Paul Wolters

Archäologe (1858-1936)

Markus Kirschbaum (Koblenz)
Veröffentlicht am 15.07.2019, zuletzt geändert am 27.04.2020

Paul Wolters, Büste, vor 1928. (Festschrift Paul Wolters zum 70. Geburtstage, gewidmet vom Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, München 1928, Frontispiz)

Paul Wol­ters war wohl der letz­te Ar­chäo­lo­ge aus je­nen gro­ßen Ge­lehr­ten­ge­ne­ra­tio­nen des 19. Jahr­hun­derts, die auf­grund ih­rer Fä­hig­kei­ten noch vom Gan­zen ih­rer Wis­sen­schaft aus­ge­hen konn­ten. Vor dem Hin­ter­grund sei­nes um­fas­sen­den Wis­sens galt sei­ne Vor­lie­be dem De­tail und der Ein­zel­be­ob­ach­tung, was ihn nie zu grö­ße­ren Ge­samt­dar­stel­lun­gen führ­te. In der Rei­he der gro­ßen deut­schen Ar­chäo­lo­gen im „gol­de­nen Zeit­al­ter“ die­ser Wis­sen­schaft war er ei­ne Aus­nah­me­er­schei­nung. 

Paul Wol­ters wur­de am 1.9.1858 in Bonn ge­bo­ren. Dort­hin war sein Va­ter, der be­deu­ten­de evan­ge­lisch-unier­te Theo­lo­ge Al­brecht Con­stan­tin Ju­li­us Wol­ters (1823-1878) aus Em­me­rich, 1857 als Pfar­rer be­ru­fen wor­den. Die Mut­ter Lui­se Hen­ri­et­te Theo­do­ra Wol­ters, ge­bo­re­ne Ka­empf­fer (1823-1911), stamm­te aus Neuss. Al­brecht Wol­ters wur­de 1874 an der Uni­ver­si­tät Hal­le Pro­fes­sor der prak­ti­schen Theo­lo­gie. Als ei­ner der Füh­rer der kir­chen­po­li­ti­schen Mit­tel­par­tei Preu­ßens er­warb er sich auch An­se­hen bei der preu­ßi­schen Staats­re­gie­rung, die ihn 1877 in den Ge­richts­hof für kirch­li­che An­ge­le­gen­hei­ten be­rief.

In Hal­le ver­brach­te Paul das ers­te Stu­di­en­jahr 1878, das auch das To­des­jahr sei­nes Va­ters war. Dar­auf­hin zog die Mut­ter mit Paul zu­rück nach Bonn. Hier und in Straß­burg stu­dier­te er 1880-1882. Das Stu­di­um schloss er in Bonn mit der Dis­ser­ta­ti­on „De epi­gram­ma­tum Grae­co­rum an­tho­lo­gi­is“ ab. Dar­in leg­te er dar, in wel­che Tra­di­ti­on er sei­ne künf­ti­ge For­schung stel­len woll­te. Fried­rich Gott­lieb Wel­cker hat­te 1820 in Bonn das Aka­de­mi­sche Kunst­mu­se­um ge­grün­det, das ers­te für wis­sen­schaft­li­che Leh­re und For­schung in Preu­ßen. Hier ver­band Wel­cker die Denk­mal­kun­de mit der Phi­lo­lo­gie. Wol­ters über­nahm die­ses Vor­bild für sei­ne streng phi­lo­lo­gi­sche Un­ter­su­chung über die hand­schrift­li­che Über­lie­fe­rung der Epi­gram­me der grie­chi­schen An­tho­lo­gie. Pro­gram­ma­tisch wid­me­te er sei­ne Dis­ser­ta­ti­on sei­nen aka­de­mi­schen Leh­rern, dem be­rühm­ten La­ti­nis­ten Franz Bü­cheler (1837-1908), dem bahn­bre­chen­den Re­li­gi­ons­wis­sen­schaft­ler Her­mann Use­ner (1834-1905) und dem tief­sin­ni­gen In­ter­pre­ten der grie­chi­schen Plas­tik Rein­hard Ke­ku­lé von Stra­do­nitz (1839-1911).

