­ten Kom­mu­nen nicht nur des Rhein­lands setz­te sich die Auf­fas­sung durch, dass Let­tow-Vor­beck als rück­sichts­lo­ser, ras­sis­ti­scher Ko­lo­nia­l­of­fi­zier und An­ti-De­mo­krat nicht mehr als Na­mens­pa­tron tau­ge.

 

Let­tow-Vor­beck wur­de am 20.3.1870 in Saar­louis als Sohn des Paul Karl von Let­tow-Vor­beck (1832-1919) und sei­ner Ehe­frau Ma­rie, ge­bo­re­ne von Ei­sen­hart-Ro­the in ei­ne ty­pi­sche Fa­mi­lie des pom­mer­schen pro­tes­tan­ti­schen Kleina­dels hin­ein ge­bo­ren. Ih­re männ­li­chen An­ge­hö­ri­gen fan­den seit Jahr­hun­der­ten ent­we­der als Of­fi­zie­re in der preu­ßi­schen Ar­mee oder als ost­el­bi­sche Guts­be­sit­zer ihr Aus­kom­men. In­so­fern war Let­tow-Vor­becks Ver­bin­dung zum Rhein­land zu­fäl­li­ger Na­tur. Er kam in Saar­louis zur Welt, weil sein Va­ter dort vor­über­ge­hend als Haupt­mann und Kom­pa­nie­füh­rer im preu­ßi­schen 8. Rhei­ni­schen In­fan­te­rie­re­gi­ment Nr. 70 sta­tio­niert war. Be­reits mit dem Aus­bruch des Deutsch-Fran­zö­si­schen Kriegs im Ju­li 1870 zog die Fa­mi­lie aus dem Rhein­land fort. Es blieb für Let­tow-Vor­beck ei­ne früh­kind­li­che Le­bens­sta­ti­on. 

Ge­mäß Fa­mi­li­en­tra­di­ti­on für den Sol­da­ten­be­ruf be­stimmt, durch­lief Let­tow-Vor­beck in den 1880er und 1890er Jah­ren die ty­pi­schen Sta­tio­nen ei­ner er­folg­rei­chen mi­li­tä­ri­schen Kar­rie­re im Kai­ser­reich. Nach Schul­aus­bil­dung in der Haupt­ka­det­ten­an­stalt in Ber­lin-Lich­ter­fel­de (Ab­itur 1888 als Jahr­gangs­bes­ter) dien­te er als Leut­nant in ei­nem Gar­de-In­fan­te­rie­re­gi­ment in der Haupt­stadt. Er ab­sol­vier­te so­dann die dor­ti­ge Kriegs­aka­de­mie und kam zur Jahr­hun­dert­wen­de in den Ge­ne­ral­stab. 1900/1901 nahm er als Ober­leut­nant an der In­ter­ven­ti­on deut­scher Trup­pen ge­gen die Wi­der­stands­be­we­gung der „Bo­xer“ in Chi­na teil. 1904-1906 kämpf­te er als Haupt­mann im He­re­ro- und Na­ma-Krieg in Deutsch-Süd­west­afri­ka, dem heu­ti­gen Na­mi­bia. 1909 wur­de er als Ma­jor Kom­man­deur des 2. See­ba­tail­lons in Wil­helms­ha­ven, das un­ter an­de­rem als Ein­grei­f­re­ser­ve für Ko­lo­ni­al­krie­ge dien­te.

