Paul Wolters

Archäologe (1858-1936)

Markus Kirschbaum (Koblenz)

Paul Wolters, Büste, vor 1928. (Festschrift Paul Wolters zum 70. Geburtstage, gewidmet vom Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, München 1928, Frontispiz)

Paul Wol­ters war wohl der letz­te Ar­chäo­lo­ge aus je­nen gro­ßen Ge­lehr­ten­ge­ne­ra­tio­nen des 19. Jahr­hun­derts, die auf­grund ih­rer Fä­hig­kei­ten noch vom Gan­zen ih­rer Wis­sen­schaft aus­ge­hen konn­ten. Vor dem Hin­ter­grund sei­nes um­fas­sen­den Wis­sens galt sei­ne Vor­lie­be dem De­tail und der Ein­zel­be­ob­ach­tung, was ihn nie zu grö­ße­ren Ge­samt­dar­stel­lun­gen führ­te. In der Rei­he der gro­ßen deut­schen Ar­chäo­lo­gen im „gol­de­nen Zeit­al­ter“ die­ser Wis­sen­schaft war er ei­ne Aus­nah­me­er­schei­nung. 

Paul Wol­ters wur­de am 1.9.1858 in Bonn ge­bo­ren. Dort­hin war sein Va­ter, der be­deu­ten­de evan­ge­lisch-unier­te Theo­lo­ge Al­brecht Con­stan­tin Ju­li­us Wol­ters (1823-1878) aus Em­me­rich, 1857 als Pfar­rer be­ru­fen wor­den. Die Mut­ter Lui­se Hen­ri­et­te Theo­do­ra Wol­ters, ge­bo­re­ne Ka­empf­fer (1823-1911), stamm­te aus Neuss. Al­brecht Wol­ters wur­de 1874 an der Uni­ver­si­tät Hal­le Pro­fes­sor der prak­ti­schen Theo­lo­gie. Als ei­ner der Füh­rer der kir­chen­po­li­ti­schen Mit­tel­par­tei Preu­ßens er­warb er sich auch An­se­hen bei der preu­ßi­schen Staats­re­gie­rung, die ihn 1877 in den Ge­richts­hof für kirch­li­che An­ge­le­gen­hei­ten be­rief.

In Hal­le ver­brach­te Paul das ers­te Stu­di­en­jahr 1878, das auch das To­des­jahr sei­nes Va­ters war. Dar­auf­hin zog die Mut­ter mit Paul zu­rück nach Bonn. Hier und in Straß­burg stu­dier­te er 1880-1882. Das Stu­di­um schloss er in Bonn mit der Dis­ser­ta­ti­on „De epi­gram­ma­tum Grae­co­rum an­tho­lo­gi­is“ ab. Dar­in leg­te er dar, in wel­che Tra­di­ti­on er sei­ne künf­ti­ge For­schung stel­len woll­te. Fried­rich Gott­lieb Wel­cker hat­te 1820 in Bonn das Aka­de­mi­sche Kunst­mu­se­um ge­grün­det, das ers­te für wis­sen­schaft­li­che Leh­re und For­schung in Preu­ßen. Hier ver­band Wel­cker die Denk­mal­kun­de mit der Phi­lo­lo­gie. Wol­ters über­nahm die­ses Vor­bild für sei­ne streng phi­lo­lo­gi­sche Un­ter­su­chung über die hand­schrift­li­che Über­lie­fe­rung der Epi­gram­me der grie­chi­schen An­tho­lo­gie. Pro­gram­ma­tisch wid­me­te er sei­ne Dis­ser­ta­ti­on sei­nen aka­de­mi­schen Leh­rern, dem be­rühm­ten La­ti­nis­ten Franz Bü­cheler (1837-1908), dem bahn­bre­chen­den Re­li­gi­ons­wis­sen­schaft­ler Her­mann Use­ner (1834-1905) und dem tief­sin­ni­gen In­ter­pre­ten der grie­chi­schen Plas­tik Rein­hard Ke­ku­lé von Stra­do­nitz (1839-1911).

