Peter Franz Xaver Norrenberg

Katholischer Pfarrer, Sozialreformer, Lokalhistoriker, Literaturwissenschaftler (1847-1894)

Wolfgang Löhr (Mönchengladbach)

Peter Norrenberg, Porträtfoto.

Mit sei­nem 1875 ge­grün­de­ten Ar­bei­te­rin­nen­ver­ein ge­hör­te Pe­ter Franz Xa­ver Nor­ren­berg zu den Ers­ten, die sich mit den Pro­ble­men der Frau­en in der In­dus­trie­pro­duk­ti­on be­schäf­tig­ten, und mit sei­ner 1889 er­schie­ne­nen „Ge­schich­te der Pfar­rei­en des De­ka­na­tes M. Glad­bach“ wur­de er zu ei­nem der Weg­be­rei­ter ei­ner auf Pri­mär­quel­len be­ru­hen­den nie­der­rhei­ni­schen Kir­chen­ge­schich­te.

Über Nor­ren­bergs Ju­gend und Schul­zeit ist we­nig be­kannt. Ge­bo­ren wur­de er am 3.12.1847 in Köln. Am dor­ti­gen Mar­zel­len­gym­na­si­um mach­te er 1867 das Ab­itur. Als Re­li­gi­ons­leh­rer un­ter­rich­te­te dort Chris­ti­an Her­mann Vo­sen (1815-1870), der sich schon früh mit der So­zia­len Fra­ge be­schäf­tig­te, zu den Un­ter­stüt­zern des „Ge­sel­len­va­ter­s“ Adolf Kol­ping ge­hör­te, apo­lo­ge­ti­sche Bü­cher ver­fass­te und vie­le Ab­itu­ri­en­ten für den Pries­ter­be­ruf be­geis­ter­te, ver­mut­lich auch Nor­ren­berg. Nach dem Ab­itur stu­dier­te Nor­ren­berg Theo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bonn und zeich­ne­te sich be­son­ders aus, in­dem er zwei­mal (1868, 1869) die Preis­auf­ga­be der theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät  lös­te. 1870 be­zog er das Köl­ner Pries­ter­se­mi­nar und wur­de am 24.8.1871, noch nicht 25 Jah­re alt, zum Pries­ter ge­weiht. Da­nach wirk­te er 20 Jah­re als Ka­plan in Vier­sen, ehe er am 14.5.1891 zum Pfar­rer an St. Cle­mens in Süch­teln (heu­te Stadt Vier­sen) be­ru­fen wur­de. Ei­ne sol­che aus­ge­dehn­te Ka­plans­zeit war da­mals nichts Au­ßer­ge­wöhn­li­ches. An­de­re Ka­p­lä­ne in Vier­sen hat­ten eben­so lang oder noch län­ger war­ten müs­sen.

In Vier­sen wirk­te Nor­ren­berg ab 1871 nicht nur als Seel­sor­ger, son­dern auch bis 1876 als Leh­rer an der klei­nen, pri­va­ten ka­tho­li­schen Schu­le, an der die Schü­ler bis zur vier­ten Klas­se un­ter­rich­tet wur­den. Au­ßer­dem er­schie­nen be­reits 1873 sei­ne ers­ten sechs Pu­bli­ka­tio­nen, die nicht nur von sei­ner im­men­sen Krea­ti­vi­tät zeu­gen, son­dern auch von dem wei­ten Spek­trum sei­ner In­ter­es­sen: Da­mals ver­öf­fent­lich­te er ein von ihm ver­fass­tes Lust­spiel, in dem zwei Hand­werks­bur­schen ei­nen ver­letz­ten und aus­ge­raub­tem jü­di­schen Händ­ler ver­tei­di­gen, fer­ner ei­nen Über­blick über die ka­tho­li­sche Dich­tung sei­ner Zeit, die Über­set­zung ei­nes zeit­ge­nös­si­schen Ro­mans aus dem Eng­li­schen, ei­ne Un­ter­su­chung über das Köl­ner Li­te­ra­tur­le­ben im ers­ten Vier­tel des 16. Jahr­hun­derts, ei­ne über­wie­gend aus Quel­len des 18. Jahr­hun­derts ge­schöpf­te Ab­hand­lung über das „Cul­tur­le­ben“ Vier­sens und schlie­ß­lich die kom­men­tier­te Edi­ti­on des geist­li­chen Schau­spiels „Ho­mu­lus“ des Köl­ner Dru­ckers, Ver­le­gers und Schrift­stel­lers Jas­par von Gen­nep. Mit die­ser Ar­beit er­warb er an der Uni­ver­si­tät Ros­tock den Grad ei­nes Dok­tors der Phi­lo­so­phie, oh­ne dort je stu­diert zu ha­ben.