Let­tow-Vor­becks be­ruf­li­cher Auf­stieg voll­zog sich im Spa­nungs­feld zwi­schen mon­ar­chi­scher Pro­tek­ti­on für die An­ge­hö­ri­gen des ost­el­bi­schen Adels ei­ner­seits und in­di­vi­du­el­ler mi­li­tä­ri­scher Leis­tung des sehr ehr­gei­zi­gen und ge­wis­sen­haf­ten Of­fi­ziers an­de­rer­seits. Im Herbst 1913 er­hielt er re­la­tiv jung den Rang ei­nes Oberst­leut­nants. Durch die Be­för­de­rung so­wie die Er­fah­run­gen im See­ba­tail­lon und in den Ko­lo­ni­al­krie­gen in Chi­na und Deutsch-Süd­west­afri­ka qua­li­fi­zier­te er sich für das Kom­man­do über die „Kai­ser­li­che Schutz­trup­pe für Deutsch-Ost­afri­ka“, das er im Ja­nu­ar 1914 an­trat. Die 2.700 Sol­da­ten, schwar­ze „As­ka­ri“-Söld­ner un­ter Füh­rung von 260 deut­schen Of­fi­zie­ren, Ärz­ten und Un­ter­of­fi­zie­ren, stell­ten die grö­ß­te Ko­lo­ni­al­trup­pe des Kai­ser­reichs dar. 

Porträtfoto von Paul Emil von Lettow-Vorbeck aus dem Jahr 1913, General der Schutztruppen in Deutsch-Ostafrika. (Bundesarchiv, Bild 183-R05765 / CC-BY-SA 3.0)

 

Deutsch-Ost­afri­ka, wel­ches die heu­ti­gen Staa­ten Tan­sa­nia, Bu­run­di und Ru­an­da um­fass­te, war mi­li­tä­risch nicht auf ei­ne Kon­fron­ta­ti­on mit den Nach­bar­ko­lo­ni­en vor­be­reit. Die Mehr­heit der deut­schen Sied­ler, Ko­lo­ni­al­be­am­ten und Of­fi­zie­re ein­schlie­ß­lich des Gou­ver­neurs Hein­rich Schnee (1871-1949), der no­mi­nell Let­tow-Vor­becks Vor­ge­setz­ter war, be­vor­zug­te bei Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs im Au­gust 1914 ei­ne neu­tra­le Hal­tung. Let­tow-Vor­beck da­ge­gen dräng­te so­fort auf ein of­fen­si­ves Vor­ge­hen ge­gen das bri­ti­sche Ke­nia im Nor­den und den bel­gi­schen Kon­go im Wes­ten. Da­durch woll­te der Of­fi­zier die En­tente-Staa­ten zwin­gen, Trup­pen aus Eu­ro­pa auf den ost­afri­ka­ni­schen Ne­ben­kriegs­schau­platz ab­zu­zie­hen. Er hoff­te, auf die­se Wei­se das Reich mi­li­tä­risch in Eu­ro­pa ent­las­ten zu kön­nen. Der Ab­weh­r­er­folg der Schutz­trup­pe in der Schlacht von Tan­ga An­fang No­vem­ber 1914 ge­gen ein an­ge­lan­de­tes we­sent­lich stär­ke­res bri­tisch-in­di­sches Ex­pe­di­ti­ons­korps brach­te in der Ko­lo­nie die Zweif­ler an Let­tow-Vor­becks Kriegs­kurs zum Ver­stum­men. Es ge­lang Let­tow-Vor­beck und sei­ner zeit­wei­se auf 15.000 Sol­da­ten an­ge­wach­se­nen Streit­macht, die von Deutsch­land weit­ge­hend ab­ge­schnit­te­ne Be­sit­zung über mehr als drei Jah­re zu­min­dest in Tei­len zu ver­tei­di­gen. Ein­ge­kes­selt im äu­ßers­ten Süd­os­ten Deutsch-Ost­afri­kas durch bri­ti­sche und süd­afri­ka­ni­sche Trup­pen, ent­schloss er sich im No­vem­ber 1917, nicht zu ka­pi­tu­lie­ren, son­dern mit ei­nem Rest von 2.000 noch ein­satz­fä­hi­gen Sol­da­ten und de­ren Tross aus afri­ka­ni­schen Trä­gern, Frau­en und Kin­dern in das süd­lich ge­le­ge­ne Por­tu­gie­sisch-Ost­afri­ka (das heu­ti­ge Mo­sam­bik) aus­zu­wei­chen. In den fol­gen­den zehn Mo­na­ten zog die Schutz­trup­pe auf ei­nem 2.500 Ki­lo­me­ter lan­gen Marsch durch die por­tu­gie­si­sche Ko­lo­nie, stets von über­le­ge­nen En­tente-Ein­hei­ten ver­folgt, de­nen es aber nicht ge­lang, Let­tow-Vor­becks For­ma­ti­on zur Schlacht zu­stel­len. Im Sep­tem­ber 1918 kehr­te sei­ne Streit­macht in den süd­öst­li­chen Teil Deutsch-Ost­afri­kas zu­rück und drang von dort im Ok­to­ber 1918 in die im Wes­ten ge­le­ge­ne bri­ti­sche Ko­lo­nie Nord­rho­de­si­en ein, das heu­ti­ge Sam­bia. Dort in­for­mier­ten die Bri­ten den in­zwi­schen zum Ge­ne­ral­ma­jor be­för­der­ten Kom­man­deur und sei­ne ver­blie­be­nen 1.300 Sol­da­ten am 13.11.1918 vom zwei Ta­ge zu­vor in Eu­ro­pa ein­ge­tre­te­nen Waf­fen­still­stand.