Phi­lo­lo­gi­sche Kom­pe­tenz, tie­fes Ver­ständ­nis für die grie­chi­sche Re­li­gi­on und Sinn für Kunst wa­ren die drei Stand­bei­ne, auf de­nen fort­an das Wir­ken von Paul Wol­ters ruh­te. 

Un­mit­tel­bar nach der Pro­mo­ti­on hol­te Alex­an­der Con­ze (1831-1914), Ge­ne­ral­se­kre­tär des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts, Wol­ters als Wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter an das Al­te Mu­se­um in Ber­lin. Dort war­te­te ei­ne schwie­ri­ge Auf­ga­be auf ihn. Die Ab­guss­samm­lung des Mu­se­ums, die grö­ß­te in Deutsch­land, war 1868 von Carl Frie­de­richs (1831-1871) in ei­nem Buch be­schrie­ben wor­den. Mitt­ler­wei­le hat­te aber die plan­mä­ßi­ge Aus­gra­bung in Olym­pia seit 1874 den Be­stand der Samm­lung er­heb­lich an­wach­sen las­sen und auch er­wei­ter­te his­to­ri­sche Ge­sichts­punk­te er­bracht. Wol­ters soll­te die neu­en Er­kennt­nis­se in Frie­de­richs Werk ein­ar­bei­ten. 1885 er­schien der „Frie­de­richs-Wol­ter­s“, der für ei­ne lan­ge Zeit das Stan­dard­werk zur an­ti­ken Plas­tik blieb.

1885 er­hielt Wol­ters das Rei­ses­ti­pen­di­um des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts und ging nach Athen. Bei Carl Hu­mann, dem Ent­de­cker des Per­ga­mo­nal­tars, mach­te Wol­ters ers­te prak­ti­sche Er­fah­run­gen als Ar­chäo­lo­ge bei der Gra­bung in der At­ta­li­den­re­si­denz. In Athen lern­te er Wil­helm Dör­pfeld ken­nen, den Gra­bungs­lei­ter in Olym­pia. Im Früh­jahr 1887 reis­te Wol­ters mit Dör­pfeld dort­hin, um ihm bei der Auf­stel­lung des kurz vor der Voll­endung ste­hen­den Mu­se­ums zu as­sis­tie­ren. Der im mensch­li­chen Um­gang nicht un­pro­ble­ma­ti­sche Dör­pfeld scheint mit Wol­ters oh­ne Schwie­rig­kei­ten zu­sam­men­ge­ar­bei­tet zu ha­ben. Eu­gen Pe­ter­sen (1836-1919), 1886-1887 Co-Se­kre­tär Dör­pfelds am In­sti­tut in Athen, lag stän­dig mit Dör­pfeld im Streit. Der mensch­li­che Ge­gen­satz war un­über­brück­bar, und auch in wis­sen­schaft­li­chen Fra­gen ka­men bei­de nicht über­ein. Pe­ter­sen „flüch­te­te“ An­fang Ju­li 1887 aus Athen und über­nahm spä­ter die Lei­tung des Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts in Rom. Dör­pfeld wur­de neu­er Lei­ter des Athe­ner In­sti­tuts, dem Wol­ters als Zwei­ter Se­kre­tär an die Sei­te ge­stellt wur­de.

Schon im Win­ter 1887/1888 ge­lang dem neu­en Duo ein auf­se­hen­er­re­gen­der Er­folg. In The­ben wur­de das böo­ti­sche Ka­b­i­ri­on ent­deckt und aus­ge­gra­ben, ein Hei­lig­tum der un­heim­li­chen Un­ter­welt­göt­ter. Die­se Ka­b­i­ren hat­ten im Al­ter­tum die Per­ser und Ma­ke­do­nen für die Schän­dung ih­res Hei­lig­tums be­straft. Nun schie­nen sich die Göt­ter auch für die Un­tat der Aus­gra­bung rä­chen zu wol­len, denn un­ge­wöhn­lich hef­ti­ger Schnee­fall zö­ger­te die Heim­rei­se der Trup­pe nach Athen end­los hin­aus. 