 

An­re­gun­gen zu sei­nen ers­ten his­to­ri­schen Ver­su­chen er­hielt Nor­ren­berg von dem Köl­ner Stadt­ar­chi­var Leo­nard En­nen (1820-1880), mit dem er die Wiss­be­gier an der All­tags­ge­schich­te und „das Ver­lan­gen nach den Ori­gi­na­len“ teil­te, wie er in sei­ner Un­ter­su­chung über das Köl­ner Li­te­ra­tur­le­ben schrieb. Der Rück­griff auf die je­weils äl­tes­ten Quel­len, wie ihn die Mo­nu­men­ta Ger­ma­niae His­to­ri­ca  pfleg­ten, blieb für ihn sein Le­ben lang obers­tes Ziel. Des­halb stand er auch in Kon­takt mit de­ren Prä­si­den­ten Ge­org Hein­rich Pertz (1795-1876). Fer­ner ge­hör­te Nor­ren­berg zum Freun­des­kreis um den Wach­ten­don­ker Pfar­rer Jo­seph Hu­bert Moo­ren, dem Mit­grün­der des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein und un­an­ge­foch­te­ner Au­to­ri­tät bei der Er­for­schung der Ver­gan­gen­heit die­ses Land­strichs.

Nor­ren­bergs Ar­bei­ten, der als His­to­ri­ker Au­to­di­dakt war, über Vier­sen, Dül­ken, Süch­teln und Gre­frath so­wie sei­ne De­ka­nats­ge­schich­te blie­ben trotz an­ge­streb­ter Quel­len­ge­nau­ig­keit oh­ne wis­sen­schaft­li­chen Ap­pa­rat. Man muss heu­te rät­seln, wo die ei­ne oder an­de­re Aus­sa­ge be­legt ist. An­de­rer­seits ver­sah er ei­ni­ge sei­ner Ab­hand­lun­gen mit Quel­len­an­hän­gen und schrieb da­zu die Vor­la­gen pa­läo­gra­phisch  ex­akt ab, ver­gaß aber auch da­bei oft ge­nug den Hin­weis, aus wel­chem Ar­chiv und vor al­lem aus wel­chem Be­stand das Schrift­stück stamm­te. Ei­ne Be­son­der­heit Nor­ren­bergs blieb die Ein­be­zie­hung der So­zi­al­ge­schich­te in sei­ne his­to­ri­schen Dar­stel­lun­gen von An­fang an. Er steht da­mit in ei­ner Rei­he mit sei­nem Kon­fra­ter Jo­han­nes Jans­sen (1829-1894), Pro­fes­sor am Städ­ti­schen Gym­na­si­um Frank­furt am Main, des­sen schlie­ß­lich auf acht Bän­de an­ge­wach­se­ne „Ge­schich­te des deut­schen Vol­kes seit dem Aus­gang des Mit­tel­al­ter­s“ seit 1878 er­schien.

Leonhard Ennen, Archivar und Historiker.