Let­tow-Vor­becks Feld­zug in Ost­afri­ka stell­te in tak­ti­scher Hin­sicht ei­ne Meis­ter­leis­tung dar, weil er im­mer wie­der den Trup­pen des Geg­ners ent­kam. Er zeug­te vom Durch­hal­te­wil­len, dem Im­pro­vi­sa­ti­ons­ta­lent und der ro­bus­ten kör­per­li­chen Kon­sti­tu­ti­on des Of­fi­ziers. Let­tow-Vor­becks stra­te­gi­sches Kal­kül, durch ei­nen hin­hal­ten­den Wi­der­stand in Ost­afri­ka das Reich in Eu­ro­pa mi­li­tä­risch zu ent­las­ten, ging je­doch nicht auf. Die En­tente be­kämpf­te ihn nur mit Trup­pen, die sich für den Ein­satz in Eu­ro­pa oh­ne­hin nicht eig­ne­ten. Der Krieg ver­wüs­te­te da­für gro­ße Ge­bie­te Deutsch- wie Por­tu­gie­sisch-Ost­afri­kas. Er kos­te­te hun­dert­tau­sen­den von afri­ka­ni­schen Zi­vi­lis­ten das Le­ben. Sie muss­ten schlecht er­nährt und me­di­zi­nisch un­ter­ver­sorgt als Las­ten­trä­ger für die Schutz­trup­pe ar­bei­ten und ka­men da­bei um. Au­ßer­dem stan­den sie durch die Ar­beits­pflicht nicht mehr in ih­ren Dör­fern zur Ver­fü­gung, um Nah­rung zu pro­du­zie­ren. Fer­ner leb­te die Schutz­trup­pe in der zwei­ten Kriegs­hälf­te aus dem Lan­de. Sie re­qui­rier­te in ih­ren Ope­ra­ti­ons­ge­bie­ten oh­ne Rück­sicht auf die Be­dürf­nis­se der Be­völ­ke­rung Le­bens­mit­tel und ver­nich­te­te je­ne Vor­rä­te, die sie nicht selbst brauch­te, um die Nach­schub­pro­ble­me der ver­fol­gen­den En­tente-Trup­pen zu ver­grö­ßern. Letzt­lich nahm Let­tow-Vor­becks Durch­hal­te- und Ab­len­kungs­stra­te­gie den Tod ei­ner gro­ßen Zahl afri­ka­ni­scher Zi­vi­lis­ten und zwangs­re­kru­tier­ter Las­ten­trä­ger durch Hun­ger, Er­schöp­fung und Krank­heit in Kauf.