Phi­lo­lo­gi­sche Kom­pe­tenz, tie­fes Ver­ständ­nis für die grie­chi­sche Re­li­gi­on und Sinn für Kunst wa­ren die drei Stand­bei­ne, auf de­nen fort­an das Wir­ken von Paul Wol­ters ruh­te. 

Un­mit­tel­bar nach der Pro­mo­ti­on hol­te Alex­an­der Con­ze (1831-1914), Ge­ne­ral­se­kre­tär des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Wol­ters als Wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter an das Al­te Mu­se­um in Ber­lin. Dort war­te­te ei­ne schwie­ri­ge Auf­ga­be auf ihn. Die Ab­guss­samm­lung des Mu­se­ums, die grö­ß­te in Deutsch­land, war 1868 von Carl Frie­de­richs (1831-1871) in ei­nem Buch be­schrie­ben wor­den. Mitt­ler­wei­le hat­te aber die plan­mä­ßi­ge Aus­gra­bung in Olym­pia seit 1874 den Be­stand der Samm­lung er­heb­lich an­wach­sen las­sen und auch er­wei­ter­te his­to­ri­sche Ge­sichts­punk­te er­bracht. Wol­ters soll­te die neu­en Er­kennt­nis­se in Frie­de­richs Werk ein­ar­bei­ten. 1885 er­schien der „Frie­de­richs-Wol­ter­s“, der für ei­ne lan­ge Zeit das Stan­dard­werk zur an­ti­ken Plas­tik blieb.

1885 er­hielt Wol­ters das Rei­ses­ti­pen­di­um des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts und ging nach Athen. Bei Carl Hu­mann, dem Ent­de­cker des Per­ga­mo­nal­tars, mach­te Wol­ters ers­te prak­ti­sche Er­fah­run­gen als Ar­chäo­lo­ge bei der Gra­bung in der At­ta­li­den­re­si­denz. In Athen lern­te er Wil­helm Dör­pfeld ken­nen, den Gra­bungs­lei­ter in Olym­pia. Im Früh­jahr 1887 reis­te Wol­ters mit Dör­pfeld dort­hin, um ihm bei der Auf­stel­lung des kurz vor der Voll­endung ste­hen­den Mu­se­ums zu as­sis­tie­ren. Der im mensch­li­chen Um­gang nicht un­pro­ble­ma­ti­sche Dör­pfeld scheint mit Wol­ters oh­ne Schwie­rig­kei­ten zu­sam­men­ge­ar­bei­tet zu ha­ben. Eu­gen Pe­ter­sen (1836-1919), 1886-1887 Co-Se­kre­tär Dör­pfelds am In­sti­tut in Athen, lag stän­dig mit Dör­pfeld im Streit. Der mensch­li­che Ge­gen­satz war un­über­brück­bar, und auch in wis­sen­schaft­li­chen Fra­gen ka­men bei­de nicht über­ein. Pe­ter­sen „flüch­te­te“ An­fang Ju­li 1887 aus Athen und über­nahm spä­ter die Lei­tung des Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts in Rom. Dör­pfeld wur­de neu­er Lei­ter des Athe­ner In­sti­tuts, dem Wol­ters als Zwei­ter Se­kre­tär an die Sei­te ge­stellt wur­de.

Schon im Win­ter 1887/1888 ge­lang dem neu­en Duo ein auf­se­hen­er­re­gen­der Er­folg. In The­ben wur­de das böo­ti­sche Ka­b­i­ri­on ent­deckt und aus­ge­gra­ben, ein Hei­lig­tum der un­heim­li­chen Un­ter­welt­göt­ter. Die­se Ka­b­i­ren hat­ten im Al­ter­tum die Per­ser und Ma­ke­do­nen für die Schän­dung ih­res Hei­lig­tums be­straft. Nun schie­nen sich die Göt­ter auch für die Un­tat der Aus­gra­bung rä­chen zu wol­len, denn un­ge­wöhn­lich hef­ti­ger Schnee­fall zö­ger­te die Heim­rei­se der Trup­pe nach Athen end­los hin­aus. 