Mit 29 Jah­ren be­klei­de­te Wol­ters ei­ne wich­ti­ge Funk­ti­on in der In­sti­tuts­lei­tung. In den fol­gen­den 13 Dienst­jah­ren be­gnüg­te er sich nicht mit der Re­ge­lung der Ver­wal­tung, son­dern war auch be­strebt, das In­sti­tut zum geis­ti­gen Zen­trum im Ge­trie­be der in­ter­na­tio­na­len Aus­gra­bungs­tä­tig­keit in Grie­chen­land zu ma­chen. Zu­nächst bau­te er die Bi­blio­thek aus, die schon bald ein oft auf­ge­such­tes In­stru­ment der For­schung wur­de. Aber nicht nur we­gen der Bü­cher kam man hier­her. Ne­ben der schil­lern­den Per­son Dör­pfelds, des­sen Ar­beit in Olym­pia und mit Hein­rich Schlie­mann (1822-1890) in Troia gro­ße Auf­merk­sam­keit er­reg­te, wur­de Wol­ters zu ei­ner Art stil­lem Kraft­feld. Ar­chäo­lo­gen al­ler Na­tio­nen, die in Grie­chen­land tä­tig wa­ren, ka­men an das In­sti­tut, um mit Wol­ters über ih­re Fun­de zu spre­chen. Er wur­de so­mit selbst zu ei­ner In­sti­tu­ti­on und un­ver­zicht­ba­ren Stüt­ze bei der Pu­bli­ka­ti­on neu­er Fun­de und der dar­aus zu ge­win­nen­den Er­kennt­nis­se. Wäh­rend die­ser Zeit gin­gen al­le be­deu­ten­den Ent­de­ckun­gen, gleich, ob sie aus ei­ner eng­li­schen, fran­zö­si­schen oder ame­ri­ka­ni­schen Gra­bung stamm­ten, über Wol­ters´ Schreib­tisch. Über­dies war er für die jun­gen Sti­pen­dia­ten, aus de­ren Rei­hen manch be­deu­ten­der Ar­chäo­lo­ge her­vor­ging, stets ei­ne nie ver­sie­gen­de Quel­le der In­spi­ra­ti­on. Er führ­te die an­ge­hen­den Wis­sen­schaft­ler durch die Mu­se­en und ritt mit ih­nen zu den Aus­gra­bungs­stät­ten. Mit gro­ßer Hin­ga­be und Ge­wis­sen­haf­tig­keit wid­me­te er sich der Her­aus­ga­be der In­sti­tuts­zeit­schrift, den „Athe­ni­schen Mit­tei­lun­gen“.

In den Mit­tei­lun­gen be­gann auch die schier end­lo­se Rei­he sei­ner Un­ter­su­chun­gen. Die Span­ne, die Wol­ters durch sein um­fas­sen­des Wis­sen aus­brei­ten konn­te, war groß. Er be­han­del­te die my­ke­nisch-kre­ti­sche Kul­tur eben­so wie die Meis­ter­wer­ke der Klas­sik, den Hel­le­nis­mus des Ly­sipp und Pra­xi­te­les bis hin zu den Fres­ken von Pom­pe­ji. Re­li­gi­ons­ge­schicht­lich ar­bei­te­te er vor al­lem über den To­ten­kult und die my­thi­schen Bil­der auf Va­sen. Da­bei in­ter­es­sier­te er sich durch­aus auch für volks­tüm­li­che Vor­stel­lun­gen, die sich in Amu­let­ten wi­der­spie­gel­ten. Den An­stoß für sei­ne For­schun­gen lie­fer­te meist ein neu­er Fund oder ei­ne Be­ob­ach­tung an Be­kann­tem. Be­son­ders bei selt­sa­men und schwer­ver­ständ­li­chen Din­gen war Wol­ters in sei­nem Ele­ment. Für kom­ple­xe Pro­ble­me such­te er mit scharf­sin­ni­ger Kom­bi­na­ti­on aus ent­le­ge­ner Über­lie­fe­rung oder durch das Auf­stö­bern un­be­ach­te­ter bild­li­cher Quel­len ei­ne Lö­sung zu fin­den. Er dreh­te und wen­de­te das Ob­jekt in sei­ner Ein­zel­be­ob­ach­tung so lan­ge, bis es sei­ne Ge­heim­nis­se preis­gab und dar­aus all­ge­mei­ne Schluss­fol­ge­run­gen zu zie­hen wa­ren. Hin­ter die­ser Klein­ar­beit stand aber stets der gro­ße Zu­sam­men­hang der Ge­schich­te, Kunst und Re­li­gi­on. Wol­ters´ Be­rüh­rung mit dem grie­chi­schen Volks­tum sei­ner Zeit lie­fer­te ihm vie­le le­ben­di­ge Er­kennt­nis­se, die er in sei­ne For­schun­gen ein­flie­ßen ließ. 