General von Lettow-Vorbeck (Mitte) in Daressalam mit einem englischen Offizier (links) und Major Georg Kraut (rechts), März 1919. (Bundesarchiv, Bild 146-2004-0094 / CC-BY-SA 3.0)

 

An­fang März 1919 kehr­te Let­tow-Vor­beck nach Deutsch­land zu­rück, wo er als un­be­sieg­ter Kriegs­held ge­fei­ert wur­de. Für die Geg­ner der Wei­ma­rer Re­pu­blik galt Let­tow-Vor­becks Streit­macht als le­ben­der Be­weis für den an­geb­li­chen Dolch­stoß, den die So­zi­al­de­mo­kra­tie im Herbst 1918 ge­gen das deut­sche Heer an den Fron­ten in Eu­ro­pa ge­führt und so­mit die Nie­der­la­ge her­auf­be­schwo­ren hät­te. Die Schutz­trup­pe hin­ge­gen, fern al­ler ver­rä­te­ri­schen und um­stürz­le­ri­schen Kräf­te, hät­te dank der Treue der schwar­zen As­ka­ri-Sol­da­ten und der Au­to­ri­tät und Kom­pe­tenz Let­tow-Vor­becks an­geb­lich noch über Jah­re im afri­ka­ni­schen Busch wei­ter­kämp­fen kön­nen.

Let­tow-Vor­beck als erz­kon­ser­va­ti­ver Of­fi­zier und Mon­ar­chist lehn­te die neu­en po­li­ti­schen Ver­hält­nis­se in Deutsch­land eben­falls ab und mach­te sich die­se In­ter­pre­ta­ti­on zu Ei­gen. Als Kom­man­deur der Reichs­wehr­trup­pen in Meck­len­burg nahm der Ge­ne­ral­ma­jor im März 1920 am Kapp-Lütt­witz-Putsch ge­gen die Reichs­re­gie­rung teil. Das Schei­tern des Um­sturz­ver­suchs be­deu­te­te das En­de sei­ner mi­li­tä­ri­schen Kar­rie­re. 1920 er­schie­nen sei­ne viel­fach ver­kauf­ten Welt­kriegs­me­moi­ren, die es auch als Ju­gend­ver­si­on un­ter dem Ti­tel „Heia Sa­fa­ri“ gab. Let­tow-Vor­beck ließ sich 1923 in Bre­men nie­der, das be­son­ders stark die Er­in­ne­rung an die 1919 durch den Ver­sailler Ver­trag ver­lo­re­nen Ko­lo­ni­en kul­ti­vier­te. In der Han­se­stadt be­gann er ei­ne zwei­te Kar­rie­re in der Wirt­schaft. Von 1928 bis 1930 saß er zu­sätz­lich als Ab­ge­ord­ne­ter für die kon­ser­va­tiv-an­ti­re­pu­bli­ka­ni­sche Deutsch­na­tio­na­le Volks­par­tei (DNVP) im Reichs­tag. Ne­ben­bei be­reis­te er bis in die 1950er Jah­re hin­ein Deutsch­land als Vor­trags­red­ner. Der Er­folgs­au­tor be­rich­te­te vor hun­der­ten, manch­mal tau­sen­den von Zu­hö­rern über sei­ne Er­leb­nis­se in Ost­afri­ka. Er be­tä­tig­te sich da­bei zu­gleich als Ko­lo­ni­al­re­vi­sio­nist, der die Rück­ga­be der Über­see­be­sit­zun­gen for­der­te. 