 

In den Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Preu­ßen und ka­tho­li­scher Kir­che, Kul­tur­kampf  ge­nannt, den Nor­ren­berg als jun­ger Ka­plan mit­er­leb­te, ver­such­te er sich neu­tral zu ver­hal­ten und wie sein Vier­sener Pfar­rer Franz Jo­seph Schrö­te­ler (1803-1879), der mit ihm die Be­geis­te­rung für die Ge­schich­te teil­te, sich nicht ge­gen den Staat zu stel­len und mit ihm fried­lich zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Folg­lich hielt er sich nach ei­ge­nen Wor­ten in Zei­ten, „wo das Volk zum Spiel­ball der Lei­den­schaf­ten von rechts und links her­ab­ge­wür­dig­t“ wür­de, po­li­tisch zu­rück, und un­ter­stütz­te die Zen­trums­par­tei nicht. 1871 lös­te der Sieg über Frank­reich bei ihm gro­ße Be­geis­te­rung aus. Er be­sang ihn in ei­nem Ge­dicht, das „in ei­nem nach­emp­fun­de­nen Nie­der­län­disch des 16. Jahr­hun­derts“ ab­ge­fasst ist und das er in sei­ner un­ter dem Pseud­onym Hans Zur­müh­len 1879 er­schie­ne­nen Samm­lung von 150 nie­der­rhei­ni­schen Volks­lie­dern ver­öf­fent­lich­te. Sein Ver­hält­nis zu Frank­reich war am­bi­va­lent. Der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on konn­te er et­was Gu­tes ab­ge­win­nen, weil sie man­ches Über­leb­tes aus­ge­rot­tet „und die Ge­füh­le der Frei­heit“ auch in den Deut­schen ge­weckt ha­be. Er warf den Fran­zo­sen aber vor, nach 1794 im Rhein­land „die ur­deut­sche Wur­zel aus­ge­ris­sen und frän­ki­scher Sit­te, frän­ki­schem Recht den Weg ge­öff­ne­t“ zu ha­ben. Nor­ren­bergs Ziel hieß Rück­kehr zur deut­schen Ei­gen­art.

1874, auf dem Gip­fel des Kul­tur­kampfs, hielt er in Vier­sen - für ei­nen ka­tho­li­schen Geist­li­chen ganz un­ge­wöhn­lich - die Re­de zum Se­dans­tag, die er mit ei­nem Hoch auf das Deut­sche Reich ab­schloss. Die li­be­ra­le „Kre­fel­der Zei­tun­g“ lob­te die Fei­er als „ein er­folg­rei­ches Zu­sam­men­le­ben bei­der Kon­fes­sio­nen“, an dem Nor­ren­berg ge­le­gen war. Er trug auch die wäh­rend des Kul­tur­kampfs ent­stan­de­ne si­mul­ta­ne Bür­ger­schu­le mit, über­nahm 1879 die Stel­le des Lo­kal­schul­in­spek­tors und wur­de we­gen sei­ner in den Au­gen der staat­li­chen Ver­wal­tung pol­ti­schen Zu­ver­läs­sig­keit für ei­ne Dom­her­ren­stel­le in Köln emp­foh­len. Doch er blieb schwer ein­zu­schät­zen. Das geht aus ei­nem 1881 ab­ge­fass­ten Be­richt des Glad­ba­cher Land­rats To­nio Bö­di­ker (1843-1907) an den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten in Düs­sel­dorf her­vor. Der Vier­sener Ka­plan wür­de „na­ment­lich von sei­nen ihm nä­her ste­hen­den Stan­des­ge­nos­sen“ vor­ge­wor­fen, auf der ei­nen Sei­te äu­ße­re er sich „in li­be­ra­lem Sin­ne“, auf der an­de­rer schrei­be er „in ul­tra­mon­ta­nen Blät­tern“. Sein Stand­punkt gel­te als „schwan­ken­d“, und man ver­däch­ti­ge ihn “des Stre­ber­tum­s“. Sei­ner so­zia­len An­teil­nah­me zol­le man frei­lich „all­ge­mei­ne An­er­ken­nun­g“.