Wie Wol­ters´ Vor­lie­be zum Klei­nen ge­schicht­li­che Be­deut­sam­keit her­vor­brin­gen konn­te, zeig­te sich in Men­i­di, ei­nem Dorf un­weit Athens. Dort wur­de ein Kup­pel­grab aus my­ke­ni­scher Zeit aus­ge­gra­ben. Ein un­an­sehn­li­cher, un­be­ach­te­ter Schutt­hau­fen aus Ton­scher­ben am Ein­gang des Gra­bes weck­te Wol­ters´ In­ter­es­se. Er ließ die Scher­ben ber­gen, rei­ni­gen und zu­sam­men­set­zen. Her­aus kam das In­stru­men­ta­ri­um ei­nes um­fäng­li­chen To­ten­kul­tes mit Wei­he­tä­fel­chen, Ton­schil­den, Op­fer­kan­nen und Scha­len. Der Fund deck­te die ge­sam­te ar­chai­sche Zeit (cir­ca 750-500 v. Chr.) ab. Über die­sen Zeit­raum al­so wur­de der in der zwei­ten Hälf­te des 1. Jahr­tau­sends hier be­stat­te­te my­ke­ni­sche Herr­scher un­un­ter­bro­chen als He­ros ver­ehrt. Da­mit konn­te ei­ne Kon­ti­nui­tät von gro­ßer his­to­ri­scher Be­deu­tung nach­ge­wie­sen wer­den. Nir­gend­wo sonst war ein Bin­de­glied zwi­schen der my­ke­nisch-ho­me­ri­schen Welt (17.-11. Jahr­hun­dert v. Chr.) und der grie­chi­schen Klas­sik (ab 480 v. Chr.) deut­li­cher do­ku­men­tiert. 

1900 wur­de Wol­ters als Or­di­na­ri­us für Klas­si­sche Ar­chäo­lo­gie an die Uni­ver­si­tät Würz­burg als Nach­fol­ger des 1899 ver­stor­be­nen Carl Sittl (ge­bo­ren 1863) be­ru­fen. Der Lehr­stuhl war ver­bun­den mit ei­nem viel­sei­ti­gen Mu­se­um, der Stif­tung Mar­tin von Wag­ners (1777-1858), der als Künst­ler, Ar­chäo­lo­ge und Kunst­agent für den baye­ri­schen Kö­nig Lud­wig I. (1786-1868) tä­tig ge­we­sen war. Die be­ste­hen­de Samm­lung wur­de durch die Schen­kung von Wag­ners er­heb­lich er­wei­tert und bil­de­te die Grund­la­ge für ei­nes der grö­ß­ten Uni­ver­si­täts­mu­se­en in Eu­ro­pa. Wol­ters wur­de durch die Über­nah­me des Lehr­stuh­les gleich­zei­tig Lei­ter des Mu­se­ums, das über ei­ne An­ti­ken­samm­lung, ei­ne Ge­mäl­de­ga­le­rie und ei­ne Gra­phi­sche Samm­lung ver­füg­te. Der In­halt er­streck­te sich von der Vor­ge­schich­te bis zur mo­der­nen Gra­phik. Kern­stück aber war die Samm­lung at­ti­scher Ke­ra­mik, aus der vor al­lem die „Würz­bur­ger Bry­gos­scha­le“, ein at­tisch-rot­fi­gu­ri­ger Ky­lix, welt­wei­te Be­rühmt­heit er­lang­te.