Empfang der Schutztruppen aus Deutsch-Ostafrika, General Paul von Lettow-Vorbeck zu Pferd an der Spitze der Truppen in Berlin, März 1919. (Bundesarchiv, B 145 Bild-P008268 / CC-BY-SA 3.0)

 

Als An­ti-De­mo­krat be­grü­ß­te Let­tow-Vor­beck die Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten im Ja­nu­ar 1933. Er er­hoff­te sich von den neu­en Macht­ha­bern ei­ne Re­stau­ra­ti­on der Mon­ar­chie und ei­ne Wie­der­auf­nah­me der Ko­lo­ni­al­po­li­tik. Wenn sich auch die­se Er­war­tun­gen nicht er­füll­ten, gab es an­de­re As­pek­te, wel­che ihn an das Re­gime ban­den. Die zü­gel­lo­se Auf­rüs­tungs­po­li­tik er­mög­lich­te bei­spiels­wei­se den vier Söh­nen sei­ner 1919 mit Mar­tha Wall­roth (1884-1953) ge­schlos­se­nen Ehe, ent­spre­chend der Fa­mi­li­en­tra­di­ti­on ei­ne Of­fi­zier­s­kar­rie­re ein­zu­schla­gen. Das NS-Re­gime be­dien­te sich sei­ner Per­son, in­dem es ihn be­reits in der Hit­ler­ju­gend als mi­li­tä­ri­sches Vor­bild für künf­ti­ge Sol­da­ten­ge­ne­ra­tio­nen her­aus­stell­te. Im Zu­ge sei­ner Ver­ein­nah­mung als Kriegs- und Ko­lo­ni­al­held durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ver­zeich­ne­te das kriegs­ver­herr­li­chen­de Buch „Heia Sa­fa­ri“ seit der zwei­ten Hälf­te der 1930er Jah­re und bis in den Zwei­ten Welt­krieg hin­ein wie­der stei­gen­de Ab­satz­zah­len. Es kam au­ßer­dem auf lo­ka­le In­itia­ti­ven hin ab 1934 zu zahl­rei­chen Stra­ßen­be­nen­nun­gen im Rhein­land wie in an­de­ren Städ­ten des Rei­ches nach Let­tow-Vor­beck. Mit Aus­bruch des Zwei­ten Welt­kriegs wur­de der in­zwi­schen 69-Jäh­ri­ge zwar noch zum Ge­ne­ral der In­fan­te­rie be­för­dert, aber nicht mehr re­ak­ti­viert. Statt­des­sen fie­len drei sei­ner vier Söh­ne als Of­fi­zie­re. We­gen der zu­neh­men­den Bom­ben­an­grif­fe auf Bre­men zo­gen Let­tow-Vor­beck und sei­ne Frau 1942 aufs Land nach Schles­wig-Hol­stein. Von 1952 bis zu sei­nem Tod am 9.3.1964 leb­te der Pen­sio­när in Ham­burg. In der Han­dels- und Ha­fen­stadt wa­ren wie in Bre­men die Er­in­ne­run­gen an die ehe­ma­li­gen Ko­lo­ni­en noch re­la­tiv prä­sent. 