Als jun­ger Mann be­zeich­ne­te Nor­ren­berg sich selbst als „frei­sin­ni­gen Ka­tho­li­ken“ und ver­öf­fent­lich­te 1876 ei­ne an­onym er­schie­ne­ne Schrift mit dem Ti­tel „Cur non“, in der er sich zur „Frei­heit der Wis­sen­schaf­ten“ be­kann­te, die Zi­vil­ehe be­für­wor­te­te und für ei­ne stren­ge Tren­nung von Staat und Kir­che ein­trat. Die­se von der ka­tho­li­schen Mehr­heits­mei­nung ab­wei­chen­de Hal­tung hielt er nicht lan­ge durch. Auch sei­ne of­fe­ne Ab­leh­nung des weit­ver­brei­ten­den des An­ti­se­mi­tis­mus wan­del­te sich bei der Be­ur­tei­lung Hein­rich Hei­nes, den er 1875 noch lob­te, ehe er ihn 1884 ras­sis­tisch an­griff. Aber sonst äu­ßer­te er sich nicht an­ti­se­mi­tisch und ver­ur­teil­te 1882 das Kreuz­zugs­po­grom von 1096 in Worms un­miss­ver­ständ­lich.  

Joseph H. Morren, katholischer Pfarrer und Kirchenhistoriker.

 

1875 nahm er sich den aus Groß­bri­tan­ni­en nach Vier­sen ge­hol­ten Fa­brik­ar­bei­te­rin­nen an, die un­ter men­schen­un­wür­di­gen Ver­hält­nis­sen le­ben muss­ten, und wie es da­mals hieß, „in ih­rer Ver­wahr­lo­sung und Hei­mat­lo­sig­keit oft ver­ka­men.“ Ein Jahr spä­ter grün­de­te er ei­nen ka­tho­li­schen Ar­bei­te­rin­nen­ver­ein, des­sen Prä­ses er wur­de .1877 konn­te er für sie ein ei­ge­nes Heim er­wer­ben, wo die jun­gen Frau­en Nä­hen, Bü­geln und Ko­chen lern­ten. Sein Ein­satz für die Ar­bei­te­rin­nen fand viel Bei­fall. Als be­son­de­re Aus­zeich­nung emp­fand er den per­sön­li­chen Dank des Reichs­kanz­lers Ot­to von Bis­marck (1815-1898).

Über die Tä­tig­keit sei­nes Ar­bei­te­rin­nen­ver­eins schrieb er Jah­res­be­rich­te, die er ver­öf­fent­lich­te. Der zwei­te aus dem Jahr 1877 ent­hielt ei­ne Ein­lei­tung über die „christ­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on der Frau­en­ar­beit“, die viel be­ach­tet wur­de und so­gar in Lüt­tich ei­ne fran­zö­si­sche Über­set­zung er­fuhr. 1880 kam sein Werk über die Ge­schich­te der Frau­en­ar­beit her­aus. Dar­in schlug er ei­nen wei­ten Bo­gen, der von der Zeit der Ger­ma­nen bis zur Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on reich­te. Nor­ren­berg war da­von über­zeugt, die Kir­che sei be­auf­tragt zur „re­li­giö­sen, sitt­li­chen und ma­te­ri­el­len He­bung des Ar­bei­ter­stan­des“ und kön­ne „im Geis­te der christ­li­chen Cha­ri­tas, die wei­te­re Ge­bie­te als das Al­mo­sen“ um­fas­se, „die An­nä­he­rung von Ca­pi­tal und Ar­beit und da­mit den so­cia­len Frie­den“ an­bah­nen. Das war un­ver­kenn­bar ei­ne „Ab­sa­ge an den mar­xis­tisch-so­zia­lis­ti­schen Klas­sen­be­grif­f“ mit dem Ziel, die Ar­bei­ter zu ver­bür­ger­li­chen.[1] 1881 fass­te er sei­ne Er­fah­run­gen als Prä­ses in ei­nem „Hand­büch­lein zur Grün­dung und Lei­tung von Ar­bei­te­rin­nen­ver­ei­nen“ zu­sam­men. Schon ein Jahr zu­vor, 1880, ge­hör­te Nor­ren­berg zu den Mit­be­grün­dern des „Ver­bands ka­tho­li­scher In­dus­tri­el­ler und Ar­bei­ter­freun­de“, der auch als „Ar­bei­ter­wohl“ fir­mier­te, ein „pro­gram­ma­ti­scher Kurz­ti­tel“[2], der fest­hielt, was die Mit­glie­der be­ab­sich­tig­ten: prak­ti­sche Vor­schlä­ge zur Ver­bes­se­rung der La­ge der Ar­bei­ter, oh­ne die be­ste­hen­de Wirt­schafts­ord­nung in Fra­ge zu stel­len. Ge­ne­ral­se­kre­tär wur­de der spä­ter be­kann­te So­zi­al­po­li­ti­ker der Zen­trums­par­tei Franz Hit­ze (1851-1921) und Vor­sit­zen­der der Mön­chen­glad­ba­cher Tex­til­fa­bri­kant Franz Brandts. Für ihn schrieb Nor­ren­berg die „sitt­li­chen Be­stim­mun­gen“, die des­sen 1881 ver­öf­fent­lich­ten Fa­bri­k­ord­nung vor­aus­gin­gen. Hit­ze und Brandts hat­ten sei­ne Vor­la­ge ein we­nig ent­schärft, weil sie ih­nen zu pa­ter­na­lis­tisch er­schien. Auch Nor­ren­bergs zu­ge­spitz­te Pa­ro­le „Al­les für den Ar­bei­ter, aber mit und durch den Fa­brik­her­ren“ ha­ben sie sich nicht zu ei­gen ge­macht. Als sie 1891 den „Volks­ver­ein für das ka­tho­li­sche Deutsch­land “ ins Le­ben rie­fen, der sich die Eman­zi­pa­ti­on der Ar­bei­ter und ihr Mün­dig­wer­den zur Auf­ga­be mach­te und in Mön­chen­glad­bach sei­nen Sitz nahm, war Nor­ren­berg, in­zwi­schen Pfar­rer im na­he­ge­le­ge­nen Süch­teln, nicht un­ter den Grün­dungs­vä­tern.