Wol­ters blieb acht Jah­re in Würz­burg. Da­bei ver­lang­te das Mu­se­um ei­nen er­heb­li­chen Teil sei­ner Auf­merk­sam­keit. Er fand ein un­säg­li­ches Cha­os vor. Es galt zu sich­ten, säu­bern, ord­nen und in­ven­ta­ri­sie­ren. Wol­ters be­stimm­te je­des Ob­jekt über den In­vent­ar­zweck hin­aus nach sei­ner ge­schicht­li­chen und sach­li­chen Be­deu­tung. Als er Würz­burg ver­ließ, war aus der Rum­pel­kam­mer ein wis­sen­schaft­li­ches In­stru­ment von Rang ge­wor­den, von dem nur die Ab­guss­samm­lung noch zu voll­enden war. 

1907 ver­starb Adolf Furt­wäng­ler (ge­bo­ren 1853) in Ae­gi­na, wo­mit der Lehr­stuhl für Klas­si­sche Ar­chäo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Mün­chen va­kant wur­de. Da­mit ver­bun­den war das eh­ren­amt­li­che Di­rek­to­rat des Mu­se­ums für Ab­güs­se Klas­si­scher Bild­wer­ke, des An­ti­qua­ri­ums und der Glyp­to­thek Mün­chen. Es war we­ni­ger Wol­ters´ Er­fah­rung mit ei­ner sol­chen Kom­bi­na­ti­on aus Würz­burg, die ihn für die­sen Pos­ten prä­des­ti­nier­te. Zu die­sem Zeit­punkt war er der me­tho­dischs­te Leh­rer und ge­lehr­tes­te For­scher auf dem Feld der Ar­chäo­lo­gie. So­mit war es fol­ge­rich­tig, dass die Wahl auf ihn fiel. So trat er 1908 die Nach­fol­ge Furt­wäng­lers in Mün­chen an. Wie ge­wohnt wid­me­te sich Wol­ters ne­ben sei­nen Stu­den­ten sei­nen Eh­ren­äm­tern. Auch hier in Mün­chen tat er sich durch die Ord­nung, den Aus­bau und die wis­sen­schaft­li­che Er­schlie­ßung der ihm un­ter­stell­ten Mu­se­en her­vor. Gleich­zei­tig ent­stand in die­ser Zeit - nach der Re­dak­ti­on von Frie­de­richs Buch - die zwei­te gro­ße Neu­be­ar­bei­tung, die mit dem Na­men Wol­ters ver­bun­den ist.

Adolf Furt­wäng­ler hat­te nach sei­ner Rück­kehr aus Grie­chen­land sei­ne Be­schrei­bung der Glyp­to­thek neu be­ar­bei­ten wol­len, was sein Tod ver­hin­dert hat­te. Nun war es an sei­nem Nach­fol­ger Wol­ters, das Werk zu voll­enden. Sei­nem We­sen ent­spre­chend ver­mied Wol­ters al­les, was sei­nen An­teil an der Ar­beit zu sehr in den Vor­der­grund ge­rückt hät­te. Furt­wäng­ler hat­te in sei­nem Hand­ex­em­plar schrift­li­che Be­mer­kun­gen hin­ter­las­sen, die va­ge er­ah­nen lie­ßen, wie er zu neu­en Mei­nun­gen oder neu­em Ma­te­ri­al stand. Wol­ters ließ in der wis­sen­schaft­li­chen Be­ur­tei­lung kei­ne Än­de­rung zu, die Furt­wäng­ler nicht be­ab­sich­tigt hät­te. Er füg­te le­dig­lich neu er­mit­tel­te Pro­ve­ni­en­zen, Li­te­ra­tur oder Re­pli­ken hin­zu und ließ vor al­lem die ägyp­ti­schen Tex­te nach neu­es­ten phi­lo­lo­gi­schen Er­kennt­nis­sen über­prü­fen. Um die Nutz­bar­keit des Füh­rers zu er­hö­hen, füg­te Wol­ters Ver­wei­se auf Hein­rich von Brunns (1822-1894) „Be­schrei­bung der Glyp­to­thek Kö­nig Lud­wig's I. zu Mün­chen“ von 1868 so­wie ein Re­gis­ter ein. Auf die­se Wei­se konn­te Wol­ters dem An­lie­gen Furt­wäng­lers, ein prak­ti­sches Hilfs­mit­tel auch für die Ein­füh­rung in die grie­chi­sche Kunst zu er­stel­len, ge­recht wer­den. Durch die Re­dak­ti­on von Wol­ters aus dem Jah­re 1910 wur­de die „Be­schrei­bun­g“ für Jahr­zehn­te der ma­ß­geb­li­che Ka­ta­log für die An­ti­ken in der Glyp­to­thek. 