Mit 29 Jah­ren be­klei­de­te Wol­ters ei­ne wich­ti­ge Funk­ti­on in der In­sti­tuts­lei­tung. In den fol­gen­den 13 Dienst­jah­ren be­gnüg­te er sich nicht mit der Re­ge­lung der Ver­wal­tung, son­dern war auch be­strebt, das In­sti­tut zum geis­ti­gen Zen­trum im Ge­trie­be der in­ter­na­tio­na­len Aus­gra­bungs­tä­tig­keit in Grie­chen­land zu ma­chen. Zu­nächst bau­te er die Bi­blio­thek aus, die schon bald ein oft auf­ge­such­tes In­stru­ment der For­schung wur­de. Aber nicht nur we­gen der Bü­cher kam man hier­her. Ne­ben der schil­lern­den Per­son Dör­pfelds, des­sen Ar­beit in Olym­pia und mit Hein­rich Schlie­mann (1822-1890) in Troia gro­ße Auf­merk­sam­keit er­reg­te, wur­de Wol­ters zu ei­ner Art stil­lem Kraft­feld. Ar­chäo­lo­gen al­ler Na­tio­nen, die in Grie­chen­land tä­tig wa­ren, ka­men an das In­sti­tut, um mit Wol­ters über ih­re Fun­de zu spre­chen. Er wur­de so­mit selbst zu ei­ner In­sti­tu­ti­on und un­ver­zicht­ba­ren Stüt­ze bei der Pu­bli­ka­ti­on neu­er Fun­de und der dar­aus zu ge­win­nen­den Er­kennt­nis­se. Wäh­rend die­ser Zeit gin­gen al­le be­deu­ten­den Ent­de­ckun­gen, gleich, ob sie aus ei­ner eng­li­schen, fran­zö­si­schen oder ame­ri­ka­ni­schen Gra­bung stamm­ten, über Wol­ters´ Schreib­tisch. Über­dies war er für die jun­gen Sti­pen­dia­ten, aus de­ren Rei­hen manch be­deu­ten­der Ar­chäo­lo­ge her­vor­ging, stets ei­ne nie ver­sie­gen­de Quel­le der In­spi­ra­ti­on. Er führ­te die an­ge­hen­den Wis­sen­schaft­ler durch die Mu­se­en und ritt mit ih­nen zu den Aus­gra­bungs­stät­ten. Mit gro­ßer Hin­ga­be und Ge­wis­sen­haf­tig­keit wid­me­te er sich der Her­aus­ga­be der In­sti­tuts­zeit­schrift, den „Athe­ni­schen Mit­tei­lun­gen“.

In den Mit­tei­lun­gen be­gann auch die schier end­lo­se Rei­he sei­ner Un­ter­su­chun­gen. Die Span­ne, die Wol­ters durch sein um­fas­sen­des Wis­sen aus­brei­ten konn­te, war groß. Er be­han­del­te die my­ke­nisch-kre­ti­sche Kul­tur eben­so wie die Meis­ter­wer­ke der Klas­sik, den Hel­le­nis­mus des Ly­sipp und Pra­xi­te­les bis hin zu den Fres­ken von Pom­pe­ji. Re­li­gi­ons­ge­schicht­lich ar­bei­te­te er vor al­lem über den To­ten­kult und die my­thi­schen Bil­der auf Va­sen. Da­bei in­ter­es­sier­te er sich durch­aus auch für volks­tüm­li­che Vor­stel­lun­gen, die sich in Amu­let­ten wi­der­spie­gel­ten. Den An­stoß für sei­ne For­schun­gen lie­fer­te meist ein neu­er Fund oder ei­ne Be­ob­ach­tung an Be­kann­tem. Be­son­ders bei selt­sa­men und schwer­ver­ständ­li­chen Din­gen war Wol­ters in sei­nem Ele­ment. Für kom­ple­xe Pro­ble­me such­te er mit scharf­sin­ni­ger Kom­bi­na­ti­on aus ent­le­ge­ner Über­lie­fe­rung oder durch das Auf­stö­bern un­be­ach­te­ter bild­li­cher Quel­len ei­ne Lö­sung zu fin­den. Er dreh­te und wen­de­te das Ob­jekt in sei­ner Ein­zel­be­ob­ach­tung so lan­ge, bis es sei­ne Ge­heim­nis­se preis­gab und dar­aus all­ge­mei­ne Schluss­fol­ge­run­gen zu zie­hen wa­ren. Hin­ter die­ser Klein­ar­beit stand aber stets der gro­ße Zu­sam­men­hang der Ge­schich­te, Kunst und Re­li­gi­on. Wol­ters´ Be­rüh­rung mit dem grie­chi­schen Volks­tum sei­ner Zeit lie­fer­te ihm vie­le le­ben­di­ge Er­kennt­nis­se, die er in sei­ne For­schun­gen ein­flie­ßen ließ. 