Be­reits als Ka­plan för­der­te Nor­ren­berg das Ver­eins­thea­ter, in dem er Mit­tel zur Ver­bes­se­rung des Bil­dungstands der Ar­bei­ter und Ar­bei­te­rin­nen sah. Er schrieb selbst Stü­cke – zu­letzt 1894 als Pfar­rer in Süch­teln ein Fest­spiel über die hei­li­ge Irm­gar­dis – und gab ei­ne Samm­lung von Thea­ter­stü­cken für Ge­sel­len­ver­ei­ne her­aus. „An­spruch auf dich­te­ri­schen Ruhm hat er nie er­ho­ben“[3], schrieb aber ein gut les­ba­res Deutsch. Auch sei­ne drei­bän­di­ge Li­te­ra­tur­ge­schich­te ist oh­ne wis­sen­schaft­li­che Am­bi­tio­nen und be­zweck­te nicht wie bis­her üb­lich, „Waf­fen ge­gen die über­lie­fer­ten An­schau­un­gen“ zu lie­fern, son­dern be­wusst das Ge­gen­teil. Sie dien­te folg­lich der Apo­lo­ge­tik.

Noch be­vor Nor­ren­berg Pfar­rer von Süch­teln wur­de, trenn­te er sich von ei­ni­gen frü­her ver­tre­te­nen An­sich­ten. Den „Pro­tes­tan­tis­mus als Gan­zes“ sah er in sei­ner 1889 er­schie­ne­nen De­ka­nats­ge­schich­te „nur als stö­ren­des Ele­ment, als po­si­ti­ves, schaf­fen­des Ge­bil­de“ sei „er nir­gends er­faß­bar.“ Durch die von ihm ver­ur­sach­te Kir­chen­spal­tung mach­te ihn Nor­ren­berg, der „re­li­giö­se Emp­fin­dun­gen“ zwar nicht be­wusst ver­let­zen woll­te, mit­ver­ant­wort­lich für die schwie­ri­ge Be­ant­wor­tung der So­zia­len Fra­ge, die nur „auf dem Bo­den der christ­li­chen Ge­sell­schaf­t­ord­nun­g“ zu lö­sen sei. In der „Si­mul­ta­ni­si­rung des hö­he­ren Schul­we­sen­s“ sah er jetzt „ei­nen Krebs­scha­den am so­cia­len Kör­per“ sei­ner Zeit. Die „Grö­ße“ der Na­ti­on, die ihm im­mer noch stark am Her­zen lag, und ih­re „Welt­stel­lun­g“ sei­en auf Dau­er „nur mög­lich im An­schluss an den Stuhl Pe­tri“. Das ist der Ver­such Na­tio­na­lis­mus mit Ul­tra­mon­ta­nis­mus zu ver­ei­nen. Den „Staats­so­cia­lis­mus“ – für ihn ei­ne „Ver­schwis­te­rung von Bu­re­au­kra­tie und Com­mu­nis­mus“ – lehn­te er ab, be­für­wor­te­te aber den auf dem Na­tur­recht  be­ru­hen­den „Ar­bei­ter­schut­z“. In Süch­teln un­ter­stütz­te er die Zen­trums­par­tei und be­kämpf­te den dor­ti­gen in­ter­kon­fes­sio­nel­len „Va­ter­län­di­schen Frau­en­ver­ein“, den er für ein Pro­dukt des Li­be­ra­lis­mus  hielt, der schlim­mer sei als die So­zi­al­de­mo­kra­tie. Statt­des­sen grün­de­te er ei­nen ka­tho­li­schen „Eli­sa­be­then­ver­ein“.