1910 war auch das Jahr, in dem Wol­ters die Fort­füh­rung ei­nes wei­te­ren be­deu­ten­den Wer­kes über­nahm: Die Neu­be­ar­bei­tung der letz­ten drei Auf­la­gen der „Kunst des Al­ter­tum­s“ von An­ton Sprin­ger (1825-1891). Die­se führ­te er bis zur 12. Auf­la­ge im Jahr 1923 fort. 

Seit 1909 war er Mit­glied der Zen­t­ral­di­rek­ti­on des Deut­schen Ar­chäo­lo­gi­schen In­sti­tuts in ei­nem En­ge­ren Aus­schuss, des­sen Ba­sis 1914 durch die Be­ru­fung von Ver­tre­tern der Län­der er­wei­tert wur­de. Die­ser Aus­schuss hat­te die Auf­ga­be, bei der Vor­be­rei­tung al­ler or­ga­ni­sa­to­ri­schen Maß­nah­men und Un­ter­neh­mun­gen der Di­rek­ti­on be­ra­tend zur Sei­te zu ste­hen. Hier wog Wol­ters‘ Stim­me bis zu­letzt nicht nur durch die Fül­le sei­ner Kennt­nis­se, die lan­ge Er­fah­rung und sei­ne fast 50-jäh­ri­ge Ver­bun­den­heit mit dem In­sti­tut. Vor al­lem wenn es galt, in der Voll­ver­samm­lung ver­ant­wor­tungs­vol­le Plä­ne zu er­wä­gen oder schwie­ri­ge Per­so­na­li­en zu ent­schei­den, war Wol­ters´ wei­ses und ge­rech­tes Ab­wä­gen der Din­ge und Men­schen ge­fragt.

Paul Wol­ters er­hielt zahl­rei­che Aus­zeich­nun­gen: 1917 ver­lieh ihm der baye­ri­sche Kö­nig Lud­wig III. (Re­gent­schaft 1913-1918) den Ti­tel Kö­nig­lich Ge­hei­mer Hof­rat, 1926 der Frei­staat Bay­ern den Ti­tel Ge­hei­mer Rat. Er be­saß das Rit­ter­kreuz II. Klas­se mit Ei­chen­laub des Or­dens vom Zäh­rin­ger Lö­wen (1892), den Ös­ter­rei­chi­schen Or­den der Ei­ser­nen Kro­ne 3. Klas­se (1900), den Preu­ßi­schen Ro­ten Ad­ler­or­den 4. Klas­se, den Or­den vom Hei­li­gen Mi­cha­el 4. Klas­se (1909) und war Kom­man­deur des grie­chi­schen Er­lö­ser-Or­dens (1894).

Paul Wol­ters starb ein Jahr nach sei­ner Eme­ri­tie­rung am 21.10.1936 in Mün­chen und wur­de auf dem Al­ten Fried­hof in sei­ner Ge­burts­stadt Bonn be­stat­tet. 