In der frü­hen Bun­des­re­pu­blik wi­der­fuh­ren Let­tow-Vor­beck wei­te­re Eh­run­gen. Er galt als wich­ti­ger noch le­ben­der Re­prä­sen­tant des Kai­ser­reichs, ei­ne im Ge­gen­satz zum NS-Re­gime schein­bar un­ver­fäng­li­che, durch Wohl­stand, po­li­ti­sche Sta­bi­li­tät und deut­sche Welt­gel­tung ge­kenn­zeich­ne­te Epo­che. Der Um­stand, dass Let­tow-Vor­beck sich wei­ter­hin un­ter sei­nen ehe­ma­li­gen bri­ti­schen wie süd­afri­ka­ni­schen Welt­kriegs­geg­nern ei­nes ho­hen An­se­hens er­freu­te, emp­fahl ihn zu­sätz­lich in den 1950er und 1960er Jah­ren als Aus­hän­ge­schild schein­bar po­si­ti­ver, nicht durch das „Drit­te Reich“ ver­dun­kel­ter deut­scher mi­li­tä­ri­scher Tra­di­tio­nen. Man setz­te ihn über­wie­gend mit Tu­gen­den wie Va­ter­lands­lie­be, Pflicht­be­wusst­sein, Eh­ren­haf­tig­keit, pro­fes­sio­nel­ler Kom­pe­tenz, Welt­läu­fig­keit und Mensch­lich­keit gleich. So ver­lieh ihm sei­ne Ge­burts­stadt Saar­louis 1956 un­ter Ver­weis auf die­se Ei­gen­schaf­ten die Eh­ren­bür­ger­schaft. Bei sei­ner Bei­set­zung mit mi­li­tä­ri­schen Eh­ren im März 1964 im hol­stei­ni­schen Prons­dorf be­zeich­ne­te der an­we­sen­de Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Kai-Uwe von Has­sel (1913-1997) den Ver­stor­be­nen als mi­li­tä­ri­sches Vor­bild. Die Bun­des­wehr be­nann­te in Leer, Bre­men, Ham­burg und Bad Se­ge­berg Ka­ser­nen nach ihm. Drei von ih­nen schloss sie seit den 1990er Jah­ren im Zu­ge der Ver­klei­ne­rung der Streit­kräf­te, die in Leer er­hielt 2010 ei­nen neu­en Na­men (Even­burg-Ka­ser­ne).

Schriften

Mei­ne Er­in­ne­run­gen aus Ost­afri­ka, Leip­zig 1920.
Heia Sa­fa­ri. Deutsch­lands Kampf um Ost­afri­ka, Leip­zig 1920.
Afri­ka, wie ich es wie­der­sah, Mün­chen 1955.
Mein Le­ben, Bi­berach 1957. 

Literatur

Bley, Hel­mut, Gut­ach­ten über Paul von Let­tow-Vor­beck, in: Han­no­ver­sche Ge­schichts­blät­ter 62 (2008), S. 169-188.
Büh­rer, Tan­ja, Die Kai­ser­li­che Schutz­trup­pe für Deutsch-Ost­afri­ka. Ko­lo­nia­le Si­cher­heits­po­li­tik und trans­kul­tu­rel­le Krieg­füh­rung, Mün­chen 2011.
Mi­chels, Eckard, „Der Held von Deutsch-Ost­afri­ka“. Paul von Let­tow-Vor­beck – ein preu­ßi­scher Ko­lo­nia­l­of­fi­zier, Pa­der­born 2008.
Mi­chels, Eckard, Paul von Let­tow-Vor­beck, in: Zim­me­rer, Jür­gen (Hg.), Kein Platz an der Son­ne. Er­in­ne­rungs­or­te der deut­schen Ko­lo­ni­al­ge­schich­te, Frank­furt 2013, S. 373-386.
Mi­chels, Eckard, Ge­ne­ral der In­fan­te­rie Paul von Let­tow-Vor­beck, in: Gra­we, Lu­kas (Hg.), Die mi­li­tä­ri­sche Eli­te des Kai­ser­reichs. 24 Le­bens­läu­fe, Darm­stadt 2020, S. 176-188.
Schul­te-Va­ren­dorff, Uwe, Ko­lo­ni­al­held für Kai­ser und Füh­rer. Ge­ne­ral Let­tow-Vor­beck. My­thos und Wirk­lich­keit, Ber­lin 2006. 

Online

Grün­der, Horst, Let­tow-Vor­beck, Paul von, in: Neue Deut­sche Bio­gra­phie 14 (1985), S. 358-359. [On­line]

Generalmajor von Lettow-Vorbeck und seine Gemahlin Martha im Mai 1919. (Bundesarchiv, Bild 183-2008-0721-500 / CC-BY-SA 3.0)

 
Zitationshinweis

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Michels, Eckard, Paul von Lettow-Vorbeck, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-von-lettow-vorbeck/DE-2086/lido/607e8390e11461.73874606 (abgerufen am 24.04.2024)