Trotz sei­ner re­gen pu­bli­zis­ti­schen Tä­tig­keit ver­nach­läs­sig­te Nor­ren­berg sei­ne Pflich­ten als Seel­sor­ger nicht. „Im Beicht­stuhl, auf der Kan­zel, im Be­such der Kran­ken, Ar­men und Not­h­lei­den­den war er un­er­müd­li­ch“, hei­ßt es in sei­nem To­ten­zet­tel, der auch „sei­ne Sor­ge für die Schu­le“ und die För­de­rung der „be­ste­hen­den christ­lich-so­cia­len Ver­ei­ne“ her­vor­hebt.

Am 29. 5.1894 ist er in Rhön­dorf (heu­te Stadt Bad Hon­nef) an ei­nem Schlag­an­fall plötz­lich im Al­ter von 46 Jah­ren ge­stor­ben, nach­dem er noch mor­gens die Mes­se ge­le­sen hat­te. Die Voll­endung des von ihm be­gon­ne­nen Baus ei­nes ka­tho­li­schen Ver­eins­hau­ses hat er nicht mehr er­lebt. Be­gra­ben wur­de er auf dem Süch­tel­ner Fried­hof. Sei­ne Grab­stät­te hat sich er­hal­ten.

Werke (Auswahl)

Hans Grund­mann oder des Ge­nies Mal­heur und Glück. Dra­ma­ti­sche No­vel­let­te aus dem Hand­werks­le­ben, Pa­der­born 1873. [On­line]
Deutsch­lands ka­tho­li­sche Dich­tung der Ge­gen­wart 1847-1873, Müns­ter 1873. [On­line]
Das Köl­ni­sche Li­te­ra­tur­le­ben des 16. Jahr­hun­derts, Leip­zig 1873. [On­line]
Aus dem al­ten Vier­sen. Ein Bei­trag zur Cul­tur­ge­schich­te des Nie­der­rheins, Vier­sen 1873, un­ver­än­der­ter Nach­druck Vier­sen 1962. 
Chro­nik der Stadt Dül­ken. Ih­re Ge­schich­te und ihr Volks­le­ben, Vier­sen u.a. 1874. [On­line]
Ge­schich­te der Stadt Süch­teln, Vier­sen 1874. [On­line]
Ge­schich­te der Herr­lich­keit Gre­frath, Vier­sen 1875. [On­line]
Des Dül­ke­ner Fied­lers Lie­der­buch (un­ter Pseud­onym Dr. Hans Zur­müh­len), Vier­sen 1875, Neu­druck mit Sing­wei­sen hg. v. Ernst Klu­sen, Kre­feld 1962. [On­line]
Cur non, Vier­sen 1876.
Die Di­let­tan­ten­büh­ne. Ei­ne Samm­lung von leicht auf­führ­ba­ren Thea­ter­stü­cken für Ge­sel­len­ver­ei­ne und ähn­li­che Cor­po­ra­tio­nen, 7. Hef­te, Düs­sel­dorf 1877-1880.
Frau­en-Ar­beit und Ar­bei­te­rin­nen-Er­zie­hung in deut­scher Vor­zeit, Köln 1880.