Werke

De epi­gram­ma­tum grae­co­rum an­tho­lo­giis, Dis­ser­ta­ti­on Bonn 1882.
Die Gips­ab­güs­se an­ti­ker Bild­wer­ke in his­to­ri­scher Fol­ge er­klärt. Bau­stei­ne zur Ge­schich­te der grie­chisch-rö­mi­schen Plas­tik' Kö­nig­li­che Mu­se­en zu Ber­lin, von Carl Frie­de­richs, neu be­arb. von Paul Wol­ters, Ber­lin 1885.
Der West­gie­bel des olym­pi­schen Zeus­tem­pels (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-Phi­lo­lo­gi­sche und His­to­ri­sche Klas­se 1908, 7), Mün­chen 1908.
Die Kunst des Al­ter­tums (Hand­buch der Kunst­ge­schich­te 1), von An­ton Sprin­ger, be­arb. von Paul Wol­ters, 9.–12. Auf­la­ge, Leip­zig 1910–1922.
Füh­rer durch die K. Glyp­to­thek in Mün­chen, Mün­chen 1911, 1916, 1922, 1928, 1935.
Ägi­ne­ti­sche Bei­trä­ge I–III; vor­ge­tra­gen am 7. Mai 1910 und 8. Ju­ni 1912 (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-Phi­lo­lo­gi­sche und His­to­ri­sche Klas­se 1912, 5), Mün­chen 1912.
Der ge­flü­gel­te Se­her (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-Phi­lo­lo­gi­sche und His­to­ri­sche Klas­se 1928, 1), Mün­chen 1928.
Die Ta­fel von Tar­ra­go­na (Sit­zungs­be­rich­te der Baye­ri­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phisch-His­to­ri­sche Ab­tei­lung 1930, 6), Mün­chen 1930.
Das Ka­b­i­ren­hei­lig­tum bei The­ben, un­ter Mit­wir­kung meh­re­rer Fach­ge­nos­sen be­arb. von Paul Wol­ters; fer­tig­ge­stellt von Ger­da Bruns, Ber­lin 1940.
Frie­de­richs, Carl, Kö­nig­li­che Mu­se­en zu Ber­lin. Die Gips­ab­güs­se an­ti­ker Bild­wer­ke in his­to­ri­scher Fol­ge er­klärt. Bau­stei­ne zur Ge­schich­te der grie­chisch-rö­mi­schen Plas­tik, neu be­arb. von Paul Wol­ters, Ber­lin 1885 [zu­erst Düs­sel­dorf 1868].
Furt­wäng­ler, Adolf, Be­schrei­bung der Glyp­to­thek Kö­nig Lud­wig´s I. zu Mün­chen, 2. Auf­la­ge, be­sorgt von Paul Wol­ters, Mün­chen 1910. 

Festschrift

Fest­schrift Paul Wol­ters zum 70. Ge­burts­ta­ge, ge­wid­met vom Münch­ner Jahr­buch der bil­den­den Kunst, Mün­chen 1928. [Son­der­aus­ga­be von: Münch­ner Jahr­buch der Bil­den­den Kunst N.F. 5, 1928, Nr. 3].

Literatur

Bul­le, Hein­rich, Paul Wol­ters. Re­de zu sei­nem 70. Ge­burts­tag, in: Neue Jahr­bü­cher für Wis­sen­schaft und Ju­gend­bil­dung 4 (1928), S. 513-519.
Bul­le, Hein­rich, Paul Wol­ters †, in: Gno­mon 13 (1937), S. 57-60.
Goess­ler, Pe­ter, Wil­helm Dör­pfeld. Ein Le­ben für die An­ti­ke, Stutt­gart 1951.
Lul­lies, Rein­hard, Paul Wol­ters, in: Lul­lies, Rein­hard/Schier­ing, Wolf­gang (Hg.), Ar­chäo­lo­gen­bild­nis­se. Por­träts und Kurz­bio­gra­phi­en von Klas­si­schen Ar­chäo­lo­gen deut­scher Spra­che, Mainz 1988, S. 124-125. 

 
Zitationshinweis

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Kirschbaum, Markus, Paul Wolters, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-wolters/DE-2086/lido/5d2c86af1c6a41.30858481 (abgerufen am 13.01.2025)