Wie Wol­ters´ Vor­lie­be zum Klei­nen ge­schicht­li­che Be­deut­sam­keit her­vor­brin­gen konn­te, zeig­te sich in Men­i­di, ei­nem Dorf un­weit Athens. Dort wur­de ein Kup­pel­grab aus my­ke­ni­scher Zeit aus­ge­gra­ben. Ein un­an­sehn­li­cher, un­be­ach­te­ter Schutt­hau­fen aus Ton­scher­ben am Ein­gang des Gra­bes weck­te Wol­ters´ In­ter­es­se. Er ließ die Scher­ben ber­gen, rei­ni­gen und zu­sam­men­set­zen. Her­aus kam das In­stru­men­ta­ri­um ei­nes um­fäng­li­chen To­ten­kul­tes mit Wei­he­tä­fel­chen, Ton­schil­den, Op­fer­kan­nen und Scha­len. Der Fund deck­te die ge­sam­te ar­chai­sche Zeit (cir­ca 750-500 v. Chr.) ab. Über die­sen Zeit­raum al­so wur­de der in der zwei­ten Hälf­te des 1. Jahr­tau­sends hier be­stat­te­te my­ke­ni­sche Herr­scher un­un­ter­bro­chen als He­ros ver­ehrt. Da­mit konn­te ei­ne Kon­ti­nui­tät von gro­ßer his­to­ri­scher Be­deu­tung nach­ge­wie­sen wer­den. Nir­gend­wo sonst war ein Bin­de­glied zwi­schen der my­ke­nisch-ho­me­ri­schen Welt (17.-11. Jahr­hun­dert v. Chr.) und der grie­chi­schen Klas­sik (ab 480 v. Chr.) deut­li­cher do­ku­men­tiert. 

1900 wur­de Wol­ters als Or­di­na­ri­us für Klas­si­sche Ar­chäo­lo­gie an die Uni­ver­si­tät Würz­burg als Nach­fol­ger des 1899 ver­stor­be­nen Carl Sittl (ge­bo­ren 1863) be­ru­fen. Der Lehr­stuhl war ver­bun­den mit ei­nem viel­sei­ti­gen Mu­se­um, der Stif­tung Mar­tin von Wag­ners (1777-1858), der als Künst­ler, Ar­chäo­lo­ge und Kunst­agent für den baye­ri­schen Kö­nig Lud­wig I. (1786-1868) tä­tig ge­we­sen war. Die be­ste­hen­de Samm­lung wur­de durch die Schen­kung von Wag­ners er­heb­lich er­wei­tert und bil­de­te die Grund­la­ge für ei­nes der grö­ß­ten Uni­ver­si­täts­mu­se­en in Eu­ro­pa. Wol­ters wur­de durch die Über­nah­me des Lehr­stuh­les gleich­zei­tig Lei­ter des Mu­se­ums, das über ei­ne An­ti­ken­samm­lung, ei­ne Ge­mäl­de­ga­le­rie und ei­ne Gra­phi­sche Samm­lung ver­füg­te. Der In­halt er­streck­te sich von der Vor­ge­schich­te bis zur mo­der­nen Gra­phik. Kern­stück aber war die Samm­lung at­ti­scher Ke­ra­mik, aus der vor al­lem die „Würz­bur­ger Bry­gos­scha­le“, ein at­tisch-rot­fi­gu­ri­ger Ky­lix, welt­wei­te Be­rühmt­heit er­lang­te.