Literatur

Böh­ne, Mar­cus, Pa­ter­na­lis­ti­sche Ar­bei­ter-Für­sor­ge und be­gin­nen­de Eman­zi­pa­ti­on. Franz Hit­ze und die Ar­bei­ter­bil­dung des Ver­ban­des ′Ar­bei­ter­wohl′, in: Ga­bri­el, Karl/Gro­ße Kracht, Her­mann-Jo­sef (Hg.), Franz Hit­ze (1851-1921. So­zi­al­po­li­tik und So­zi­al­re­form, Pa­der­born [u.a.] 2006, S. 91-105.
Dol­de­rer, Win­fried, Um Spra­che und Volks­tum, in: Koll, Jo­hann (Hg.), Na­tio­na­le Be­we­gung in Bel­gi­en: ein his­to­ri­scher Über­blick, Müns­ter 2005. S. 155-176, hier S. 167.
Föhl, Hil­de­gard, Pe­ter Nor­ren­berg als Schrift­stel­ler, in: Hei­mat­buch des Grenz­krei­ses Kem­pen-Kre­feld 13 (1962), S. 213-216[mit aus­führ­li­chem Werk­ver­zeich­nis].
Föh­les, Eleo­no­re, Kul­tur­kampf und ka­tho­li­sche Kir­che 1866-1890 in den nie­der­rhei­ni­schen Krei­sen Kem­pen, Gel­dern und der Stadt Vier­sen, Vier­sen 1995.
He­gel, Edu­ard, Das Erz­bis­tum Köln zwi­schen der Re­stau­ra­ti­on de­s­19. Jahr­hun­derts und der Re­stau­ra­ti­on des 20. Jahr­hun­derts (1815-1962) (Ge­schich­te des Erz­bis­tums Köln 5), Köln 1987.
Klin­ken­berg, Jo­sef (Hg.), Das Mar­zel­len­gym­na­si­um in Köln 1450-1922. Bil­der aus sei­ner Ge­schich­te, Köln 1911.
Klin­ken­berg, Nor­bert, So­zia­ler Ka­tho­li­zis­mus in Mön­chen­glad­bach, Mön­chen­glad­bach 1981, S. 140-144, 152.
Kre­mers, Eli­sa­beth, Pfar­rer Pe­ter Nor­ren­berg ge­gen den va­ter­län­di­schen Frau­en­ver­ein, in: Hei­mat­buch des Krei­ses Vier­sen 38 (1987), S. 142-144.
Löhr, Wolf­gang, Die Ein­füh­rung von Pe­ter Nor­ren­berg als Pfar­rer von Süch­teln, in: Hei­mat­buch des Krei­ses Vier­sen 29 (1978), S. 105-110.
Löhr, Wolf­gang, Pe­ter Nor­ren­berg (1847-1894), in: Hei­mat­buch des Krei­ses Vier­sen 52 (2001), S. 47-52.
Löhr, Wolf­gang, „Ein Man­gel an Ent­wick­lung. Pe­ter Nor­ren­berg (1847-1894) und die ka­tho­li­sche Dich­tung sei­ner Zeit, in: Hei­mat­buch des Krei­ses Vier­sen 67 (2016), S. 137-152.
Löhr, Wolf­gang, Ein viel­sei­ti­ges Ta­lent. Der ka­tho­li­sche Pries­ter Pe­ter Nor­ren­berg, in: An­na­len des His­to­ri­schen Ver­eins für den Nie­der­rhein 223 (2020), S. 195-218.  
Loh­mann, Fried­rich Wil­helm, Ge­schich­te der Stadt Vier­sen, Vier­sen 1913, S. 828-829, 845, 876.

Liederbuch Peter Norrenbergs, veröffentlicht unter dem Synonym Hans Zurmühlen, 1875.

 
Zitationshinweis

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Löhr, Wolfgang, Peter Franz Xaver Norrenberg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peter-franz-xaver-norrenberg/DE-2086/lido/57c95573263077.11508691 (abgerufen am 09.12.2024)