Wol­ters blieb acht Jah­re in Würz­burg. Da­bei ver­lang­te das Mu­se­um ei­nen er­heb­li­chen Teil sei­ner Auf­merk­sam­keit. Er fand ein un­säg­li­ches Cha­os vor. Es galt zu sich­ten, säu­bern, ord­nen und in­ven­ta­ri­sie­ren. Wol­ters be­stimm­te je­des Ob­jekt über den In­vent­ar­zweck hin­aus nach sei­ner ge­schicht­li­chen und sach­li­chen Be­deu­tung. Als er Würz­burg ver­ließ, war aus der Rum­pel­kam­mer ein wis­sen­schaft­li­ches In­stru­ment von Rang ge­wor­den, von dem nur die Ab­guss­samm­lung noch zu voll­enden war. 

1907 ver­starb Adolf Furt­wäng­ler (ge­bo­ren 1853) in Ae­gi­na, wo­mit der Lehr­stuhl für Klas­si­sche Ar­chäo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Mün­chen va­kant wur­de. Da­mit ver­bun­den war das eh­ren­amt­li­che Di­rek­to­rat des Mu­se­ums für Ab­güs­se Klas­si­scher Bild­wer­ke, des An­ti­qua­ri­ums und der Glyp­to­thek Mün­chen. Es war we­ni­ger Wol­ters´ Er­fah­rung mit ei­ner sol­chen Kom­bi­na­ti­on aus Würz­burg, die ihn für die­sen Pos­ten prä­des­ti­nier­te. Zu die­sem Zeit­punkt war er der me­tho­dischs­te Leh­rer und ge­lehr­tes­te For­scher auf dem Feld der Ar­chäo­lo­gie. So­mit war es fol­ge­rich­tig, dass die Wahl auf ihn fiel. So trat er 1908 die Nach­fol­ge Furt­wäng­lers in Mün­chen an. Wie ge­wohnt wid­me­te sich Wol­ters ne­ben sei­nen Stu­den­ten sei­nen Eh­ren­äm­tern. Auch hier in Mün­chen tat er sich durch die Ord­nung, den Aus­bau und die wis­sen­schaft­li­che Er­schlie­ßung der ihm un­ter­stell­ten Mu­se­en her­vor. Gleich­zei­tig ent­stand in die­ser Zeit - nach der Re­dak­ti­on von Frie­de­richs Buch - die zwei­te gro­ße Neu­be­ar­bei­tung, die mit dem Na­men Wol­ters ver­bun­den ist.

Adolf Furt­wäng­ler hat­te nach sei­ner Rück­kehr aus Grie­chen­land sei­ne Be­schrei­bung der Glyp­to­thek neu be­ar­bei­ten wol­len, was sein Tod ver­hin­dert hat­te. Nun war es an sei­nem Nach­fol­ger Wol­ters, das Werk zu voll­enden. Sei­nem We­sen ent­spre­chend ver­mied Wol­ters al­les, was sei­nen An­teil an der Ar­beit zu sehr in den Vor­der­grund ge­rückt hät­te. Furt­wäng­ler hat­te in sei­nem Hand­ex­em­plar schrift­li­che Be­mer­kun­gen hin­ter­las­sen, die va­ge er­ah­nen lie­ßen, wie er zu neu­en Mei­nun­gen oder neu­em Ma­te­ri­al stand. Wol­ters ließ in der wis­sen­schaft­li­chen Be­ur­tei­lung kei­ne Än­de­rung zu, die Furt­wäng­ler nicht be­ab­sich­tigt hät­te. Er füg­te le­dig­lich neu er­mit­tel­te Pro­ve­ni­en­zen, Li­te­ra­tur oder Re­pli­ken hin­zu und ließ vor al­lem die ägyp­ti­schen Tex­te nach neu­es­ten phi­lo­lo­gi­schen Er­kennt­nis­sen über­prü­fen. Um die Nutz­bar­keit des Füh­rers zu er­hö­hen, füg­te Wol­ters Ver­wei­se auf Hein­rich von Brunns (1822-1894) „Be­schrei­bung der Glyp­to­thek Kö­nig Lud­wig's I. zu Mün­chen“ von 1868 so­wie ein Re­gis­ter ein. Auf die­se Wei­se konn­te Wol­ters dem An­lie­gen Furt­wäng­lers, ein prak­ti­sches Hilfs­mit­tel auch für die Ein­füh­rung in die grie­chi­sche Kunst zu er­stel­len, ge­recht wer­den. Durch die Re­dak­ti­on von Wol­ters aus dem Jah­re 1910 wur­de die „Be­schrei­bun­g“ für Jahr­zehn­te der ma­ß­geb­li­che Ka­ta­log für die An­ti­ken in der Glyp­to­thek. 

1910 war auch das Jahr, in dem Wol­ters die Fort­füh­rung ei­nes wei­te­ren be­deu­ten­den Wer­kes über­nahm: Die Neu­be­ar­bei­tung der letz­ten drei Auf­la­gen der „Kunst des Al­ter­tum­s“ von An­ton Sprin­ger (1825-1891). Die­se führ­te er bis zur 12. Auf­la­ge im Jahr 1923 fort. 

Seit 1909 war er Mit­glied der Zen­t­ral­di­rek­ti­on des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts in ei­nem En­ge­ren Aus­schuss, des­sen Ba­sis 1914 durch die Be­ru­fung von Ver­tre­tern der Län­der er­wei­tert wur­de. Die­ser Aus­schuss hat­te die Auf­ga­be, bei der Vor­be­rei­tung al­ler or­ga­ni­sa­to­ri­schen Maß­nah­men und Un­ter­neh­mun­gen der Di­rek­ti­on be­ra­tend zur Sei­te zu ste­hen. Hier wog Wol­ters‘ Stim­me bis zu­letzt nicht nur durch die Fül­le sei­ner Kennt­nis­se, die lan­ge Er­fah­rung und sei­ne fast 50-jäh­ri­ge Ver­bun­den­heit mit dem In­sti­tut. Vor al­lem wenn es galt, in der Voll­ver­samm­lung ver­ant­wor­tungs­vol­le Plä­ne zu er­wä­gen oder schwie­ri­ge Per­so­na­li­en zu ent­schei­den, war Wol­ters´ wei­ses und ge­rech­tes Ab­wä­gen der Din­ge und Men­schen ge­fragt.

Paul Wol­ters er­hielt zahl­rei­che Aus­zeich­nun­gen: 1917 ver­lieh ihm der baye­ri­sche Kö­nig Lud­wig III. (Re­gent­schaft 1913-1918) den Ti­tel Kö­nig­lich Ge­hei­mer Hof­rat, 1926 der Frei­staat Bay­ern den Ti­tel Ge­hei­mer Rat. Er be­saß das Rit­ter­kreuz II. Klas­se mit Ei­chen­laub des Or­dens vom Zäh­rin­ger Lö­wen (1892), den Ös­ter­rei­chi­schen Or­den der Ei­ser­nen Kro­ne 3. Klas­se (1900), den Preu­ßi­schen Ro­ten Ad­ler­or­den 4. Klas­se, den Or­den vom Hei­li­gen Mi­cha­el 4. Klas­se (1909) und war Kom­man­deur des grie­chi­schen Er­lö­ser-Or­dens (1894).

Paul Wol­ters starb ein Jahr nach sei­ner Eme­ri­tie­rung am 21.10.1936 in Mün­chen und wur­de auf dem Al­ten Fried­hof in sei­ner Ge­burts­stadt Bonn be­stat­tet. 

Werke

De epi­gram­ma­tum grae­co­rum an­tho­lo­giis, Dis­ser­ta­ti­on Bonn 1882.
Die Gips­ab­güs­se an­ti­ker Bild­wer­ke in his­to­ri­scher Fol­ge er­klärt. Bau­stei­ne zur Ge­schich­te der grie­chisch-rö­mi­schen Plas­tik' Kö­nig­li­che Mu­se­en zu Ber­lin, von Carl Frie­de­richs, neu be­arb. von Paul Wol­ters, Ber­lin 1885.
Der West­gie­bel des olym­pi­schen Zeus­tem­pels (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-Phi­lo­lo­gi­sche und His­to­ri­sche Klas­se 1908, 7), Mün­chen 1908.
Die Kunst des Al­ter­tums (Hand­buch der Kunst­ge­schich­te 1), von An­ton Sprin­ger, be­arb. von Paul Wol­ters, 9.–12. Auf­la­ge, Leip­zig 1910–1922.
Füh­rer durch die K. Glyp­to­thek in Mün­chen, Mün­chen 1911, 1916, 1922, 1928, 1935.
Ägi­ne­ti­sche Bei­trä­ge I–III; vor­ge­tra­gen am 7. Mai 1910 und 8. Ju­ni 1912 (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-Phi­lo­lo­gi­sche und His­to­ri­sche Klas­se 1912, 5), Mün­chen 1912.
Der ge­flü­gel­te Se­her (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-Phi­lo­lo­gi­sche und His­to­ri­sche Klas­se 1928, 1), Mün­chen 1928.
Die Ta­fel von Tar­ra­go­na (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-His­to­ri­sche Ab­tei­lung 1930, 6), Mün­chen 1930.
Das Ka­b­i­ren­hei­lig­tum bei The­ben, un­ter Mit­wir­kung meh­re­rer Fach­ge­nos­sen be­arb. von Paul Wol­ters; fer­tig­ge­stellt von Ger­da Bruns, Ber­lin 1940.
Frie­de­richs, Carl, Kö­nig­li­che Mu­se­en zu Ber­lin. Die Gips­ab­güs­se an­ti­ker Bild­wer­ke in his­to­ri­scher Fol­ge er­klärt. Bau­stei­ne zur Ge­schich­te der grie­chisch-rö­mi­schen Plas­tik, neu be­arb. von Paul Wol­ters, Ber­lin 1885 [zu­erst Düs­sel­dorf 1868].
Furt­wäng­ler, Adolf, Be­schrei­bung der Glyp­to­thek Kö­nig Lud­wig´s I. zu Mün­chen, 2. Auf­la­ge, be­sorgt von Paul Wol­ters, Mün­chen 1910. 

Festschrift

Fest­schrift Paul Wol­ters zum 70. Ge­burts­ta­ge, ge­wid­met vom Münch­ner Jahr­buch der bil­den­den Kunst, Mün­chen 1928. [Son­der­aus­ga­be von: Münch­ner Jahr­buch der Bil­den­den Kunst N.F. 5, 1928, Nr. 3].

Literatur

Bul­le, Hein­rich, Paul Wol­ters. Re­de zu sei­nem 70. Ge­burts­tag, in: Neue Jahr­bü­cher für Wis­sen­schaft und Ju­gend­bil­dung 4 (1928), S. 513-519.
Bul­le, Hein­rich, Paul Wol­ters †, in: Gno­mon 13 (1937), S. 57-60.
Goess­ler, Pe­ter, Wil­helm Dör­pfeld. Ein Le­ben für die An­ti­ke, Stutt­gart 1951.
Lul­lies, Rein­hard, Paul Wol­ters, in: Lul­lies, Rein­hard/Schier­ing, Wolf­gang (Hg.), Ar­chäo­lo­gen­bild­nis­se. Por­träts und Kurz­bio­gra­phi­en von Klas­si­schen Ar­chäo­lo­gen deut­scher Spra­che, Mainz 1988, S. 124-125. 

 
Zitationshinweis

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Kirschbaum, Markus, Paul Wolters, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-wolters/DE-2086/lido/5d2c86af1c6a41.30858481 (abgerufen am 29.03.2024)